Kitabı oku: «Fünf Jahre meiner Jugend»

Yazı tipi:

Herausgeber

Manfred Meißner

Fünf Jahre meiner Jugend

Otto Meißners Tagebuch,

geschrieben während seiner Dienstzeit im Ersten Weltkrieg

Transkription und Fußnoten

Sylvia Kolbe

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Herausgeber

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorab

Fünf Jahre meiner Jugend

Tafelteil

Fußnoten

Vorab

Manfred Meißner veröffentlicht das Tagebuch, das sein Vater Otto Friedrich Meißner (3.12.1892 – 13.5.1973) während des Ersten Weltkrieges zwischen 1914 und 1919 schrieb und bebilderte. Als drittgeborener Sohn von Carl Alfred Meißner und dessen Frau Laura Minna Meißner wuchs Otto mit seinen beiden Brüdern Max und Paul in Elstertrebnitz auf. Der Vater, als Gutsauszügler, war 25 Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister und auch 34 Jahre als Standesbeamter tätig. Demzufolge war er eine geachtete hochverehrte Persönlichkeit des Ortes. Die Mutter war eingespannt in häusliche und bäuerliche Aufgaben.

Max Meißner, der Erstgeborene, übernahm später den Bauernhof. Paul Meißner wurde Lehrer in Döbeln und fiel bereits 1914 an der Westfront. Otto Meißner überstand beide Weltkriege und wurde Kaufmann und Handelsvertreter.

Die unglaublich authentischen Tagebuchaufzeichnungen von Otto Meißner, die er in der dritten Person notierte, berichten eindrucksvoll über die Kriegszustände an den Fronten. Otto war meist mit Sanitätseinheiten unterwegs und berichtet hautnah von dem Leid, das er erleben musste. Mitunter zwischen den Zeilen, an anderen Stellen aber überaus deutlich, beschwert sich Otto über die Obigen, die all diesen Kummer verursachten, auch über unmenschliche Dinge im Krieg, die er mitunter nicht begreifen kann. Der junge Soldat ist wissbegierig und betrachtet stets auch Kultur und Lebensumstände in anderen Ländern. Ottos „Rundreise“ führte ihn über Breslau durch Ungarn nach Belgrad, Serbien, von Sofia nach Konstantinopel, über den Bosporus nach Damaskus, Palästina, Jerusalem, per Bahn über die Sinai-Halbinsel bis zum Suez-Kanal, nach Alexandrien ins Gefangenlagerund dann in eines bei Cairo, dampfte durchs Mittelmeer, sah Malta liegen und besichtigte Gibraltar, nahm den Kriegshafen Plymouth in Augenschein und fuhr bei herrlichem Wetter, nach nebligen Tagen im Kanal von England, im Hafen von Brunsbüttelkoog ein, um endlich auf dem Leipziger Hauptbahnhof anzukommen und die heimatlichen Gefilde zu erreichen.

Nach dem Ersten Weltkrieg war für Otto Meißner das Elend des Krieges jedoch nicht vorbei. Unter den Nazis wurde er zum Volkssturm „delegiert“. Eine anerzogene kritische Meinung – an der falschen Stelle geäußert, brachte ihm die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg ein. Hier musste er noch die Hölle der amerikanischen Kriegsgefangenschaft von Bad Kreuznach kennen lernen.

Manfred Otto Meißner, Herausgeber des Werkes seines Vaters Otto, will mit der Veröffentlichung die Gedanken und Erlebnisse des Vaters erhalten und all jenen bekanntmachen, die das Erbe ihrer Eltern schätzen.

Einige Hinweise zu den Texten und Abbildungen: Auf dem Titelbild ist Otto Meißner in Tropenuniform zu sehen. Die Rechtschreibung und gewisse Ausdrücke wurden aus dem Tagebuch unverändert übernommen. Einige wenige Abkürzungen wurden zum besseren Verständnis ausgeschrieben. Zudem hat Sylvia Kolbe (Leipzig), die die handschriftlichen Aufzeichnungen dankenswerter Weise übertrug, in den Fußnoten einige Kommentare, mitunter auch Vermutungen vor allem zu den Orts- und Gegendenbezeichnungen eingebracht.

Die Fotografien wurden bestmöglich bearbeitet. Sämtliche fotografischen Arbeiten stammen aus dem Kriegstagebuch, sind also ca. 100 Jahre alt. Das Copyright aller Abbildungen liegt bei Manfred Meißner, ebenso alle Rechte an den Texten.

Die geäußerten Meinungen entsprechen selbstverständlich der von Otto Meißner, mitunter geschuldet den kriegsbedingten Umständen.


Otto als Kind im Kreise seiner Familie. Hinten: Vater Carl Meißner (1859 – 1939), davor von links: Bruder Max, Mutter Minna (1863 – 1946), Otto, Ottos Großmutter (Mutter von Minna) und Bruder Paul


Die Familie Meißner: hinten v. l.: die Brüder Max, Otto und Paul, vorn: Minna und Carl


von links: Ottos Vater Carl, Mutter Minna und ein Nachbar


Einband des Tagebuches


Die Dienstzeitbescheinigung von Otto Meißner für den Ersten Weltkrieg


Erste Originalseite des Tagebuches

Hochsommer ist’s! Das Getreide nähert sich seiner Reife und die Landleute des kleinen Dorfes E. versprechen sich eine gute Ernte. Der Weizen steht prächtig, auch der Roggen läßt nichts zu wünschen übrig.

Im Gutshofe der Familie M. ist der Vater emsig damit beschäftigt, die Sensen und das übrige Erntegerät zum bevorstehenden Getreideschnitt in Ordnung zu bringen. Ich kenne den alten lieben Vater M. sehr gut, so gut, wie ihn wohl niemand auf Gottes Erdboden kennen wird, und die Mutter des Hauses ebenso genau. Was haben die lieben alten Leute doch in ihrem Leben gearbeitet! Allein fingen sie an, als sie sich den Treueschwur fürs Leben leisteten, durch unermüdlichen Fleiß schafften sie Tag und Nacht, um ihren drei Jungen, die heute schon groß und militärpflichtig sind, einen Grund unter die Füße zu schaffen. Leicht war es ihnen nicht geworden, doch manchmal hörte ich den lieben Vater sagen: „Meine Jungen sollen mal ihr Brot leichter verdienen, dafür sorgen und mühen wir uns ab.“

Drei Jungen entsprossen den Beiden. Der Älteste namens Paul entwickelte schon in früher Jugend reiche Kenntnisse, sodaß es dem Vater auf Anraten des Dorfpastor, trotz mancher Schwierigkeiten die auch pekuniärer Art waren, Ehrensache war, ihn als Lehrer auszubilden. Das Seminar kostete viel Geld, und manchmal versagten sich beide, Vater und Mutter, ein Vergnügen, um nicht ihren jungen Paul, der ihnen durch seine guten Zensuren Freude bereitete, etwas entziehen zu müssen. Heute ist er Lehrer, alle Prüfungen bestand er gut und bekam in Döbeln eine schöne Anstellung. Die Freude, vielmehr der Stolz, den die Eltern auf ihn hatten, war ein berechtigter. Der zweite Sohn heißt „Max“. Seine Begabung war nicht minderwertiger als die des ältesten, doch brauchte der Vater für das Gut einen Nachfolger und eine Stütze für sein Alter. Er blieb daheim und wurde unter der Leitung des Vaters in allen Arbeiten landwirtschaftlicher Art gründlich ausgebildet. Beruhigt kann der Vater jetzt in die Zukunft blicken, denn sein Sohn Max kann seine Stelle vertreten.

Der dritte und jüngste Sohn heißt Otto. In den ersten Jahren des Schulbesuchs zeigte sich dieser als recht schwächliche Natur. Wiederum ließ sich der Vater vom Pastor beraten, auch diesen Sohn, weil eben schwächlich, zum Lehrerberuf ausbilden zu lassen. Leider war hier die Vorbildung vergebens. Nach Einsendung der ärztlichen Atteste kam der Bescheid zurück, daß Otto zur Prüfung nicht zu gelassen werden könne, da das ärztliche Zeugnis schweren Herzfehler bezeuge. Die Enttäuschung für Vater und Sohn war groß. Was sollte nun geschehn? Auf Anraten eines Spezialisten für Herzkrankheiten blieb Otto auf dem Gute seines Vaters, und hat sich in frischer freier Natur gut ausgeheilt. Lange ließ es ihn dort auch nicht in Ruhe, und so ging er nach einjähriger Erholung in die im Orte liegende Handelsmühle, um sich dort zum Kaufmann auszubilden.

Das war in großen Zügen etwas über die drei Jungen. Es liegt mir daran, ein genaueres Bild von dem Jüngsten zu geben, denn dessen Geschichte liegt mir greifbar nahe. Von Ottos Lehrzeit will ich anfangen.

Bei Schmalz in E. trat er wie gesagt in die Lehre um Kaufmann zu werden. Sein eigentlicher Lehrer ein Prokurist des Geschäfts war sehr strenge, und Otto blieb auch nicht eine Arbeit erspart die Lehrlinge verrichten mußten. Die Lehrzeit verrann schnell, und es begann die Zeit, wo er als Jüngling das erste Mal schüchtern den Tanzboden besuchte und zaghaft und ängstlich die ersten Walzer tanzte. Langsam verblaßte diese Schüchternheit und das zarte Suchen nach der Einen, die man fürs Leben sucht, begann. Er suchte und suchte, doch nie wollte es ihm gelingen die Richtige zu finden. Endlich fühlte die zartbesaitete Seele, die ihm innewohnte, daß nur die kleine blonde Marie, die er zum ersten Mal bei einem Vergnügen in G. sah, kurz nachdem sie aus der Pension zurückgekommen war, nur die sein könne, die ihm eine treue Gefährtin durchs Leben werden würde. Nach dem ersten Tanz folgten mehrere, und feine Fäden zogen herüber und hinüber. Die beiden trafen sich öfters und zuletzt wurde es offenes Geheimnis. In jeder Woche mußten sie sich wenigstens 3mal sehen und wenn das unmöglich, schrieb Otto bei Nichtanwesenheit des Chefs lange Briefe, die dann der, zu solchen Liebesdiensten gern bereite E. D. prompt am Fenster Mariechens eigenhändig übermittelte. Sonntags trafen sie sich dann so ganz aus Zufall in der Aue und machten dann gemeinsame Spaziergänge.

Doch jetzt zurück zum Gutshofe von Vater M. Die Ernte hatte begonnen! Roggen und Gerste sind bereits gemäht. Das andre Getreide drängt zur Mahd, weil es totreif ist. – Seit einigen Tagen gehen Gerüchte von bevorstehendem Kriege um. Man schreibt Ende Juli 1914. Die politische Lage spitzt sich immer mehr zu. Am 30. Juli befiehlt der Kaiser die Mobilmachung der gesamten deutschen Armee. „Krieg!! – das war das Wort, was den Einwohnern das Blut in den Adern stocken ließ. Dabei noch ein Angriff von beiden Seiten. Das mächtige Riesenreich stand gegen uns auf und das seit langer Zeit nach Revanche dürstende Frankreich ging gegen uns.

Der Vater M. hatte, da er Gemeindevorstand war, viel zu tun infolge der Mobilmachung. Pferde mußten abgeliefert werden usw. Auf dem Gutshofe selbst waren die Aussichten für die Zukunft nicht rosig. Der zweite Sohn Max, welcher seine aktive Dienstzeit vor wenigen Jahren hinter sich hatte, mußte schon am zweiten Mobilmachungstage bei seinem Regiment eintreffen. Am Tage zuvor mußte Vater M. seine beiden Pferde der Heeresverwaltung zur Verfügung stellen. Auf dem Felde stand noch der größte Teil der Ernte, im Stalle kein Pferd, und obendrein fehlte noch die rechte Hand vom Vater M., sein Sohn Max. Das war sehr niederdrückend, zumal noch die Ungewißheit über unser zukünftiges Schicksal im Kriege bestand. Die lieben alten Eltern M., die doch gehofft hatten, nach langer harter Arbeit, gestützt auf ihren Sohn Max, stille und ruhige Jahre zu verleben, mußten nun nach Lage der Dinge wieder wie in früheren Jahren von früh bis spät abends sich mühen und plagen. Dazu kam noch die neue und schwere Sorge um Max, der bereits mit seinem Regiment nach dem Westen gegangen war. – Paul half zu Hause, so lange es seine Ferien erlaubten, und Otto ließ an Sonntagen nicht davon ab sich bei Vater und Mutter nützlich zu machen.

Es war Anfang August. Unsere Heere hatten im Westen und Osten herrliche Siege davon getragen. Tannenberg, Lüttich, Namur usw. waren Worte die Einwohnern im Orte neue Zuversicht auf das Gelingen des Kampfes gaben, und bei den jungen Burschen, die noch nicht beim Militär waren, die Lust zur Freiwilligenmeldung hervorbrachte. So ging es auch Otto, dem es hinterm Schreibtisch auf dem Holzschemel nicht mehr gefiel. Er war ja eigentlich seit zwei Jahren schon militärpflichtig, hatte sich aber zurückstellen lassen und mußte nun 1914 bestimmt eintreten. Doch bis zum Empfang der Ordre hielt es ihn nicht, und so fuhr er per Rad nach der Garnisonsstadt Leipzig und meldete sich kriegsfreiwillig. Am Tore der großen Infanterie-Kaserne fand er tausende gleicher Gesinnung. Da er schon im Besitz eines Annahmescheines war, trat er, wie befohlen, rechts heraus und bekam nebst allen andern den Bescheid, sich gegen Mittag zur Einkleidung wieder einzufinden. Otto schien das Gesagte nicht recht verstanden zu haben und frug einen Abseitsstehenden nochmals. Dieser wiederholte es, worauf Otto sagte: „Na, so hatte ich mirs nicht gedacht, da würde ich mich doch darauf eingerichtet haben.“ Er ging zu seinem Rade und trat die Heimfahrt, mit dem besten Vorsatz, morgen besser ausgerüstet hier wieder zu erscheinen um dann bestimmt Soldat zu werden, an. Zu Hause angekommen sagte er zu Muttern, daß er morgen eintreffen müsse. Vom Freiwilligmelden konnte er nichts verlauten lassen, denn sie hätte doch nur gezankt, trotzdem Otto sowieso bald eintreffen mußte. – An diesem Tage hatte er noch viel zu tun, seinen Kopf kahl zu scheren, mit seinem Chef abzurechnen und ein Abend noch lange Abschied nehmen von seiner Marie. Vom Freiwilligenmelden konnte er bei ihr auch nichts sagen, sie hätte ihm noch die größten Vorwürfe gemacht.

Am frühen Morgen des 10. August 14. trat Otto mit seiner ziemliche Dimensionen annehmenden Kiste die Reise per Bahn nach der Garnison an. Der Vater drückte ihm die Hand und sagte: „Na Otto, bleib gesund und werde ein strammer Soldat!“ Die Mutter drückte ihm auch die Hand, doch vor lauter Abschiedsschmerz vernahm Otto nur die wenigen Worte: „Leb wohl Otto! Behüt dich Gott!“ Und aus ihren lieben Augen quollen große Perlen – Muttertränen.

Otto stand eigentlich das Weinen auch näher als das Lachen, denn er tat einen neuen Schritt in das Leben, der noch dunkel vor ihm lag.

*

Leerer wurde das Haus. Auch Paul ging wieder nach Döbeln, seine Ferien waren zu Ende. Die lieben Eltern standen allein da, nur auf fremde Leute angewiesen. Das war eine bittere und harte Zeit für sie.

Otto war Soldat! Seit 10. Aug. nachm. 2 20 Minuten. Er dachte es wenigstens er sei es! Man hatte ihm eine blaue Garnitur gegeben, ein Paar Stiefeln, ein Kuppel1 mit Seitengewehrtasche und Mütze. Beim Einkleiden auf Reg. Kammer wollte sich kein passender Leibriemen für ihn finden.

Nach längerer Zeit platzte angeblich dem Kammerserganten doch die Geduld, wie er zu sagen pflegte, brüllte Otto an wie folgt: „Was?! Du Schwein! Dir will kein Kuppel passen. Wir wärn dir den Balg schon dünne machen. Hier Nr. 100 paßt.“

Befehl ist Befehl, das Ding mußte passen! Otto stand da wie vom Blitze getroffen und war froh aus dem Hause des „guten“ Tones sich verabschieden zu können. Kaum hatte er sich draußen erholt von seinem Schrecken, bemerkte er das Unglück, daß er in der Schnelligkeit zwei verschieden große Stiefeln hatte.

„Nun brat mir aber einen Storch und die Beine recht knusperig“ dachte Otto. „Soll ich noch mal zu diesem Kompanieknüppel?“2

Nein lieber den Tod als in der Knechtschaft sterben! Und so mußten die zweierlei Stiefeln über 8 Tage lang passen. Endlich als er sich die Füße wund gelaufen hatte, bekam er durch Vermittlung seines Unteroffiziers andre Stiefeln.

Die Ausbildung beim I. Rekruten-Depot 106 ging rasch vorwärts. Jeden Tag waren Schieß- und Felddienstübungen in der Nähe der Garnison. Es war bereits Oktober geworden. Der Dienst war zu Ende. Vorm Wegtreten hatte der Kompaniefeldwebel 8 Freiwillige für das Battl. „Eidam“, das dem Regt 243 eingereicht wurde und noch im Oktober nach dem Westen gehen sollte. Längst schon hatte Otto den Kasernenstil satt und eiligen Schrittes meldete er sich freiwillig. Ha, sollte das etwas Schönes werden, endlich sein Wunsch, auch mit Franzosen totschießen zu können, ging in Erfüllung. Die Flammen der Begeisterung lohten wieder hoch über ihn auf.

Um 1h sollte er die Ehre haben in einer neuen feldgrauen Uniform zu stecken. Was würden die anderen ihn beneiden, daß er schon rauskommt. So ähnlich waren Ottos Gedanken. Ja, ja lieber Otto, der Mensch denkt und ein Andrer lenkt. Es kam ganz anders. Gegen 12h trat ein Langer in Ottos Stube und teilte diesem mit, daß er (Otto) von der Freiwilligenliste gestrichen sei, und ein andrer für ihn eingesetzt worden sei. Otto wurde wütend und sprang dem Sprecher an den Hals, hätte diesen bestimmt erwürgt wenn ihn seine Stubengenossen nicht davon abhielten. Der Tag verging, auch die Nacht! Am anderen Morgen war Otto zu der Überzeugung gelangt, daß es eigentlich ganz gut sei, mit seinen alten Kameraden zusammen geblieben zu sein. Mit der Feldgrauen war es eben noch nichts geworden, das ärgerte ihn am meisten. So mußte er bei der 2. Komp. bei der er sich seit 14 Tagen befand, in der blauen Uniform seinen Dienst weiter tun.

Eines Tages war wieder mal der Dienst zu Ende. Man wußte nicht wie es kam, aber es war so, die 16. Korporalschaft war bei der Dienstausgabe zuletzt gekommen und mußte sich am weitesten links anstellen. Nach Erlassen des Dienstes für den kommenden Tag, verlangte der Feldwebel 16 Freiwillige als Krankenträger. Kein Mensch meldete sich.


Otto vor seiner ersten Wache!

Krankenträger! Knochenbrecher! Nicht dran zu denken. Wir wollen Franzosen totschießen! So war jeden sein Gedanke. Als sich nach wiederholter Frage niemand meldete, kam die liebe Kompaniemutter von rechts nach links und zählte die ersten Rotten für diesen Beruf ab. Natürlich, wer war wieder mit dabei, – Otto. „Es ist doch zum Verrücktwerden“ sagte er zu seinem Nebenmann, dem Fleischer Hesse, „alles geht gegen den Strich!“ Der Feldwebel kommandierte „Links um, ohne Tritt marsch“ und Otto mußte, wenn auch mit Mißmut im Inneren, sich beim Sanitätsfeldwebel melden.

Jetzt begann nun jeden Tag eifrige Ausbildung im Gebirgsschritt, Verbände wurden angelegt usw. Nur kurze Zeit noch lag die Krankenträger-Ausbildung in der 106er Kaserne, dann wurde sie verlegt nach dem Balletablissment „Schloß Drachenfels“ Äußere Hallische Straße.

Der Traum Ottos, als Infantrist hinaus zu ziehen in den Kampf fürs Vaterland und recht viel Franzosen zu erschießen, war zunichte geworden, das Schicksal stellte ihn an einen Platz, wo man auch dem Vaterlande Nutzen bringen kann. An eine Stelle wurde er gestellt, die, wenn sie recht erfüllt wird, eine recht segensbringende ist. Denn kann es etwas edleres geben als Wunden zu heilen und Schmerzen zu lindern, tut nicht schon der dankerfüllte Blick eines Halbverschmachteten nach Reichung eines Labetrunkes wohler als andere irdische Getändel? Diese hohe und edle Sache wollte Otto anfangs nicht einsehen. Nach und nach fügte er sich in das Unabwendbare und ließ sich vom Schicksal treiben.


Otto bei der Krankenträger Abteilung nach d. Übungsschießen.

Endlich nach 4 wöchentlicher Ausbildung wurde die Abteilung zu einer Kompanie zusammen gestellt und kam zur weiteren Fertigstellung nach Markkleeberg in der Nähe Leipzigs. Otto telefonierte schnell nach Hause und bat seine Eltern, ihn doch mal zu besuchen, da der Abmarsch in Kürze stattfinden könne. Am Reformationsfest kamen Vater und Mutter und brachten noch viele Sachen mit. Die gute Mutter hatte auch nicht das Geringste vergessen was ihr Junge gebrauchen konnte.


Otto bei der Krankenträger-Abteilung Inf. Regiment Nr. 106. 1914 Otto Meißner ist in der Mitte

Manchmal ging es Otto im Kopf herum wenn er sah wie Vater und Mutter sich um ihn sorgten. Oft dachte er „Wie soll das bloß nun im Felde werden, wenn ich die Mama nicht mehr habe?“ Doch der Drang nach draußen verscheuchte auch diese Gedanken.


Otto bei der Krankenträger-Abteilung Inf. Regiment Nr. 106. 1914

Da am Reformationsfest dienstfrei war, Ottos Eltern von Markkleeberg schon gegen Mittag wieder abfuhren, beschloß Otto sie bis zum Hauptbahnhof zu begleiten. Dort überlegte er, daß er erst am Montag zum Dienst zu sein brauchte. So fuhr er mit den Eltern nach Hause. Ich weiß was ihn zog. Er konnte doch nicht so ohne Weiteres ins Feld gehen ohne von seiner l. Marie Abschied zu nehmen. So suchte er sie am Abend, konnte sie aber an all den bekannten Orten nicht finden. Erst wollte er wieder nach Hause, doch er faßte sich ein Herz und klopfte, wie schon so oft, ziemlich leise an einen der Laden wo Marie wohnte. Nach kurzer Zeit öffnete sich das Tor. Doch es kam statt der Tochter die Mutter. Otto gab seinem Wunsche Ausdruck und nach kurzer Zeit hüpfte ihm sein Mädel um den Hals. Der Abschied fiel herzlich schwer und nahm lange Zeit in Anspruch. Sie hatten sich ja auch so lieb, so lieb – sie hatten sich zu sehr lieb.


Otto vor dem Ausrücken November 1914

Frühzeitig mußte Otto von den Eltern wieder fort damit er zeitig genug zum Dienst kam. Der Vater schlief noch. In der Annahme, daß er nochmal Urlaub bekommen würde, wollte er den Vater nicht wecken um Lebewohl zu sagen. Leider wurde nichts aus dem Urlaub, und deshalb kam der liebe Vater kurz vor dem Abrücken der Kompanie nach M. um seinen Jungen nochmal die Hand zu drücken. Es waren leider nur wenige Stunden, die Vater und Sohn zusammen waren, da Otto infolge eines Dienstes mehrere Stunden abgehalten war.

Am 5. November sollte Abmarsch nach dem Bahnhof sein. Musik des I. Batl. 106 war vertreten und hatte schon die Gelder durch Sammlung eingesteckt. Um 1h kam Befehl „Kompanie rückt erst am 6. XI. aus.“ Der Tag ging nun so hin im Skatspielen, Zigarrenrauchen und Biertrinken.

*

Am 6. XI. vorm. 11h wurde alarmiert und um 2h rückte die Komapgnie – natürlich ohne Musick – nach dem Dresdner Freiladebahnhof. Die Begeisterung des Volkes bei Ausrücken der Truppen nach dem Felde war groß. Am Antreteplatze in M. hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden und bekrenzten die Kompanie reichlich mit Blumen. Das Train der Komp. hatte am ersten Tage einen bedauerlichen Vorfall. Als die Krankenwagen nach Abmarsch der Krankenträger, vom Platze abfuhren, scheute ein Paar Pferde und gingen mit dem Wagen durch. An einer Ecke fuhren sie an, der Wagen stürzte um die Deichsel brach ab und verwundete das eine Pferd am Hinterschenkel, daß es sofort abgestochen werden mußte. Der Kutscher war mit dem Schreck und einer Hautschürfung davon gekommen. – Nach 2stündigen Marsche kam die San. Komp. 22 auf dem Bahnhof an, wo sofort das Verladen des Trains begann.

In einem 3. Klasse-Abteil sah ich Otto wieder. Er hatte es sich mit noch 3 Kameraden ganz bequem gemacht. Außer einem ziemlich prallen Rucksack wo alles Mögliche für die Fahrt drinnen war, hatte er auch noch für ein gutes Bier gesorgt.

Endlich um 415 nachmittag setzte sich der Zug in Bewegung. Die Fahrt ging über Altenburg, Gößnitz, Crimmitschau Hof. Hier die erste Verpflegung! Weiter gings am Main entlang über Bayreuth, Schweinsfurth, Würzburg, Aschaffenburg, Offenbach nach Mainz. Für Otto war diese Fahrt eine herrliche Sache. Stolz war er und sagte zu sich: „Ist es doch gut, daß ich jetzt schon nach dem Felde komme und die schöne Fahrt mitmachen kann, wenn nun doch noch vor Weihnachten Frieden werden sollte, habe ich wenigstens etwas gesehen.“ Am interessantesten war die Fahrt durch den Spessart. Die schönen bewaldeten Höhen waren für ihn etwas Neues, und vollen Herzens rief er aus: „Ich, wenn ich hier wohnen könnte, wie beneide ich die Bewohner.“ Am 8. XI. früh gegen 8h fuhr der Transport über den lieben alten Vater Rhein. Ottos Herz quoll vor lauter Seligkeit über, und froh stimmte er mit in den Gesang den der ganze Transport angestimmt hatte: „Sie sollen ihn nicht haben, den alten deutschen Rhein wenn sie wie gierige Raben sich heiser danach schrein.“ Die Stimmung im Zuge konnte nicht besser sein. -

Der Zug eilte mit guter Fahrt durch sehr fruchtbares Land über Kreuznach, Kaiserslautern nach Saarbrücken. Hier längere Rast. Das Rote Kreuz gab sich die erdenklichste Mühe, alle Feldgraue so gut wie möglich zu bewirten. Es gelang ihm auch in der ergiebigsten Weise, denn man hörte nach mehreren Monaten von verschiedenen Verlobungen, die mit Angehörigen von Ottos Kompanie und den Fräuleins vom Roten Kreuz geschlossen wurden. Am 8. XI. abends weiter in Richtung Trier. Nachts durch Luxemburg und am 9. XI. früh Ankunft in Sedan. – Otto hatte vielmal Sedanfeier mitgemacht. Also hier war 1870 der Hauptschlag gefallen. Dieses Fleckchen Erde und so historisch. –

Da Vorsicht die Mutter der Weisheit oder auch der Porzellankiste ist, ließ der Komp. Führer „Karabiner laden und sichern“. Der Transportzug eilte auf franz. Gebiet weiter, hier und da Spuren aus den alten Augustkämpfen zurücklassend. Gegen Mittag erreichte er den großen Etappenort Rethel. Der Transportführer empfängt hier neuen Reisebefehl. Nach einigen Stunden läuft der Zug zu seinem Endziel und hält am 9. XI. in Assigny. Das ist vorläufiger Aufenthalt der Kompanie.

Otto liegt mit mehreren Kameraden in der II. Etage eines Hauses. Die Möbel sind noch vollzählig, auch Betten stehen hier zur Verfügung. Er hatte sich auch eins von den letzteren sicher gestellt und auch ein Plümow dazu besorgt und ließ sich die erste Nacht, da von der Fahrt ziemlich angestrengt, bald in Morpheus Arme sinken. Alle hatten ihre Gewehre geladen, um evt. Überfällen durch Franktireure entgegentreten zu können. Doch ich wette eins gegen zehn, die Schlafenden hätte man forttragen können, keiner wäre wach geworden. Nach 2 Tagen Ruhe begannen allerlei Dienste. Übungsmärsche, Mattenflechten usw. Am verhaßtesten waren die Übungsmärsche, die zwar gut gedacht, zur Marschfähigkeit beitragen sollten, doch was sind da für wunde Füße und zerrissene Stiefel zustande gekommen.

Nach einem Marsche lag Otto ziemlich erschöpft auf seinem Plümow, als sein Freund Ewe kam und ihn fragte, ob er Wein trinken wollte. Die Antwort konnte keine andere sein als ein vernehmliches „Ja!“ Beide bewaffneten sich mit einem Eimer und Otto wurde zum ersten Mal zum „Requirieren“ auf Deutsch „stehlen“ verleidet. An einem Keller, den sie mit vieler Mühe erreichten, lagen 6 mächtige Fässer voll abgelagerter Wein. Oben im Spundloch ging ein Gummischlauch heraus, an dem Otto lange Zeit sog, bis es ihm gelungen war, die Luft heraus zu ziehen und dann der viele Rebensaft so lange nachlief, bis der Eimer voll war. Es konnten 20 – 30 Liter sein. Mit ihrer gemachten Beute zogen Beide auf dem beschwerlichen Wege, der durch finstere enge Gänge führte zurück nach ihrer Wohnung. Noch spät abends bereiteten sie sich einen starken Glühwein.

So ging das Leben bei der Kompanie hin, jeder Tag brachte anfangs etwas Neues. Auch die Feldpost ließ nicht lange auf sich warten und es regnete Pakete, Briefe usw. Die lieben Eltern sendeten das Erdenklichste und auch Marie hatte es sich viele Feldpostcartons mit Inhalt kosten lassen. – Vom Krieg merkte Otto bis jetzt noch nicht das Geringste. „Wenn es so weiter geht ist es doch kein Krieg. An die Front wollen wir doch mal bevor Frieden wird.“ So ähnlich waren Ottos Gedanken.

Es war Ende November. Otto saß mit seinen Kameraden bei einem gemütlichen Scat, als plötzlich Alarm geblasen wurde. Alle sprangen ans Fenster und sahen einen mächtigen Feuerschein am Himmel. Am Ostteil der Stadt war Großfeuer ausgebrochen. Alle im Orte befindlichen Soldaten mußten das Feuer löschen helfen. Bis morgens um 4h war Otto fest damit beschäftigt die vom Feuer noch nicht angegriffenen Häuser mit auszuräumen und die letzte Habe der Franzosen zu bergen. Eine große Anzahl Gebäude brannte trotz anstrengender Arbeit, doch infolge schlechten Löschgeräts total nieder.

Am 6. XII. wurde die Kompanie nach dem 12 Km. entfernten Orte Amange verlegt. Es ist ein kleiner Ort, nur wenige Einwohner sind zurückgeblieben.

In diesem kleinen Orte wurde von der Komp. das liebe Weihnachtsfest in guter Stimmung gefeiert. Liebesgaben waren sehr zahlreich eingetroffen.

Da 1914 Ortskommandenturen noch nicht eingesetzt waren, und jeder in dem Hause wo er wohnte eben „Herr im Hause war, gab es Zustände, die nicht gut zu nennen waren. Es wurde in den Wohnungen der Franzosen ziemlich aufgeräumt mit Möbeln usw. Trotzdem Kohle genug vorhanden waren, wurden Bettstellen und Schränke dem Feuertod preisgegeben. Auch nächtliche Besuche in den angefüllten Hühnerstellen und Taubenschlägen wurden von deutschen Kameraden abgestattet. Manch interessante Geschichte wäre davon zu berichten, doch sollen diese Tatsachen im Anekdotenbuch für Feldgraue in einem andern Lichte erscheinen.

Otto wurden die dauernden Übungsmärsche zuwider, und er sehnte sich wie so viele Kameraden nach der Front. Mitzuwirken am großen Ganzen, mußte seiner Ansicht nach doch geistreicher sein, als ohne jede Tat in der Etappe zu liegen. – Nochmals erfolgte am 18. 1. 15 eine erneute Verlegung der Komp. nach Donx bei Rethel. Diese Versetzung sollte Strafversetzung sein. Der Fall lag wie folgt. Es war in der Neujahrsnacht. Ein Mann der Kompanie hatte sich sinnlos betrunken und schlug auf der Straße Lärm. Zufällig kommt der Kompaniechef aus dem Casino in nicht ganz nüchternem Zustande, und ohrfeigt den Mann derart, daß derselbe am andern Tage ganz geschwollene Gesichtsflächen hatte. Der Mann meldet diese Mißhandlung der Division. Eine lange Gerichtsverhandlung folgte, in der der Kompanieführer zu 5 Tagen Stubenarrest wegen Körperverletzung von Untergebenen verurteilt wurde und der Musketier nach der Heimat versetzt wurde. Auf diese Sache hin bekam die Kompanie beim Divisionsführer einen schlechten Stand.

Kurz nach Einrücken der Komp. in den Ort wurde beim Führer von den Franzosen gemeldet, daß mehrere Hühner und Tauben gestohlen seien. Im eiligsten Tempo wurde Haussuchung vorgenommen, und bei verschiedenen die umhier gewesen waren, fand man noch die Hühnerbeinchen auch oft die Federn. Das Urteil lautete für die Übeltäter „14 Tage Sport“. In schlammiger schlechter Witterung wurde den lieben Kameraden das eventuell angesetzte Fett von den gespeisten Hühnern wieder abgesetzt. Große Verdienste dabei hat sich der „vielgeliebte“ Unteroffizier Einert erworben. (Zivilstellung Briefträger in Altenburg) Otto hatte ja zwar auch vom zarten Fleisch der französischen Hühner geschmeckt, doch waren alle Hausbewohner bei Ruchbarwerden der Haussuchung, eifrig damit beschäftigt gewesen, alle Spuren des Hühnermords zu beseitigen.

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22 aralık 2023
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