Kitabı oku: «Eine Reise ins Nichts», sayfa 3
Er wollte sie berühren, seine Arme um sie legen und sie nie mehr loslassen, aber sein Traum ließ es nicht zu.
„Geh morgen nicht allein!“, hauchte sie in sein Herz.
Dann verblasste der kurze Traum und endete ohne Rückkehr.
Gustav erwachte.
Ihr Hotel besaß ein kleines, aber gepflegtes Restaurant und Ramona wartete schon mit dem Frühstück. Obwohl sein Traum nur kurz war, schwirrte er noch immer verwirrend in seinen Gedanken.
„
Geh nicht allein!
“, hallte es in seinem Kopf. Verstehen konnte er es nicht.
„Ich würde mich freuen, wenn du mich zum Buchhändler begleitest. Anschließend lade ich dich zu einem Vormittagsgläschen roten Weines ein.“, sagte er liebenswürdig zu Ramona.
„Für 400 Euro sollte es mehr als nur ein Gläschen sein!“, lachte sie und der gestrige Abend war irgendwie verflüchtigt.
„Hast du noch etwas Interessantes gefunden oder gibst du dein Buch kampflos zurück?“, fragte sie weiter. Gustav schüttelte nachdenklich seinen Kopf. Nein, er sollte alles zurückgeben.
Etwas später schlenderten beide durch die Labyrinthe der Innenstadt. Inzwischen kannten sie sich etwas aus und weil es ein phantastisches Wetter war, wollten sie die knapp 5 Kilometer gemütlich laufen. Gustav hatte sein Buch im Rucksack verstaut und hatte seine Hände frei, um ab und zu Ramona anzufassen und zu berühren.
„Hast du, kleiner Hasenpups, keine Hemmungen schon am Vormittag die 400 Euro mit Wein zu versaufen?“, fragte er im neckischen Tonfall.
„Wenn es sein muss, dann betrinke ich mich auch zum Frühstück! Wärst du nicht so ein Geizhals, könnte jeder Vormittag schön sein!“, entgegnete sie und gab Gustav keck einen herzhaften Klaps auf den Hintern. Das machte sie sonst nie!
Lachend zog er sie an sich heran und küsste sie flink.
„Nachdem ich das Buch zurückgegeben und das Geld habe, mache ich dich betrunken, mein kleiner Hasenpups. Dann bist du endlich willenlos und verführbar!“, gab Gustav zurück und kniff ihr übermütig in ihren süßen Po. Es gab absolut keine Zweifel, denn für die vielen Passanten waren sie ein frisch verliebtes Pärchen. Ramona und Gustav hätten das natürlich anders gesehen.
Unbekümmert alberten sie die Straßen entlang.
„Wir kommen gleich ins Touristengebiet. Benehmen wir uns dann?“, fragte sie schelmisch.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Ich bin ein seriöser Mann mit viel Würde.“, entgegnete er lachend.
„Apropos Würde! Würdest du bitte deine Hand von meinem Hintern nehmen? Das sieht nicht sehr seriös aus.“, sagte sie mit erhobener Nase.
„Du hattest zuerst deine Hand an meinem unschuldigen Arsch!“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Beide sahen sich lauernd an wie spielende Welpen. Ramona grinste frech.
Immer wenn sie das tat, steckte sie ein wenig ihre Zungenspitze raus. Vermutlich bemerkte sie es nicht einmal, aber es passierte regelmäßig. Und nur, wenn sie leicht hinterhältig und mit geschlossenem Mund lachte. Gustav erkannte dadurch immer, wenn sie frech und spitz eine beiläufige Situation für sich beurteilte. Bei keinem anderen Menschen hatte er so etwas beobachtet. Nie hatte er gesehen, dass jemand beim Grinsen seine Zungenspitze flüchtig durch die Lippen stieß. So gern hätte er es fotografiert, aber es war eine so spontane Situation, dass sie nicht nachgestellt werden konnte. Für ihn hätte sie immer so herum laufen können mit herausgestreckter Zungenspitze, denn es stand ihr ausgezeichnet. Und in diesem Zustand war die Macht mit ihr. Manchmal überlegte er, ob er sich nur darum in sie verliebte, weil sie mit der kleinen Zungenspitze wirklich süß aussah.
Am Buchladen angekommen, stutzten sie.
Gestern war es ein anderer Anblick. Alles an diesem Laden war anders! Die schwere Ladentür war verschlossen. Der alte Buchhändler war nicht zu sehen. Das ganze Haus sah verlassen aus.
Gustav schaute auf seine Uhr, aber es war bereits nach 10 Uhr.
Im gegenüberliegenden Straßencafe fragten sie beim Personal nach.
„Das Geschäft ist schon seit Jahren verschlossen. Früher war dort eine wunderschöne Buchhandlung mit großem Antiquariat. Doch eines Tages fand man den armen Rigonaldos. Er wurde grausam ermordet und die Polizei konnte niemals herausfinden, wer diese Tat begangen hatte und warum. Rigonaldos hatte keine Nachkommen und keine Erben und so blieb das Geschäft versiegelt und geschlossen. Schade, denn damals kamen viele Buchliebhaber hierher und belebten das Viertel.“, berichtete der Inhaber des Cafes.
Ramona kräuselte ihre Stirnfalten und schaute fragend zu Gustav.
„Wir waren doch erst gestern dort …“, stammelte sie, doch Gustav schnitt ihr das Wort ab. Irgendetwas stimmte nicht!
Freundlich bedankte er sich für die Auskunft und zog Ramona mit sich fort.
„Ramona, hast du gesehen, dass die Eingangstür der Bücherei ein altes Polizeisiegel hatte? Es war ungebrochen! Und die Fenster waren verdreckt von innen, als wären tatsächlich seit 20 Jahren keine Menschen im Haus gewesen. Gestern sah es hier anders aus! Ich war drinnen und ich habe wirklich das Buch gekauft. Gestern war es ein offenes und fast normales Geschäft! Entweder haben sich hier alle gegen uns verschworen, oder wir sind beide über Nacht verrückt geworden, wahrscheinlich weil wir noch keinen Sex hatten. Allein das macht mich schon ziemlich verrückt!“, raunte er ihr laut zu.
Gustav holte tief Luft. Er war innerlich ziemlich aufgewühlt.
„Vielleicht bist du ja wirklich irre geworden!“, entgegnete Ramona aufgeregt, „Doch ich bin normal und ich sehe auch, dass hier etwas nicht stimmt. Sollen wir zur Polizei? Wir haben das Buch und den Brief und wir müssen herausfinden, was hier läuft!“
„Nicht zur Polizei! Die sperren auch dich in die geschlossene Anstalt, wenn du unsere Geschichte erzählst. Dann kann uns niemand mehr helfen. Wir brauchen einfach mehr Informationen. Lass uns erst einmal aus diesem Viertel heraus und uns ein ruhiges Restaurant suchen, um nachzudenken.“, erwiderte er. Ramona war einverstanden.
Gustav hatte sich wieder ein wenig beruhigt und eilig suchten sie nach einem geeigneten Ort, der abseits lag.
Endlich fanden sie ein winziges Restaurant und einen Tisch, der einsam genug stand. Gleich kam eine freundliche Kellnerin und stellte zuvorkommend eine große Flasche Wasser und zwei Gläser auf den Tisch.
„Wir wollen uns nicht waschen, sondern wir haben Durst!“, bemerkte Ramona spitzfindig und wandte sich fordernd an Gustav.
„Denke nicht, dass ich jetzt keinen Wein mehr möchte. Los, ich trinke erst ein kühles Bier und danach einen Rotwein.“, befahl Ramona.
Gustav liebte sie dafür.
Ähnlich wie er, achtete Ramona selten auf die Etikette. Die freundliche Kellnerin sah etwas beleidigt aus. Sie überlegte, ob und wie sie Ramona waschen sollte.
Zügig bestellte Gustav zwei Bier und eine Flasche Wein, gleichzeitig, …
„…und ja, auch für die Dame ein Bier.“
Ramona atmete erleichtert durch.
„So, mein Gustav, was soll das mit diesem Buch und dem verstorbenen Händler, dem lebenden Händler und seinem Brief? Hast du wirklich nichts Ungewöhnliches am oder im Buch entdeckt?“
Gustav kramte in seinem Gedächtnis und schüttelte enttäuscht den Kopf.
Das Bier kam und auch der Wein. Beide tranken ihre Biere in einem Zug aus. Gustav zündete sich eine Zigarette an. Er konnte sich dabei auch körperlich entspannen. Ramona mochte keine Zigaretten, aber bei Gustav störte es sie nicht.
„Wir gehen ins Internet und suchen nach dem Buch und der Buchhandlung. Irgendwas werden wir finden und vielleicht auch Antworten.“, schlug sie entschlossen vor. Er verzog sein Gesicht.
„Das Internet ist ein eigenes Universum, unendlich weit und unendlich voll gepackt mit menschlichem Geistesgut. Und so, wie sich im unendlichen Universum die kleinen Planeten verlieren, so verliert sich auch die Wahrheit im Internet.“
Ramona grinste, als sie Gustav zuhörte.
„Ja, mein kleiner Philosoph, aber im Internet finden sich trotzdem Wahrheiten. Man muss nur wissen wonach und wo man sucht und wir beide wissen genau wonach.“, sagte sie und dann hob sie ihren Zeigefinger und raunte in mystischer Tonlage:
„Mordsache Rigonaldos“.
Die Flasche Wein hatten sie schnell geleert und eilten zum Hotel zurück.
Ihr Zimmer war mit einem Internetcomputer ausgestattet und sofort gingen sie ans Werk. Tatsächlich fand Ramona auf Anhieb die lokalen Nachrichtenseiten und zwei Klicks weiter fand sie die Meldung von „
Rigonaldos
tragischem Ende“
.
„Ich übernehme die Übersetzungen in Italienisch und Latein, du bist dafür für Englisch, Französisch und Weibisch zuständig.“, sagte Gustav und lächelte Ramona mit breitem Grinsen an. Dann las er die Meldungen und erklärte:
„Rigonaldos fanden sie vor 23 Jahren. Tot in seinem Buchladen. Wenn ich das hier richtig lese, dann wurde er enthauptet. Nichts wurde gestohlen und es fanden sich keinerlei auswertbaren Spuren. Immerhin befanden sich eine reich gefüllte Ladenkasse und sogar alter Schmuck im Geschäft. Rigonaldos hatte wirklich keine Erben, nicht einmal eine Haushälterin. Da er das Geschäft als alleiniger Eigentümer besaß, versiegelte man kurzerhand das Haus. Erst wenn das Gebäude eingefallen ist, darf die Stadt das Grundstück neu benutzen. Kann aber wohl noch ein paar Jahre dauern. Außer den Mord gab es offensichtlich nichts Erwähnenswertes im Leben des Rigonaldos. Über die Bücher kein Wort.“
Ramona sah fragend Gustav an.
„Das hilft uns nicht weiter, verdammtes Internet!“, fluchte sie. Dann tippte sie wild auf die Tastatur. Auch der Buchtitel „
Chronik der Weltgeschichte
“ brachte keine neuen Erkenntnisse.
Inzwischen war es dunkel geworden und der Abend begann.
Müde und enttäuscht gaben beide die Internetsuche auf.
Vielleicht hatten sie gestern nur eine andere Wahrnehmung, vielleicht waren sie einfach nur in einem anderen Geschäft. Vielleicht war Rigonaldos ein häufiger Name für einen Buchhändler und vielleicht war alles nur eine Verwechslung.
Aber eigentlich waren es zu viele „
Vielleicht
“.
Eine schlüssige Antwort war einfach nicht zu finden.
Oder waren sie krank und litten an geistiger Verwirrung? Das war undenkbar!
Gustav war nie ernsthaft krank gewesen. Nur einmal ging er in den letzten Jahren zum Arzt. Er hatte Nierensteine, weil er beim einsamen Studium eines neuen Fachgebietes in seiner Bibliothek nicht ausreichend getrunken hatte. Die Geschichte der Kulturpflanzen hatte Gustav dermaßen beansprucht, dass er das Trinken einfach vergessen hatte. Prompt bildeten sich Nierensteine, die sich schmerzhaft festsetzten. Das war vor zwei Jahren. In seiner Not suchte er einen Urologen auf. Der Arzt war furchtbar nett und verordnete regelmäßiges Saufen. Ob das Bier dabei warm oder kalt wäre, spielte keine Rolle. Gustav war dankbar. Vielleicht sollte er öfter zum Arzt gehen. Doch der nette Urologe verlangte anschließend, dass Gustav seine Hose herunter ließ. Er sei inzwischen in einem Alter, wo man auch zur Vorsorge untersuchen müsste. Gustav gehorchte brav und als er noch überlegte, warum zur Vorsorge er die Hose heruntergelassen soll, verschwand der nette Urologe hinter seinem Rücken. Flink streifte der sich einen dünnen Gummihandschuh über, tauchte seinen Zeigefinger in einen Bottich mit Gleitmittel und steckte ihn bis zum Anschlag in Gustavs Hintern. Mit einem kräftigen „
Flutsch
“ fühlte sich Gustav irgendwie in seinem inneren Zentrum gestört und schrie entsetzt auf.
„Ganz locker! Bin schon fertig!“, erwiderte der nette Urologe.
„Aber doch nicht von hinten und ohne Ankündigung!“, wimmerte Gustav.
„Brauchen Sie dafür etwa ein Vorspiel?“
Gustav zog schnell seine Hose wieder hoch und war beschämt. Der nette Urologe schmunzelte und verkündete freundlich, dass die Prostata in Ordnung sei und Gustav sollte regelmäßig in seine Sprechstunde kommen.
„Immerhin sind Sie in einem gewissen Alter.“, erklärte der Doktor routiniert. Schweigsam verließ Gustav die Praxis des netten Urologen. Sein Hintern fühlte sich ziemlich entweiht an und beim Laufen flutschte es noch etwas, weil noch eine Menge Gleitmittel zwischen den Pobacken und im Anus haftete.
Seit diesem Erlebnis wollte Gustav nie wieder einen Arzt aufsuchen und dabei blieb er. Außerdem war er nicht krank und Ramona machte auch einen überaus gesunden Eindruck.
„Morgen sind wir klüger!“, beendete Gustav die abenteuerlichen Überlegungen.
Erschöpft und ziemlich hungrig gingen sie ins Bistro auf der gegenüberliegenden Seite des Hotels. Ramona verputzte einen riesigen Meeresfrüchtesalat, um sich anschließend auf ein saftiges Steak zu stürzen. Gustav bestellte zusätzlich Knoblauchkartoffeln, einen Teller Schafskäse mit Oliven und Tintenfisch. Beim Rotwein hielten sich beide nicht zurück und schnell wurden sie wieder heiter im Gemüt.
„Wirst du wirklich verrückt, weil du mit mir noch keinen Sex hattest, du wollüstiger Irrer?“, fragte Ramona, nachdem der Tisch abgeräumt wurde.
Gustav schoss die Schamesröte ins Gesicht. Er hatte an seinen kleinen Ausbruch vor dem alten Buchladen keine weiteren Gedanken mehr verschwendet. Verdammte Emotionen!
„Du weißt, dass ich verrückt bin, …nach dir.“, entgegnete er fast schüchtern.
Ramona kicherte wie ein kleines Schulmädchen, antwortete jedoch nichts Entsprechendes. Gustav hätte ihr auch sagen können, dass er sie liebte und sie begehrte, dass sie eine aufreizende Figur besaß und sie hübsch sei. Aber er hätte auch sagen wollen, dass sie sich nicht so prüde anstellen sollte und sich gefälligst auf Sex mit ihm einlassen könnte. Doch Gustav wollte nicht mit ihr streiten.
Sie sah bezaubernd aus, erst recht mit ihren roten Bäckchen, für die der Rotwein sorgte und so schenkte er ihr ein süßes, trauriges Lächeln.
Sie würden auch an diesem Abend getrennt schlafen.
Als er später allein in seinem Zimmer saß und wieder in dem Buch blätterte, klopfte es plötzlich an seiner Tür. Ramona stand im leichten Schlafanzug vor ihm.
„Ich hätte noch Lust auf einen Schlafenstrunk. Darf ich zu dir?“
„Komm rein, du süße Schnapsdrossel.“, sagte Gustav und zog sie zärtlich ins Zimmer, „Einen Whisky könnte ich dir anbieten.“
Ramona lümmelte sich auf das unberührte Bett und Gustav setzte sich neben sie mit zwei gefüllten Gläsern in den Händen. Ramona nahm ihr Glas und trank mit sichtbarem Vergnügen. Dann stellte sie den Whisky ab und unerwartet schmiegte sie sich an Gustav. Zum ersten Mal reichte sie ihm die Lippen und gab sich ihm hin.
Ihre Küsse schmeckten süß wie Honigbonbon.
Knopf für Knopf öffnete Gustav spielend das leichte Nachthemd, streichelte sehnsüchtig ihre Brüste und begann mit seinen Lippen ihren Leib zu liebkosen.
Und als er ihr das Nachthöschen abgestreifte, tauchte er in sie hinein.
Ramona bäumte sich voller Wonne auf und nieder und versuchte ihm auch seine Kleider zu öffnen und abzustreifen.
Plötzlich klopfte es erneut und beide schreckten hoch.
„Verdammt! Ist das hier ein Bahnhof oder ein seriöses Hotel?“, schimpfte Gustav.
Da Ramona bereits splitternackt war, verkroch sie sich schnell unter die Bettdecke. Gustav stopfte sich sein Hemd in die Hose und stolperte hektisch zur Tür.
Als er sie öffnete, stand wieder der Junge von gestern davor und reichte ihm wieder einen Brief. Rigonaldos!
„Wer gab dir den Brief?“, fragte er laut und packte den Jungen.
Der war ängstlich und völlig eingeschüchtert, zeigte zum Fenster und sah hilfesuchend zu Ramona. Gustav zerrte den Jungen mit zum Fenster und sah hinaus.
Unten, von Straßenlampen beleuchtet, stand ein älterer Mann, der schweigend zu ihnen hinauf schaute. Er sah dem Buchverkäufer sehr ähnlich.
„Bleib hier, verschließe hinter mir die Tür und öffne nur mir, sobald ich zurück bin!“, rief er Ramona zu, ließ den Jungen los und stürmte auf die Straße hinaus.
Der Alte war verschwunden. Gustav lief spontan nach links die Straße entlang. Er folgte einfach seinen Instinkten.
Dann sah er in einiger Entfernung den alten Mann wieder. Der eilte gemächlich in Richtung Altstadt. Gustav rannte hinterher.
Er war barfüßig, aber wenigstens noch bekleidet. Ramona war eine miserable Auskleiderin. Nicht einmal sein Hemd konnte sie ihm ausziehen, geschweige denn die Hose! Es wäre aber auch nicht gut gewesen, würde Gustav so nackt durch Florenz rennen. Schließlich war er kein Irrer.
Gustav war schnell, hatte den Alten fast eingeholt. Nur wenige Meter war er entfernt. „Bleib stehen! Ich muss mit dir reden, nur reden!“, rief er und seine Stimme hallte durch die leeren Straßenschluchten. Der Mann blieb aber nicht stehen, entfernte sich weiter und war plötzlich verschwunden.
Atemlos stand Gustav da. Der Mann war alt, ein Greis und trotzdem war er verschwunden. Sehr wunderlich!
Gustav schaute in alle Richtungen, doch er stand allein auf einen kleinen Platz, von dem viele Straßen und Gassen abzweigten.
Plötzlich bemerkte er, wo er gelandet war. Er war schockiert, denn er stand direkt vor der versiegelten Buchhandlung.
Niemand war zu sehen. Florenz schlief in seiner erhabenen Ruhe.
Vorsichtig drückte Gustav die Türklinke des dunklen Buchladens und knurrend öffnete sich die alte Pforte einen Spalt. Als er sie endgültig öffnen und hineinschlüpfen wollte, hörte er Schritte hinter sich. Schnell zog er die schwere Holztür wieder zu.
„Was machen Sie hier, mein Herr?“, brummte eine Stimme.
Es war der Besitzer des Cafes. Ohne einen Anflug von Ängstlichkeit hielt er eine wuchtige Schrotflinte im Arm.
Auch er erkannte Gustav.
„Ich sagte Ihnen bereits, dass der Laden seit Jahren verschlossen ist. Suchen Sie etwa nach Schätzen? Werden Sie hier nicht finden. Alles, was Wert hatte, wurde ins Polizeirevier abtransportiert. Ich hoffe, dass Sie nicht leichtsinniger Weise die Tür aufgebrochen haben.“
Er kniff seine finsteren Augen zusammen, griff an die Klinke und drückte sie langsam runter, doch der Laden war fest verschlossen.
„Na gut, mein Herr. Gehen Sie jetzt, ansonsten muss ich die Polizei rufen und Sie möchten doch auch keinen Ärger, oder?“, brummte er weiter.
Dabei streichelte er seine Schrotflinte und blickte Gustav scharf in die Augen. Natürlich hatte Gustav kein Bedürfnis nach Ärger. Gewalt verabscheute er zutiefst. Also nickte er dem Mann kurz zu und ging in Gedanken versunken zurück ins Hotel. Er wusste genau, dass die Tür offen war. Er hatte aber auch genau gesehen, wie der Mann die Türklinke betätigte und die Tür verschlossen blieb. Sogar das Polizeisiegel war unversehrt. Sehr merkwürdig!
Die ganze Geschichte war merkwürdig.
Es war tiefe Nacht, als er das Hotel erreichte. Ramona hatte das Zimmer nicht verschlossen, lag eingekuschelt in seinem Bett und schlief einem Engel gleich. Ihren Schlafanzug hatte sie wieder angezogen. Schade!
Gustav beschloss sie nicht zu wecken und legte sich behutsam neben ihr ins Bett. Ihren Duft atmete er zufrieden ein, berührte sie nur leicht und legte vorsichtig seine Hand auf ihren Po. Er ließ einen kleinen Abstand zwischen beiden Leibern und spürte doch die lebendige Wärme, die von ihr ausging. Selige Glücksgefühle.
Gustav fiel in tiefen Schlaf.
Er träumte viele Dinge durcheinander, sah auch Ramona, die mit einer riesigen Schrotflinte ein großes Panoramafenster durchschoss. Dann rief sie nach mehr Wein und rannte nackt durch die Straßen.
Wieder verschwanden alle Bilder und auch das fröhliche Gesicht Ramonas. Bildfetzen flogen hin und her, ohne einen Sinn zu ergeben.
Dann stand sie vor ihm.
Gustav durchlitt sofort eine unbeschreibliche Sehnsucht.
„Du warst heute sehr unklug, als du allein zu Rigonaldos bist. War meine Warnung vergebens?“, hörte er sie.
Ihre Stimme klang so vertraut und fast zerbrechlich.
Trotzdem, oder gerade deshalb, schmerzte ihr Vorwurf.
Sie nahm Gustav in ihre Arme und drückte ihn fest an sich. Geborgenheit, Wärme, Entzücken und Glück in einem einzigen Moment. Gustav spürte, wie die unendliche Sehnsucht und das Verlangen nach vollendeter Liebe seine eigenen Tränen formten und er begann heftig zu schluchzen.
„Weine nicht, denn die Zeit der Tränen wird erst noch kommen. Ich werde bei dir sein, wenn du mich brauchst. Und jetzt brauchst du Antworten. Ein Blatt Papier kann manchmal mehr enthalten als die oberflächlichen Buchstaben. Das Saure macht sichtbar, was fahle Tinte verbirgt. Und du darfst hier nicht lange Zeit verweilen. Hüte dich vor dieser Frau. Sie hat ihre eigenen Träume, die nicht deine sind.“
Dann löste sie ihre Umarmung und drohte im Schleier weiterer Träume zu entschwinden. Gustav versuchte zu schreien, wollte ihren Namen wissen und flehte sie an, nicht zu gehen. Aber nichts konnte er tun, weder sie festhalten noch hinterher rennen.
Er erwachte tränenverschmiert und schweißgebadet.
Neben sich im Bett saß Ramona aufrecht und schaute ihn verdattert an.
„Welchen Namen willst du wissen? Ich heiße Ramona, bitteschön! Außerdem heulst du im Schlaf, wie ein kleines Mädchen.“
Gustav schaute sie ebenfalls verwundert an. Hatte er etwa im Schlaf geredet? Und hatte er tatsächlich geweint, wie ein…?
„Tut mir leid, Hasenpups.“, stammelte er benommen, „Ich hatte wohl einen bösen Alptraum, wahrscheinlich von dir und deinen unsensiblen Sprüchen.“
„Unsensible? Ich? Spinnst du?“, fauchte sie.
Ramona verschränkte beleidigt ihre Arme. Mechanisch küsste Gustav versöhnlich ihren Hals und meinte etwas von:
„Nur Spaß gemacht und merkwürdigen Traum.“
Er war verwirrt, denn er hatte noch nie so einen körperlichen Traum gehabt.
Als Ramona später unter der Dusche stand, saß Gustav noch immer im Bett und dachte über seinen seltsamen Traum nach. Die nächtlichen Gefühle waren noch so präsent, körperlich und dominierend, dass er schwitzte und sein Herz raste.
Wer war dieses zauberhafte Mädchen?
Ramona konnte es nicht sein und auch nicht sein Wunschbild von Ramona, denn von ihr träumte er zu häufig und kannte sie viel zu gut.
Dieses Traumwesen war hingegen rätselhaft, ihm völlig unbekannt und gleichzeitig so sehr vertraut. Anmut, Weisheit und Erotik. Es waren für Gustav durchaus sehnsüchtige Eigenschaften, die Frauen vereinen sollten. Aber Träume sind die Spiegelbilder des realen Unterbewusstseins. Gustav konnte meist seine Träume analysieren und sicher deuten. Diesmal jedoch erkannte er die Bedeutung nicht, hatte keine Ahnung, wer und was dieses Mädchen widerspiegelte.
Verdammte Träume!
So kam er nicht weiter. Nun versuchte er den Traum einfach als tatsächliches Ereignis zu deuten. Was hatte sie gesagt?
Schlagartig sprang er auf, holte das historische Schriftstück aus seinem Buch und hielt es gegen das Licht.
„
Das Saure macht sichtbar, was fahle Tinte verbirgt!
“, murmelte er vor sich hin.
„Das Bad ist jetzt frei. Beeile dich bitte, Gustav, ich bin hungrig und brauche dringend einen Kaffee.“, sagte Ramona, die aber gleich auf Gustav und das Schriftstück starrte.
„Hast du etwas im Gegenlicht erkannt, eine geheime Botschaft, oder so was?“, fragte sie überrascht.
„Nein, aber ich möchte mit dir hier im Zimmer frühstücken.“, antwortete Gustav und nahm das Telefon. Er bestellte das übliche Mahl, kräftigen Kaffee, Orangen, Bananen und ungewöhnlich viele Zitronen. Dann ging er ins Bad und drehte die Dusche auf.
Ramona ging in ihr eigenes Zimmer und zog sich an.
Auch sie hatte einen merkwürdigen Traum, der sie beschäftigte.
Ein grauhaariger Mann erschien ihr und er war betrübt. Wie ein vertrauter Sommerwind drangen seine Worte an ihr Ohr. Spielend und behutsam waren die Worte gewählt. Auch sie konnte sich nicht an die Gestalt des Alten erinnern. Es war mehr eine Ahnung, als eine konkrete Person. Erst dachte sie, dass es die Stimme ihres Vaters war, denn sie hatte einen wirklich angenehmen und beruhigenden Klang.
Es war nur wenige Jahre her, als ihr Vater starb. Töchter haben zu ihren Vätern immer eine innige Bindung und so schmerzte sie dieser Verlust noch immer.
Doch die Stimme in ihrem Traum war trotzdem anders. Der greise Mann wollte sie vor einer ernsten Gefahr beschützen. Es hatte mit Gustav zu tun und diesem geheimnisvollen Schriftstück. Ramona erinnerte sich nur an die Warnung, nicht an die Ursache der Gefahr.
Vielleicht war es auch nur ein Traum nach einem turbulenten Tag. Immerhin hatte sie am Abend einen kleinen Orgasmus und auch noch durch Gustav. Nackt und schutzlos war sie in seinem Bett! Wenn das nicht gefährlich war! Ihre Alarmglocken hätten auch so geläutet, auch ohne greise Traumerscheinung.
Verfluchtes Unterbewusstsein!
Als sie darüber nachdachte, wurde sie verlegen, obwohl sie niemand sah und sie sich auch nicht rechtfertigen musste. Dieser Mistkerl!
Hatte sie sich doch tatsächlich hingegeben. Hatte sich verführen lassen, wie ein dummes Schulmädchen und es war sogar äußerst angenehm. Gustav war gegen ihre Erwartungen scheinbar ein erfahrender Liebhaber, mit einer Zunge, die genau wusste, was sie tat. Ramona wurde warm und eine erregende Hitze stieg in ihr auf. Schnell knöpfte sie sich ihr Kleid zu. Verdammte Zunge!
Als sie wieder ins Zimmer von Gustav kam, sah sie ihn über das Schriftstück sitzend mit Zitronen in den Händen. Vorsichtig strich er den Saft über das Papier.
„Komm, mein Schatz, sieh! Es ist tatsächlich eine versteckte Inschrift vorhanden.“, rief er ihr zu, „Eigentlich haben wir das als Kinder auch gespielt. Mit Milch und Feder einen Text geschrieben, der trocken unsichtbar und dann später mit Zitronensaft wieder lesbar gemacht wurde. Keine so geheime Technik. Und doch bleibt sie unschlagbar, wenn man nur einfache Hilfsmittel und wenig Zeit hat.“.
Ramona sah aufgeregt, wie sich zwischen den Textzeilen die ersten blassen Buchstaben formten:
„
Das Gedächtnis der Menschheit, die Bibliothek des Lebens. Alles Wissen ist zusammengetragen, geschrieben in ewiger Schrift und bewahrt bist in alle Zeiten.
“, las sie laut vor.
„Mach weiter, Gustav, da steht noch mehr!“
Ihr Flüstern hätte man weit hören können und Gustav kribbelte es am Ohr, als ihr warmer, scharfer Hauch sein Gesicht streifte. Beide waren ziemlich aufgeregt und ungeduldig.
Je mehr er Zitrone über das Blatt rieb, desto mehr war zu lesen:
„
Zum Himmel hin markiert und im Inneren verborgen, gehütet und beschützt. Ein königliches Tier verschlang die Wege, unter seiner mächtigen Krone, nachdem es gestorben war
.“
Es war in deutscher Sprache geschrieben, alt, aber gut lesbar. Ramona glühte vor Aufregung und krallte ihre Finger fest in Gustavs Schultern.
Auch er konnte seine Erregung kaum unterdrücken.
„Gut, mehr steht hier nicht. Wir sollten jetzt wirklich frühstücken.“, sagte er und erhob sich. Ramona ließ seine Schulter los und lächelte.
Sie hatten tatsächlich ein Geheimnis entdeckt.
„Bist ein bisschen in Aufregung geraten, mein Hasenpups. Hast dir fast ins Höschen gepinkelt, was?“, bemerkte er.
Gustav warf ihr einen strengen, väterlichen Blick zu, der sie erröten ließ.
„Bist du jetzt mein Bondgirl und begleitest mich auf meiner Mission?“, scherzte er weiter. „Nenne mich bitte ab jetzt James und bringe mir einen Whisky, leicht gerührt und nicht geschüttelt.“, fügte er hinzu.
„Du kannst dir gefälligst selber einen schütteln, du Spinner!“, gab sie selbstsicher zurück. Dabei machte sie eine wirklich unzüchtige Handbewegung.
„Sprich nicht in diesem Ton mit deinem James Bond! Habe ich nicht gerade ein Rätsel entschlüsselt. Gott, bin ich schlau! Ich bin ein Genie!“, jubilierte er.
Stolz hob Gustav sein Kinn und zog seine Augenbrauen hoch.
„Aber du heulst nachts und Sexlosigkeit lässt dich irre werden! Was sollte ein scharfes Bondgirl mit dir anfangen? Reiche mir die Butter, Sklave!“, befahl sie.
Gustav musste nun doch lachen und reichte ihr die Butter.
Dann räusperte er sich verlegen und sagte:
„Gestern Abend übrigens, war es sehr schön mit dir und die Zeit hätte niemals vergehen sollen. Sehr ärgerlich, dass wir so plötzlich getrennt wurden und eigentlich war es sinnlos, denn der geheimnisvolle Briefschreiber ist mir entwischt. Hatte der Junge dir noch etwas erzählen können?“
Ramona sah ihn an und wieder verfärbten sich ihre Wangen.
„Nein, der kleine Hosenscheißer wollte, dass ich die Bettdecke wegziehe. Kaum warst du raus, wurde er auch schon ein wenig anzüglich, weil er sah, dass ich nackt war. Italiener scheinen schon im Kindesalter echte Machos zu sein.“, erzählte sie.
Ungläubig runzelte Gustav die Stirn und Ramona schlürfte schweigend ihren Kaffee.
„Übrigens.“, bemerkte sie, „Im Briefumschlag lag nur ein leeres Blatt.“
Gustav schaute sie verwundert an. Eine Weile lang schwiegen beide und dachten über den gestrigen Abend nach.
„Lass uns durch die Stadt bummeln und in aller Ruhe über diesen Text nachdenken.“, schlug er ihr vor. Sie nickte enttäuscht. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie gleich wieder verführen würde. Gustav hatte aber längst das Schriftstück zur Hand statt ihre kleinen Brüste. Doch der rätselhafte Text war ja auch ziemlich aufregend und so zogen sie gemeinsam durch Florenz.
Ins kleine Altstadtviertel der Buchhandlung wollten sie diesmal nicht. Mit einer Schrotflinte oder der Polizei wollten sie nichts zu tun haben. Sie wollten Ruhe.
In einem schattigen Park setzten sie sich auf eine Bank.
Gustav kaufte am nahen Kiosk zwei Becher Fruchtsaft.
„Hilft auch gegen die Aufregung!“
Er legte seinen Arm um ihre Schulter und sagte:
„Ich weiß, was der Text bedeutet. Das königliche Tier mit einer Krone ist der Hirsch. Kein Zufall, wenn genau in diesem historischen Dokument eine Geheimschrift versteckt wurde. Als 1696 der Kurfürst den Hirsch erlegte, wanderte das Geweih mit samt dem Schädel in sein Jagdschloss nach Königswusterhausen, südlich von Berlin.“