Kitabı oku: «Preußentum und Sozialismus»

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Oswald Spengler

Preußentum und Sozialismus

Oswald Spengler

Preußentum und Sozialismus

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021

EV: C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, 1921

1. Auflage, ISBN 978-3-962818-70-8

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Inhaltsverzeichnis

Ein­lei­tung

Die Re­vo­lu­ti­on

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

So­zia­lis­mus als Le­bens­form

8.

9.

Eng­län­der und Preu­ßen

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

Marx

19.

20.

21.

Die In­ter­na­tio­na­le

22.

23.

24.

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Einleitung

Die­se klei­ne Schrift ist aus Auf­zeich­nun­gen her­vor­ge­gan­gen, die für den »Un­ter­gang des Abend­lan­des«, na­ment­lich den zwei­ten Band be­stimmt, die teil­wei­se so­gar der Keim wa­ren, aus dem die­se gan­ze Phi­lo­so­phie sich ent­wi­ckelt hat.1

Das Wort So­zia­lis­mus be­zeich­net nicht die tiefs­te, aber die lau­tes­te Fra­ge der Zeit. Je­der ge­braucht es. Je­der denkt da­bei et­was andres. Je­der legt in die­ses Schlag­wort al­ler Schlag­wor­te das hin­ein, was er liebt oder hasst, fürch­tet oder wünscht. Aber nie­mand über­sieht die his­to­ri­schen Be­din­gun­gen in ih­rer Enge und Wei­te. Ist So­zia­lis­mus ein In­stinkt oder ein Sys­tem? Das End­ziel der Mensch­heit oder ein Zu­stand von heu­te und mor­gen? Oder ist er nur die For­de­rung ei­ner ein­zel­nen Klas­se? Ist er mit dem Mar­xis­mus iden­tisch?

Der Feh­ler al­ler Wol­len­den ist, dass sie das, was sein soll­te, mit dem ver­wech­seln, was sein wird. Wie sel­ten ist der frei­e Blick über das Wer­den hin! Noch sehe ich nie­mand, der den Weg die­ser Re­vo­lu­ti­on be­grif­fen, ih­ren Sinn, ihre Dau­er, ihr Ende über­schaut hät­te. Man ver­wech­selt Au­gen­bli­cke mit Epo­chen, das nächs­te Jahr mit dem nächs­ten Jahr­hun­dert, Ein­fäl­le mit Ide­en, Bü­cher mit Men­schen. Die­se Marxis­ten sind nur im Ver­nei­nen stark, im Po­si­ti­ven sind sie hilf­los. Sie ver­ra­ten end­lich, dass ihr Meis­ter nur ein Kri­ti­ker, kein Schöp­fer war. Für eine Welt von Le­sern hat er Be­grif­fe hin­ter­las­sen. Sein von Li­te­ra­tur ge­sät­tig­tes, durch Li­te­ra­tur ge­bil­de­tes und zu­sam­men­ge­hal­te­nes Pro­le­ta­ri­at war nur so lan­ge Wirk­lich­keit, als es die Wirk­lich­keit des Ta­ges ab­lehn­te, nicht dar­stell­te. Heu­te ahnt man es – Marx war nur der Stief­va­ter des So­zia­lis­mus. Es gibt äl­te­re, stär­ke­re, tiefe­re Züge in ihm als des­sen Ge­sell­schafts­kri­tik. Sie wa­ren ohne ihn da und ha­ben sich ohne ihn und ge­gen ihn wei­ter ent­fal­tet. Sie ste­hen nicht auf dem Pa­pier, sie lie­gen im Blut. Und nur das Blut ent­schei­det über die Zu­kunft.

Wenn aber der So­zia­lis­mus nicht Mar­xis­mus ist – was ist er dann? Hier steht die Ant­wort. Heu­te schon ahnt man sie, aber den Kopf vol­ler Plä­ne, Stand­punk­te, Zie­le, wagt man nicht, sie zu wis­sen. Man flüch­tet vor Ent­schei­dun­gen von der ehe­ma­li­gen ener­gi­schen Hal­tung zu mitt­le­ren, ver­al­te­ten, mil­de­ren Auf­fas­sun­gen, selbst zu Rous­seau, zu Adam Smith, zu ir­gen­det­was. Schon ist je­der Schritt ge­gen Marx ge­rich­tet, aber bei je­dem ruft man ihn an. In­des­sen ist die Zeit der Pro­gramm­po­li­tik vor­bei. Wir spä­ten Men­schen des Abend­lan­des sind Skep­ti­ker ge­wor­den. Ideo­lo­gi­sche Sys­te­me wer­den uns nicht mehr den Kopf ver­wir­ren. Pro­gram­me ge­hö­ren in das vo­ri­ge Jahr­hun­dert. Wir wol­len kei­ne Sät­ze mehr, wir wol­len uns selbst.

Und da­mit ist die Auf­ga­be ge­stellt: es gilt, den deut­schen So­zia­lis­mus von Marx zu be­frei­en. Den deut­schen, denn es gibt kei­nen an­de­ren. Auch das ge­hört zu den Ein­sich­ten, die nicht län­ger ver­bor­gen blei­ben. Wir Deut­sche sind So­zia­lis­ten, auch wenn nie­mals da­von ge­re­det wor­den wäre. Die an­de­ren kön­nen es gar nicht sein.

Ich zeich­ne hier nicht eine je­ner »Ver­söh­nun­gen«, kein Zu­rück oder Bei­sei­te, son­dern ein Schick­sal. Man ent­geht ihm nicht, wenn man die Au­gen schließt, es ver­leug­net, be­kämpft, vor ihm flüch­tet. Das sind nur an­de­re Ar­ten es zu er­fül­len. Du­cunt vo­len­tem fata, no­len­tem tra­hunt. Alt­preu­ßi­scher Geist und so­zia­lis­ti­sche Ge­sin­nung, die sich heu­te mit dem Has­se von Brü­dern has­sen, sind ein und das­sel­be. Das lehrt nicht die Li­te­ra­tur, son­dern die un­er­bitt­li­che Wirk­lich­keit der Ge­schich­te, in der das Blut, die durch nie aus­ge­sproch­ne Ide­en ge­züch­te­te Ras­se, der zur ein­heit­li­chen Hal­tung von Leib und See­le ge­w­ord­ne Ge­dan­ke über blo­ße Idea­le, über Sät­ze und Schlüs­se hin­weg­schrei­tet.

Ich zäh­le da­mit auf den Teil un­se­rer Ju­gend, der tief ge­nug ist, um hin­ter dem ge­mei­nen Tun, dem plat­ten Re­den, dem wert­lo­sen Plä­ne­ma­chen das Star­ke und Un­be­sieg­te zu füh­len, das sei­nen Weg vor­wärts geht, trotz al­lem; die Ju­gend, in wel­cher der Geist der Vä­ter sich zu le­ben­di­gen For­men ge­sam­melt hat, die sie fä­hig ma­chen, auch in Ar­mut und Ent­sa­gung, rö­misch im Stolz des Die­nens, in der De­mut des Be­feh­lens, nicht Rech­te von an­de­ren, son­dern Pf­lich­ten von sich selbst for­dernd, alle oh­ne Aus­nah­me, ohne Un­ter­schie­d, ein Schick­sal zu er­fül­len, das sie in sich füh­len, das sie sind. Ein wort­lo­ses Be­wusst­sein, das den ein­zel­nen in ein Gan­zes fügt, un­ser Hei­ligs­tes und Tiefs­tes, ein Erbe har­ter Jahr­hun­der­te, das uns vor al­len an­de­ren Völ­kern aus­zeich­net, uns, das jüngs­te und letz­te uns­rer Kul­tur.

An die­se Ju­gend wen­de ich mich. Möge sie ver­ste­hen, was da­mit ih­rer Zu­kunft auf­er­legt wird; möge sie stolz dar­auf sein, dass man es darf.

1 »Un­ter­gang des Abend­lan­des«, bei Null Pa­pier er­schie­nen. <<<

Die Revolution

1.

Die Ge­schich­te kennt kein Volk, des­sen Weg tra­gi­scher ge­stal­tet wäre. In den großen Kri­sen kämpf­ten alle an­de­ren um Sieg oder Ver­lust; wir ha­ben im­mer um Sieg oder Ver­nich­tung ge­kämpft: von Ko­lin und Hoch­kirch über Jena und die Frei­heits­krie­ge, wo noch auf fran­zö­si­schem Bo­den ver­sucht wur­de, durch eine Auf­tei­lung Preu­ßens die Ver­stän­di­gung zwi­schen des­sen Ver­bün­de­ten und Na­po­le­on zu er­rei­chen, über jene ver­zwei­fel­te Stun­de von Ni­kols­burg, in der Bis­marck an Selbst­mord dach­te, und Se­dan, das die Kriegs­er­klä­rung Ita­li­ens und da­mit eine all­ge­mei­ne Of­fen­si­ve der Grenz­mäch­te eben noch ab­wand­te, bis zu dem Ge­wit­ter furcht­ba­rer Krie­ge über den gan­zen Pla­ne­ten hin, des­sen ers­te Schlä­ge eben ver­hallt sind. Nur der Staat Fried­richs des Gro­ßen und Bis­marcks durf­te es wa­gen, an Wi­der­stand über­haupt zu den­ken.

In all die­sen Ka­ta­stro­phen ha­ben Deut­sche ge­gen Deut­sche ge­stan­den. Es ge­hört nur der Ober­flä­che der Ge­schich­te an, dass es oft Stamm ge­gen Stamm oder Fürst ge­gen Fürst war; in der Tie­fe ruh­te je­ner Zwie­spalt, den jede deut­sche See­le birgt und der schon in go­ti­scher Zeit, in den Ge­stal­ten Bar­ba­ros­sas und Hein­richs des Lö­wen zur­zeit von Le­gna­no groß und düs­ter her­vor­trat. Wer hat das ver­stan­den? Und wer durch­schaut jene Wie­der­kehr des Her­zogs Wi­du­kind in Luther? Wel­cher dunkle Drang ließ all jene Deut­schen für Na­po­le­on kämp­fen und füh­len, als er mit fran­zö­si­schem Blu­te die eng­li­sche Idee über den Kon­ti­nent trug? Was ver­bin­det in der tiefs­ten Tie­fe das Rät­sel von Le­gna­no mit dem von Leip­zig? Wes­halb emp­fand Na­po­le­on die Ver­nich­tung der klei­nen fri­de­ri­cia­ni­schen Welt als sei­ne erns­tes­te Auf­ga­be – und im Grun­de sei­nes Geis­tes als eine un­lös­ba­re?

Der Welt­krieg ist, am Abend der west­li­chen Kul­tur, die große Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den bei­den ger­ma­ni­schen Ide­en, Ide­en, die wie alle ech­ten nicht ge­spro­chen, son­dern ge­lebt wur­den. Er trug seit sei­nem wirk­li­chen Aus­bruch, dem Vor­pos­ten­ge­fecht auf dem Bal­kan 1912, zu­nächst die äu­ße­re Form des Kamp­fes zwei­er Groß­mäch­te, von de­nen die eine bei­na­he nie­mand, die an­de­re alle auf ih­rer Sei­te hat­te. Er en­de­te zu­nächst im Sta­di­um der Schüt­zen­grä­ben und ver­rot­ten­den Mil­lio­nen­hee­re. Aber schon in die­sem wur­de eine neue For­mel des un­ge­mil­der­ten Ge­gen­sat­zes ge­fun­den, die au­gen­blick­lich mit den Schlag­wor­ten So­zia­lis­mus und Ka­pi­ta­lis­mus in ei­nem sehr fla­chen Sin­ne und mit der vom vo­ri­gen Jahr­hun­dert er­erb­ten Über­schät­zung rein wirt­schaft­li­cher Ein­zel­hei­ten be­zeich­net wird. Hin­ter ih­nen tritt die letz­te große See­len­fra­ge des faus­ti­schen Men­schen zu­ta­ge. In die­sem Au­gen­blick tauch­te, den Deut­schen selbst nicht be­wusst, das na­po­leo­ni­sche Rät­sel wie­der auf. Ge­gen die­ses Meis­ter­stück von Staat, uns­re ech­tes­te und ei­gens­te Schöp­fung, so ei­gen, dass kein an­de­res Volk es zu ver­ste­hen und nach­zuah­men ver­moch­te, dass man es hass­te wie al­les Dä­mo­nisch-Uner­gründ­li­che, rann­te das eng­li­sche Heer Deutsch­lands an.

2.

Denn das gibt es. Was hier zum töd­li­chen Streich aus­hol­te, war nicht not­wen­dig ein Ver­rat aus welt­bür­ger­li­chem Han­ge oder schlim­me­ren Grün­den; es war ein bei­na­he me­ta­phy­si­sches Wol­len, zäh und selbst­los, oft ein­fäl­tig ge­nug, oft be­geis­tert und ehr­lich pa­trio­tisch, aber in sei­nem blo­ßen Da­sein eine stets be­rei­te Waf­fe für je­den äu­ße­ren Feind von der prak­ti­schen Tie­fe des Eng­län­ders; ein ver­häng­nis­vol­ler In­be­griff von po­li­ti­schen Wün­schen, Ge­dan­ken, For­men, die in Wirk­lich­keit nur ein Eng­län­der aus­fül­len, meis­tern, nut­zen kann, für Deut­sche trotz al­ler schwe­ren Lei­den­schaft und erns­ten Op­fer­wil­lig­keit nur ein An­lass di­let­tan­ti­scher Be­tä­ti­gung, in sei­ner staats­feind­li­chen Wir­kung ver­nich­tend, ver­gif­tend, selbst­mör­de­risch. Es war die un­sicht­ba­re eng­li­sche Ar­mee, die Na­po­le­on seit Jena auf deut­schem Bo­den zu­rück­ge­las­sen hat­te.

Das, der bis zur Wucht ei­nes Schick­sals her­aus­ge­bil­de­te Man­gel an Tat­sa­chen­sinn ist es, was von der Höhe der Stau­fer­zeit an, wo die­se pracht­vol­len Men­schen sich über die For­de­rung des Ta­ges er­ha­ben fühl­ten, bis her­ab zur pro­vin­zia­len Bie­der­män­ne­rei des 19. Jahr­hun­derts, die man auf den Na­men des deut­schen Mi­chel ge­tauft hat, je­nem an­de­ren In­stinkt ent­ge­gen­ar­bei­te­te und ihm eine Ent­fal­tung auf­zwang, die sei­ne äu­ße­re Ge­schich­te zu ei­ner dich­ten Fol­ge ver­zwei­fel­ter Ka­ta­stro­phen ge­stal­tet hat. Das Mi­chel­tum ist die Sum­me uns­rer Un­fä­hig­kei­ten, das grund­sätz­li­che Miss­ver­gnü­gen an über­leg­nen Wirk­lich­kei­ten, die Dienst und Ach­tung for­dern, Kri­tik zur un­rech­ten Zeit, Ru­he­be­dürf­nis zur un­rech­ten Zeit, Jagd nach Idea­len statt ra­scher Ta­ten, ra­sche Ta­ten statt vor­sich­ti­gen Ab­wä­gens, das »Volk« als Hau­fe von Nörg­lern, die Volks­ver­tre­tung als Bier­tisch hö­he­rer Ord­nung. Al­les das ist eng­li­sches We­sen, aber in deut­scher Ka­ri­ka­tur. Und vor al­lem das Stück­chen pri­va­ter Frei­heit und ver­brief­ter Un­ab­hän­gig­keit, das man ge­nau dann aus der Ta­sche zieht, wenn John Bull es mit si­cherm In­stinkt bei­sei­te le­gen wür­de.

Der 19. Juli 1917 ist der ers­te Akt der deut­schen Re­vo­lu­ti­on. Das war kein blo­ßer Wech­sel der Füh­rung, son­dern wie die bru­ta­le Form na­ment­lich dem Geg­ner ver­riet, der Staats­s­treich des eng­li­schen Ele­ments, das sei­ne Ge­le­gen­heit wahr­nahm. Es war die Auf­leh­nung nicht ge­gen die Macht ei­nes Un­fä­hi­gen, son­dern ge­gen die Macht über­haupt. Un­fä­hig­keit der Staats­lei­tung? Hat­ten die­se Grup­pen, in de­nen nicht ein Staats­mann saß, nur den Sp­lit­ter im Auge der Verant­wort­li­chen ge­se­hen? Hat­ten sie statt der Fä­hig­kei­ten, die sie nicht bie­ten konn­ten, in die­ser Stun­de et­was andres ein­zu­set­zen als ein Prin­zip? Es war kein Auf­stand des Vol­kes, das zu­sah, ängst­lich, zwei­felnd, ob­wohl nicht ohne jene mi­chel­haf­te Sym­pa­thie mit al­lem, was ge­gen die da oben ging, es war eine Re­vo­lu­ti­on in den Frak­ti­ons­zim­mern. Mehr­heits­par­tei­en ist bei uns ein Name für einen Ve­rein von zwei­hun­dert Mit­glie­dern, nicht für den grö­ße­ren Teil des Vol­kes. Erz­ber­ger als der tak­tisch be­gab­tes­te De­m­agog un­ter ih­nen, groß in Hin­ter­hal­ten, Über­fäl­len, Skan­da­len, ein Vir­tuo­se im Kin­der­spiel des Mi­nis­ter­stür­zens, ohne die ge­rings­te staats­män­ni­sche Be­ga­bung eng­li­scher Par­la­men­ta­ri­er, de­ren Knif­fe er nur be­herrsch­te, zog den Schwarm der Na­men­lo­sen nach sich, die auf eine öf­fent­li­che Rol­le, gleich­viel wel­che, er­picht wa­ren. Es wa­ren die Epi­go­nen der Bie­der­mei­er­re­vo­lu­ti­on von 1848, die Op­po­si­ti­on als Wel­t­an­schau­ung be­trach­te­ten, und die Epi­go­nen der So­zi­al­de­mo­kra­tie, de­nen die ei­ser­ne Hand Be­bels fehl­te, der mit sei­nem star­ken Wirk­lich­keits­sinn dies scham­lo­se Schau­spiel nicht ge­dul­det, der eine Dik­ta­tur, von rechts oder links, ge­for­dert und er­reicht hät­te. Er hät­te dies Par­la­ment zum Teu­fel ge­jagt und die Pa­zi­fis­ten und Völ­ker­bunds­schwär­mer er­schie­ßen las­sen.

Das also war der Ba­stil­le­sturm der deut­schen Re­vo­lu­ti­on.

Sou­ve­rä­ni­tät der Par­tei­füh­rer ist ein eng­li­scher Ge­dan­ke. Um ihn zu ver­wirk­li­chen, müss­te man Eng­län­der von In­stinkt sein und den ge­sam­ten Stil des eng­li­schen öf­fent­li­chen Le­bens hin­ter sich und in sich ha­ben. Mi­ra­beau dach­te dar­an. »Die Zeit, in der wir le­ben, ist sehr groß; die Men­schen aber sind sehr klein und noch sehe ich nie­mand, mit dem ich mich ein­schif­fen möch­te« – ihm dies stol­ze und re­si­gnier­te Wort nach­zu­spre­chen, hat­te 1917 nie­mand das Recht. Die Här­te der Staats­ge­walt bre­chen, nichts Ent­schei­den­des mehr über sich dul­den, ohne selbst Ent­schei­dun­gen ge­wach­sen zu sein, das war der rein ne­ga­ti­ve Sinn die­ses Staats­s­trei­ches: Ab­set­zung des Staa­tes, Er­satz durch eine Olig­ar­chie sub­al­ter­ner Par­teihäup­ter, die nach wie vor Op­po­si­ti­on als Be­ruf und Re­gie­ren als An­ma­ßung emp­fan­den, vor dem la­chen­den Geg­ner, vor ver­zwei­feln­den Zuschau­ern im In­nern Stück für Stück ab­tra­gen, an­boh­ren, ver­rücken, die neue All­macht an den wich­tigs­ten Be­am­ten er­pro­ben wie ein Ne­ger­kö­nig ein Ge­wehr an sei­nen Skla­ven, das war der neue Geist, bis in der schwar­zen Stun­de des letz­ten Wi­der­stan­des die­ser Staat ver­schwand.

3.

Dem Hand­streich der eng­li­schen Staats­geg­ner folg­te mit Not­wen­dig­keit im No­vem­ber 1918 der Auf­stand des mar­xis­ti­schen Pro­le­ta­ri­ats. Der Schau­platz wur­de aus dem Sit­zungs­saal auf die Stra­ße ver­legt. Ge­deckt durch die Meu­te­rei der »Hei­mat­ar­mee« bra­chen die Le­ser der ra­di­ka­len Pres­se los, von den klü­ge­ren Füh­rern ver­las­sen, die nur noch halb von ih­rer Sa­che über­zeugt wa­ren. Auf die Re­vo­lu­ti­on der Dumm­heit folg­te die der Ge­mein­heit. Es war wie­der nicht das Volk, nicht ein­mal die so­zia­lis­tisch ge­schul­te Mas­se; es war das Pack mit dem Li­te­ra­ten­ge­schmeiß an der Spit­ze, das in Ak­ti­on trat. Der ech­te So­zia­lis­mus stand im letz­ten Rin­gen an der Front oder lag in den Mas­sen­grä­bern von halb Eu­ro­pa, der, wel­cher im Au­gust 1914 auf­ge­stan­den war und den man hier ver­riet.

Es war die sinn­lo­ses­te Tat der deut­schen Ge­schich­te. Es wird schwer sein, in der Ge­schich­te an­de­rer Völ­ker Ähn­li­ches zu fin­den. Ein Fran­zo­se wür­de den Ver­gleich mit 1789 als eine Be­lei­di­gung sei­ner Na­ti­on mit Recht ab­leh­nen.

War das die große deut­sche Re­vo­lu­ti­on?

Wie flach, wie flau, wie we­nig über­zeugt war das al­les! Wo man Hel­den er­war­te­te, fand man be­frei­te Sträf­lin­ge, Li­te­ra­ten, De­ser­teu­re, die brül­lend und steh­lend, von ih­rer Wich­tig­keit und dem Man­gel an Ge­fahr trun­ken, um­her­zo­gen, ab­setz­ten, re­gier­ten, prü­gel­ten, dich­te­ten. Man sagt, die­se Ge­stal­ten be­schmut­zen jede Re­vo­lu­ti­on. Ge­wiss. Nur dass in den an­de­ren das ge­sam­te Volk mit sol­cher Ur­ge­walt her­vor­brach, dass die Hefe ver­schwand. Hier han­del­te sie al­lein. Die un­ge­heu­re Mas­se, die ein Ge­dan­ke zur Ein­heit schmie­de­te, blieb aus.

In der Be­bel­par­tei war et­was Sol­da­ti­sches ge­we­sen, das sie vor dem So­zia­lis­mus al­ler an­de­ren Län­der aus­zeich­ne­te, klir­ren­der Schritt der Ar­bei­ter­ba­tail­lo­ne, ru­hi­ge Ent­schlos­sen­heit, Dis­zi­plin, der Mut, für et­was Jen­sei­ti­ges zu ster­ben. Seit die in­tel­li­gen­te­ren Füh­rer von ges­tern sich dem Fein­de von ges­tern, der vor­märz­li­chen Spieß­bür­ger­lich­keit in die Arme ge­wor­fen hat­ten, aus Angst vor dem Er­folg ei­ner Sa­che, die sie seit 40 Jah­ren ver­tra­ten, aus Angst vor der Verant­wor­tung, vor dem Au­gen­blick, wo sie Wirk­lich­kei­ten nicht mehr an­grei­fen, son­dern schaf­fen soll­ten, er­losch die See­le der Par­tei. Hier trenn­ten sich – zum ers­ten Male! – Mar­xis­mus und So­zia­lis­mus, die Klas­sen­theo­rie und der Ge­sam­tin­stinkt. Be­schränk­te Ehr­lich­keit war nur bei den Spar­ta­kis­ten. Die Klü­ge­ren hat­ten den Glau­ben an das Dog­ma ver­lo­ren, den Mut zum Bru­che mit ihm noch nicht ge­fun­den. Und so hat­ten wir das Schau­spiel ei­ner Ar­beiter­schaft, die durch ei­ni­ge dem Ge­hirn ein­ge­häm­mer­te Sät­ze und Be­grif­fe in ih­rem Be­wusst­sein vom Vol­ke ab­ge­spal­ten war, von Füh­rern, die ihre Fah­ne ver­lie­ßen, Ge­führ­ten, die nun füh­rer­los vor­wärts stol­per­ten – am Ho­ri­zont ein Buch, das sie nie ge­le­sen und das jene in sei­ner Be­schränkt­heit nie ver­stan­den hat­ten. Sie­ger in ei­ner Re­vo­lu­ti­on ist nie eine ein­zel­ne Klas­se – da hat man 1789 falsch ver­stan­den; Bour­geoi­sie ist nur ein Wort –, son­dern, es sei im­mer wie­der ge­sagt, das Blut, die zum Leib, zum Geist ge­w­ord­ne Idee, die alle vor­wärts treibt. Sie nann­ten sich 1789 die Bour­geoi­sie, aber je­der ech­te Fran­zo­se war und ist heu­te noch Bür­ger. Je­der ech­te Deut­sche ist Ar­bei­ter. Das ge­hört zum Stil sei­nes Le­bens. Die Marxis­ten hat­ten die Ge­walt in Hän­den. Aber sie dank­ten frei­wil­lig ab; der Auf­stand kam für ihre Über­zeu­gung zu spät. Er war eine Lüge.

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
161 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783962818708
Telif hakkı:
Bookwire
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