Kitabı oku: «Ein Granatapfelhaus», sayfa 2

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»Soll Freude tragen, was Leid verfertigt hat?« fragte der junge König. Und er erzählte ihm seine drei Träume.

Und als der Bischof sie gehört hatte, runzelte er die Stirn und sagte: »Mein Sohn, ich bin ein alter Mann und stehe im Winter meiner Tage, und ich weiß, dass viele schlimme Dinge in der weiten Welt getan werden. Die wilden Räuber steigen aus den Bergen herab und schleppen die kleinen Kinder fort und verkaufen sie den Mohren. Die Löwen liegen auf der Lauer, bis die Karawanen kommen, und springen mit einem Satz auf die Kamele. Das Wildschwein wühlt das Korn im Tale auf, und die Füchse fressen die Reben auf dem Berge ab. Die Seeräuber brandschatzen die Küste und verbrennen die Boote der Fischer und nehmen ihnen ihre Netze weg. In den Salzsümpfen leben die Aussätzigen; sie haben Häuser aus geflochtenem Rohr, und niemand darf zu ihnen kommen. Die Bettler wandern durch die Städte und essen ihr Futter mit den Hunden. Kannst du machen, dass diese Dinge nicht sind? Willst du den Aussätzigen zu dir ins Bett nehmen und den Bettler zu deinem Tischgenossen machen? Soll der Löwe tun, was du ihn heißt, und das Wildschwein dir gehorchen? Ist nicht der, der das Elend geschaffen hat, weiser als du? Darum lobe ich dich nicht für das, was du getan hast, sondern ich sage dir, reite zurück zum Palast und mache dein Antlitz froh, und ziehe das Gewand an, das einem König ziemt; und mit der Krone aus Gold will ich dich krönen, und das Perlenzepter will ich dir in die Hand geben. Und an deine Träume sollst du nicht mehr denken. Die Bürde dieser Welt ist zu schwer, dass ein Mensch allein sie trüge, und das Leid der Welt zu groß, dass ein Herz allein es auf sich nähme.«

»Und das sagst du in diesem Hause?« sagte der junge König, und er schritt an dem Bischof vorbei und stieg die Stufen zum Altar hinauf und stand vor dem Bildnis Christi.

Er stand vor dem Bildnis Christi, und in seiner Rechten und in seiner Linken waren die wunderbaren goldnen Gefäße, der Kelch mit dem gelben Wein und die Phiole mit dem heiligen Öl. Er kniete vor dem Bildnis Christi, und die großen Kerzen brannten strahlend vor dem juwelenbesetzten Schrein, und der Rauch des Räucherwerks kräuselte sich in dünnen, blauen Gewinden durch die Kuppel. Er beugte sein Haupt im Gebet, und die Priester in ihren reichen Chorröcken schlichen sich vom Altar weg.

Und plötzlich hörte man wilden Lärm von der Straße her, und die Edeln stürmten herein mit bloßen Schwertern und nickenden Federn und Schilden aus glänzendem Stahl. »Wo ist dieser Traumträumer!« riefen sie. Wo ist dieser König, der angetan ist wie ein Bettler – dieser Knabe, der Schande über unsern Staat bringt? Wahrlich, wir wollen ihn erschlagen, denn er ist unwürdig, über uns zu herrschen.«

Und der junge König beugte wieder sein Haupt und betete, und als er sein Gebet beendigt hatte, stand er auf, wandte sich um und sah sie traurig an.

Und siehe, durch die gemalten Scheiben floss das Sonnenlicht über ihn, und die Sonnenstrahlen woben um ihn ein golddurchwirktes Gewand, das schöner war als das Gewand, das zu seiner Lust verfertigt worden war. Der tote Stab blühte auf und trug Lilien, die weißer waren als Perlen. Der vertrocknete Zweig blühte auf und trug Rosen, die röter waren als Rubinen. Weißer als zarte Perlen waren die Lilien, und ihre Stängel waren von glänzendem Silber. Röter als herrische Rubine waren die Rosen, und ihre Blätter waren von geschlagenem Gold.

Er stand im Gewand eines Königs da, und die Türen des juwelenbesetzten Schreins sprangen auf, und aus dem Kristall der strahlenförmigen Monstranz schien ein wunderbares und geheimnisvolles Licht. Er stand in eines Königs Gewand da, und die Glorie Gottes erfüllte die Stätte, und die Heiligen in ihren geschnitzten Nischen schienen sich zu bewegen. Im schönen Gewand eines Königs stand er vor ihnen, und die Orgel dröhnte ihre Klänge, und die Trompeter bliesen auf ihren Trompeten, und die Sängerknaben sangen.

Und das Volk fiel ehrfürchtig auf die Knie, und die Edlen steckten ihre Schwerter in die Scheide und huldigten, und das Gesicht des Bischofs wurde blass, und seine Hände zitterten. »Ein Größerer als ich hat dich gekrönt«, rief er und fiel vor ihm auf die Knie.

Und der junge König stieg vom Hochaltar herab und ging mitten durch das Volk nach Hause. Aber niemand wagte, ihm ins Antlitz zu sehen, denn es war wie das Antlitz eines Engels.

Der Geburtstag der Infantin

Es war der Geburtstag der Infantin. Sie war just zwölf Jahre alt, und die Sonne schien strahlend in den Gärten des Palastes.

Obwohl sie eine richtige Prinzessin und die Infantin von Spanien war, hatte sie nur einen Geburtstag jedes Jahr, gerade wie die Kinder von ganz armen Leuten. So war es natürlich eine wichtige Angelegenheit für das ganze Land, dass sie für dieses Fest einen wahrhaft schönen Tag hatte. Und ein wahrhaft schöner Tag war es ganz gewiss. Die großen gestreiften Tulpen standen aufrecht auf ihren Stängeln wie lange Reihen Soldaten und blickten herausfordernd durch das Gras auf die Rosen und sagten: »Wir sind geradeso glänzend, wie ihr seid.« Die purpurnen Falter flatterten herum, mit Goldstaub auf ihren Flügeln, und besuchten der Reihe nach jede Blume; die kleinen Eidechsen krochen aus den Spalten der Mauer und sonnten sich in dem weißen Glanz, und die Granatäpfel rissen und platzten vor Hitze und zeigten ihre blutigroten Herzen. Selbst die blassen, gelben Zitronen, die so verschwenderisch an dem vermodernden Spalier und den dunklen Säulengängen hingen, schienen von dem wunderbaren Sonnenlicht eine reichere Farbe bekommen zu haben, und die Magnolienbäume öffneten ihre großen kugelförmigen Blüten zusammengefalteten Elfenbeins und erfüllten die Luft mit einem süßen, schweren Duft.

Die kleine Prinzessin selbst wandelte mit ihren Gespielinnen auf der Terrasse auf und ab und spielte mit ihnen Verstecken um die steinernen Vasen und die alten moosbewachsenen Statuen herum. An gewöhnlichen Tagen war es ihr nur erlaubt, mit Kindern ihres eigenen Rangs zu spielen, und so musste sie immer allein spielen, aber ihr Geburtstag war eine Ausnahme, und der König hatte Befehl gegeben, sie sollte von ihren jungen Freunden und Freundinnen alle die einladen, die sie gern sähe und mit denen sie sich vergnügen wolle. Es war eine stolze Grazie um diese schlanken spanischen Kinder, wie sie vorbeihuschten, die Knaben mit ihren großen, federbesetzten Hüten und kurzen, flatternden Mänteln; die Mädchen, die die Schleppen ihrer langen Brokatröcke hielten und ihre Augen mit großen Fächern in Schwarz und Silber vor der Sonne schützten. Aber die Infantin war die anmutigste von allen und war nach der etwas schwerfälligen Mode der Zeit am geschmackvollsten angezogen. Ihr Kleid war aus grauem Atlas, der Rock und die weiten gepufften Ärmel schwer mit Silber bestickt, und das steife Mieder mit Reihen zarter Perlen besetzt. Zwei zierliche Pantöffelchen mit großen rosa Rosetten guckten beim Gehen unter ihrem Kleide hervor. Rosenrot und perlfarben war ihr großer Gazefächer, und in ihrem Haar, das wie ein Heiligenschein von mattem Gold steif um ihr blasses Gesichtchen herumstand, hatte sie eine schöne weiße Rose.

Von einem Fenster im Palaste sah der traurige, schwermütige König ihnen zu. Hinter ihm stand sein Bruder, Don Pedro von Aragonien, den er hasste, und sein Beichtvater, der Großinquisitor von Granada, saß ihm zur Seite. Noch trauriger als gewöhnlich war der König; denn als er auf die Infantin sah, die mit kindlicher Gravität vor den versammelten Höflingen ihre Verbeugung machte oder hinter ihrem Fächer über die gestrenge Herzogin von Albuquerque lachte, die sie immer begleitete, dachte er an die junge Königin, ihre Mutter, die erst vor Kurzem – so war es ihm – aus dem heiteren Lande Frankreich gekommen und in dem düsteren Glanz des spanischen Hofes hingewelkt war. Sie starb sechs Monate nach der Geburt ihres Kindes, ehe sie im Garten zweimal hatte die Mandelbäume blühen sehen und ehe sie von dem alten knorrigen Feigenbaum, der in der Mitte des jetzt grasüberwachsenen Schlosshofs stand, die Frucht des zweiten Jahres gepflückt hatte. So groß war seine Liebe zu ihr gewesen, dass er auch nicht dem Grab erlaubt hatte, sie ihm zu nehmen. Sie war von einem maurischen Arzt einbalsamiert worden, dem für diesen Dienst sein Leben geschenkt worden war, das, hieß es, wegen Ketzerei und Verdachts des Zauberwesens schon der Inquisition verfallen gewesen, und ihr Leichnam lag noch immer auf der mit gestickten Teppichen bedeckten Bahre, in der schwarzmarmornen Kapelle des Palastes, gerade wie die Mönche sie an dem stürmischen Märztag vor fast zwölf Jahren hineingetragen hatten. Einmal in jedem Monat ging der König hinein, einen dunklen Mantel umgeschlagen und eine verhüllte Laterne in seiner Hand, und kniete vor ihr nieder. Dann rief er laut: »Mi reina! Mi reina!« Und manchmal durchbrach er die förmliche Etikette, die in Spanien jede einzelne Lebensäußerung beherrscht und selbst dem Schmerz eines Königs Schranken setzt, und griff in wildem Ausbruch des Leids nach den bleichen juwelengeschmückten Händen und versuchte, das kalte, gemalte Antlitz mit seinen wahnsinnigen Küssen zu erwecken. Heute schien er sie wieder vor sich zu sehen, wie er sie zuerst in dem Schlosse Fontainebleau gesehen hatte, als er erst fünfzehn Jahre alt und sie noch jünger war. Sie waren bei der Gelegenheit in Anwesenheit des französischen Königs und des ganzen Hofes von dem päpstlichen Nuntius förmlich verlobt worden, und er war nach dem Eskorial heimgekehrt, mit einem Ringlein aus blondem Haar und der Erinnerung an zwei Kinderlippen, die sich auf seine Hand geneigt und sie geküsst hatten, als er in seinen Wagen stieg. Später war die Hochzeit gefolgt, die eilig in Burgos, einer kleinen Stadt an der Grenze zwischen den beiden Ländern, vollzogen wurde, und der große öffentliche Einzug in Madrid mit der traditionellen Feier des Hochamts in der Kirche La Atocha und einem mehr als gewöhnlich feierlichen Autodafé, in dem fast dreihundert Ketzer, unter denen viele Engländer waren, dem weltlichen Arm zum Feuertod überliefert worden waren.

Wahrlich, er hatte sie wahnsinnig und – meinten manche – zum Verderben seines Landes geliebt, das damals um den Besitz des Reiches in der Neuen Welt mit England im Kriege lag. Er hatte ihr kaum je erlaubt, ihm aus den Augen zu kommen; um ihretwillen hatte er, so schien es wenigstens, alle ernsten Staatsgeschäfte vergessen; infolge der schrecklichen Blindheit, welche die Leidenschaft über ihre Knechte bringt, war ihm entgangen, dass die peinlich befolgten Zeremonien, durch die er sie zu vergnügen suchte, die seltsame Krankheit, an der sie litt, nur verschlimmerten. Als sie starb, war er eine Zeitlang wie einer, der den Verstand verloren hat. Tatsächlich ist kein Zweifel, dass er formell abgedankt und sich in das große Trappistenkloster in Granada zurückgezogen hätte, dessen Titular-Prior er bereits war, wenn er nicht gefürchtet hätte, die kleine Infantin seinem Bruder überlassen zu müssen, dessen Grausamkeit selbst in Spanien berüchtigt war und der bei vielen im Verdacht stand, den Tod der Königin mittels eines Paars vergifteter Handschuhe herbeigeführt zu haben, die er ihr bei Gelegenheit ihres Besuchs in seinem Schloss in Aragonien überreicht hatte. Selbst nach Erlöschen der dreijährigen öffentlichen Trauer, die er durch königliches Edikt für seine ganzen Besitzungen angeordnet hatte, duldete er niemals, dass seine Minister ihm von einer neuen Verbindung sprachen, und als der Kaiser selbst zu ihm sandte und ihm die Hand der lieblichen Erzherzogin von Böhmen, seiner Nichte, zur Ehe anbot, hieß er die Botschafter ihrem Herrn bestellen, der König von Spanien wäre noch mit dem Leid vermählt, und dieses liebe er, obschon es nur eine unfruchtbare Braut wäre, mehr als die Schönheit – eine Antwort, die seiner Krone die reichen Provinzen der Niederlande kostete, die sich bald danach auf Anstiften des Kaisers und unter der Führung einiger Schwärmer der reformierten Kirche gegen ihn empörten.

Sein ganzes Eheleben mit seinen wilden, feuerfarbenen Wonnen und dem schrecklichen Todeskampf seines plötzlichen Endes schien ihm heute zurückzukommen, als er zusah, wie die Infantin auf der Terrasse spielte. Sie hatte die ganze zierliche Ausgelassenheit der Königin in ihrem Wesen, die nämliche trotzige Art, den Kopf zurückzuwerfen, den nämlichen stolzen, geschwungenen schönen Mund, das nämliche wunderbare Lächeln – wahrlich ein vrai sourire de France –, wenn sie hie und da zum Fenster emporblickte oder ihre kleine Hand den stolzen spanischen Granden zum Küssen hinstreckte. Aber das schrille Lachen der Kinder verletzte sein Ohr, und das strahlende, erbarmungslose Sonnenlicht reizte seinen Schmerz, und ein betäubender Duft von seltsamen Spezereien, wie sie Einbalsamierer benutzen, schien – oder war es Phantasie? – die reine Morgenluft zu verpesten. Er begrub sein Antlitz in den Händen, und als die Infantin wieder emporblickte, waren die Vorhänge zugezogen, und der König war fort.

Sie gab ein kleines »puh« der Enttäuschung von sich und zog ihre Schultern hoch. Wahrhaftig, er hätte an ihrem Geburtstag bei ihr bleiben können. Was kam es auf die dummen Staatsgeschäfte an? Oder war er in jene düstere Kapelle gegangen, wo immer die Kerzen brannten und wo hineinzugehen ihr nie erlaubt wurde? Wie töricht von ihm, da die Sonne so strahlend schien und jeder so glücklich war! Überdies würde er den nachgemachten Stierkampf versäumen, zu dem schon die Trompete erscholl, ganz zu schweigen von der Puppenvorstellung und den andern wunderbaren Dingen. Ihr Oheim und der Großinquisitor waren viel vernünftiger. Sie waren auf die Terrasse herausgetreten und sagten ihr zierliche Komplimente. So warf sie ihren hübschen Kopf zurück, fasste Don Pedro an der Hand und ging langsam die Stufen hinab, einem langen Zelt aus purpurner Seide zu, das am Ende des Gartens aufgebaut worden war. Die anderen Kinder folgten in genauer Rangordnung, bei der die mit dem längsten Namen vornean waren.

Ein Zug von Edelknaben, die phantastisch als Toreadors gekleidet waren, kam ihr entgegen, und der junge Graf von Tierra-Nueva, ein wunderbar hübscher Junge von etwa vierzehn Jahren, entblößte seinen Kopf mit all der Anmut eines geborenen Hidalgo und Granden von Spanien und geleitete sie feierlich zu einem kleinen Armsessel aus Gold und Elfenbein, der auf einer erhöhten Estrade vor der Arena stand. Die Kinder gruppierten sich alle in der Runde, schwangen ihre großen Fächer und flüsterten miteinander, und Don Pedro und der Großinquisitor standen lachend am Eingang. Selbst die Herzogin – die Camerera-Mayor, wie sie genannt wurde, eine hagere Frau mit harten Zügen und einer gelben Halskrause, blickte nicht ganz so bösartig drein wie gewöhnlich, und etwas wie ein frostiges Lächeln flog über ihr runzeliges Gesicht und brachte ihre dünnen blutlosen Lippen zum Zucken.

Es war wahrlich ein wunderbarer Stierkampf und viel hübscher, dachte die Infantin, als der wirkliche Stierkampf, zu dem man sie bei Gelegenheit des Besuchs des Herzogs von Parma bei ihrem Vater mitgenommen hatte. Einige von den Knaben stolzierten auf reich ausstaffierten Steckenpferden einher, schwangen lange Wurfspieße, an denen lustige Wimpel aus bunten Bändern angebracht waren, andere gingen zu Fuß und schwenkten ihre scharlachroten Mäntel vor dem Stier und voltigierten flink über die Schranke, wenn er sie angriff; und was den Stier selbst angeht, so war er genau wie ein lebendiger Stier, obwohl er nur aus Flechtwerk gemacht und mit Fell überzogen war und manchmal darauf bestand, auf seinen Hinterbeinen rings um die Arena zu rennen, was einem lebendigen Stier nie im Traume einfällt. Dabei wehrte er sich tapfer, und die Kinder wurden so aufgeregt, dass sie auf die Bänke stiegen und ihre Spitzentaschentücher schwenkten und laut schrien: »Bravo toro! Bravo toro!« Genau so vernünftig, als ob sie erwachsene Menschen gewesen wären. Zuletzt jedoch, nach längerem Kampf, in welchem mehrere der Steckenpferde völlig durchbohrt und ihre Reiter abgeworfen wurden, brachte der junge Graf von Tierra-Nueva den Stier auf die Knie; nachdem er von der Infantin die Erlaubnis erlangt hatte, ihm den Gnadenstoß zu geben, stieß er dem Tier sein Holzschwert mit solcher Gewalt in den Nacken, dass der Kopf völlig abbrach und das lachende Gesicht des kleinen Monsieur de Lorraine zum Vorschein brachte, des Sohns des französischen Botschafters in Madrid.

Die Arena wurde dann, während starker Beifall erbrauste, geräumt und die toten Steckenpferde feierlich von zwei maurischen Pagen in gelb und schwarzen Livreen hinausgeschleppt, und nach einem kurzen Zwischenspiel, in dem ein französischer Akrobat sich auf dem gespannten Seil sehen ließ, traten einige italienische Puppen in der halbklassischen Tragödie »Sophonisbe« auf die Bühne eines kleinen Theaters, das für diesen Zweck gebaut worden war. Sie spielten so gut, und ihre Gesten waren so äußerst natürlich, dass am Ende des Spiels die Augen der Infantin ganz in Tränen schwammen. Einige von den Kindern schluchzten sogar laut und mussten mit Süßigkeiten getröstet werden, und der Großinquisitor in Person war so gerührt, dass er sich nicht enthalten konnte, zu Don Pedro zu sagen, es scheine ihm nicht zu dulden, dass Dinge, die bloß aus Holz und bemaltem Wachs verfertigt und mechanisch an Drähten bewegt wurden, so unglücklich wären und so schrecklichem Missgeschick begegnen müssten.

Es folgte ein afrikanischer Gaukler, der einen großen, flachen, mit rotem Tuch bedeckten Korb hereinbrachte. Er stellte ihn in die Mitte der Arena, zog aus seinem Turban eine seltsame Rohrpfeife und blies auf ihr. Nach ein paar Augenblicken begann das Tuch sich zu bewegen, und als das Pfeifen greller und greller wurde, streckten zwei grün und goldene Schlangen ihre seltsamen keilförmigen Köpfe heraus und richteten sich langsam auf und schwankten zum Takt der Musik hin und her, wie eine Pflanze im Wasser schwankt. Die Kinder aber waren über ihre gefleckten Hauben und flinken, hin und her schießenden Zungen ziemlich erschreckt, und es gefiel ihnen viel besser, als der Gaukler einen dünnen Orangenbaum aus dem Sand wachsen und weiße Blüten und wirkliche Fruchtbüschel tragen ließ; und als er der kleinen Tochter der Marquise de Las-Torres den Fächer wegnahm und ihn in einen blauen Vogel verwandelte, der rings um das Zelt herumflog und sang, kannte ihr Entzücken und Staunen keine Grenzen. Auch das feierliche Menuett, das die Tanzknaben der Kirche von Nuestra Señora del pilar ausführten, war reizend. Die Infantin hatte nie zuvor diese wunderbare Zeremonie gesehen, die jedes Jahr in der Maienzeit vor dem Hochaltar der Jungfrau zu ihren Ehren stattfindet; und in der Tat hatte niemand aus der spanischen Königsfamilie die große Kathedrale von Saragossa mehr betreten, seit ein wahnsinniger Priester, von dem viele annahmen, er habe im Sold Elisabeths von England gestanden, versucht hatte, dem Prinzen von Asturien eine vergiftete Hostie zu reichen. So hatte sie nur durch Hörensagen etwas vom »Tanz unserer lieben Frau« erfahren, wie er genannt wurde, und wahrlich, es war ein schöner Anblick. Die Knaben trugen altmodische Hofgewänder aus weißem Samt, und ihre seltsamen dreispitzigen Hüte hatten Silberfransen, und große Büsche Straußenfedern nickten auf ihnen. Das blendende Weiß ihrer Tracht wurde, wie sie nun im Sonnenschein hin- und herschritten, durch ihre gebräunten Gesichter und ihr langes schwarzes Haar noch mehr hervorgehoben. Alle waren von der feierlichen Würde, mit der sie sich durch die verwickelten Figuren des Tanzes bewegten, und durch die gemessene Grazie ihrer leisen Gesten und würdevollen Verbeugungen bezaubert, und als sie ihre Aufführung beendet und ihre großen Federhüte vor der Infantin abgenommen hatten, erwiderte sie ihre Huldigung mit viel Höflichkeit und tat ein Gelübde, sie wolle zum Dank für das Vergnügen, das Unsere liebe Frau vom Pfeiler ihr bereitet hätte, ihrem Altar eine große Wachskerze senden.

Ein Trupp hübscher Ägypter – wie die Zigeuner damals genannt wurden – kam nun in die Arena geschritten, setzte sich mit gekreuzten Beinen im Kreis herum und fing an, sanft auf den Zithern zu spielen. Sie bewegten ihren Körper nach der Weise und summten fast flüsternd eine langsame, träumerische Melodie. Als sie Don Pedro erblickten, schauten sie finster auf ihn, und einige unter ihnen sahen ängstlich drein, denn erst vor wenigen Wochen hatte er zwei aus ihrem Stamm auf dem Marktplatz von Sevilla wegen Hexerei hängen lassen; aber die hübsche Infantin bezauberte sie, wie sie zurückgelehnt dasaß und mit ihren großen blauen Augen über dem Fächer hervorblickte, und sie fühlten, dass jemand, der so lieblich war wie sie, niemals gegen ein Menschenwesen grausam sein konnte. So spielten sie sehr anmutig weiter und berührten die Saiten der Zithern nur noch eben mit ihren langen, spitzen Nägeln, und ihre Köpfe fingen an zu nicken, als ob sie in Schlaf fallen wollten, plötzlich sprangen sie mit einem so schrillen Schrei, dass die Kinder alle zusammenfuhren und Don Pedros Hand den Achatgriff seines Dolches umklammerte, auf die Füße und wirbelten wie wahnsinnig im Kreise herum, schlugen auf ihre Tamburine und sangen ein wildes Liebeslied in ihrer seltsamen, rauen Sprache. Dann warfen sie sich wiederum auf ein Zeichen auf den Boden und lagen da ganz still; das gedämpfte Girren der Zithern war fast der einzige Klang, der die Stille durchbrach. Nachdem sie dies mehrmals getan hatten, verschwanden sie für einen Augenblick und kamen wieder mit einem braunen, zottigen Bären, den sie an einer Kette führten, und auf den Schultern trugen sie etliche kleine Berberaffen. Der Bär stellte sich mit vollkommener Gravität auf den Kopf, und die runzligen Affen führten mit zwei Zigeunerknaben, die ihre Herren zu sein schienen, allerlei lustige Streiche aus und fochten mit dünnen Schwertern und feuerten Kanonen ab und hielten eine regelrechte Parade ab, gerade wie des Königs eigene Leibwache. Und so waren die Zigeuner ein großer Erfolg.

Aber das Drolligste an der ganzen Morgenunterhaltung war ohne Zweifel das Tanzen des kleinen Zwergs. Als er in die Arena stolperte und auf seinen krummen Beinen watschelte und mit seinem ungeheuren missgestalteten Kopf hin- und herwackelte, brachen die Kinder in einen lauten Jubelschrei aus, und die Infantin selbst lachte so laut, dass die Camerera genötigt war, sie daran zu erinnern, dass es zwar in Spanien viele Präzedenzfälle gab, wonach eine Königstochter vor ihresgleichen geweint hatte, dass es aber niemals vorgekommen war, dass eine Prinzessin aus dem königlichen Geblüt vor solchen Personen, die im Rang unter ihr geboren waren, so lustig gewesen wäre. Der Zwerg jedoch war wirklich ganz unwiderstehlich, und selbst am spanischen Hofe, der immer wegen seiner edlen Leidenschaft für das Grässliche bekannt gewesen war, war ein so groteskes Ungeheuer nie gesehen worden. Es war auch sein erstes Auftreten. Er war erst gestern, als er wild durch den Wald rannte, von zwei Edlen entdeckt worden, die zufällig in einem entlegenen Teil des großen Korkeichenwaldes in der Nähe der Stadt jagten, und war von ihnen als eine Überraschung für die Infantin nach dem Palast mitgebracht worden; seinem Vater, der ein armer Kohlenbrenner war, war es nur zu recht, ein so scheußliches und unnützes Kind los zu sein. Das Lustigste an ihm war vielleicht, dass er von seiner eigenen grotesken Erscheinung ganz und gar nichts wusste. Er schien tatsächlich ganz glücklich und frohgelaunt. Wenn die Kinder lachten, lachte er so herzlich und vergnügt wie irgendeins von ihnen, und am Ende jedes Tanzes machte er vor jedem einzelnen die komischsten Verbeugungen, lächelte und nickte ihnen zu, just, als wäre er einer von ihnen und nicht ein kleines missratenes Ding, das die Natur in einer humoristischen Laune geformt hatte, damit andere darüber lachen konnten. Die Infantin nun gar bezauberte ihn völlig. Er konnte seine Augen nicht von ihr wenden und schien nur für sie allein zu tanzen; und als sie am Schluss der Vorstellung, da ihr einfiel, was sie einmal gesehen hatte, dass nämlich die großen Damen des Hofes Caffarelli, dem berühmten italienischen Sopransänger aus der päpstlichen Kapelle, den der Papst eigens nach Madrid geschickt hatte, damit er mit seiner herrlichen Stimme die Schwermut des Königs heile, Blumen zugeworfen hatten, die schöne weiße Rose aus ihrem Haar nahm und sie, teils zum Spaß und teils, um die Camerera zu ärgern, ihm mit ihrem süßesten Lächeln durch die Arena zuwarf, nahm er das alles ganz ernst, er drückte die Blume an seine hässlichen, gemeinen Lippen, legte die Hand aufs Herz und sank vor ihr aufs Knie, wobei er bis an die Ohren grinste und seine kleinen, glänzenden Augen vor vergnügen funkelten.

Das überwältigte die Würde der Infantin so sehr, dass sie noch lange, nachdem der kleine Zwerg aus der Arena gelaufen war, immerzu weiter lachte und ihrem Oheim den Wunsch aussprach, der Tanz sollte gleich noch einmal wiederholt werden. Die Camerera jedoch entschied unter dem Vorwand, die Sonne brenne zu heiß, es wäre besser, dass Ihre Hoheit unverzüglich in den Palast zurückkehre, wo ein wunderbares Festmahl bereits für sie gerüstet worden war, bei dem ein richtiger Geburtstagskuchen nicht vergessen war, der zierlich mit ihrem eigenen Monogramm aus farbigem Zuckerguss und mit einer reizenden kleinen Silberfahne geschmückt war, die über dem Kunstwerk flatterte. Also erhob sich die Infantin mit viel Würde, und nachdem sie den Befehl gegeben hatte, der kleine Zwerg solle nach der Siestastunde wieder vor ihr tanzen, und dem jungen Grafen von Tierra-Nueva für sein reizendes Fest ihren Dank gesagt hatte, begab sie sich in ihre Gemächer zurück, und die Kinder folgten ihr in der nämlichen Ordnung, in der sie gekommen waren.

Als nun der kleine Zwerg hörte, dass er ein zweites Mal und auf ihren ausdrücklichen Befehl vor der Infantin tanzen sollte, wurde er so stolz, dass er in den Garten hinauslief, die weiße Rose in einer unsinnigen Ekstase der Freude küsste und vor Wonne die ungeschlachtesten und plumpsten Gestikulationen machte.

Die Blumen waren ganz entrüstet darüber, dass er es wagte, in ihr schönes Reich einzudringen; und als sie sahen, wie er, Weg auf, Weg ab, Luftsprünge machte und so toll und lächerlich die Arme über dem Kopf hin- und herschwenkte, konnten sie ihre Gefühle nicht länger zurückhalten.

»Er ist wahrhaftig zu hässlich, als dass er sich an einem Ort sehen lassen dürfte, wo wir sind«, riefen die Tulpen.

»Er sollte Mohnsaft trinken und sich für tausend Jahre schlafen legen«, sagten die großen Scharlachlilien und wurden ganz hitzig und böse.

»Er ist ein vollständiges Scheusal!« kreischte der Kaktus. »Was nicht gar, er ist ganz verkrümmt und ein kleiner Stumpen, und sein Kopf hat gar kein Verhältnis zu seinen Beinen. Wahrhaftig, es juckt mich am ganzen Leib, und wenn er in meine Nähe kommt, werde ich ihn mit meinen Dornen stechen.«

»Und er hat fürwahr eine meiner besten Blüten bekommen«, rief der Rosenstock. »Ich überreichte sie heute morgen persönlich der Infantin als Geburtstagsgeschenk, und er hat sie ihr gestohlen.« Und er rief, so laut er konnte: »Dieb, Dieb, Dieb!«

Selbst die roten Geranien, die für gewöhnlich nicht vornehm taten und von denen bekannt war, dass sie selbst eine große Menge arme Verwandte hatten, zogen sich vor Widerwillen zusammen, als sie ihn sahen; und als die Veilchen schüchtern bemerkten, er wäre freilich recht schlecht geraten, aber er könnte es doch nicht ändern, da gaben sie mit gerechter Entrüstung zurück, das wäre sein Hauptfehler, und es gäbe keinen Grund, jemand deswegen zu bewundern, weil er unheilbar wäre; und in der Tat fühlten auch einige von den Veilchen, dass die Hässlichkeit des kleinen Zwergs fast prahlerisch war und dass er einen viel bessern Geschmack gezeigt hätte, wenn er traurig oder wenigstens nachdenklich gestimmt gewesen wäre, anstatt fröhlich herumzuhüpfen und sich in so grotesken und albernen Stellungen zu zeigen.

Was gar die alte Sonnenuhr war, die als überaus bedeutendes Individuum galt und einst keinem Geringeren als dem Kaiser Karl V. in Person die Zeit gewiesen hatte, so war sie durch die Erscheinung des kleinen Zwergs so verblüfft, dass sie fast zwei volle Minuten mit ihren langen Schattenfingern anzuzeigen vergaß und sich nicht enthalten konnte, zu dem großen milchweißen Pfau, der sich auf der Balustrade sonnte, zu sagen: Jeder wisse, dass die Kinder von Königen Könige und die Kinder von Kohlenbrennern Kohlenbrenner wären, und es wäre Unsinn, vorgeben zu wollen, das wäre nicht so, mit welcher Feststellung der Pfau völlig einverstanden war. Er rief sein »jawohl, jawohl« so laut und schrill, dass die Goldfische, die in dem Becken des kühlen Springbrunnens lebten, die Köpfe aus dem Wasser streckten und die mächtigen steinernen Tritonen fragten, was in aller Welt los wäre.

Aber die Vögel hatten ihn lieb. Sie hatten ihn oft im Walde gesehen, wie er, einem Kobold gleich, hinter den wirbelnden Blättern hertanzte oder in der Höhlung einer alten Eiche kauerte und seine Nüsse mit den Eichhörnchen teilte. Dass er hässlich war, störte sie nicht ein bisschen. War doch schließlich auch die Nachtigall, die zur Nacht so süß in den Orangenhainen sang, dass sich manchmal der Mond herniederbog, um zu lauschen, nicht sonderlich hübsch, und überdies war er gut gegen sie gewesen und hatte sie in dem schrecklichen Winter, wo keine Beeren an den Sträuchern waren und der Boden so hart war wie Stein und die Wölfe auf der Suche nach Nahrung bis zu den Toren der Stadt gekommen waren, nicht ein einziges Mal vergessen, sondern hatte ihnen immer Krumen von seinem Stück Schwarzbrot gegeben und jedes dürftige Frühstück mit ihnen geteilt.

So flogen sie rund um ihn herum und berührten mit ihren Flügeln seine Wangen, wenn sie durch die Luft daherkamen und miteinander zwitscherten; und der kleine Zwerg war so froh, dass er nicht anders konnte, er musste ihnen die schöne weiße Rose zeigen und ihnen erzählen, die Infantin selbst hätte sie ihm gegeben, weil sie ihn liebte.

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