Kitabı oku: «Kriegerherz und Königsehre», sayfa 4
Oh nein, das kann ich nicht mit anhören, geschweige denn zusehen. Ich muss irgendwie hier raus, dachte Deria entsetzt. Doch wie konnte sie flüchten ohne auf sich aufmerksam zu machen? Sie würde warten, bis die beiden wieder zu Gange waren und dann flux hinausrennen. Sie kam leise hinter dem Kettenhemd hervor und spähte um die Ecke. Oliver lag auf Jolanda. Fasziniert beobachtete sie, wie er sich über die Brüste der Frau beugte und diese in den Mund nahm. Ihr wurde flau im Magen. Sie musste raus – sofort! Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür. Gerade schob sie den Türriegel nach hinten, als Jolanda den Eindringling entdeckte:
„Da ist ja ein Kerl.“
Deria riss die Tür auf und stürzte fluchtartig hinaus. Hinter sich hörte sie Oliver lautstark fluchen. Sie rannte so schnell sie ihre Füße trugen in ihr Zimmer und versuchte die Tür hinter sich zu schließen. Doch es war unmöglich, da Oliver bereits von der anderen Seite dagegen drückte. Deria stemmte sich mit ihrem ganzen Körper, der wie Espenlaub zitterte, dagegen. Doch vergebens. Oliver war stärker als sie und nach kurzem Hin und Her stand er im Zimmer. Krachend warf er die Tür ins Schloss. Deria schnappte nach Luft. Oliver war fast nackt, hatte nur seine Beinkleider angezogen und selbst die waren noch nicht einmal ordentlich hoch gezogen.
„Raus!“, schrie sie und wich ängstlich vor ihm zurück.
Er starrte sie nur an und bewegte sich geschmeidig auf sie zu. Wie ein Raubtier, das seine Beute umschleicht, schoss es Deria durch den Kopf. Sie konnte nicht anders als ihren Blick an ihm hinabgleiten zu lassen. Noch nie hatte sie so einen herrlichen Mann gesehen: Sein Oberkörper war muskulös, schwarze Haare zierten seine Brust und seinen Bauch, seine Brust hob und senkte sich in kurzen Abständen.
„Verschwindet, Ihr seid widerlich“, brüllte sie dennoch. Um ihn auf Abstand zu halten, trat sie hinter ihren kleinen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand. Oliver sah ihre geröteten Wangen, ihre Lippen glänzten feucht. Sie sieht zum Anbeißen aus, dachte er plötzlich. Aber jetzt war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort um sich darüber Gedanken zu machen.
„Was hattest du in meiner Kammer zu suchen?“, herrschte er sie an.
„Ich…es war…ich habe gelesen und ich wollte nicht stören…“, stotterte sie herum.
„Hast du noch kein Weib bestiegen?“
Oliver hatte sich wieder unter Kontrolle und wollte sie nun ein wenig ärgern.
„Was? Bestiegen?“ Sie schnappte nach Luft.
„Nein, hast du also nicht, wie mir deine Reaktion zeigt. Na, dann werde ich dir das demnächst zeigen, wie es geht.“
Als er ihr bestürztes Gesicht sah, drehte er sich um und ging grinsend davon. Deria starrte ihm nach. Ihre Knie zitterten und ihre Brust hob und senkte sich heftig vor Aufregung. Langsam kletterte sie aufs Bett, schlang die Arme um ihre Beine und legte ihr Kinn auf die Knie. Sie musste den festen Verband um ihre Brüste lösen, da diese schmerzhaft an ihm rieben und Derias Atem einengte. Zwischen den Schenkeln spürte sie eine Wärme und Feuchtigkeit, die sie erröten ließen. Was passiert mit mir? Warum löst Olivers Anblick diesen Wirrwarr an Gefühlen in mir aus, fragte sie sich. Deria hatte Angst. Mit wem, außer ihrer Mutter oder Milly, hätte sie darüber sprechen können? Aber beide waren nicht hier. Deria musste an Olivers Worte denken. Ihre Situation wurde immer heikler. Wie sollte sie ihm klar machen, dass Eric kein Interesse an Frauen hatte? Mit dieser Frage fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
Als Oliver am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich ausgeruht und ausgeglichen wie schon seit langem nicht mehr. Jolanda war längst gegangen, denn er duldete sie nicht die ganze Nacht in seinem Bett. Dieses Privileg würde nur seiner Frau vorbehalten bleiben. Seiner Frau - dieser Gedanke ließ ihn wieder an seine Unterhaltung mit Deria denken. Was mochte sie von der Situation gehalten haben, als ich Jolanda so wild genommen habe? Sie war bestimmt verschreckt gewesen. Selbst Schuld, was hat sie auch in meinen Räumen zu suchen, sagte er zu sich selbst. Aber eine seltsame Erregung ergriff ihn. Wieder musste er an die feuchten Lippen denken: Wie herrlich wäre es, diese zu küssen. Erstaunt bemerkte er, wie seine Leidenschaft sich zu regen begann.
Oliver wusch sich und beschloss, das Katz- und Mausspiel endlich zu beenden. Er würde „Eric“ keine andere Wahl lassen als selbst zuzugeben, was für ein falsches Spiel er spielte.
Mit diesen Gedanken klopfte er energisch an Derias Zimmertür. Stille. Er klopfte noch einmal, dieses Mal lauter und heftiger. Wieder keine Antwort. Ohne etwas zu sagen, riss er die Tür auf. Sofort sah er, dass der Raum verlassen war. Verdammt, wo ist dieses Weibsbild denn schon so früh am morgen, grollte er in Gedanken. Als er wutschnaubend in die große Halle kam, saß sein Oheim bereits am Tisch und grinste ihm entgegen.
„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“, fragte er süffisant.
„Keine, aber gerade das ist es ja.“
„Wenn du Eric meinst, der bzw. sie ist vor über einer halben Stunde hinaus geschlichen.“
„So früh schon?“, fragte Oliver verwundert.
„Oh, sie nimmt ihre Pflichten sehr ernst. Wahrscheinlich hilft sie Stephen und dann frühstücken die beiden bei Ester.“
„Aha. Na, dann werde ich ihren Tagesablauf ein wenig durcheinander bringen. Heute zeige ich meinem Mündel, wie gekämpft wird.“
„Aber Oliver, jetzt übertreibst du es aber“, versuchte Guy Deria zu beschützen.
„Nein, sie soll endlich zugeben, wer sie wirklich ist. Ich habe diese Spielchen langsam satt“, grollte Oliver. „Jolanda, pack mir ein wenig Proviant ein!“
Oliver ging in den Stall, aber dort war niemand. So wie Guy es richtig vermutet hatte, fand er Deria in Esters Haus.
„Oh Oliver, möchtest du auch etwas essen?“, fragte Ester überrascht.
„Nein, danke, Ester. Ich möchte mein Mündel abholen. Wir haben heute eine schweren Tag vor uns.“
Ohne einen Widerspruch zu dulden, warf er Deria einen ungeduldigen Blick zu. Sie verschluckte sich fast an ihrer Milch, stand dann unsicher auf.
„Bist du endlich fertig?“, herrschte er sie an.
„Ja, dank Euch habe ich keinen Hunger mehr“, zischte sie zurück.
Nachdem sie sich bei Ester bedankt hatte, folgte sie Oliver.
„Was, um alles in der Welt, soll das jetzt? Wieso behandelt Ihr mich so herabwürdigend?“, brauste sie auf.
Er fuhr so schnell zu ihr herum, dass sie ängstlich zurückwich. Er packte ihren Arm und zog sie zu sich heran.
„Nicht anders, als du mich behandelst“, knurrte er in ihr Ohr.
Dann zog er sie wortlos mit sich. Deria hatte nun wirklich Angst. Irgendetwas war anders als sonst. Oliver wirkte so entschlossen. Nur weswegen? Sie überlegte, ob sie versuchen sollte sich loszureißen. Nein, das würde zu nichts führen. Sie musste erst einmal abwarten, was er wirklich von ihr wollte.
„Sattle dein Pferd, wir werden ausreiten!“
Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Deria tat wie ihr geheißen und folgte dann schweigend ihrem Vormund. Die Provianttasche hatte er sich umgehängt. Ohne ein Wort zu sprechen, trieb er sein Pferd zum Galopp an. Deria folgte ihm in den anbrechenden Tag. Wenngleich sich ihr ein wunderbarer Sonnenaufgang bot, konnte sie sich nicht daran erfreuen. Furcht umschloss ihr Herz und drückte ihre Brust zusammen.
Mehr als zwei Stunden waren sie im schnellen Galopp geritten, als eine Burgruine in Sicht kam. Eigentlich waren es eher ein paar Steinquader, als eine Ruine. Dort zügelte Oliver sein Pferd und wartete bis Deria ebenfalls abgestiegen war.
„Ich werde dir heute den ersten Unterricht im Schwertkampf geben.“
Deria schluckte. Noch tat ihr der Hintern von dem schnellen Ritt weh. Aber Oliver ließ ihr keine Sekunde Zeit, sich auszuruhen. Er holte zwei Holzschwerter aus der Tasche und gab eines davon Deria. Dann erklärte er ihr geduldig, wie sie den Griff am besten halten sollte. Es überraschte ihn, wie geschickt sie sich dabei anstellte. Nachdem sie seine Übungen wiederholt hatte, stellte er sich ihr gegenüber und sagte:
„So, und jetzt kämpfen wir gegeneinander. Versuche die Übungen, die ich dir eben gezeigt habe, anzuwenden. Fertig?“
„Ja.“
„Dann greif mich an“, forderte Oliver sie auf.
Wie er ihr erklärt hatte, stellte sie erst ihre Beine fest auf den Boden, um genug Halt zu haben. Dann holte sie aus, ließ ihr Holzschwert über dem Kopf kreisen und schlug dann auf Oliver ein. Als ob er eine Fliege abwehrte, hob er lässig sein Holzschwert und parierte ihren Schlag. Deria fuhr ein beißender Schmerz in die Arme, als ihre Schwerter aufeinander schlugen.
„Noch einmal, aber gib dir mehr Mühe“, reizte Oliver sie.
Und wieder machte sie die gleichen Bewegungen, doch dieses Mal duckte sich Oliver geschwind unter ihrem Schwert hindurch, so dass er plötzlich hinter ihr stand. Mit seinem Schwert schlug er ihr auf ihren Hosenboden. Deria machte einen Satz nach vorne:
„Aua, das tat weh!“
Jetzt war ihr Zorn geweckt und sie versuchte Oliver einen Stich zu versetzen, aber er wich auch diesem geschickt aus und verpasste ihr den nächsten Hieb.
„Das tut weh, Oliver!“, rief sie zornig.
„Das soll es auch. Ungezogenen Kindern versohlt man nun einmal den Po.“
„Ich bin kein Kind mehr“, rief Deria mit verletztem Stolz.
So ging es eine Weile und wieder und wieder bekam Deria einen Schlag auf ihren Allerwertesten.
„Oh, was seid Ihr nur für ein ungehobelter Mensch!“, schrie Deria völlig außer sich.
„Lieber ein Grobian als eine ausgekochte Lügnerin!“, brüllte Oliver zurück.
Erst jetzt realisierte Deria, was er gerade gesagt hatte. Er weiß es, oh mein Gott, er weiß es! Deswegen ist er so wütend und schlägt mich. Vor lauter Panik ließ sie das Schwert fallen, drehte sich um und rannte los. Doch gegen Oliver hatte sie keine Chance. Schon nach wenigen Metern hatte er sie eingeholt, bekam ihr Hemd zu packen und riss sie zurück. Deria verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
„Lasst mich los!“ Sie versuchte ihn abzuschütteln, doch vergeblich. Wie eiserne Zangen umschlossen seine Hände ihre Handgelenke und drückten sie über ihren Kopf auf den Boden. Er setzte sich auf ihre Beine, sodass sie nicht mehr nach ihm treten konnte. Ihr Widerstand hielt an, bis sie endgültig erkannte, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
Oliver hatte einfach gewartet, bis sie müde wurde. Jetzt lag sie unter ihm. Ihr Hemd war hoch gerutscht und gab einen kleinen Blick auf ihren schmalen Bauch frei. Ihre grünen Augen sprühten vor Zorn, doch sie hielt jetzt still. Nur ihre Zunge konnte sie nicht im Zaum halten:
„Geht Ihr immer so mit euren Schutzbefohlenen um?“
Seine Augen wurden zu einem eisigen Silber.
„Nur wenn man mein Vertrauen missbraucht.“
Er kam mit seinem Kopf ganz dicht an ihren heran und schaute ihr tief in die Augen. In diesen blauen Augen sah Deria einen Funken glimmen. Sein Mund berührte fast ihr Gesicht, sein warmer Atem streifte ihre Wange.
„Bin ich dir so zuwider, dass du beschlossen hast, mir immer wieder davonzulaufen?“
Seine Stimme war verdächtig leise. Deria wollte etwas erwidern, als seine Lippen ihren Mund versiegelten. Im ersten Moment, völlig gelähmt vor Entsetzen, erstarrte ihr Körper zu Stein. Doch mit einem Mal fühlten sich seine Lippen herrlich an. Warm, weich und zart. Oliver glitt mit seiner Zunge an den Innenseiten ihrer Lippen entlang. Er hatte ihre kurzzeitige Starrheit gespürt, aber auch wie sie sich langsam entspannte. Sieh an, dieses kleine Biest reagiert auf mich, stellte Oliver fest. Sie schmeckte so himmlisch süß und unschuldig. Ganz sanft bat seine Zunge um vollständigen Einlass. Deria wollte nicht, doch ihre Lippen öffneten sich wie von selbst. Oliver erkundete ihren Mund, nahm die Süße auf, neckte ihre Zunge und sie begannen zaghaft miteinander zu spielen. Deria wusste nicht wie ihr geschah, aber dieser Kuss war das schönste, was ihr bisher passiert war. Er liebkoste ihren Mund, dann glitten seine Lippen zu ihrem Hals und küssten dort eine unsichtbare Linie entlang. Derias Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. Doch sie konnte kein Wort über ihre Lippen bringen, nur ein tiefer Seufzer entwich ihnen.
Langsam richtete Oliver sich auf. Was für eine Leidenschaft hatte er gespürt. Er musste aufhören, sonst würde er sie hier und jetzt nehmen. Ihre Augen hatten sich dunkelgrün verfärbt, ihre Wangen leuchteten in einem sanften rosa.
„Wieso habt Ihr mich geküsst? Ich bin nicht eure Hu…“, doch Oliver hatte schon seine Finger auf ihren Mund gelegt.
„Du gehörst mir! Ich kann mit dir tun und lassen was ich will und wann ich will“, stieß er mit rauer Stimme hervor.
Oliver konnte nicht sagen, warum er ihr verheimlichte, dass sie jetzt seine rechtmäßige Verlobte war. Vielleicht weil sie ihn so lange belogen hatte? Sofort erwachte in Deria der Widerstand aufs Neue. Sie wurde so wütend, dass sie es schaffte, ihn von sich herunterzuwerfen. Oliver war zu überrascht, doch mit einem Satz war er auf den Füßen und griff nach ihr, bevor sie fliehen konnte.
„Hör endlich auf immer davonzurennen!“
Wie ein stählerner Ring hielt er ihre Taille umfangen. Mit dem anderen Arm presste er ihren Oberkörper an sich, so dass Deria sich nicht mehr bewegen konnte. Hilflos baumelte sie in der Luft. Deria spürte die Hitze seines Körpers, roch seinen Duft nach Schweiß, Stahl und Leder, der erregend auf sie wirkte. Langsam ließ ihre Gegenwehr nach und sie erschlaffte in Olivers Armen. Ihr Kopf sank müde an seine Brust.
„Ihr seid der größte Schuft, den ich je gesehen habe! Das Wort Ehre in Eurem Mund kommt einem Verrat gleich. Noch nicht einmal verheiratet und schon betrügt Ihr Eure zukünftige Frau und jetzt fallt Ihr über ein unschuldiges Mädchen her. Ich verabscheue Euch und Ihr habt meinen Vater entehrt!“
Oliver war von ihren Worten tief in seinem Stolz getroffen.
„Was bildest du dir ein, über mich zu richten?“ Er drehte sie herum und schüttelte sie wild durch. „Steht nicht in der Bibel, wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein? Bist du ohne Sünde? Du, die alle Menschen, die dich liebten und lieben, belogen und betrogen hast. Und noch schlimmer: Du hast deinem Vater Schande gemacht und deinen Bruder entehrt, indem er namenlos begraben wurde.“
Seine Stimme überschlug sich vor Wut. Seine Augen funkelten wild und gefährlich, dass Deria sein Blick durch Mark und Bein ging. Sein fester Griff schmerzte an ihren Oberarmen und presste ihr die Tränen in die Augen. Olivers Worte bohrten sich wie glühende Klingen in Derias Herz und die Erkenntnis, dass er die Wahrheit sagte, schmerzte noch mehr und raubte ihr fast die Sinne. Unerwartet ließ er sie los, so dass Deria beinahe gestürzt wäre. Sie starrte mit leerem Blick zu Boden. Ihre Schultern zuckten unter dem Weinkrampf, der sie mit einem Mal erfasste.
Oliver indes hatte sich abgewandt und war hinter den Steinen der Ruine verschwunden. Verzweifelt raufte er sich das Haar. Fast hätte er die Beherrschung verloren und zum ersten Mal in seinem Leben eine Frau, nein, ein Mädchen geschlagen. Sein Zorn war erst gegen sich selbst gerichtet und dann wieder auf Deria. Es war nicht zum Aushalten mit ihr. Sie brachte ihn ständig zur Weißglut. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er seine Verlobung mit Alicia gelöst hatte? Würde er jemals mit Deria auch nur einen Weg des Miteinanders finden, ohne dass sie sich ständig gegenseitig verletzten? So viele Gefühle, wie ihn die letzten Tage durchströmt hatten, waren für ihn schwer zu akzeptieren. Er war immer nur der kühle beherrschte Oliver, der höchstens im Bett Leidenschaft kannte, die jedoch von ihm bestimmt wurde. Alle anderen Gefühle waren ihm fremd gewesen, bis Deria in sein Leben getreten war. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, ging er wieder zu Deria.
„Wir reiten zurück. Ab sofort wirst du die Rolle annehmen, die dir von Geburt her bestimmt ist. Ich will dich nie mehr in Männerkleidung rumlaufen sehen. Heute Abend wirst du an meiner Seite sitzen, und zwar als Lady Deria Eddings. Hast du mich verstanden?“, herrschte er sie an. So sehr er gewillt war, anders zu klingen, bei ihrem Anblick geriet er wieder in Rage.
Deria hörte den warnenden Ton in seiner kühlen Ausdrucksweise und nickte. Ihr Blick jedoch triefte vor Verachtung, die ihn wie ein Schwertstoß ins Herz traf. Warum macht mir das nur soviel aus, fragte er sich. Ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr sie ihn erneut verletzt hatte, drehte er sich herum, packte die Sachen zusammen und stieg auf sein Pferd. Er wartete nicht auf sie, sondern trieb das Tier zu schnellem Galopp an und überließ Deria sich selbst.
Sie sank zu Boden und dachte nach. Es war alles anders gekommen, als sie es sich vorgestellt hatte. Nun saß sie hier und dachte über Olivers Worte und seine Reaktion nach. Er hatte sie hier zurückgelassen. Entweder war er sich so sicher, dass sie nicht floh oder so dumm, dass er diese Möglichkeit nicht bedacht hatte, oder er war einfach nur überheblich. Überheblichkeit passte in ihren Augen am besten zu ihm. Doch sofort machten sich auch Zweifel in ihr breit und es begannen zwei Seiten in ihr miteinander zu ringen. Sie führte laute Selbstgespräche; das half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen.
„Warum hat er mich geküsst, wenn er doch so wütend auf mich ist? Ob es ihm so gefallen hat, wie mir selbst?“
Mit zitternden Fingern fuhr sie über ihre Lippen und schloss die Augen. Sie stellte sich wieder den Moment vor, als sein Mund den ihren berührte. Erst war sie geschockt, doch dann hatte sie ein Kribbeln erfasst, dass durch ihren ganzen Körper lief. Die Worte ihres Bruders aus ihrem Traum kamen ihr wieder in den Sinn: Er ist deine Bestimmung!
„Was genau bedeutet das, Eric? Dass Oliver mich heiraten würde? Nun, das allein sicher nicht, denn es war schon vor langer Zeit beschlossen worden.
Oder, vielleicht, dass er der Mann sein würde, in den ich mich verliebe, oder der vielleicht mich liebt?“ Ein Schauer überkam sie. Wenn es so wäre, warum waren sie dann wie Katz und Maus? Je mehr sie darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es ihr vor. Aber er hatte sie hier allein zurückgelassen. An seiner Stelle hätte sie ihm nicht bis zur Nasenspitze getraut. Was hatte ihn dazu veranlasst, sofort zu gehen?
„Er lässt dir eine Wahl“, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Ihm zu folgen bedeutet, ihn zu akzeptieren.
Wenn ich jetzt davonreiten würde, wäre ich frei… Deria war sich nun ziemlich sicher, dass Oliver sie auf die Probe stellte. Sie sollte selbst entscheiden welchen Weg sie gehen wollte - nur verstand sie es nicht. Denn immerhin war er mit Lady Alicia verlobt. So viele Fragen, auf die sie keine eindeutige Antwort fand. Sie konnte immer nur Vermutungen anstellen. Doch eines hatte sie in den vergangenen Jahren gelernt: Mit Flucht wurden die Dinge nicht besser. Auch das Lügennetz war immer löchriger geworden. Zudem hatte Oliver Recht, sie hatte Schande über ihre gesamte Familie gebracht. Sie musste es wieder gut machen. Aber erst musste sie herausfinden, was Oliver von ihr wollte. Sie atmete tief durch und stieg auf Aragon.
Während sie zurück zur Burg ritt, spielte der Wind in ihrem Haar und die Sonne trocknete ihre Tränen. Mit einem Mal kamen ihr wieder Olivers Worte in den Sinn: Alle Menschen, die dich liebten und lieben, hast du belogen und betrogen. Sie zügelte Aragon und hielt verwundert inne: Wen meinte er mit lieben? Doch nicht sich selbst, oder? Außer Milly und ihren neuen Freunden Stephen und Ester war niemand da, der sie liebte. Bei Gott, ob er wusste, was er da zu ihr gesagt hatte? Sie würde es herausfinden müssen.
Beflügelt von dieser Erkenntnis gab sie ihrem Pferd die Sporen und flog mit dem Wind zurück zur Burg. Als sie Aragon in den Stall führte, war Stephen schon fleißig damit beschäftigt, Ghost zu striegeln.
„Wie geht es dir, Stephen?“
Stephen schaute sie trotzig an. Deria blieb verwundert stehen und sprach ihn erneut an:
„Was hast du denn? Bist du sauer auf mich?“
„Du hast mich belogen und ich dachte, du wärst mein Freund!“, brüllte Stephen.
Deria wusste gar nicht warum Stephen so aufgebracht war: „Aber Stephen, ich hab dich doch nicht belogen.“
„Ach nein, wie kannst du das sagen? Du bist doch gar nicht Eric, sondern Deria!“
Im ersten Moment war Deria sprachlos. Mit trauriger Gewissheit wurde ihr klar, dass wohl alle so reagieren würden, die von ihrer Maskerade erfuhren. Sie trat zu Stephen und kniete sich vor ihm hin. Der Junge ignorierte sie und striegelte weiter den Schimmel.
„Stephen, bitte schau mich an! Ich möchte dir eine Geschichte erzählen. Weißt du, es gab einmal Zwillinge, die sich von Herzen gern hatten. Sie gingen zusammen durch dick und dünn. Alles wollten sie gemeinsam machen, aber es gab einen Unterschied zwischen den beiden. Eric war ein Junge und damit frei in seinen Entscheidungen und seinem Tun. Seine Schwester hingegen, ich, stieß immer wieder an Schranken, die mir mein Geschlecht vorschrieb. Und als ich 13 Jahre alt war, sah ich zum ersten Mal meinen künftigen Ehemann. Er sah so finster aus, mit seinen schwarzen langen Haaren, der schwarzroten Kleidung und den eisblauen Augen. Ich bekam Angst und wollte davonlaufen, doch er fing mich ein, und zum Dank versohlte er mir den Hintern.“
Mittlerweile hatte Stephen aufgehört zu striegeln und lauschte interessiert.
„Dann verschwand er wieder, aber die Angst blieb und nur zu denken, dass ich an meinem achtzehnten Geburtstag diesen Mann heiraten musste, verleitete mich dazu, während des großen Fiebers in die Rolle meines Bruders zu schlüpfen. Meine Mutter war bereits von uns gegangen und mein Vater lag im Sterben. Ich war 15 Jahre alt und sah es als einzige Möglichkeit frei zu bleiben. Als Mann konnte ich weiter auf der Burg bleiben. Ich brauchte auch nicht zu heiraten. In meinen Gedanken war alles so einfach. Ich fand den Plan genial und so wurde ich zu Eric. Nicht einmal mein Vater merkte es.“
Deria holte tief Luft, schaute Stephen prüfend an. Keine Reaktion war in seinem kleinen Gesicht zu erkennen, also sprach sie weiter.
„Nun, alles lief so, wie ich es geplant hatte - bis mein Vater beschloss, dass ich noch zum Ritter erzogen werden musste. Er bestimmte Sir Oliver zu meinem Vormund. Alles umsonst, denn nun war ich ihm wieder ausgeliefert. Gerade dem Mann, vor dem ich mich am meisten fürchtete. Daher beschloss ich meine Rolle weiterzuspielen, aber es hat nicht lange gedauert, bis er mich durchschaut hatte. Deine Mutter hat mich sogar im ersten Augenblick durchschaut. Stephen, ich wollte…“, hielt Deria verzweifelt inne.
Stephen legte ihr seine Hand auf die Schulter und sprach mit der Weisheit eines Erwachsenen:
„Du hast niemanden verletzen wollen, du wolltest dich nur schützen. Ich bin dir nicht mehr böse, aber Eric wird mir sehr fehlen.“
„Oh, Stephen!“ Deria war überrascht was für kluge und tröstliche Worte aus dem Mund dieses elfjährigen Jungen kamen. Sie umarmten sich.
„Bleiben wir dennoch Freunde?“, wollte Deria wissen.
„Na klar, auch wenn du jetzt ein Mädchen bist, bist du trotzdem ganz in Ordnung.“
Dankend tätschelte Deria ihm den Kopf.
„Ach, Oliver hat gesagt, du sollst zu Mutter gehen, wenn du kommst. Und er hat mir gesagt, dass du nicht mehr im Stall arbeiten darfst.“
„Weißt du es von ihm?“
„Ja, er war ziemlich wütend auf dich als er zurückkam und ich hab ihn gefragt, wo Eric ist. Da hat er mich angebrüllt, es gäbe keinen Eric, sondern nur seine Schwester Deria, die alle belogen und betrogen hat.“
Wie konnte Oliver sich nur so unbeherrscht benehmen, dachte Deria entrüstet. Stephen war doch noch ein halbes Kind. Scheinbar war er wütender als sie vermutet hatte.
„Dann werden wir beide heute zum letzten Mal zusammen arbeiten. Mir fehlt es jetzt schon und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich es mir von Oliver verbieten lasse“, meinte Deria und eine Spur Trotz schwang in ihrer Stimme mit. Stephen schaute sie schräg von der Seite an, erwiderte jedoch nichts darauf.
Nach ein paar Stunden waren sie fertig und schlenderten gemeinsam zu Esters Haus. Als sie eintraten, begrüßte Ester sie. Während sie Stephen umarmte und ihm einen Kuss auf die Stirn, drückte sah sie Deria eindringlich an.
„Stephen weiß es bereits, Ester. Oliver hat es ihm gesagt“, sagte Deria entmutigend.
„Ja, das habe ich mir gedacht, denn als er hier war…“
„Er war hier?“, unterbrach Deria sie aufgebracht.
„Ja, Oliver hat mir gesagt, dass du heute Abend als Lady Deria zum Essen erscheinen sollst und ich dir dabei behilflich sein soll“, meinte Ester gelassen.
„War er wütend?“, fragte Deria neugierig.
„Nun, da ich Oliver ganz gut kenne, würde ich sagen, er war nicht nur wütend, sondern auch ziemlich enttäuscht.“ Ester schaute Deria forschend an.
„Enttäuscht? Warum?“, wollte Deria zögerlich wissen.
„Das musst du dir schon selbst beantworten. Soweit reichen unsere freundschaftlichen Bande nun auch nicht, dass er mir den Grund für seine Verstimmung genannt hat.“
Damit würde sich Deria später auseinandersetzen. „Stephen, du gehst dich heute Abend so waschen. Ich benötige Zeit mit Deria. Und du kannst schon einmal baden gehen, mein Fräulein“, delegierte Ester die beiden.
Deria verschwand hinter dem Vorhang und fand bereits einen Zuber mit heißem Wasser vor. Sie zog sich aus und wickelte sich die enge Brustbandage ab, wohl wissend, dass es wahrscheinlich das letzte Mal war. Jetzt spürte sie eine große Erleichterung beim Atmen - eine regelrechte Befreiung.
Mit einem Seufzer versank Deria in dem heißen Wasser. Es wirkte entspannend und für einen Moment schloss sie die Augen. Ohne dass sie es wollte, musste sie an Oliver denken: Seine große stattliche Statur, die schwarzen langen Haare, die gerade den Nacken bedeckten, und seine blauen Augen, die jetzt so warm wie der schönste Sommerhimmel leuchteten. Ein sanftes Lächeln umschmeichelte seine Lippen und auf seinen Wangen erschienen Grübchen. Was für ein schöner Mann; er gefällt mir sehr, dachte Deria. Es war ihr, als flatterten tausende kleiner Schmetterlinge in ihrem Bauch herum.
Sie legte ihre Hand darauf, als ob sie das Gefühl damit ausschalten könnte, aber dem war nicht so. Sie spürte, dass sich ihre Gefühle gegenüber Oliver veränderten. Obwohl sie immer noch Furcht vor ihm verspürte, sehnte sie sich nach ihm. Sie dachte an den Kuss zurück. An Olivers Körper, der ihrem so nah gewesen war und die Hitze die er ausgestrahlt hatte. Sie sehnte sich nach seinem Mund und seinen Händen. Plötzlich hörte sie eine Stimme:
„Was für ein entzückender Anblick!“
„Oh, verflucht, was macht Ihr hier? Hinaus mit Euch!“, entrüstete sich Deria und versank mit hochrotem Kopf im Wasser. Oliver verließ lachend das Zimmer, aber was er gesehen hatte, ließ ihn frohlocken.
„Aber Oliver, was machst du denn hier?“, fragte Ester, die aus ihrem Schlafgemach kam.
„Ich wollte mich nur vergewissern, dass Deria dieses Mal meinen Anweisungen gefolgt ist.“
„Nun, es sieht ganz so aus. Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?“, fragte Ester.
„Ich würde mich freuen, wenn du und dein Sohn ebenfalls an meiner Tafel Platz nehmt“, sagte Oliver.
Ester war sichtlich überrascht, denn seit dem Tod von Sir Otto hatte sie nicht mehr im Festsaal gespeist. Sie knickste und bedankte sich:
„Ich danke dir für die Einladung. Nun lasst mich nach Deria schauen.“
Oliver nickte ihr zu und verließ das Haus.
Ester ging zu Deria, die noch immer im Wasser eingetaucht war. Nur ab der Nasenspitze lugte ihr Kopf aus dem Wasser.
„Ist er weg?“, fragte sie aufgebracht, als sie Ester erblickte.
„Ja, er ist weg. Komm heraus. Ich helfe dir beim Ankleiden.“
Deria warf noch einmal einen Blick zum Vorhang, bevor sie sich erhob. Ester hatte bereits ein großes Handtuch ausgebreitet und wartete bis Deria aus dem Zuber stieg. Dann wickelte sie damit die junge Frau ein.
„Warum bist du so nett zu mir?“
Deria war von dieser Geste peinlich berührt.
„Ich habe dich gern, Deria, und du brauchst ein wenig weibliche Intui-tion“, meinte Ester und rubbelte Derias Rücken trocken. Ester hatte sich immer eine Tochter gewünscht und deshalb verwöhnte sie Deria. Sie rieb sie mit Rosenöl ein und half ihr beim Ankleiden. Sie hatte ihr schönstes Gewand geholt und hoffte, dass es Deria passen würde, denn deren Oberweite war ansehnlich. Das Unterkleid war fein gewebt aus weißer Wolle. Das grüne Übergewandt, mit goldenen Fäden durchzogen, passte sich Derias Körperformen an. Ester war überwältigt:
„Deria, es passt wie angegossen. Du bist so eine wunderschöne Frau. Schau dich mal an.“
Deria trat zu dem Spiegel und blickte hinein. Sie konnte es fast gar nicht glauben, dass sie sich selbst sah. Wie lange hatte sie kein Kleid mehr getragen? Und dieses saß wirklich, als wäre es nur für sie gemacht. Sie drehte sich nach rechts und dann wieder nach links. Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Dein Körper hat an den richtigen Stellen die richtigen Rundungen. Du wirst die Herren heute Abend allesamt verzaubern“, bemerkte Ester.
Derias Gesicht wurde von einer sanften Röte überzogen. Obwohl sie sich selbst überzeugen konnte, wie schön sie aussah, fühlte sie sich doch unsicher. Ester frisierte ihr das kurze Haar aus der Stirn und schmückte es mit einigen Kämmen. Zuletzt befestigte sie einen durchsichtigen Schleier auf Derias Scheitel und legte ihn rechts und links in Derias Armbeugen. Dann zog auch Ester sich für das Abendmahl um.
„So, nun können wir gehen“, erklärte Ester stolz.
Stephen blieb wie erstarrt stehen, als er Deria erblickte.
„Oh, du siehst aber bezaubernd aus.“ Deria lächelte und umarmte ihn.
„Wenn du es sagst, dann glaub ich das. Begleitest du mich als Tischherr?“
„Aber gerne.“
Mit stolzgeschwellter Brust bot Stephen Deria den Arm an. Leichtfüßig verließen sie das Haus und gingen zur Burg. Je näher sie kamen, desto nervöser wurde Deria. Was würde Oliver sagen, wenn er sie so sah? Würde sie ihm gefallen? Ester drückte ihr zuversichtlich die Hand und gemeinsam schritten sie die Treppen hinauf.
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