Kitabı oku: «Traum und Evolution»
Schriften der Bayerischen Akademie für Gesundheit
Hg. Bayerische Akademie für Gesundheit Lauterbacher Mühle – Osterseen e.V.
Vorstand:
Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Schwartz
Ortrud Grön
Dr. Magnus Schraudolph
Herausgeberin:
Ortrud Grön
Ortrud Grön, Jg. 1925; Ausbildung zur Jugend- und Eheberaterin (Akademie für Psychoanalyse, München); Fortbildungen in analytischer Gruppentherapie bei Raymond Battegay, in TZI Bei Ruth Cohn und Schicksalsanalyse bei Leopold Szondi; Fortbildungen in Balint-Gruppen-Arbeit, Gestalttherapie; Sensitivity-Training; Transaktionsanalyse, Mitgliedschaft u. a. im DAGG, Sektion Gruppenmethoden in Klinik und Praxis und im Europäischen Verband für Psychotherapie, Wien. Im Rahmen ihrer 50-jährigen Forschung zur therapeutischen Arbeit mit Träumen arbeitete sie Gesetzmäßigkeiten heraus, um sie für Therapie, Prävention und Rehabilitation nutzbar zu machen. Ihre Traumarbeit hat große Beachtung im fachlichen Diskurs und in den Publikumsmedien gefunden. Sie entwickelte die Methode der Traumarbeit nach Ortrud Grön (TAOG) in der von ihr gegründeten Herz- und Kreislaufklinik Lauterbacher Mühle sowie in zahlreichen Seminaren im In- und Ausland. 2002 gründete sie zusammen mit Ärzten, Wissenschaftlern und Therapeuten die Bayerische Akademie für Gesundheit Lauterbacher Mühle Osterseen e.V., die in offenen Seminaren und in Ausbildungen TAOG lehrt. Die Akademie gibt eine eigene Schriftenreihe heraus, die von Ortrud Grön verantwortlich mitbetreut wird; sie ist selber Autorin zahlreicher Bücher und Aufsätze ist. Für Ihre Arbeit wurde sie mit der Beckmann-Medaille für Verdienste um die Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation ausgezeichnet. Kontakt: www.bayerische-akademie.eu.
© 2017 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg
Redaktion: Monika Cyran
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Umschlagentwurf: Uwe Giese – unter Verwendung einer Zeichnung von Luise Kloos: ›o.T.‹, 2017 –
Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin
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Inhalt
Geleitwort (Uwe Tewes)
Vorwort (Karl-Wilhelm Deiß)
1. Träume, eine Lehre zum Sinn von Leben: Die Natur als Wegweiser
2. Gedanken zur Entstehung der Natur
3. Die vier Basiskräfte der Natur und ihre Gleichnisbedeutung
4. Botschaften, die uns die Pflanzen bringen
5. Die Gleichnisbedeutung von Mann und Frau
6. Angst als Thema der Welt
7. Platons Höhlengleichnis
8. Tiere sind Weggenossen
9. Der Regenbogen, die Farben und ihre Gleichnisbedeutung
10. Zur Zahlensymbolik
11. Zwanzig Traumbeispiele zur Gleichnissprache aus der Natur
12. Aphorismen zu Träumen
Nachwort: Philosophische Gedanken zum Sinn von Leben 123
Literatur
Stichwortverzeichnis
Geleitwort
Als ich vor zehn Jahren das Geleitwort zu Ortrud Gröns Standardwerk Pflück dir den Traum vom Baum der Erkenntnis schreiben durfte, nahm ich an, dass es sich dabei um eine Art abschließender Bilanz ihrer jahrzehntelangen Erfahrungen mit der Erarbeitung von Träumen der Patienten ihrer bekannten und renommierten Herz-Kreislauf-Klinik »Lauterbacher Mühle« handeln sollte. Ich beneidete sie um den Mut, mit dem sie sich damals im Alter von 81 Jahren an ein derart aufwändiges Projekt wagte. Der Erfolg gab ihr jedoch recht. Das Buch erzielte nicht nur Auflagen, die für derartige Sachbücher eher selten sind, sondern fand auch sehr viel positive Resonanz in den Medien. Die ZEIT berichtete ausführlich mit Titelbild im ZEITmagazin. Ortrud Grön war Gast in verschiedenen Talkshows im Fernsehen und wurde häufig im deutschen und österreichischen Fernsehen und verschiedenen Hörfunkprogrammen interviewt und hielt zahlreiche Vorträge und Seminare. Heute zeigt sich, dass dieses Buch für sie damals wohl nicht der krönende Abschluss ihrer Entwicklung in der Arbeit mit Träumen war, sondern eher der Ansporn, sich noch intensiver und systematischer mit der Weiterentwicklung ihrer Traumarbeit zu befassen. Unter anderem folgten 2008 ein Buch mit Weisheiten aus Träumen (Leben ist eine Kuh, die dauern ihr Euter füllt), das biografisch geprägte Buch Ich habe einen Traum (2009), das sie gemeinsam mit zwei Redakteuren des ZEITmagazins, Christoph Amend und Tillmann Prüfer, schrieb, und 2014 das Werk Der Sündenfall – eine andere Sichtweise auf Naturgleichnisse der Bibel, in dem sie sich kritisch mit theologischen Auslegungen der Bibel auseinandersetzt, in denen die Gleichnisse auf bloße sozial-ethische Parabeln reduziert werden.
Für Ortrud Grön sind die Träume »die Werkstatt des geistigen Lebens«. Die Bedeutung des Träumens sei darin zu sehen, dass sich in den Träumen unsere Schwierigkeiten zu reifen erkennen lassen. Dies bedeutet aber auch, dass Träume einen Sinn haben müssen, d. h. eine inhaltliche Bedeutung, die sich auf den ersten Blick nicht erschließt. Sie geht in ihrem neuen Buch daher vor allem auf die Frage ein, wie sich die Natur in uns selbst wiederholt und wie sich in unserer geistigen Entwicklung und unserem Reifeprozess auch die Gesetze der Natur widerspiegeln. Die Schriftstellerin Ulla Hahn sagt dazu in einem Kommentar zu Gröns Standardwerk Pflück dir den Traum vom Baum der Erkenntnis: »Der Traum nutzt die Entwicklung der Evolution als Gleichnis für die Entwicklung des Menschen«.
In ihrem neuen Buch geht es ihr vor allem um die Entschlüsselung dieser gleichnishaften bzw. metaphorischen Bedeutung der Trauminhalte. »Träume nutzen alle Bilder der Welt als Metaphern, um unser Leben zu spiegeln« (Ortrud Grön). Bei dieser Gleichsetzung von Gleichnisdenken und Metaphernbildung nimmt sie Bezug auf Aristoteles, der in seiner Rhetorik auf die besondere Eignung der Metapher verweist, um sich etwas »vor Augen zu führen«, indem man Beseeltes für Unbeseeltes verwende, um sich die Dinge in »Wirksamkeit« (energeia) zu vergegenwärtigen und ähnlich wie in der Philosophie das Ähnliche in weit auseinanderliegenden Dingen zu erkennen. Er verwendet in diesem Zusammenhang auch schon den Begriff des Gleichnisses und betont: »Es ist aber auch das Gleichnis eine Metapher; denn der Unterschied zwischen beiden ist nur gering«. Dass sich die Phänomene und Gesetze der Natur geistig nicht anders erfassen lassen als in Form von Metaphern oder Gleichnissen, spiegelt sich auch in den Lehrbüchern der Naturwissenschaften wider, bis hin zur Physik und zur Kosmologie. Wahrscheinlich ist die Fähigkeit zum Denken in Gleichnissen bzw. Metaphern evolutionär bedingt und somit ein Merkmal der geistigen Reifung des Menschen. Nach Karl Eibl besteht die evolutionäre Bedeutung dieser Fähigkeit darin, dass sie einen Beitrag zur Strukturierung unseres Denkens leistet, indem sie es uns ermöglichen, »Strukturen vertrauter Bereiche auf (noch) unvertraute Bereiche zu übertragen.« Aus dieser Perspektive lässt sich der Ansatz von Ortrud Grön gut nachvollziehen, die Traumbilder als naturbezogene, gleichnishafte bzw. metaphorische Versinnbildlichungen geistiger Strukturen und Prozesse zu verstehen, die uns auf den ersten Blick unvertraut erscheinen. Dieser Ansatz lässt sich in der praktischen Traumarbeit gut prüfen und ist nicht in gleichem Maß von komplizierten psychologischen Erklärungsmustern abhängig, wie es beispielsweise in den psychoanalytischen Theorien zur Traumsymbolik der Fall ist.
Des Weiteren geht Ortrud Grön hier wesentlich ausführlicher als in früheren Veröffentlichungen auf den spirituellen Bezug ihrer Traumarbeit ein. Dass sie sich diesbezüglich lange im Zwiespalt befand, hat sie nie in Abrede gestellt. Stets trieb sie die Sorge um, dass sie sich damit im wissenschaftlichen Diskurs einer Kritik stellen müsste, die eine öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit infrage stellen könnte. Jetzt erläutert sie ausführlich, weshalb es aus ihrer Sicht unsinnig wäre, ein unüberwindbares Nebeneinander von geistiger und materieller Welt zu postulieren, und betont ausdrücklich, dass es »keine Welt des Stofflichen gebe, die nicht ihre Entsprechung auf spiritueller Ebene« habe; »Der schöpferische Geist des Lebens (habe) die Natur erschaffen, damit wir die Gesetze erkennen, durch die allein wir die Schönheit von Leben auch in uns selbst erkennen können«. Die Entwicklung des Geistigen und der Natur unterliege daher denselben evolutionären Gesetzen und basiere auf denselben Grundprinzipien. In der gleichnishaften, metaphorischen Bedeutung der Traumbilder fänden beide Seiten eine gemeinsame Sprache.
Ortrud Gröns Befürchtung, sich mit einem Bekenntnis zur Spiritualität möglicherweise ins Abseits des naturwissenschaftlichen Diskurses zu begeben, erscheint mir unbegründet. Sie zitiert selbst renommierte Philosophen und Naturwissenschaftler, die sich klar zu ihrer spirituellen Überzeugung bekennen. Aber auch in der Psychotherapie hat die Spiritualität stark an Bedeutung gewonnen, weil sie alle wichtigen Grundthemen des Lebens berührt. Henning Freund und Werner Gross haben dazu im vergangenen Jahr Ergebnisse umfangreicher Umfragen bei Ausbildungsinstituten für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Deutschland durchgeführt und festgestellt, dass die Mehrzahl der Institute der Integration den religiösen, spirituellen und existenziellen Fragen besondere Bedeutung beimisst und diese Themen auch in den Lehrplan aufgenommen hat, wobei nicht nur auf die salutogenetische Relevanz dieser Themen eingegangen wird, sondern auch ausführlich erläutert wird, wie wichtig die Berücksichtigung des religiös-weltanschaulichen Hintergrunds sowohl des Patienten als auch des Therapeuten für die psychotherapeutische Arbeit und die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen sei.
Ortrud Grön weist darauf hin, dass die Entwicklung zur Selbstbefreiung nie zu Ende sei. Ihre eigene Entwicklung auf diesem Weg war äußerst beschwerlich, weil er geprägt war durch starke Belastungen in der Herkunftsfamilie, schwierige Lebenssituationen und die enormen Anforderungen, die sich für sie aus der Gründung, dem Aufbau und der Leitung ihrer Herz-Kreislauf-Klinik ergaben. Dieses neue Buch markiert einen weiteren Meilenstein auf ihrem ganz persönlichen Weg zur Selbstbefreiung und liefert einen unverzichtbaren Beitrag zum tieferen Verständnis ihrer Arbeit mit Träumen.
Prof. Dr. phil. Uwe Tewes
Lüneburg, im Juni 2017
Vorwort
»Wie kommt es eigentlich, dass Sie in Ihrem Alter mit 64 Jahren und am Ende ihrer beruflichen Tätigkeit als Allgemeinarzt noch diese Weiterbildung machen?« So wurde ich von der Prüfungskommission der Bayerischen Landesärztekammer im Februar dieses Jahres nach erfolgreichem Abschluss meiner fünfjährigen Ausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gefragt. Auf meine Antwort, »Ich möchte wissen, warum wir so ticken, wie wir ticken und was wir tun können, wenn es nicht mehr klappt«, registrierte ich zustimmendes Schmunzeln.
Allzu oft erlebte ich mich als Hausarzt bei der Begleitung meiner Patienten in Grenzsituationen, in denen ich gerne mehr über die inneren und seelischen Zusammenhänge der Erkrankungen gewusst hätte. Dabei beschäftigten mich vor allem die Fragen, wie wir einerseits die Behandlung optimieren und andererseits wie wir unsere Patienten im Umgang mit ihrer Krankheit unterstützen können. Trotz vieler segensreicher, wissenschaftlicher und medizinischer Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung körperlicher und psychischer Erkrankungen erkannte ich immer deutlicher, wie hochkomplex das ›Wunder Mensch‹ funktioniert und wir immer wieder vor neuen Fragen und Herausforderungen stehen, die mit unserer ›ärztlichen Kunst‹ alleine nicht zu beantworten und zu bewältigen sind.
Meiner Neugier und meinem Bedürfnis nach tieferem Verständnis der menschlichen Entwicklung folgend, besuchte ich vor zehn Jahren mein erstes Traumseminar bei Ortrud Grön. Hier war ich sozusagen mitten im ›Operationssaal‹ der Traumarbeit und konnte miterleben, wie behutsam, aber auch klar, unmissverständlich und konsequent Ortrud Grön die Träume im Dialog mit dem Träumer bearbeitet. Es geht im Wesentlichen darum, sich mit der Gleichnissprache des Traumes vertraut zu machen. Gleichnis bedeutet hier konkret, dass es zu allen Phänomenen der materiellen Welt eine Entsprechung in unserer seelisch-geistigen Entwicklung gibt. So wie z. B. der Baum die Sonne zum Wachsen braucht, so benötigen wir in uns einen Harmonisierungsprozess, der uns die Energie für gesundes, kreatives Leben gibt. Ein knorriger Baum ohne Blätter gleicht deshalb einem anderen seelisch-geistigem Zustand in uns als ein lichtdurchfluteter Laubbaum, dessen gesunde Blätter sich dem Windspiel hingeben. Dass es sich beim Verständnis der Gleichnisse wirklich um Arbeit handelt, die erlernbar ist, und nicht um Deutungen, beeindruckte mich dermaßen, dass ich mich bei Ortrud Grön in Traumarbeit weiterbildete und mittlerweile zu ihrem Ausbildungsteam gehöre.
Ortrud Grön befasste sich im Laufe von 50 Jahren bei der Analyse von Tausenden von Träumen mit der Evolution und ihren Gesetzmäßigkeiten. Über die konventionelle Traumanalyse mit freier Assoziation hinausgehend, hat sie die für ihre Traumarbeit spezifischen Zusammenhänge von Evolution und unserer seelisch-geistigen Entwicklung konstatiert. In den vier Basiskräften der Natur, Wasser, Luft, Erde und Sonne, liegen wertvolle Hinweise auf unser Potenzial im Fühlen, Denken, Handeln und in unserer Suche nach Harmonie. Es gilt, das Wesentliche des Traumes, seine Bilder, Szenen, Pflanzen, Tiere und alle möglichen Phänomene dieser Welt zu erkunden und zu klären. Wie in der Medizin gilt auch hier der Leitsatz: ›Man muss viel wissen, um wenig zu tun!‹ Je größer der Erfahrungsschatz eines Arztes ist, desto gezielter und rascher kann er sich an das Krankheitsbild heranarbeiten, um die korrekte Diagnose und die dazu passende Therapie zu finden. Dasselbe gilt für die Traumarbeit. Je genauer wir den Inhalt eines Gleichnisses verstehen, umso klarer wird uns gespiegelt, welchem Geist unser Denken, Fühlen und Verhalten entspricht. Der Traum konfrontiert uns mit unserer inneren Wirklichkeit, damit wir lernen, unsere subjektive Identität mit ihren Beziehungen zu unseren Mitmenschen zu erkennen. Wir kommen unseren tiefsten, unbewussten Überzeugungen und Ängsten auf die Spur. Dabei erscheinen unsere ungelösten inneren Widersprüche, Verletzlichkeiten und Entwicklungsdefizite. Wir erleben im Traum, ob und wie wir uns mit einem »falschen Selbst« (Winnicott) durch den Alltag mogeln. In den Träumen stecken Lösungsmöglichkeiten für ein – im Sinne der Salutogenese – gesundes und zufriedenes Leben.
Seit nun zehn Jahren intensiver Arbeit mit Träumen (den eigenen und denen vieler Patienten) entwickelte ich immer mehr Respekt und Staunen vor den Träumen und den in ihnen liegenden Hilfsangeboten für gelingendes Leben. Gleichzeitig wuchs mein Mut, mich an die Arbeit mit Träumen heranzuwagen. Als wesentliches und hilfreichstes Element der Traumarbeit nach Ortrud Grön erscheint mir ihre spezielle Kunst des am Gleichnis orientierten Fragens. Je näher wir der Bedeutung eines Gleichnisses kommen, umso präziser und feinfühliger können wir empathisch relevante Fragen stellen, mit denen der Patient selbst die für ihn stimmigen Antworten finden kann. Und ich kann sagen, dass mir diese Art von Traumarbeit aufgrund ihrer Effektivität immer mehr Freude bereitet.
So bin ich zuversichtlich, dass Sie durch dieses Buch Gelegenheit haben werden, die Kostbarkeit der Gleichnissprache in den Träumen zu entdecken. Wie der Naturwissenschaftler die der Natur immanenten Gesetze nicht erfinden, sondern allenfalls entdecken kann, so bemüht sich Ortrud Grön, die in den Bildern und Szenen eines Traumes steckenden Inhalte als Gleichnisse unserer seelisch-geistigen Reifung zu entdecken und zu verstehen. Sie macht uns speziell in diesem Buch darauf aufmerksam, dass in der Natur alle Gesetzmäßigkeiten vorhanden sind, um zu mehr Lebendigkeit zu kommen. Die Natur lebt und führt es uns in unseren Träumen vor, wie wir lernen können, mit mehr Leichtigkeit und Zufriedenheit durch das Leben zu gehen. In Grenzsituationen unseres Lebens, aber auch bei längerer Unzufriedenheit oder unklaren Krankheitssymptomen, kann durch diese Traumarbeit bisher unbekanntes, in uns schlummerndes, individuelles, authentisches Lösungspotenzial erschlossen werden. Letztendlich geht es darum, mit sich selbst, mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt achtsam und mit mehr Liebe und Respekt umzugehen. Dann, so würde ich jetzt sagen, ticken wir richtig!
Dr. med. Karl-Wilhelm Deiß
Seeshaupt, im Juni 2017
1. Träume, eine Lehre zum Sinn von Leben: Die Natur als Wegweiser
Träume zeigen, dass die Prozesse in der Natur den geistigen Werdeprozessen im Menschen gleichnishaft entsprechen.
Meinen Betrachtungen möchte ich Erkenntnisse der beiden chilenischen Biologen Maturana und Varela voranstellen, weil ihr Buch Der Baum der Erkenntnis meine Gedanken befruchtet hat. Die beiden Wissenschaftler haben mich durch ihre Studien zur Natur dazu angeregt, den biologischen Wurzeln des Erkennens nachzugehen. Die Betrachtungen von Maturana und Varela gipfeln in der Erkenntnis, dass alle Lebewesen sich dadurch charakterisieren, dass sie sich buchstäblich andauernd selbst erzeugen. Somit entwickelt jedes Lebewesen seine Identität, die ihm von Natur aus als eigene Gesetzmäßigkeit mitgegeben wurde.
Maturana und Varela sagen dazu, jedes Lebewesen werde an einem besonderen Ort geboren, in einem Milieu, in dem es sich verwirklichen kann. Dieses Milieu unterscheidet sich in seiner strukturellen Dynamik von der Struktur des Lebewesens. Milieu und Lebewesen werden dadurch zu einer Quelle wechselseitiger Störungen. Damit das Lebewesen die Störungen kreativ bewältigen kann, muss es zu einem Wandel in seiner Struktur kommen. Das Wesentliche dabei ist, dass nicht die Störungen aus dem Milieu entscheiden, was mit dem Lebewesen geschieht, sondern dass vielmehr das Lebewesen bestimmt, zu welchem Wandel es infolge der Störung in ihm kommt. Erkennen und Tun sind die beiden Lebenskräfte, die neues Leben zeugen. Das Milieu, in das wir hineingeboren werden, regt somit die Selbsterschaffung des Menschen an. Soweit Maturana und Varela. Die individuelle Bewältigung von Störungen ist aber auch das Thema aller Träume. Die Bilder der Natur spiegeln unsere geistigen Kräfte auf diesem Weg.
Aus einem meiner Träume:
Träume sind dramatische Dichtungen zu unserer Schwierigkeit zu reifen. Träume sind die Werkstatt des geistigen Lebens.
Schauen wir uns in dieser Werkstatt einmal um, welch verlässliches Handwerkszeug sie uns gibt.
• Träume nutzen alle Bilder der Welt als Metapher, um unser Leben zu spiegeln
• Träume beschreiben unsere emotionale Befindlichkeit
• Träume beschreiben die Widersprüchlichkeit in unseren Gefühlen
• Träume wecken Erinnerungen, decken dabei die Wurzeln unserer Ängste auf und beschreiben die zum Schutz gewählten Abwehrmechanismen
• Träume sind Wegweiser zu befreiten Gefühlen und Gedanken
• Träume zeigen den Weg zur persönlichen Freiheit und zur persönlichen schöpferischen Kraft, d. h. zu unserer Identität
Wenn Schopenhauer sagt: »Das Leben und die Träume sind Blätter eines und des nämlichen Buches. Das Lesen im Zusammenhang heißt wirkliches Leben«, dann muss ihn diese Sicht der Träume auch erfüllt haben.
In der Naturphilosophie ist Schelling der Philosoph, der erkannt hat, dass der Natur immer schon Geist zu Grunde lag und die Natur eine Stufenleiter ist, die sich zu immer höheren Gestaltungen ausgeweitet hat.
In einem Traum hörte ich einmal:
Wir träumen zwar, aber erst dann, wenn wir die Traumsprache verstehen, begreifen wir, dass wir geträumt werden.
Das habe ich in 50 Jahren meiner Traumforschung immer neu erfahren dürfen. Darum liegt es mir am Herzen, diese tiefe Erfahrung mit anderen zu teilen. In unserer gegenwärtigen Kultur stößt die spirituelle Suche nach dem Sinn unseres Lebens häufig z.B. auf den Widerstand materieller Bedürfnisse, Gleichgültigkeit, Mangel an Beweisen und missverstandene Bildinhalte in den Religionen. Dazu träumte ich einmal:
Ich bin in einem Raum und sehe dort plötzlich eine Schar Mücken aufsteigen. Dann nehme ich einen Strauß weißer Pfingstrosen wahr, die etwas rötlich gefärbt sind.
Und dazu höre ich den Satz: Zwei Zeitgeister stoßen aufeinander.
Das war damals, als ich anfing, mein erstes Buch zu schreiben. Der Traum konfrontierte mich damit, zu blutleer zu schreiben. Dafür steht der Mückenschwarm. Mücken saugen bekanntlich Blut aus uns Menschen. Ich hatte damals Angst, dem im rein materiellen Denken verhafteten Zeitgeist vielleicht nicht zu genügen, und schrieb um der Sachlichkeit Willen zu blutleer. Die weißen Pfingstrosen in der zweiten Szene mit der leicht rötlichen Färbung aber sagten mir, Pfingsten ist ein hoch spirituelles Fest und du weißt, was Spiritualität ist. Verleugne deine Liebe dazu nicht und schreibe so, wie dir ums Herz ist. Die leicht rötliche Färbung beschreibt meinen noch zögerlichen Aufbruch dahin. Und weiter heißt es dann im Traum: die zwei Zeitgeister – der rein materielle und der spirituelle Denkansatz zum Leben – müssen aufeinander stoßen, damit ein Austausch stattfindet. Nur so können beide zu einer einzigen Wahrheit verschmelzen. Ich bin überzeugt, das Gleichnis-Verständnis von Träumen auf der Basis von Naturgesetzen ist ein Weg zur Lebendigkeit von Leben, die in jedem Menschen auf individuelle Weise entsteht.
In unserem Leben geht es um den Weg in die Wahrheit von Leben, d. h. um die lebendigen Prozesse, die uns die Natur vorlebt.
Aus einem meiner Träume:
Es geht um die Offenbarmachung vom Sinn allen Lebens. Wir alle sind Gottes Kinder, die sich auf den Weg in die Wahrheit begeben können und es aber auch sein lassen dürfen. Sie entscheiden sich jeder für sich allein.
Und alle gehen den Weg, der in die Wahrheit führt, die in jedem Herzen eine Heimat hat. Jeder Mensch ist im Kern göttliche Liebe.
Daraus aber ergibt sich für die Menschheit die Frage, wer eigentlich lernen will, sich selbst zu erlösen. Da gibt es Menschen, die haben dazu die Kraft und die Liebe, und da gibt es Menschen, die sind einfach nur unterwegs, ohne sich Gedanken um das Leben selbst machen zu wollen.
Mit solchen Traumbotschaften beschenkt, habe ich mich voller Vertrauen in die Bildersprache der Träume vertieft und erfahren, wie der Traum das Problem des Träumers, sein Problemverhalten und Problemlösungsschritte in einer Bilderstruktur sichtbar macht.
Zu den vielen Texten, die ich in Nächten empfing, noch ein Hinweis:
Die meisten Texte bekam ich in Träumen. Doch die längeren Traumtexte empfing ich in halbwachen Zuständen in der Nacht zwischen zwei und drei Uhr durch ein inneres Hören. Das verlangte stets viel Kraft und Überwindung, nicht wieder einschlafen zu wollen. Das, was ich hörte, schrieb ich sogleich mit.
Es gibt viele Methoden, Träumen in ihrer Bedeutung nachzugehen. In einem Traum hörte ich dazu:
Die vielen Methoden zum Verständnis von Träumen basieren auf der Kraft ihrer Bilder. Es braucht dazu die Kraft, die dieser Sprache innewohnende Wahrheit zu erfahren.
Dazu gehören auch alle anderen Bilder eines Traumes wie Personen, Fahrzeuge, Gebäude, Gegenstände u.a.
In dieser Zusammenfassung aber beschränke ich mich auf die Metaphorik von biologischen Prozessen in der Pflanzen- und Tierwelt und besonders auf die vier Grundkräfte, die unseren Lebensprozess bewegen.
Unter Gleichnissprache verstehe ich, die wesentliche Eigenart eines Bildes von der materiellen Ebene auf die geistige Ebene zu transformieren. Alle alten Kulturen haben nur in Bildern der sie umgebenden Natur den Sinn von Leben geschildert – auch allen Religionen liegt dieses Denken in Naturbildern zugrunde.
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