Kitabı oku: «Das Lager», sayfa 5
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Marek lief so schnell, wie es das Gelände zuließ. Erst als der Waldweg sich gabelte, hielt er an, um sich zu orientieren.
Wo könnten die Mädchen hingebracht worden sein?
Bergauf führte der Rheinhöhenweg über das Siebengebirge parallel den Rhein entlang, rechts schlängelte sich ein abschüssiger Pfad zum Dornheckensee. Es war unwahrscheinlich, dass die Männer mit den Mädchen, die sich vielleicht gewehrt hatten, den schmalen Weg zum See genommen hatten. Im Dunkeln war das Gelände unwegsam und was hätte das Ziel sein sollen? Die nächsten Häuser lagen weit entfernt. Doch vielleicht hatte Maria fliehen können und versteckte sich in der Nähe? In diesem Fall hätte sie bestimmt den Pfad genommen, er bot mehr Sichtschutz als der breite Rheinhöhenweg.
Marek schlug den Weg zum Dornheckensee ein.
Als er das Seeufer erreichte, sah er sich um. Linker Hand stieg das Ufer steil an und ging in eine Felswand über, die den halben See einfasste. Marek wandte sich nach rechts, wo das Gelände von dichten Büschen bewachsen war. Plötzlich wurde ihm der Weg von rot-weißem Plastikband versperrt.
Tatortband!
Hier war vorgestern das tote Mädchen im Wasser gefunden worden. Kurz schoss ihm durch den Kopf, dass es Maria gewesen sein könnte, die man ermordet aufgefunden hatte. Aber das war nicht möglich. Gestern Abend hatte sie noch gelebt, wohingegen das Mädchen schon vor zwei bis drei Tagen umgebracht worden sein musste. Langsam umrundete er die Absperrung. Außer dem grellen Plastikband wiesen lediglich tiefe Fußspuren im flachen Teil des Sees auf den grausigen Fund vom Sonntag hin. Ansonsten herrschte Ruhe und Frieden. Die Vögel zwitscherten und die Insekten summten, als ob nichts geschehen wäre.
Plötzlich vernahm Marek ein Rascheln im Gebüsch und auf einmal standen ein großer Hund und seine Besitzerin vor ihm. Die hagere Frau musterte ihn ängstlich. Er verstand das gut. So kurz nach dem Mord wollte sie einem fremden Mann sicher nicht gern allein im Wald begegnen. Er setzte sein treuherzigstes Lächeln auf.
„Guten Tag. Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt.“
Die Frau beäugte ihn weiter misstrauisch. Sie hielt ihren Hund am Halsband, als müsse sie ihn daran hindern, auf Marek loszugehen. Es wirkte nicht sehr überzeugend, da das Tier freundlich wedelnd in Mareks Richtung schnüffelte.
„Sehen Sie? Ihr Hund merkt, dass ich Ihnen nichts tun will.“
Die Frau musste lächeln, ihre Haltung entspannte sich. Den Hund ließ sie jedoch immer noch nicht los.
„Was machen Sie hier? Sind Sie von der Polizei?“
„Fast richtig geraten, ich bin Detektiv. Und was machen Sie hier?“
„Ich habe vorgestern das tote Mädchen gefunden.“ Die Frau sah sich traurig um. „Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf, deshalb dachte ich, es wäre gut, noch einmal herzukommen. Vielleicht hilft es mir, das Erlebnis zu verarbeiten.“
„Ich habe mir gedacht, dass Sie das sind. Das muss ein schlimmer Schock gewesen sein.“
„Oh ja. Ich habe ständig das Bild vor Augen, wie sie da so im Wasser schwebte. Noch ganz jung war sie. Viel zu jung zum Sterben. Das Schrecklichste war, dass die Fische schon an ihr gefressen hatten.“ Ihre Augen wurden feucht.
Der Hund, der bisher geduldig zwischen den beiden gestanden hatte, stupste sein Frauchen auffordernd an, ihn endlich loszulassen.
Sie lachte verlegen, ließ das Halsband los und wischte sich unbeholfen mit den dürren Fingern über das Gesicht.
Marek räusperte sich. „Haben Sie vorgestern etwas Ungewöhnliches bemerkt? Außer der Leiche natürlich.“
Die Frau lachte schrill auf, wurde aber gleich wieder ernst. „Nein, das habe ich den Polizisten schon gesagt. Es war niemand hier, als ich sie gefunden habe. Nur das Mädchen lag da im See.“
„Haben Sie auf dem Weg zum See oder auf dem Rückweg etwas bemerkt? Von wo sind Sie gekommen?“
Die Frau überlegte kurz, dann zeigte sie nach rechts. „Ich war am Sonntag zuerst beim Blauen See, der direkt hinter dem Dornheckensee liegt.“
„Ist Ihnen da etwas aufgefallen?“ Marek ließ nicht locker, aber die Frau schüttelte den Kopf.
„Nein, gar nichts. Es war ganz früh am Morgen, da ist noch niemand unterwegs. Die Wildschweine hatten in der Nacht ziemlich gewütet und die trockene Erde aufgepflügt. Ich hatte Angst, einem der Urviecher über den Weg zu laufen, aber Leica hätte mich gewarnt.“
„Und sonst gibt es nichts, an das Sie sich erinnern können?“
„Doch, da war etwas. Ich wollte die Abkürzung zwischen den Seen über die Felsen nehmen und bin ein Stück geklettert. Da gibt es eine Höhle in der Felswand, die man von unten nicht sehen kann. Ich glaube, im Höhleneingang lag eine weiße Jacke. Sicher bin ich aber nicht. Ich habe mich nicht getraut, zu der Höhle zu klettern. Irgendwie hatte ich das unheimliche Gefühl, dass mich jemand beobachtet.“ Sie schauderte und schlang unbewusst die Arme um den dünnen Oberkörper.
Marek versuchte, seine Aufregung zu unterdrücken.
„Die Höhle, die Sie entdeckt haben, liegt auf der Rückseite dieser Felswand?“ Er deutete auf die Steilwand schräg hinter ihr. Die Frau nickte.
„Ich werde da mal nachsehen. Vielleicht finde ich die Jacke. Möchten Sie mitkommen und mir die Stelle zeigen?“
„Auf keinen Fall.“ Die Frau zog sich einen Schritt von ihm zurück. „Ich muss gehen, wir sind schon viel zu lange unterwegs.“
„Warten Sie. Nehmen Sie meine Karte, falls Ihnen noch etwas einfällt. Mein Name ist Marek Liebermann. Darf ich ihren Namen auch erfahren?“
„Henriette Erlenbach“, murmelte sie leise und trat den Rückzug an.
Mareks Handy klingelte.
„Marek, hier ist Laura. Wie sieht es aus? Können wir uns gleich in der Agentur treffen?“
„Klar, ich könnte in einer Stunde da sein.“
„Wunderbar.“ Im Hintergrund hörte Marek einen Autoblinker klicken. „Sagen wir neunzehn Uhr?“
Marek bestätigte das und beendete das Telefonat. Wenn er pünktlich sein wollte, musste er sich beeilen. Er wollte unbedingt die Höhle finden und er musste noch bei dem Jungen in Tannenbusch vorbeifahren, um zu erfahren, was Koscewskij heute getrieben hatte.
Das konnte knapp werden.
9
Laura war froh, wieder in der Agentur zu sein. Der Ausflug in der heißen Nachmittagssonne hatte sie ins Schwitzen gebracht und ihr taten die Füße weh. Sie sehnte sich danach, die Sandalen loszuwerden und es sich in ihrem Bürosessel gemütlich zu machen. Vorsichtig hinkte sie in den Vorraum, wo Gilda sie besorgt begrüßte.
„Laura, du humpelst? Was ist passiert?“
„Nichts ist passiert. Meine Sandalen drücken nur furchtbar.“ Laura ließ sich stöhnend auf einem Besuchersessel nieder und streifte die Schuhe ab.
„Ach, das kenne ich. Komm, ich hole dir ein kaltes Wasser. Möchtest du wissen, was ich heute Nachmittag gemacht habe? Stell dir vor, jemand hat angerufen und wir haben eine neue Kundin.“
„Was?“ Laura schaute interessiert auf. „Das ist toll. Erzähl.“
Gilda berichtete Laura von einer Frau aus Köln, die ihren Ex-Ehemann, der jetzt in Bonn wohnte, bespitzeln lassen wollte.
„Wir nennen das nicht bespitzeln, sondern Nachforschungen anstellen“, korrigierte Laura automatisch. „Das klingt vornehmer, wir leben schließlich davon.“
„Ok, klar, Nachforschungen anstellen. Ich fand die Frau mega unsympathisch. Aber du hast ja gesagt, dass wir nicht wählerisch sein können. Jedenfalls nicht in der Anfangsphase. Deshalb habe ich ihr das Vertragsformular zugeschickt und sie hat gleich unterschrieben. Gut, nicht?“ Gilda wedelte aufgekratzt mit den Papieren vor Lauras Nase herum, bis Laura sie ihr endlich aus der Hand schnappen konnte.
„Überwiesen hat sie schon. Unsere Anzahlung, meine ich.“
„Super. Hast du gut gemacht. Sicherheitshalber fangen wir aber erst mit der Arbeit an, wenn das Geld auf dem Konto ist. Die Leute können uns viel erzählen.“
Gilda lächelte geheimnisvoll. „Sie hat überwiesen, das habe ich überprüft. Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich mit Computern auskenne.“
Es dauerte einen Moment, bis Laura die Information verarbeitet hatte. „Gilda. Um Gottes willen! Ich will gar nicht wissen, wie du das meinst. Aber wehe, wir kriegen deshalb Ärger.“
„Keine Sorge, ich habe meinen eigenen Computer genommen und bin auch nicht über dein WLan gegangen. Man kann dich und die Agentur nicht damit in Verbindung bringen.“
„Du machst mir Kopfschmerzen. Die Hackerei am Computer ist mir suspekt. Erzähl mir lieber mehr über den neuen Auftrag. Hast du das Factsheet ausgefüllt, das ich dir gegeben habe?“
„Ja, habe ich.“ Kurz darauf hielt Laura das in krakeliger Schreibschrift ausgefüllte Formular in der Hand. Beim Überfliegen der Informationen stellte sie allerdings entsetzt fest, dass kaum ein Wort richtig geschrieben war.
„Gilda, es tut mir leid, dass ich das so offen sage, aber so viele Fehler habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.“
Gilda schaute verlegen auf ihre schwarzen Chucks. „Ich bin nicht gut im Schreiben. Das war schon immer so. Wahrscheinlich bin ich Legasthenikerin. Die Lehrer haben früher oft geschimpft, weil ich so schlecht in der Schule war, aber meinen Eltern war es egal. Ich konnte nicht zum Nachhilfeunterricht, weil ich im Restaurant helfen musste. Meine Eltern haben immer gesagt, ich muss nicht schreiben können, sondern kochen.“ Die letzten Worte kamen leise, doch dann legte sich gleich wieder das schalkhafte Grinsen über Gildas Gesicht. „Ich werde das Factsheet als Formular am Computer einrichten mit automatischer Rechtschreibkorrektur. Dann kann nichts mehr schief gehen! Mach dir keine Gedanken, du wirst schon sehen.“
Laura brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Die Kundenkorrespondenz konnte sie Gilda jedenfalls nicht anvertrauen. „Schon gut. Trotzdem möchte ich dich bitten, keine Mails zu verschicken, bevor ich sie durchgesehen habe. Das ist mir sehr wichtig, hast du mich verstanden?“
Gilda nickte und wechselte das Thema. „Soll ich dir erzählen, was ich über Herrn Hammerstein herausgefunden habe?“
Doch mit Blick auf die Uhr entschied sich Laura dagegen. „Nein, danke, wir können später darüber sprechen. Um neunzehn Uhr treffen wir uns mit Marek zur Besprechung. Wenn du so lange dableiben kannst.“
„Natürlich kann ich. Dann will ich dich erst mal nicht weiter stören. Bis nachher.“
Als Gilda die Tür hinter sich zugezogen hatte, legte Laura die Füße auf den Schreibtisch, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie hatte heute einige Puzzlestücke gefunden, aber ihr war nicht klar, wie das Gesamtbild aussah. Vielleicht hatte Marek ja etwas in Erfahrung gebracht, das Licht ins Dunkel bringen konnte. Der Auftrag lautete, herauszufinden, wo Józef Koscewskij arbeitete und wer seine Geliebte war. Waren sie da weitergekommen?
Nicht wirklich, es sei denn, er war von Beruf Erpresser und Zuhälter.
In dem Fall wäre es schwer für Jennifer Koscewskij, Unterhaltsansprüche geltend zu machen.
Koscewskij würde seine kriminellen Einnahmen wohl kaum bei der Steuer deklarieren.
Sie setzte sich an den Computer und suchte auf Google Earth nach Hammersteins Villa. Das Gebäude war gut zu erkennen, natürlich gab es einen Swimmingpool und einen Tennisplatz. Neben dem Haupttor erkannte sie das Pförtnerhaus, in dem die Security den ganzen Tag auf die Bilder starrte, die die Kameras von der Straße übertrugen. Am rückwärtigen Tor befanden sich mehrere Garagen.
Vorsichtig verschob sie die Karte mit dem Cursor, um zu sehen, wohin der Waldweg führte, den sie heute entdeckt hatte. Mit den Augen folgte sie der geschlängelten Linie, vorbei an einer Lichtung, auf der ein paar Scheunen standen, bis zu dem Platz beim Steinbruch. Von dort aus führten zwei Straßen wieder aus dem Wald heraus, die eine in Richtung Bonn, die andere zu den kleinen Ortschaften hinter dem Siebengebirge.
Hammerstein konnte unbemerkt ein und ausgehen, wann immer es ihm beliebte.
10
Marek joggte locker durch den Wald in die Richtung, die ihm Henriette Erlenbach beschrieben hatte. Der Waldboden federte angenehm unter seinen Füßen, die Bewegung tat ihm gut. Die Anspannung, die auf ihm gelastet hatte, löste sich, er konnte wieder klarer denken. Jetzt erst registrierte er, wie ruhig es im Wald war. Nach dem Fund der Mädchenleiche hätte er vermutet, dass der Ort eine Menge Schaulustige angezogen hätte. Es gab so viele kranke Typen, die sich gerne gruselten und am Leid anderer Menschen weideten. Aber es war niemand hier.
Vielleicht hatten die Leute Angst, dass der Mörder sich noch in der Gegend herumtrieb?
Der Weg machte eine sanfte Linksbiegung und stieg leicht an. Marek beschleunigte sein Tempo, bis er zum Scheitelpunkt gelangt war, um danach locker den Abhang hinunter zu traben. Schließlich lag der Blaue See glitzernd im Licht der Nachmittagssonne vor ihm. Zu seiner Linken entdeckte er die von Henriette Erlenbach beschriebene Abkürzung die Felsen hinauf. Nachdem er ein Drittel der Höhe erklommen hatte, sah er den Höhleneingang. Dort lag tatsächlich eine Jacke. Marek kletterte quer über das abschüssige Geröllfeld zum Eingang und hob sie auf. Die Größe konnte nur einer sehr schlanken Frau passen.
Vielleicht hatte sie dem Mädchen aus dem See gehört?
Marek untersuchte die Taschen, aber sie waren leer. Er legte die Jacke zurück auf den Boden und schaute sich aufmerksam um, aber in der Höhle war es zu dunkel, um etwas zu erkennen. Aus seiner Jackentasche zog er eine kleine, leistungsfähige LED-Taschenlampe, deren Lichtstrahl weit ins Innere des Gewölbes leuchtete. Langsam bewegte er sich vorwärts und suchte die Wände und den Boden sorgfältig ab. Die Höhle verlief röhrenförmig und war hoch genug, um aufrecht stehen zu können. So ebenmäßig, wie die Wände und der Boden waren, konnte der Tunnel kein Naturphänomen sein, sondern war von Menschenhand gebaut worden. Je weiter Marek vordrang, umso kühler wurde es. Dann machte der Tunnel eine scharfe Biegung, es wurde heller und plötzlich stand er am Rande eines Abgrunds hoch über dem Dornheckensee. Direkt unter seinen Schuhspitzen ging es bestimmt vierzig Meter in die Tiefe. Reflexartig krallte er sich an den Felsen fest.
Ein Sturz aus dieser Höhe konnte tödlich enden.
Vorsichtig beugte Marek sich vor und sah sich um. Der Ausblick auf die Felsen und Wälder war grandios. Unter ihm auf dem See schwammen gelbliche Blätter. Sie wurden von einer leichten Strömung zum Ufer getrieben. Bis zu dem Fundort des toten Mädchens, den Marek gut an den Absperrbändern der Polizei erkennen konnte. Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an:
Hatte der Mörder die Leiche des Mädchens in die Höhle geschafft und von hier oben in den See geworfen?
War sie durch die leichte Strömung zu der Stelle mit den Seerosen getrieben worden, an der man sie später gefunden hatte? Möglich war es, wenn auch sehr mühsam, mit einer solchen Last zum Eingang der Höhle zu klettern. Aber vielleicht war das Mädchen selbst gelaufen und erst hier oben ermordet worden? Marek hatte zwar keine Spuren des Verbrechens bemerkt, aber er hatte auch nicht danach gesucht.
Er sah auf seine Uhr und fluchte. Wenn er sich jetzt nicht sofort auf den Weg machte, würde es schwierig werden, noch pünktlich zur Besprechung mit Laura zu kommen. Eilig ging er durch den dunklen Felsentunnel zurück zum Höhlenausgang. Er nahm die weiße Jacke und band sie sich um die Hüften, um die Hände für die Kletterpartie freizuhaben. Als er wieder ebenen Boden unter den Füßen hatte, lief er zügig zu seinem Auto zurück.
Er musste unbedingt noch mit dem Jungen sprechen, bevor er in die Agentur zurückfuhr.
11
Das Telefon klingelte und Laura schaute auf die Uhr. Fast halb sieben, nicht mehr viel Zeit bis zur Besprechung. Sie nahm das Gerät aus der Ladestation und meldete sich.
„Laura, hier ist Barbara. Wie geht es dir? Alles im grünen Bereich? Schon die ersten Fälle gelöst?“
„Bärbel. Was gibts? Möchtest du wieder mit einer Flasche Schampus vorbei kommen?“
„Das wäre bestimmt keine schlechte Idee. Aber heute nicht.“ Barbara lachte am anderen Ende. „Ich wollte hören, ob es mit Gilda geklappt hat. Sie hat sich doch bei dir gemeldet?“
„Ja, hat sie. Danke, dass du sie mir geschickt hast. Sie kann uns wirklich nützlich sein. Sehr nett und patent, allerdings ein bisschen speziell.“
„Ich weiß. Sie ist toll. Ich kenne sie, seit sie ein kleines Mädchen war. Das Restaurant ihres Vaters ist Heinolfs und mein Lieblingsitaliener. Wir gehen da seit Ewigkeiten hin und kennen die Besitzer gut. Ich hatte immer den Eindruck, das Mädchen könnte viel mehr aus ihren Talenten machen, anstatt nur rumzujobben. Vielleicht gibt ihr die Arbeit bei dir den Anstoß, endlich etwas zu ändern. Aber ich habe aus einem anderen Grund angerufen. Hast du heute Abend schon was vor?“
„Kommt drauf an“, sagte Laura vage.
Barbara war eine begeisterte Kupplerin und hatte sie nach ihrer Beziehungsmisere, an die sie jetzt nicht denken wollte, schon so manches Mal verbandeln wollen. Aber die Männer, die sie ihr vorgestellt hatte, waren nicht Lauras Fall gewesen. Sie waren ihr langweilig und uninteressant vorgekommen. Vor allem im Vergleich zu ihm. Der Schmerz bei dem Gedanken durchfuhr sie so heftig, dass sie unwillkürlich zuckte. Schluss mit dem Thema.
Nie wieder!
„Keine Sorge, kein Vierer-Date mit Heinolf, mir und einem geheimnisvollen Fremden. Das letzte Mal habe ich noch in unangenehmer Erinnerung. Du hast gesagt, dass du nur kurz auf die Toilette wolltest, und hast dich aus dem Staub gemacht. Wir saßen da wie Piksieben und haben ewig auf dich gewartet. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich deswegen immer noch sauer auf Dich. Aber heute geht es um etwas viel Besseres: Ich spiele in einer halben Stunde bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Heimatmuseum. Nur drei Stücke, keine große Sache. Aber danach findet für ausgewählte Gäste ein Empfang bei den Hammersteins statt. Da könnten wir zusammen hingehen, uns einen schönen Abend machen und ein kostenloses Abendessen abstauben.“
Das wäre die Gelegenheit, Hammerstein aus der Nähe zu sehen, dachte Laura. „Wer kommt denn da noch hin?“
„Sagte ich doch. Ausgewählte Gäste, die Crème de la Crème von Bonn. Oder wenigstens von Königswinter, Bad Honnef und Bad Godesberg. Heinolf ist auch eingeladen, aber er kann nicht, er hat ein Abendessen mit einer furchtbar verstaubten Professorendelegation aus Ungarn.“
Heinolf war Barbaras Ehemann, Professor für neuere Geschichte an der Universität Bonn, der sich gerne auf Gesellschaften tummelte und hofieren ließ. Laura konnte ihn nicht leiden, sie hielt ihn für prätentiös und hochnäsig und vermied, so gut sie konnte, jedes Aufeinandertreffen. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, tat aber zum Glück ihrer Freundschaft mit Barbara keinen Abbruch.
„Ich komme gerne mit.“
Laura war ehrlich erfreut. Ohne Barbaras spießigen Ehemann würde es ein unterhaltsamer Abend werden.
12
Marek war erleichtert, dass er den blonden Jungen gleich vor dem Hochhaus entdeckte und nicht lange nach ihm suchen musste. Doch als der Kleine ihn aus dem Auto steigen sah, lief er mit bedeutungsvollem Blick in seine Richtung die Straße hinunter und hielt erst bei der Bushaltestelle an.
Was sollte das jetzt?
Marek lief irritiert hinter ihm her und setzte sich zu ihm auf die Bank.
„Hallo, Kevin.“
„Ich bin Justin, Kevin ist mein Bruder.“
Marek hob die Hände. „Ja klar, Justin. Entschuldige. Treffen wir uns hier, weil das unauffälliger ist?“
Justin nickte eifrig. „Es ist besser, wenn wir nicht zusammen gesehen werden. Das habe ich mal in einem Detektiv-Film gesehen.“
„Gut, Junge, äh Justin. Lass uns zur Sache kommen, ich habe nicht viel Zeit. Hast du irgendetwas beobachtet? Ist Koscewskij weggegangen? Oder hat ihn jemand besucht?“
„Ich habe den ganzen Tag seine Wohnung bewacht. Er ist einmal rausgekommen, gegen Mittag, und hat sich etwas gekauft. Da hinten.“ Der Junge zeigte die Straße hinunter, wo in großen Buchstaben der Name eines Kiosks an einem Hochhaus stand. „Danach ist er gleich wieder in seine Wohnung zurückgegangen und nicht mehr herausgekommen.“
„Danke, Justin. Gut gemacht.“ Koscewskij ging also keiner geregelten Arbeit nach. Oder er hatte sich schon den zweiten Tag hintereinander freigenommen.
„Sonst hast du nichts weiter beobachtet?“ Marek durchsuchte seine Taschen nach Geld.
„Doch. Also nicht beobachtet, aber gehört. Ich habe versucht, ihn von meinem Zimmer aus zu belauschen. Er hat viel telefoniert. In einer ausländischen Sprache. Und er hat wieder geweint. Ich konnte ihn aber nicht die ganze Zeit belauschen, weil meine Mutter mich nach draußen geschickt hat. Wenn sie Besuch bekommt, darf ich nicht in der Wohnung sein.“ Eine tiefe Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus, er guckte beschämt auf die Spitzen seiner ausgetretenen Turnschuhe.
Marek behielt seine neutrale Miene bei und tat, als ob er das nicht bemerkt hätte. Jetzt war keine Zeit, um persönliche Probleme des Jungen anzusprechen.
Das sah dieser allerdings anders, denn als Marek ihm einen Fünfeuroschein zustecken wollte, schüttelte er heftig den Kopf.
„Nein, ich möchte das Geld nicht. Ich möchte Sie von dem Geld, das Sie mir schulden, engagieren. Dafür arbeite ich auch weiter für Sie.
Bitte, Sie müssen mir helfen!“
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