Kitabı oku: «Unterrichtssituationen meistern», sayfa 4
Im Fallbeispiel scheint ein an den Lernzielen orientierter persönlicher Gewinn für die Schülerinnen nicht ersichtlich zu sein. Das Argument der Notenrelevanz scheint zu wenig gewichtig (und ist pädagogisch fragwürdig); der Hinweis auf das «Berufsmatur-Training» greift vermutlich nicht, weil sich die Lernenden noch nichts darunter vorstellen können. Sie müssen direkt erfahren können, was ihnen die mündliche Beteiligung bringt: fachlich besser werden (Kompetenzerfahrung), sich frei ausdrücken, gut formulieren und mit anderen argumentieren können (Kommunikationsfähigkeit). Dazu braucht es Phasen im Unterricht, in denen spezifisch an diesen Zielen gearbeitet wird und in denen die Lernenden auch Feedback zu ihrem Wissen und Können erhalten. Diese Phasen werden in der Regel nicht volle Lektionen umfassen, weil sie für alle Beteiligten – Lehrperson wie Lernende – anspruchsvoll und anstrengend sind. Die Phasen können in Lehrvorträgen, in medialer Wissensvermittlung oder in Einzel- oder Partnerarbeit eingebettet werden. Interaktive Phasen sind mit gut überlegten Fragestellungen und genügend Zeit für die Erarbeitung von Antworten zu gestalten. Das herkömmliche fragend-entwickelnde Gespräch kann dann ergänzend zur Klärung weiterer Fragen, jedenfalls aber in eng begrenztem zeitlichem Umfang, eingefügt werden. Damit werden eine Rhythmisierung des Unterrichts sowie eine Transparenz der Ziele erreicht, was den Lernenden die aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen erleichtert.
Ein konkreter Vorschlag für die Gestaltung eines eingebetteten Unterrichtsgesprächs
Um ein Unterrichtsgespräch in Gang zu bringen, ist es oft hilfreich, ein Sachgebiet zuerst in Stillarbeit oder in Partnerarbeit erarbeiten und diskutieren zu lassen und erst in einer zweiten Runde zu einem Plenumsgespräch überzugehen. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dadurch Gelegenheit, sich mit dem Themengebiet bekannt zu machen und sich in der Diskussion mit einem Banknachbarn oder einer Banknachbarin gegenseitig auszutauschen und Sicherheit zu gewinnen, bevor man sich mit seinem Beitrag vor die gesamte Klasse wagt (das «Sichexponieren» wird einfacher). Die Ergebnisse dieser Vorbereitungszeit kann man beispielsweise auf einzelne Blätter schreiben lassen und an der Tafel anheften und gruppieren. Die Lernenden ergänzen mit Argumenten und die Lehrperson gibt Rückmeldungen zu den Ergebnissen. Am Schluss kann die Lehrperson eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Erkenntnissen an der Tafel festhalten oder die Lernenden formulieren die wesentlichen Aspekte selbstständig. Dabei ist es wichtig, dass die Ergebnisse von Partner- und Gruppenarbeiten nicht «nachgebessert» werden, sondern anhand von Zielvorgaben geprüft wird, ob die gesteckten Ziele erfüllt werden. So kann es gelingen, dass die Lernenden Verantwortung für die Qualität der Inhalte (mit-)übernehmen und merken, dass ihre Beiträge inhaltlich wichtig sind und zielorientierten Ansprüchen gerecht werden müssen. Des Weiteren werden durch diese Arbeitsweise Lehrperson und Lernende vom Druck entlastet, dass die Stunden lebendig sein sollen (der stille Vorwurf, dass sich Lernende mehr beteiligen müssen, soll aufgehoben werden). Grundsätzlich gilt es daher, die Unterrichtsgespräche zeitlich kurz zu halten und in andere Formen einzubetten (siehe z. B. Gudjons 2011).
Grundsätzliche Veränderungen in der Unterrichtsgestaltung durch einen systemischen Ansatz
Es ist eine Tatsache, dass das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch eine weit verbreitete und sehr häufig eingesetzte Unterrichtsform ist. Gleichzeitig verlaufen solche Stunden nicht selten in der Weise, wie sie aus dem Fallbeispiel zu erahnen ist. Eine fragend-entwickelnde Form lässt sich aufbrechen, wenn anstelle eines Frage-Antwort-Verfahrens im Frontalunterricht generell mehr Partner-, Einzel- und Kleingruppenaufträge sowie vorbereitete Kurzvorträge durch die Lehrperson (und auch Lernende) eingesetzt werden. Bei Partner- und Kleingruppenarbeit ist der Zusammensetzung der Gruppen besondere Beachtung zu schenken (siehe Fallbeispiel «Trittbrettfahrer bei der Arbeit in Gruppen»).
Wenn andere Lehrpersonen ähnliche Probleme haben, wird eine grundsätzliche systemische Verbesserung nötig: Die Lehr-/Lernkultur in der Schule ist unter den Lehrpersonen zum Thema zu machen, z. B. im Klassenkonvent oder bei der Planung schulinterner Fortbildung. Fragen zur guten Gestaltung von Unterrichtsgesprächen, zum Stellenwert, zur Bewertung und zur Förderung der mündlichen Beteiligung im Unterricht sollten vom Lehrerkollegium thematisiert werden. Die Beschlüsse können dann von der Schule als Ganzes getragen werden. Die Lernenden werden über das gemeinsame Vorgehen des Lehrerkollegiums informiert und erfahren eine gezielte Förderung und Verbesserung.
Eine gute und kurzfristig praktizierbare Möglichkeit ist die Zusammenarbeit unter Lehrpersonen, auch in Form von Praxis-Forschungskooperationen (Kyburz-Graber 2013). In solchen Kooperationen lassen sich Probleme der mangelnden mündlichen Beteiligung untersuchen und gemeinsam Lösungen umsetzen. Z. B. können sich Lehrpersonen in Unterrichtsmethoden oder in der Moderationstechnik weiterbilden, da Kompetenzen in diesen Bereichen notwendig sind, um u. a. gute Diskussionen in Gruppen zu führen.
Literatur
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Grell, J. und Grell, M. (2010). Unterrichtsrezepte. 12., neu ausgestattete Auflage. Weinheim: Beltz.
Gudjons, H. (2011). Frontalunterricht – neu entdeckt. Integration in offene Unterrichtsformen. 3., aktualisierte Auflage. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Heckhausen, J. und Heckhausen, H. (2010). Motivation und Handeln. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin: Springer.
Krapp, A. (1992). Das Interessenkonstrukt: Bestimmungsmerkmale der Interessenhandlung und des individuellen Interesses aus der Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption. In: A. Krapp und M. Prenzel (Hrsg.). Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze einer pädagogisch-psychologischen Interessenforschung. Münster: Aschendorff, S. 297 – 329.
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Kyburz-Graber, R. (2013). Praxis-Forschungskooperationen für erfolgreiche Unterrichtsentwicklung. In: Mittelschul- und Berufsbildungsamt, Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Mittelschulbericht 2013 – Kooperation und Entwicklung.Bern: Erziehungsdirektion, S. 46 – 49. Online: www.erz.be.ch/mittelschulbericht.
Rudolph, U. (2007). Motivationspsychologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU.
Tonglet, M., Phillips, P. S. und Read, A. D. (2004). Using the Theory of Planned Behaviour to Investigate the Determinants of Recycling Behaviour: a Case Study from Brixworth, UK. Resources, Conversation and Recycling 41 (3), pp. 191 – 214.
Wahl, D., Weinert, F. E. und Huber, G. L. (2001). Psychologie für die Schulpraxis – Ein handlungsorientiertes Lehrbuch für Lehrer. 7. Auflage. München: Kösel.
Verweigerung von vertiefter Arbeit
Titel Verweigerung von vertiefter Arbeit
Fach Englisch
Schultyp Kurzzeitgymnasium
Klassenstufe 4. Klasse/12. Schuljahr
Klassengröße 24
Zusammensetzung der Klasse Keine Angabe
Besondere Umstände Einmal pro Woche Unterricht in Halbklassen. Letzte Lektion vor der Mittagspause. Literaturunterricht. Großes Praktikum
Beschreibung des Falles
Ich hatte in den Halbklassen eine Short Story bearbeitet, war jedoch mit meinem geplanten Programm nicht ganz durchgekommen. Mein Praktikumsleiter schlug vor, die Story in der nächsten Lektion mit der ganzen Klasse noch einmal aufzugreifen. Was in den Halbklassen zum Teil zwar zäh, aber mit gutem Willen funktioniert hat, läuft mit der gesamten Klasse ziemlich schief. Die Schüler/innen hatten im Halbklassenunterricht an ‹characterization› und ‹narrator› gearbeitet, jedoch nur an der Oberfläche gekratzt (zum Teil weil sie die Story nicht oder nur flüchtig gelesen hatten). Nun möchte ich in einer genaueren Analyse in die Tiefen der Geschichte vordringen. Die Schüler/innen sind jedoch der Ansicht, dass sie schon alles gesagt haben, was es zur Geschichte zu sagen gibt. Sie sehen keinen Sinn darin, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen, was sie in halblauten Kommentaren auch zu erkennen geben.
Ich habe Gruppen gebildet und sie angewiesen, den Themen ‹communication› und ‹reliability of the narrator› nachzugehen. Zum Teil verweigern die Schüler/innen die Mitarbeit ganz, zum Teil machen sie widerwillig mit. Ich erkläre, dass in der Geschichte eine Ebene stecke, die wir bisher kaum angesprochen hätten. Ich muss in jeder Gruppe weiteren Input geben, die Schüler/innen konkret auf Passagen hinweisen und ihnen mit Suggestivfragen auf die Sprünge helfen. Das Ergebnis ist recht mager.
Im Plenum sollen sie dann in Textbeispielen, die ich herausgeschrieben habe, ‹figures of speech› benennen. Das Resultat ist gleich null, obwohl sie sich damit laut Praktikumsleiter schon beschäftigt haben und das auch an der Matura können müssen. Besonders ärgerlich: Der Schüler, der am meisten aus der Geschichte herausliest, redet nicht gern vor anderen. In der Halbklasse geht das noch einigermaßen, auch in der Gruppe, aber in der ganzen Klasse verweigert er die Mitarbeit.
Was fällt auf?
Die Lehrperson unterrichtet die Klasse im Rahmen der Ausbildung zur Gymnasiallehrperson im Fach Englisch. Während des Halbklassenunterrichts bearbeiten die Schülerinnen und Schüler eine Kurzgeschichte, wobei die geplante Lektion nicht vollständig umgesetzt werden kann und daher das Thema in der Folgelektion mit der ganzen Klasse vertieft behandelt wird. Interessant ist der Hinweis der angehenden Lehrperson, dass der Praktikumsleiter die Weiterführung des Themas vorschlägt. Es bleibt unklar, inwiefern die Lehrperson selbst dieses Thema erneut aufgreifen würde. Die Art der Formulierung («Mein Praktikumsleiter schlug vor ...») sowie die Wahrnehmung, dass der Halbklassenunterricht «zäh, aber mit gutem Willen funktioniert hat» (inwiefern gestaltete sich die Arbeit zäh?), lassen vermuten, dass die Lehrperson selbst das Thema nicht erneut im beschriebenen, ausführlichen Sinne aufgegriffen hätte. In der Fallbeschreibung wird dann auch in demselben Satz sogleich vorweggenommen, dass aus der Sicht der Lehrperson mit der ganzen Klasse in der Folgelektion alles schiefläuft. Die Schülerinnen und Schüler haben im Halbklassenunterricht zwar «mit gutem Willen» mitgearbeitet und zeigen somit Bereitschaft, sich auf das vorgeschlagene Thema einzulassen und den Text zu bearbeiten. Trotz des guten Willens wird inhaltlich aber dennoch nur an der Oberfläche des Textes «gekratzt». Das führt die Lehrperson auf die mangelhafte Vorbereitung der Lernenden zurück. Wie der Leseauftrag für den Halbklassenunterricht gestellt war, wird nicht erwähnt.
In der Folgestunde möchte die Lehrperson «in einer genaueren Analyse in die Tiefen der Geschichte vordringen». Ein erneutes Aufgreifen des Themas wird von den Lernenden aber als sinnlos eingestuft, da sie der Auffassung sind, bereits im Halbklassenunterricht alles gesagt zu haben, «was es zur Geschichte zu sagen gibt». Ob die Lehrperson die Themen ‹characterization› und ‹narrator›, die im Halbklassenunterricht oberflächlich bearbeitet worden sind, nochmals aufgreift, bleibt aufgrund der Fallbeschreibung unklar. Die Lehrperson beschreibt, dass sie Gruppen bildete und die Lernenden anwies, «den Themen ‹communication› und ‹reliability of the narrator› nachzugehen». Die Lehrperson berichtet, dass die Lernenden zum Teil die Mitarbeit ganz verweigern, zum Teil «widerwillig» mitmachen. Die Lehrperson versucht die Lernenden vom Sinn des Auftrags zu überzeugen, indem sie argumentiert, in der Geschichte «stecke» eine Ebene, die sie bisher kaum angesprochen hätten. In der Folge geht die Lehrperson von Gruppe zu Gruppe, gibt weitere Inputs, weist auf Passagen hin und hilft den Lernenden «auf die Sprünge», nimmt ihnen also die vertiefende Analyse weitgehend ab. Am Schluss beurteilt die Lehrperson das Ergebnis als «recht mager».
Anschließend wählt die Lehrperson das Plenum, um einen weiteren Aspekt der Kurzgeschichte zu thematisieren. Mit dem Benennen der «figures of speech» in einem Text haben sich die Lernenden gemäß dem Praktikumsleiter bereits beschäftigt. Dieser Aspekt wird auch Bestandteil der Matura sein. Hierbei ist das «Resultat gleich null». Die Lehrperson ärgert sich offensichtlich über die fehlende Beteiligung der Lernenden; sie kann nicht nachvollziehen, warum die Lernenden nicht zu einer aktiven Mitarbeit zu bewegen sind.
Wie die Lehrperson vermutlich während der Gruppenarbeit festgestellt hat, gibt es einen Schüler in der Klasse, der am meisten aus der Geschichte herausliest. Im Plenum äußere er sich nicht gern, so die Lehrperson. Sie bezeichnet dies als «besonders ärgerlich». Vermutlich hätte sie gerne auf die Beiträge des Schülers aufgebaut. Es gelingt der Lehrperson offenbar nicht, das Potenzial des Schülers für eine vertiefende inhaltliche Auseinandersetzung fruchtbar zu machen.
Was ist das Problem?
Das Fallbeispiel beschreibt die inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Kurzgeschichte im Englischunterricht. Während in den Halbklassen die Geschichte – wenn auch zäh – bearbeitet werden kann, gelingt die Auseinandersetzung mit dem Text im Sinne einer vertiefenden Fortführung in der gesamten Klasse nicht, weder in einer Gruppenarbeit noch in der anschließenden Plenumsarbeit. Die inhaltlichen Ergebnisse der erneuten Auseinandersetzung mit der Kurzgeschichte sind aus der Sicht der Lehrperson insgesamt mangelhaft.
Es stellen sich zwei zentrale Probleme:
–Warum gelingt es der Lehrperson nicht, die Lernenden zu vertiefter Arbeit zu bewegen?
–Welches sind erfolgsversprechende Motivationsstrategien?
Erklärungsansätze und Hintergründe
Der inhaltliche und emotionale Übertrag aus dem Halbklassenunterricht in die ganze Klasse
Die Lehrperson stellt bereits im Halbklassenunterricht fest, dass die Bearbeitung des Arbeitsauftrags nicht in der angestrebten Tiefe erfolgt. Zudem ist sie mit dem geplanten Programm nicht fertig geworden. Es ist der Praktikumsleiter, der vorschlägt, die Geschichte in der nächsten Lektion mit der Klasse noch einmal aufzugreifen. Offen bleibt, wie die beiden den Verlauf und die Ergebnisse des Halbklassenunterrichts analysiert haben und ob auch die Lehrperson selbst die Geschichte in einer weiteren Lektion nochmals aufgegriffen hätte. Es ist denkbar, dass das geplante Programm, mit dem die Lehrperson in den Halbklassen «nicht ganz durchgekommen» ist, keine weitere Lektion ‹füllt›.
Das Format des Halbklassenunterrichts bietet eine individuellere Arbeit mit den Lernenden als der Plenumsunterricht. In der Wahrnehmung der Lernenden unterscheiden sich die beiden Unterrichtsformate vermutlich deutlich, sie haben eine bestimmte Erwartungshaltung gegenüber den beiden Formen. Es ist zudem unklar, ob im Halbklassenunterricht stets die Literaturarbeit im Zentrum steht, während in den Lektionen mit der ganzen Klasse andere Inhalte behandelt werden. Es ist in jedem Fall anzunehmen, dass es den Lernenden Mühe bereitet, das Thema des Halbklassenunterrichts in einem Plenumsunterricht weiter zu bearbeiten. Zudem scheint es, dass sie selbst den Eindruck haben, die Kurzgeschichte bereits ausreichend behandelt zu haben. Es gibt aus ihrer Sicht inhaltliche Wiederholungen: (1) bei der Weiterführung der Lektion und der damit verbundenen Tatsache, sich erneut mit der Geschichte auseinanderzusetzen und (2) bei der Textanalyse zu den «figures of speech», mit welchen sich die Lernenden gemäß Praktikumsleiter bereits auseinandergesetzt haben.
Auch die Motivation der Lehrperson kann getrübt sein: Sie nimmt die Bearbeitung des Themas im Halbklassenunterricht als «zäh» wahr, was eine begeisterte Weiterführung des Themas in der Folgelektion beeinträchtigen kann und dadurch die Haltung der Lernenden schon von Beginn an entsprechend beeinflusst haben dürfte. Die tendenziell negativen Erfahrungen im Halbklassenunterricht (und später im Stundenverlauf mit der ganzen Klasse) erschweren es der Lehrperson vermutlich, den Unterricht motiviert durchzuführen und eine hohe Qualität des Unterrichts aufrechtzuerhalten.
Der fehlende Sinn des Lernens: Ein möglicher Grund für die Verweigerung der Lernenden, sich erneut mit der Kurzgeschichte auseinanderzusetzen
Die Lehrperson möchte in der Lektion mit der ganzen Klasse durch eine genauere Analyse in die Tiefen der Geschichte vordringen. Die Schülerinnen und Schüler sind jedoch der Ansicht, dass sie zur Geschichte schon alles gesagt haben und sehen keinen Sinn darin, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen. Somit erkennen die Lernenden die «tiefere Ebene» der Geschichte nicht oder sie taxieren diese Vertiefung als nicht relevant. Für sie steht vermutlich das Verstehen der Geschichte im Vordergrund. Allerdings haben die Lernenden im 12. Schuljahr gewiss schon größere Erfahrung mit einer vertieften Textanalyse. Vielleicht sind aber die bisherigen Erfahrungen nicht sehr positiv. Eine weiterführende, vertiefende Textanalyse ergibt offensichtlich für die Lernenden keinen Sinn. Sie sind der Auffassung, dass sie im Halbklassenunterricht schon genügend aus der Geschichte herausgeholt haben. Es würde an der Lehrperson liegen, modellierend vorzuzeigen, wie sie selbst bei einer vertiefenden Analyse vorgeht. Gerade die Sinnhaftigkeit der Inhalte und Tätigkeiten gilt als ein zentraler motivationsfördernder Aspekt (Dubs 2009). Die Lernenden sollen an der Matura ihre Fähigkeit zur vertiefenden Textanalyse unter Beweis stellen. Inwiefern diese Tatsache den Lernenden kommuniziert wurde, bleibt aufgrund der Fallbeschreibung unklar.
«Erwartungs-x-Wert-Theorien» als Erklärungsansätze für die Verweigerungshaltung
Ein Erklärungsansatz für die fehlende Bereitschaft, sich erneut mit der Kurzgeschichte auseinanderzusetzen, stellt das spezielle Konstrukt der Lernmotivation dar, welches sich häufig auf «Erwartungs-x-Wert-Theorien» stützt. Die Voraussetzungen für eine gute Lernmotivation sind im vorliegenden Fall nicht gegeben: Die Lernenden haben eine geringe Erwartung an das Ergebnis, der Arbeitsauftrag hat für sie einen geringen Wert wegen der fehlenden Neuigkeit, sie fühlen sich unterfordert (weil «sie schon alles gesagt haben») oder überfordert, weil sie nicht wissen, was zusätzlich von ihnen verlangt wird. Diese Voraussetzungen führen zu einer geringen Anstrengungsbereitschaft. Wenn die Lehrperson allenfalls zu Beginn des Plenumsunterrichts auch noch ihre Unzufriedenheit über das bisherige Ergebnis im Halbklassenunterricht ausgedrückt hat, fehlt den Lernenden auch die Aussicht auf Erfolg, weil ihnen nicht klar ist, was genau zum Erfolg führen kann (vgl. zur Lernmotivation Heckhausen und Heckhausen 2010 oder Rudolph 2007).
Das Konstrukt der Leistungsmotivation als mögliche Erklärung für die Verweigerungshaltung
Auch die Leistungsmotivation kann in der Tradition der «Erwartungs-x-Wert-Theorien» angesiedelt werden und bezieht sich auf verschiedene Komponenten, die insgesamt das Leistungshandeln determinieren (Rudolph 2007). Dabei spielt die Erfolgserwartung, der Anreiz von Erfolg, die Wahrscheinlichkeit von Misserfolg sowie der (negative) Anreiz von Misserfolg eine entscheidende Rolle (Rudolph 2007): Eine Person nimmt die Schwierigkeit einer Aufgabe wahr und schätzt dadurch die Erfolgserwartung ab. Eine Leistungssituation wird dann gesucht, wenn die Aussicht auf Erfolg größer ist als die Aussicht auf Misserfolg, vorausgesetzt, die Fähigkeit, Stolz nach positiven Leistungsergebnissen zu erleben ist größer als die Disposition, sich für Misserfolge zu schämen (Rudolph 2007). Aufgrund einer geringen Aussicht auf Erfolg und eventuell sogar Furcht vor Misserfolg resultiert dagegen eine geringe Leistungsmotivation bei den Lernenden (Risiko-Wahl-Modell von Atkinson; vgl. hierzu Edelmann 2012; Rudolph 2007; Mietzel 2007). Für das vorliegende Fallbeispiel können auf der Basis dieses Modells unterschiedliche Ursachen für die Verweigerungshaltung der Lernenden ausgemacht werden:
–Über- oder Unterforderung während den Lektionen: Bei erfolgsmotivierten Lernenden fällt die Tendenz, den Erfolg aufzusuchen, in beiden Situationen gering aus. Während bei einer Überforderung der Anreiz eines Erfolgs durchaus gegeben ist, fällt die Erfolgserwartung sehr gering aus. Bei einer Unterforderung verhält es sich umgekehrt: Eine hohe Erfolgserwartung trifft auf einen geringen Anreiz des Erfolgs. Das Streben nach Erfolg ist daher für Aufgaben mittlerer Schwierigkeit am größten. Misserfolgsorientierten Lernenden hingegen, welche bei Misserfolgen Scham empfinden und sie daher vermeiden wollen, entsprechen leichte oder schwere Aufgaben besser. Dies kann dadurch begründet werden, dass bei leichten Aufgaben die Wahrscheinlichkeit von Erfolg sehr groß und bei schweren Aufgaben ein Scheitern weniger unangenehm ist, da auch viele andere die Aufgaben nicht bewältigen können.
–Geringer Anreiz von Erfolg: Ein geringer Anreiz von Erfolg ist nicht nur in Bezug auf das Anspruchsniveau innerhalb des Unterrichts gegeben, sondern kann auf verschiedene Gründe wie beispielsweise ein mangelndes intrinsisches Interesse oder geringe Gegenwarts- und/oder Zukunftsbedeutung zurückgeführt werden.
–Geringer negativer Anreiz von Misserfolg: Ist beispielsweise ein mangelndes intrinsisches Interesse oder eine geringe Sinnhaftigkeit in Bezug auf die wahrgenommene Lektion gegeben, folgt daraus, dass bei einem Scheitern im Unterricht wenig Scham empfunden wird und daher ein geringer negativer Anreiz von Misserfolg die Folge ist.
Abschließend kann angeführt werden, dass eine Abnahme der Leistungsmotivation auch dann entsteht, wenn Lernende erfahren, dass Anstrengungen dauernd nicht zu Erfolg führen und ihre Fähigkeiten nicht ausreichen, um die Aufgaben zu bearbeiten (stabile internale und stabile externale Zuschreibung bei einem Misserfolg; vgl. hierzu die Attributionstheorie von Weiner, beschrieben in Edelmann 2012; Rudolph 2007; Mietzel 2007).
Einen weiteren Erklärungsansatz für die fehlende Bereitschaft der Lernenden, sich erneut mit der Kurzgeschichte zu befassen, liefert die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993). Sie besagt, dass Motivation dann entsteht, wenn sich das Individuum als kompetent und selbstbestimmt erleben kann. Die Kompetenzerfahrung können die Lernenden im Fallbespiel nicht machen, weil für sie offensichtlich nicht klar ist, was von ihnen verlangt wird. Auch die Selbstbestimmung fehlt in der beschriebenen Situation, wobei sich Selbstbestimmung nicht zwingend und ausschließlich auf eine selbstbestimmte Themenwahl (z. B. Auswahl der Kurzgeschichte) beziehen muss. Selbstbestimmung bedeutet auch, dass Lernende zunächst ihren eigenen Weg der Textanalyse einschlagen können. In einer späteren Phase kann die Lehrperson dann zeigen, wie sich weitergehende Ebenen der Geschichte erschließen lassen.
Gruppendynamische Prozesse
Die Lehrperson hält fest, dass sich die Mitarbeit in der ganzen Klasse als problematisch erweist. Problematisch deshalb, weil die Lernenden eine Verweigerungshaltung nicht nur in Bezug auf die inhaltliche Auseinandersetzung an den Tag legen, sondern auch im Hinblick auf die mündliche Beteiligung (zur Frage der mündlichen Beteiligung siehe Fallanalyse 2). Diese gleichgültige Haltung der Lernenden (z. B. Aufgaben bewusst nicht erfüllen oder Passivität beim kooperativen Lernen) bezeichnet Dubs (2009) als «unerwünscht». Diese unerwünschte Haltung der Lernenden kann innerhalb der Lektion eine entsprechende Gruppendynamik begünstigen und das unerwünschte Verhalten von einzelnen Lernenden kann auf die ganze Klasse abfärben. Hierzu halten Oerter und Dreher (2008) fest, dass im Jugendalter die Rolle der Peers bezüglich Anerkennung, Verhalten, Wertvorstellungen usw. immer wichtiger wird, weshalb auch unerwünschtes Verhalten, wenn es zur Gruppennorm wird, zu einem Konformitätsdruck führen kann und von der Peer-Gruppe als ‹cooles› Verhalten honoriert wird.
Lösungsansätze
Die Förderung von Interesse an Lektürearbeit
Um das Bildungsziel zu erreichen, dass sich Jugendliche durch Lektüre in vertiefender Weise mit fremdsprachiger Literatur auseinandersetzen, sollte versucht werden, auf methodischem Weg die Bereitschaft und das Interesse für die Lektürearbeit zu fördern. So können die Lernenden beispielsweise eigene Fragestellungen entwickeln, die sie an den Text herantragen wollen; sich in (arbeitsteiligen) Gruppen über spezifische Themen selbstständig auszutauschen, ohne sich gegenseitig zu behindern und/oder ihre Eindrücke und Erkenntnisse in gemeinsam definierten Produkten (z. B. ein Rollenspiel aus den Charakteren abzuleiten; die Geschichte zu erweitern; sie auf verschiedenen Sprachniveaus nachzuerzählen; eine Hypothese aufzustellen, zu der die Lernenden Stellung beziehen) festzuhalten.
Ein weiterer Lösungsansatz auf der Ebene des Unterrichts zur Förderung intrinsischer Motivation ist, verschiedene Aufgaben (z. B. verschiedene Kurzgeschichten bzw. unterschiedliche Aufträge) zur Verfügung zu stellen, wobei die selbst getroffene Wahl der Aufgabe verpflichtend ist. So werden sowohl motivierte, meist leistungsstärkere wie auch leistungsschwächere Lernende angesprochen, da sie sich in einem klar umrissenen Rahmen ihren eigenen Interessen folgend mit der Kurzgeschichte auseinandersetzen können.
Werden die Lernenden mitverantwortlich in die Stoffauswahl einbezogen, erhöht dies ihre Bereitschaft, sich auch auf Themen einzulassen, die von der Lehrperson ausgewählt und vorgegeben werden (Gage und Berliner 1996). Eine sinnvolle Stoffauswahl besteht somit aus einer Mischung aus begründeten Schwerpunktsetzungen von Seiten der Lehrperson und Präferenzen der Lernenden. Die Inhalte der so getroffenen Stoffauswahl sollen anschließend unter dem Einsatz eines vielseitigen und abwechslungsreichen Methodenrepertoires, bei welchem sich unterschiedliche Lerntypen angesprochen fühlen, bearbeitet und erschlossen werden.
Die Lehrperson muss aber vor allem auch den Lernenden zeigen können, welches Ziel mit dem Unterrichtssetting angestrebt wird und was die Lernenden am Schluss der Stunde können sollen.
Im Fallbeispiel hat sich die Lehrperson ganz offensichtlich zu wenig auf die Voraussetzungen der Lernenden eingelassen. Das ist auch für erfahrene Lehrpersonen immer wieder eine große Herausforderung (und Kunst). Wenn man als Lehrperson aber nach einer Unterrichtsstunde feststellt, dass die Ziele nicht erreicht werden konnten – wie im Fallbeispiel nach dem Halbklassenunterricht – heißt es über die Bücher zu gehen: Warum konnten die Ziele nicht erreicht werden? Welche Voraussetzungen haben bei den Lernenden gefehlt? Was muss in der Weiterführung des Unterrichts anders angepackt werden? Im vorliegenden Fall wäre mit solchen Überlegungen deutlich geworden, dass die Lehrperson nicht im gleichen Stil (Bearbeitung von Aufträgen in Gruppen) weiter verfahren kann. Sie hätte einen Einschub machen und an einer kleinen Geschichte oder einem Ausschnitt aus der Kurzgeschichte modellierend zeigen müssen, worum es bei einer «tieferen Ebene» geht. Sie hätte dann Anregungen mit einigen Beispielen von Fragestellungen geben können, wie die Lernenden sich selbst an einer vertiefenden Analyse versuchen könnten, eher in Partnerarbeit als in der gruppendynamisch schwierigeren Gruppenarbeit. Wenn die Schülerinnen und Schüler die Wahl erhalten, die für sie interessanten Fragen auszuwählen und zu bearbeiten, kann ein wichtiges Element der Motivationsförderung realisiert werden: die Selbstbestimmung.
Vorgehensweisen bei Verweigerung der mündlichen Mitarbeit
Im vorliegenden Beispiel ist die Situation für einen interessanten Austausch unter den Lernenden nach der wenig erfolgreichen Gruppenarbeit kaum erfolgversprechend. Sie mussten erfahren, dass sie allein nicht auf die erwarteten Antworten kommen, sie brauchten die Unterstützung der Lehrperson. Vielleicht hat sie nonverbal signalisiert, dass sie mit den Leistungen nicht zufrieden ist. Die Voraussetzungen für ein Unterrichtsgespräch sind also denkbar schlecht. Da bringen auch gut ausgedachte Fragen nicht mehr viel (vgl. hierzu Dubs 2009).
Spätestens nach der wenig erfolgreichen Gruppenarbeit muss die Lehrperson selbst aktiv werden und darlegen, was aus der Geschichte herausgeholt werden kann. Sie kann dabei Aussagen aus den Gruppen, die sie mitbekommen hat, einflechten oder darauf Bezug nehmen. Auch die Reaktion der Lernenden wird ihr Hinweise geben, ob und wie sie sie einbeziehen kann. Zum Beispiel indem sie eine Aussage aus der Gruppenarbeit aufnimmt und daran zeigt, wie sie noch zu verfeinern ist.
Anzeichen, dass sie selbst eine modellierende Rolle übernehmen muss, hat die Lehrperson bereits nach dem Halbklassenunterricht wahrnehmen können. Nachdem die Lernenden feststellen mussten, dass sie das gewünschte Ziel nicht erreichen konnten, liegt es an der Lehrperson zu zeigen, was denn mit der «tieferen Ebene» wirklich gemeint ist.