Kitabı oku: «Eine Reise ins Nichts»
Rahek
Eine Reise ins Nichts
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Richtung Süden
Florenz
Richtung Norden
Dresden
Potsdam
Naumburg
Briesen
Zugfahrt
Vereinigungszeit
Baden Baden
Erfurt
Hamburg
Kreuzfahrt
Auf hoher See
Kairo
Ägypten
Im innerin der Welt
Ende
Nachtrag
Impressum neobooks
Richtung Süden
Sollte der geneigte Leser keinen Sinn für Erotik, für Humor und Geschichte haben, dann sollte er dieses Buch sofort entsorgen. Ich könnte empfehlen, das Buch schnell zu verschenken, aber Menschen ohne Spaß an Erotik, ohne Humor und ohne das Interesse an Geschichte, haben gewöhnlich keine Freunde, denen sie das Buch schenken könnten. Also sollten sie es einfach entsorgen, ohne auch nur das Buch durchzublättern. Lesen sie etwas anderes! Für den kleinen Rest meiner Leserschaft wünsche ich ein spannendes und anregendes Vergnügen.
RAHEK
Vorfreude
Gustav liebte es seine Umgebung zu verwirren. Es machte ihm Vergnügen in ein langweiliges Wespennest zu stochern bis es summte und wirbelte und wenn ein Völkchen von Schläfrigkeit und Selbstzufriedenheit auf Abwehr und Kampf umschaltete, dann blühte Gustav auf. Unruhestifter nannten ihn die Leute. Chaot und Anarchist! Dabei war Gustav ein liebenswerter Mensch, geradezu ein kleiner Humanist und Komiker. Aber er provozierte gerne Chaos, wenn die Welt um ihn herum in Langeweile erstickte. Die Menschen neigen immer zur Antriebslosigkeit, wenn ihnen kein Antrieb gegeben wird. Nun, Gustav konnte Antrieb geben. Hin und wieder schoss er über das Ziel hinaus und dann verwirrte sein Antrieb, statt zu treiben. Irritationen zu schaffen, blieb aber eine Option und seine eigentliche Motivation war Neugier. Er hatte schon so viele Dinge erlebt. Da war es normal, dass manchmal ein paar Situationen schief liefen. „Nur wer gar nichts macht, vermeidet Fehler!“, war seine Devise. Gustav liebte Bücher, die über die Geschichte der Menschen, über die Geheimnisse des Lebens berichten. Sein Wissensdrang war unersättlich. Tagelang konnte er mit Büchern allein verbringen. Aber ein Langweiler war er absolut nicht und natürlich unterlag auch Gustav Irritationen. All zu oft ließ er sich selber verwirren und ins seelische Chaos treiben. Und genau davon lebt seine Geschichte.
Es war so ein herrlicher Frühlingstag. Voller wohliger Gefühle. Vergessen war der zähe Winter mit dem nassen Wechsel der dunklen Jahreszeiten. Nun lag die Blütenpracht auf den Wiesen und die Luft war geschwängert mit Millionen Tonnen von Pollen und Düften. So verschwenderisch konnte die Natur sein, so üppig und anmaßend. Noch vor wenigen Wochen verharrte alles in Kältestarre, tat so, als ob nie wieder Leben in die Welt kommen könnte. Jeder Tropfen Wasser in den Seen und Bächen war gefroren. Die Erde war steif wie Beton und Grabesstille herrschte über das kalte Land. Doch jetzt summten Insekten durch die Lüfte, Vögel sangen zur Paarung und alle Gewässer plätscherten munter durch eine frische Landschaft.
Gustav atmete tief durch und ließ die Sonne genüsslich über seine Haut gleiten. Auch er begann wieder neu zu leben. Kein Wunder, dachte er, dass die Norweger und Grönländer an Depressionen und Selbstmord leiden. Der Mensch sollte nicht in Finsternis und Kälte leben. Schließlich stammt der Mensch aus dem sonnigen Afrika und irgendwie haben wir alle dort unseren Ursprung. Und es ist auch kein Wunder, dass der Neandertaler in seiner Eiszeitlandschaft ausgestorben ist. Kälte und Finsternis sind keine menschlichen Lebensimpulse. Der Mensch ist ein Sternenkind und unser Stern ist die Sonne.
Man konnte die Frühlingsgefühle der Mitmenschen förmlich riechen. Sein kleines märkisches Dorf schien zu lachen und zu singen. Vielleicht machte auch nur das außergewöhnliche Wetter die Leute verrückt. Gustav ging es nicht anders und ständig ertappte er sich dabei, wie er sich selber streichelte. Schon schauten die Leute ihn ungläubig an.
„Na, Gustav, alles wieder frisch im Schritt?“, riefen sie schon aus einiger Entfernung. Verlegen versuchte Gustav so zu tun, als streife er sich nur Pollen aus der Kleidung. Das wirkte dann noch merkwürdiger.
Und trotzdem blieb er in reiner Hochstimmung, vielleicht auch nur, weil er sich streichelte. Der Hauptgrund war aber der, dass sich Gustav zu einem Abenteuer durchgerungen hatte. Bestimmt lag es an dem Wetter. Dieser verdammte Frühling! Jedenfalls hatte Gustav beschlossen mit einer Freundin in den Süden zu reisen. Verrückte Idee! Die Freundin war jünger als er und dann auch noch hübsch und sexy. Sie waren befreundet, aber auch nicht mehr. Sie hatten noch nie miteinander! Ramona vereitelte jede noch so kleine Gelegenheit seit Jahren. Gustav hatte geglaubt, dass eine Reise mit ihr in den Süden ihn vom Freunde zum Geliebten mache. Naja, Männer denken halt so.
Der Plan war eigentlich gar nicht schlecht: Gemeinsam für viele Tage auf Reisen und romantische Orte und gemeinsame Zimmer. Ein Gläschen Wein und noch ein Gläschen Wein und ein kitschiger Sonnenuntergang. Das wäre perfekt.
Und seine Freundin hatte sogar zugesagt. Wenn da nicht etwas in dieser frühlingsweichen Luft lag! Er musste jetzt nur aufhören sich ständig selber zu streicheln. In panischer Vorfreude stieg er ins Auto, um seine Freundin abzuholen. Auf in das Abenteuer!
Ramona hatte schon gewartet. Ihren Koffer hatte sie mehrmals ein und ausgepackt, bis er endlich zuging. Sie war sich nicht sicher, welche Garderobe geeigneter war. Leicht und aufreizend oder bedeckt und züchtig? Warum hatte sie nur zugesagt? Diese Reise mit Gustav würde sicherlich zu einem Fiasko! Sie wusste, dass es für Gustav eine bedeutungsvolle Beziehungsreise werden sollte. Irgendwie hatte Ramona aber auch Lust auf ein kleines Abenteuer und die Frühlingsluft ließ ihre Paarungsbereitschaft aufleben. Aber Gustav war seit Jahren ihr Freund und Freunde und Sex gehörten einfach nicht zusammen.
Nun war es zu spät.
Vor ihrem Haus fuhr Gustav mit seinem Kleinwagen vor. Panik befiel ihr zartes Gemüt. Nervös streichelte er sich selbst. Gustav stieg aus dem Wagen und er hatte Mühe gerade zu laufen. Er war völlig neben sich. Diese gemeinsame Reise war eine verrückte Idee. Und so standen sich beide in purer Panik gegenüber und versuchten ein unverfängliches Lächeln zu verschenken.
„Hallo Ramona, alles bereit für unsere Reise?“, fragte Gustav mit einer gewissen Säuselstimme. In seinen Beinen vermisste er jedes Gefühl.
„Hallo, Gustav, es ist auch ein schöner Tag.“, wisperte sie und beide drückten sich, wie sie es immer machten.
Richtung Süden – Alpengefühle
Dann ging die Reise los und sie plauderten von ganz belanglosen Dingen wie Krankheiten und blöde Nachbarn. Gustav fühlte sich riesig und hätte er einen Hut aufgehabt, wäre er Indianer Jones. Sie saßen beide tatsächlich in einem Auto und fuhren gemeinsam in den Urlaub. Unglaublich!
Sie kannten sich schon einige Jahre und irgendwie mochten sie sich gegenseitig. Doch niemals zuvor waren sie in einer Situation geraten, die mit Sex endete. Gustav war in sexuellen Dingen zwar erfahren, wusste wann er Aufwand in seinem Werbungstanz benötigte oder wann er einfach und mühelos zum Zuge kam. Er wusste, dass es bei manchen Frauen wenig Sinn machte viel Energie zu investieren und er zog sich dann auch schnell zurück, ohne peinlich zu sein. Trotzdem reagierte Ramona nie auf seine Körperlichkeit. Oh ja, er konnte mit Frauen gut umgehen und wenn er nur wollte, dann war er ein ganz „cooler Typ“.
Aber bei Ramona war das kompliziert.
Auf der einen Seite hatte er immer das Gefühl, dass sie mehr verbindet als Freundschaft und auf der anderen Seite gab sie ihm nie eine echte Gelegenheit, um sich ins Zeug zu legen. Bei dieser Reise in den Süden würden zahlreiche Gelegenheiten kommen, da war sich Gustav sicher. Er musste nur seine Ängste unterdrücken und aufhören sich selber zu streicheln.
Ramona konnte ihre Panik auch etwas eindämmen. Nach und nach beruhigte sie sich.
„Was soll’s!“, dachte sie. Schließlich waren sie langjährige Freunde und sie hatte auch keine Versprechungen gemacht. Beide hatten keine feste Partnerschaft und gemeinsam in den Süden zu reisen, war unter Freunden eine ganz normale Sache. Normalität vertreibt jeden Skrupel und jede Panik. Nur ihre Namen entsprachen nicht der Normalität. Ramona und Gustav. So nennen Eltern ihre Kinder nicht, wenn es sich um Wunschkinder handelt. Man könnte glauben, dass sie uralte Leute wären. Doch tatsächlich befanden sie sich im mittleren Alter. Zu alt und erfahren, um naiv und peinlich durch das Leben zu schleudern, aber noch jung genug, um eigene Familien zu gründen.
Kurz, als Blumen standen beide in kräftiger Blüte.
Während der ersten Stunden passierte nicht viel. Doch dann drückte Gustav's Blase. Dieser verdammte Kaffee. Doch er traute sich nicht anzuhalten, um auf die Toilette zu rennen. „Coole Typen“ machten solche Dinge nicht. Auf der anderen Seite sah es auch nicht cool aus, wenn er auf seinem Fahrersitz hin und her zappelte. Um davon abzulenken, drehte er die Musik ein wenig lauter. So konnte er im Takt schwingen. Doch Gustav merkte schnell, dass rhythmische Bewegungen die Blase nicht entlasteten. Langsam schmerzten seine Nieren und Tränen trübten seinen Blick. Verdammt, normalerweise müssen Frauen doch ständig auf Toilette.
Sein Harndrang nahm krampfartige Züge an und die Schmerzen wurden unerträglich. Er musste handeln!
„Ich fahre jetzt mal auf einen Rastplatz, denn eine kleine Kaffeepause wäre doch ganz gut, oder?“
Ramona nickte nur beifällig und so steuerte Gustav erleichtert und mit Übergeschwindigkeit die nächste Raststelle an. Eile war geboten.
Ramona war froh, denn sie musste ganz dringend pinkeln. Sie fragte sich ernsthaft, warum Männer niemals pinkeln müssen, wenn sie verreisen.
Der Rasthof war nicht besonders groß und nicht übermäßig voll.
Gustav pinkelte mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Dann wischte er sich die Tränen ab und dankte Gott und der Klofrau gleichermaßen.
Eine halbe Stunde später war auch Ramona von der Toilette zurück. „Warum Frauen immer so viel Zeit auf Toilette verbringen?“, überlegte er. Selbst wenn Gustav beim Pinkeln die Hose runterließ und sich setzte, dauerte es nur unwesendlich länger als am Stehbecken. Er wartete geduldig auf seine Begleiterin und führte sie zu einem Ecktisch am Rande der Raststätte.
„Magst du einen kleinen Imbiss oder etwas Süßes zwischendurch, mein kleiner Hasenpups?“, fragte er höflich in leichter Hochstimmung.
Gustav verwendete oft unglaubliche Kosenamen für Ramona, obwohl sie gar kein Paar waren. Meist reagierte sie nicht einmal darauf. Und eigentlich mochte sie keine Kosenamen, egal wie witzig sie auch waren.
Und „
Hasenpups
“, nachdem sie von der Toilette kam, war völlig unpassend.
„Hör zu, Gustav! Lass diese blöden Kosenamen stecken. Ich heiße Ramona und damit ist es auch gut!“
Sie sagte es mit weit mehr Zorn, als sie es beabsichtigt hatte.
Gustav blieb kurzzeitig der Mund offen und die Stimmung drohte zu kippen.
„Ich wollte nur witzig sein. Musst ja nicht gleich so sauer reagieren, Raaamooona.“, sagte er.
„Nun gut, dann möchte ich einen Burger mit Hackfleisch und Käse und bitte einen Saft.“, entgegnete sie. Gleich hatte Gustav noch schlechtere Laune. Mürrisch lief er durch die Raststätte.
„Sie ist eine launische Zicke und jetzt will sie auch noch einen Hamburger.“, murmelte er vor sich her und stellte sich in die Warteschlange.
„Nein, Burger gibt es an der Selbstbedienung. Hier gibt es nur richtiges Essen.“, sagte die strenge Verkäuferin und noch schlechter gelaunt ging er durch die Selbstbedienungsregale und suchte nach Hamburger.
Gustav aß niemals solche mit Zucker durchtränkte Brötchenpampe mit minderwertigem Fleischersatz. Er hasste Fastfood jeglicher Art und er war sogar stolz darauf. Nach einem Burger zu fragen, empfand er als Demütigung, als hätte er nach dem Weg fragen müssen. Unglaublich, wie sehr er sich nun erniedrigte. Das machte er jetzt auch nur für seine Ramona, seinen kleinen Hasenpups.
Er fand endlich eine Verpackung mit der Kennzeichnung „
Burger
“ und wurde nun unsicher, denn der Hamburger war kalt und schwammig.
„Sie müssen den Burger dort drüben in die Mikrowelle legen, auf den grünen Knopf drücken und dann wird er heiß und fettig.“, erklärte ein junges Mädchen, als Gustav Hilfe suchend alle Leute ansprach, als wäre er von einem fremden Stern. Er ging also zum Zubereitungsschrank der Automatenwand im Selbstbedienungsabteil der kleinen Raststätte.
„Auf einer Raststätte sollte man rasten und nicht kreative Bastel- und Kochkurse ablegen müssen.“, schimpfte er.
Gustav schob nun das weiche Päckchen mit dem Burger in das aufklappbare Fach und drückte den grünen Knopf.
Dann lief heißer und schwarzer Kaffee in das Fach, über den kalten Burger und anschließend auf dem Boden.
„Das ist der Kaffeeautomat, Sie Idiot!“, rief das junge Mädchen durch die Raststätte. Um Gustav herum brach Gelächter aus und die Bedienung kam zornig mit Wischlappen und Eimer angerannt.
„Hat er die Mikrowelle mit dem Kaffeeautomaten verwechselt?“, fragte ein junger Mann, der ungläubig daneben stand. Das junge Mädchen nickte und verschränkte ihre Arme im Stile einer erbosten Lehrerin.
Um halbwegs gestärkt aus dieser Szene herauszukommen, straffte Gustav seine Schultern, reckte sein Kinn hervor und sagte mit lauter und fester Stimme:
„Das tut dem Hamburger aber gut und warm ist er jetzt auch!“
Dann drehte er sich um und verließ das Chaos, als wäre er Sieger einer großen Schlacht. Doch hinter jedem Kriegsheld steht immer auch eine Frau und als sich Gustav umdrehte, stand Ramona mit offenem Mund vor ihm.
„Was tust du da, Gustav? Und was ist das für eine riesige Schweinerei?“, fragte sie misstrauisch.
Schnell packte er sie und drängte hinaus.
„So ein mieser Laden. Stell dir vor, als ich einen Kaffee nehmen wollte, hatte doch so ein Idiot den Kaffeeautomaten mit der Mikrowelle verwechselt und statt einem Becher legte er Essen darunter. Und deinen Burger hatten die auch nicht frisch, sondern nur abgepacktes Zeug. Das wollte ich dir nicht zumuten. Vielleicht halten wir später an einer besseren Raststätte.“, stöhnte er hechelnd.
Als sie wieder im Auto saßen, schaute Ramona immer noch ungläubig zu Gustav. Sie hätte fast gedacht, dass er selbst das Chaos am Kaffeeautomaten verursacht hatte, doch war sie sich jetzt nicht mehr sicher. So ein Trottel konnte ihr Freund doch nicht sein.
Gustav umfasste fest sein Lenkrad und vermied jeden Sichtkontakt.
Unglaublich peinlich war das. Nur gut, dass seine Ramona es nicht komplett gesehen hatte. Außerdem kann so etwas schon mal passieren.
Also holte er tief Luft und sagte im Tonfall eines Schullehrers:
„Was für ein Idiot, der statt die Mikrowelle den Kaffeeautomaten betätigt. Vielleicht hatte er auch schon ein Würstchen oder gar einen Burger hineingelegt?“
Und dann lachte Ramona laut los und wollte sich nicht beruhigen.
„Das geht ja gut los!“, murmelte Gustav vor sich hin und dann ertappte er sich, wie er sich wieder selber streichelte.
Die Berge der Alpen rahmten jetzt die Landschaft und streiften die Wolken am Himmel. Hübsche kleine Ortschaften lagen am Weg und immer wieder erreichten sie malerische Ausblicke. Gustav hatte ein niedliches Hotel gebucht, um für eine Nacht Station zu machen. Der Weg war das Ziel! Sie fanden auch das verträumte Bergdorf mit seinem Hotel.
„Sehr hübsch, mein lieber Gustav. Ein traumhaftes Gasthaus in einer wunderschönen Landschaft.“, schwärmte sie.
Ramona war sichtlich verzückt.
Gustav hingegen war sichtlich stolz wie ein Gemsbock. Und erregt war er auch wie ein Gemsbock in der Brunft, denn bald würden sie beide in einem Bettchen liegen und Dummheiten machen.
Als sie ihre Namen und Adressen in der kleinen Rezeption eintrugen, schüttelte die Wirtin mit dem Kopf.
„Sie sind nicht verheiratet?“, fragte sie streng.
Nun schüttelte Ramona ihren Kopf und Gustav lief rot an, …am Kopf.
„Dann können Sie hier kein Doppelzimmer bekommen, denn das geht absolut nicht.“, entschied sie und Gustav schnaufte.
„Hören Sie, gnädige Frau, wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Auch wenn es in Ihrem Dorf noch nicht üblich ist, für die restliche Welt gilt, dass es nicht nur Ehepaare bis ins Doppelbett schaffen. Also geben Sie uns das reservierte Zimmer und Danke für Ihren Hinweis.“, entgegnete er entnervt.
Ramona wurde dieses Gespräch sehr unangenehm, denn sie hatte über die Art der Zimmer nicht nachgedacht. Gustav aber hatte ganz in seiner weitsichtigen Absicht ein Doppelzimmer bestellt und nicht, weil es billiger war.
Die alte Wirtin ließ sich aber nicht beirren.
„Sie können zwei Einzelzimmer haben, nebeneinander oder es tut uns leid. Dann müssen Sie sich ein Stundenhotel in der Stadt nehmen, meine Herrschaften.“, sagte sie ziemlich pikiert. Gustav überlegte kurz, ob ein Stundenhotel nicht auch ginge. Hauptsache er lag mit Ramona in einem Bett, doch ein Stundenhotel klang vom Namen her schon schlüpfrig. Da machte Ramona bestimmt nicht mit.
„Hier im Dorf dürfen noch Bruder und Schwester miteinander Kinder zeugen und die Wirtin unterstellt uns zweideutige Absichten. Einfach lächerlich!“, raunte Gustav entmutigt seiner Begleiterin zu.
Und zweideutige Absichten hatte Gustav wirklich nicht, denn er wollte ganz eindeutig mit Ramona in die Kiste.
Nun trug er ihren Koffer in das eine Zimmer und sein trauriges Herz in das andere Zimmer. Verdammte Bergvölker!
Ramona beteuerte, dass es doch egal sei und es wären ja auch hübsche Zimmer. Doch ihm war es nicht egal und er dachte darüber nach, dass es vielleicht dieser Unterschied in ihren Erwartungen sei, wenn es mit ihnen nicht klappen sollte.
Ramona waren angeblich solche elementaren Dinge immer egal. Dabei waren die Umstände, ob sie sich ein Bett teilten oder getrennte Räume benächtigten von unglaublicher Wichtigkeit.
Gemeinsam in einem Bett ersparte nicht nur die aufwendige Schamoffensive im fremden Zimmer, sondern stellte enge Vertraulichkeiten automatisch her. Wenn er sie dann nachts im „Halbschlaf“ abtastete und streichelte, konnte sie im schlimmsten Falle seine freche Hand zurückweisen. In ihrem eigenen Schlafzimmer konnte sie ihn aber hochanständig rauswerfen, was in einem gemeinsamen Bett schlecht ginge. Also war es nicht egal!
Ramona benahm sich immer wie ein Zwitterwesen, was jenseits von Sex und Lust lebte. Tiefer konnte seine Stimmung nicht sinken.
Er musste eine neue Taktik finden und anwenden und seinen schönen Plan erst mal verwerfen.
Nachdem Gustav ihren Koffer abgestellt hatte und das Nebenzimmer aufsuchte, setzte sich Ramona erschöpft aufs Bett. Sie öffnete ihr Gepäck und wühlte in ihrer Wäsche, um passende Kleidung zu finden.
Gustav machte einen genervten Eindruck. Er tat ihr ein wenig leid und er hatte sicherlich von einem Doppelzimmer mit ihr geträumt. Es war wohl nicht sein Tag. Erst der Burger im Kaffeeautomaten und jetzt noch die getrennten Zimmer.
Ramona streifte sich die Kleidung ab und ging unter die Dusche.
Das warme Wasser belebte ihren mädchenhaften Körper, der sie optisch viel jünger machte, als sie war. Ihre Fältchen im Gesicht konnte sie nicht mehr verbergen. Trotzdem! Sie besaß eine verführerische Figur. Kleine und feste Brüste, einen runden Hintern und einen schlanken und fettlosen Bauch mit einer Zierde von Bauchnabel. Nein, sie war zufrieden mit ihrem Äußeren und fühlte sich wohl. Und sie spielte gern mit ihrem Körper, kannte die Stellen genau, die ihre Lust weckten. Ramona lebte allein und war nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Und als das warme Wasser so angenehm ihre Haut umspülte, verdrängte sie die Gedanken an Gustav. Mit ihrem Bedürfnis nach Entspannung führte sie ihre Hände sehnsüchtig zwischen ihre Schenkel. Alles um sie herum tauchte in ein warmes, wohliges und feuchtes Universum.
Nur wenige Meter entfernt, getrennt durch eine dünne Alpenzimmerwand, stand Gustav in seinem Bad. Enttäuscht blickte er in den Spiegel. Verdammte Falten! Ohne sie würde er noch als Student durchgehen. Wenigstens hatte er eine anständige Figur. Er trieb immer Sport und war sein ganzes Leben lang ein „
zäher Hund
“. Doch wenn er ehrlich war, dann hatte sein Alter deutliche Spuren hinterlassen. Die Haut war nicht mehr so straff wie in seiner Jugend.
Es dauerte manchmal über eine Stunde, bis seine Schlaffalten verschwanden. Die Furchen in seinem Gesicht verschwanden hingegen nicht mehr. Jeder alte Reifen hatte tiefe Riefen im Profil und das wusste Gustav.
Was soll’s! Er hatte ein erfülltes Leben voller Aufregung und Abenteuer hinter sich und selbst jetzt sah er weit jünger aus als seine Altersgenossen. Doch gegen das schleichende Alter half nichts. Kein Sport, keine Kosmetik und keine Modebekleidung konnten den Altersprozess aufhalten. Dieser Jugendwahn nagte an seinem Stolz.
Er zog seine Sachen aus und wandte sich ab von dem gnadenlosen Spiegel. Gustav betrachtete sich nie nackt im Spiegel, auch dann nicht, wenn er Körperpflege betrieb. So ein Spiegel soll schmeicheln und nicht Realitäten vermitteln.
Er zog eine Flasche Whisky aus dem Gepäck. Das Etikett vermittelte stolz: „Schottisch herb und 18 Jahre im Eichenfass gelagert.“
Er goss sich ein Glas ein und betrachtete es ehrfürchtig. Vor solch einem Getränk zeigte er immer Demut und Respekt, roch genüsslich daran und nahm einen herzhaften Schluck. Rauchiger Torf brannte seine Kehle hinunter und unweigerlich stöhnte er vor Wonne. Junger Whisky war scheiße und umso älter die Sorte, desto teurer und begehrter war er.
Es sollte bei Menschen auch so sein. Aber Gustav war kein Whisky.
Mit einem neuen Glas ging er in die Dusche und drehte heißes Wasser auf. Dann dachte er an Ramona und ihren mädchenhaften Leib, bis er seiner Erregung selber nachgab. Jeder Muskel war in Spannung und sein Herz raste bei den Gedanken an Ramona. Er wusste, wie sie nackt aussah, hatte all ihre Reize im Kopf sicher abgespeichert. Ramona!
Es dauerte auch nur kurze Zeit, bis er seinen Samen im Duschabfluss entließ. Die ganze Spannung des Tages fiel von ihm.
„Das galt zwar jetzt nicht als Sex mit Ramona, war aber auch schön und entspannend.“, sinnierte Gustav, als er sich abtrocknete.
Nachdem er sich angekleidet hatte, ging er zu ihr ins Nachbarzimmer.
Sie stand vor ihrem Koffer und sortierte Sachen. Auch sie war angekleidet und duftete nach frischer Dusche und sie sah entspannt und zufrieden aus. Er ging zu ihr und küsste zärtlich ihre freie Schulter. Sie lächelte und sah zauberhaft aus.
Weder Ramona noch Gustav ahnten, dass sie beide gleichzeitig unter der Dusche kurz zuvor einen Höhepunkt hatten.
Nur eine dünne Alpenzimmerwand hatte sie getrennt.
Verdammte Wirtin!
Das Alpendorf war weit verträumter, als es ihnen recht war. Nur ein einziges Restaurant gab es im Ort und das war eine Art Dorfkneipe für das einfache Bergvolk.
Ramona und Gustav setzten sich etwas abseits der Einheimischen, die sie misstrauisch anschauten. Der Schankwirt war ziemlich raubeinig und mächtig im Umfang. Sein rechtes Augenlid hing etwas schlaff über dem Augapfel und eigentlich sah er mehr einem Piraten ähnlich als einem Alpenwirt. Die Sprache war noch einheimischer als das Inventar und Ramona und Gustav verstanden kaum ein Wort.
„Das kommt davon, wenn über Generationen Schwester und Bruder die Nachkommen zeugen.“, grinste Gustav seiner Ramona ins Ohr.
Manchmal konnte er wirklich witzig sein.
Es gab salzige Hausmannskost, kräftiges Bier und Erdnüsse. Hin und wieder griff Gustav verwegen ihre Hände. Dann empfahl der Piratenwirt einen einheimischen Pflaumenbrand und beide griffen zu. Dadurch konnte er nur lockerer werden und Ramona würde vielleicht etwas hemmungsloser, so sie doch noch in einem Bett landeten.
Und tatsächlich bewirkte der Schnaps eine ausgelassene Stimmung.
Die anderen Gäste im Wirtshaus setzten sich nach und nach an ihren Tisch und erzählten Geschichten der rauen Bergwelt. So wurde die Atmosphäre immer alberner und Gustav spürte den Pflaumenbrand im Blut zirkulieren. Seine Sprache wurde blumiger.
Ramona war als einzige Frau die Minderheit im Raum. Sie war jedoch auch kein Kind von Traurigkeit und versetzte sich in bester Stimmung.
Nun wurden auch noch Witze erzählt, anfangs harmlos und eher niedlich. Man scherzte und lachte und trank „
Pfläumchen
“.
Wurde ein neues Glas eingeschenkt, dann riefen alle gemeinsam:
„Prosit, mein Pfläumchen!“
Und die Männer zwinkerten fröhlich Ramona zu.
Das war ein wenig anrüchig, aber die Stimmung blieb ausgelassen, auch dann noch, als Gustav seine Begleiterin mit „
Hasenpups
“ betitelte.
Zwar war es Ramona unangenehm, dass Gustav wieder so blöde Kosenamen verwendete, doch es war eine so gesellige Runde.
Und hatte er anfangs maßvoll getrunken, kippte er jetzt zahllose Gläser in sich hinein. Gustav wollte mutiger werden. Angetrunken wie er war, konnte er nicht ahnen und schon gar nicht fühlen, dass seine Witze immer zotiger wurden und seine Hände immer hemmungsloser auf Ramonas Schenkel klatschten. Er war so richtig in Hochform und sie versuchte noch immer die Form zu wahren.
Dann erzählte Gustav seinen besten Witz:
„
Treffen sich zwei Pfläumchen an einer Bar.
Sagt die eine Pflaume: Irgendwas riecht hier nach Sperma.
Sagt die andere Pflaume: Tut mir leid, ich habe nur kurz aufgestoßen und ein Bäuerchen gemacht.
“
Lautes Gelächter und Schenkelklopfer.
Gustav lachte so ungehemmt, als hörte er den Witz zum ersten Mal. Ramona lächelte, um nicht prüde zu wirken.
„Alois, mein Freund!“, rief Gustav dem Schankwirt lautstark zu, der aber dicht neben ihm saß, „Noch eine Runde Pfläumchen und ich hoffe, dass mein Hasenpups danach kein Bäuerchen machen muss!“
Aus dem Lachen wurde Gegröle, doch Ramona reichte es.
„Du kannst gerne mit deinen neuen Freunden weitermachen, Gustav, aber ich gehe jetzt!“
Wütend warf sie dem verdatterten Gustav einen wirklich bösen Blick zu.
Ihr Blick war so finster, dass jedes Gelächter erstickte.
„Aber Ramona, dass war doch nur ein kleiner Scherz!“, stammelte Gustav, doch Ramona hatte bereits die Wirtschaft wutentbrannt verlassen. Schniefend rannte sie allein zum kleinen Alpenhotel.
Als Gustav später im Hotel ankam, klopfte er zaghaft an ihre Tür. Doch kein Laut kam aus ihrem Zimmer und enttäuscht ging er ins Bett.
Nur eine dünne Alpenzimmerwand von Ramona entfernt.
Und Ramona war stinke sauer und sie war froh, dass sie getrennte Betten hatten und jeder sein eigenes Zimmer. Ihre Tränen sah man nicht und die Alpenzimmerwände sorgten dafür, dass es so blieb.
Gustav wusste, dass er wieder einmal Mist gebaut hatte. Der Morgen danach war stets ein Tribunal. Er kannte die moralische Stimme in seinem schweren Kopf.
„Was hast du gestern Abend getan?“, fragte seine innere Richterstimme.
„Ich hatte zu viel Alkohol und wollte ja nur einen Witz machen:“, war seine haltlose Verteidigung, die schwach und hilflos erschien.
„Geh, und entschuldige dich bei ihr und mache so etwas nie, nie wieder!“, lautete sein innerlicher Richterspruch.
Wie ein geprügelter Hund setzte er sich im Frühstücksraum zu ihr. Sie blickte immer noch finster und sie war beleidigt.
„Es tut mir so leid, Ramona, ich habe zu viel getrunken und ich wollte dich nicht beleidigen. Ich bin ein bisschen verliebt in dich und ich bin ein Idiot.“
Ramona schlürfte ihren Kaffee, ohne auch nur einen Blick auf Gustav zu verschwenden.
„Ja, du bist ein Idiot! Bei deiner nächsten sexistischen Beleidigung fahre ich zurück und wir sind getrennte Leute!“, sagte sie.
Gustav nickte betroffen. Er war so ohne Appetit.
Damit war das Gespräch beendet und wenig später machten sie sich schweigsam auf den Weg in Richtung Süden.