Kitabı oku: «Moloch Unsterblich»

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Moloch Unsterblich

1 Prolog

2 Sonntag

3 Montag

4 Wohnung Südstadt

5 Detektei

6 Detektei

7 Rheinallee, Bad Godesberg

8 Schweinheim

9 Detektei

10 Turnhalle, Bad Godesberg

11 Café Negro

12 Beuel

13 Detektei

14 Kirche St. Evergislus

15 Tierarztpraxis

16 Café bei der Kirche

17 Beuel

18 Bad Godesberg

19 Detektei

20 Beuel

21 Rheinallee

22 Barbaras Wohnung, Südstadt

23 Detektei

24 GoldRush Bar

25 Dienstag Detektei

26 Südstadt

27 Rheinallee

28 Südstadt

29 Gymnasium, Bad Godesberg

30 Südstadt

31 Kurpark

32 Detektei

33 Gotenstraße

34 Pfadfinder

35 Beuel

36 Detektei

37 Rheinallee

38 Detektei

39 Una Notte Speciale, Königswinter

40 Moonbar

41 Mittwoch Detektei

42 Gotenstraße

43 Friedhof, Beuel

44 Nähe Rheinallee

45 Friedhof, Beuel

46 Bad Godesberg

47 Detektei

48 Beuel

49 Kurpark, Bad Godesberg

50 Detektei

51 Jugendamt, Bonn

52 Pennenfeld

53 Detektei

54 Beuel

55 Pennenfeld

56 Kneipe No More, Bad Godesberg

57 Detektei

58 Mittwoch Abend

59 Mittwoch auf Donnerstagnacht

60 Donnerstag

61 Beuel

62 Detektei

63 Schweinheim

64 Beuel

65 Detektei

66 Beuel

67 Nähe Rheinallee

68 Detektei

69 Krankenhaus, Venusberg

70 Beuel

71 Detektei

72 Andrea Sattlers Wohnung, Bad Godesberg

73 Nähe Rheinallee

74 Detektei

75 Beuel, Friedhof

76 Nähe Rheinallee

77 Detektei

78 Schweinheim

79 Detektei

80 Friedhof Beuel

81 Schweinheim

82 Allerseelen Kinderheim

83 Friedhof, Beuel

84 Allerseelen, Bad Godesberg

85 Friedhof, Beuel

86 Allerseelen, Bad Godesberg

87 Friedhof, Beuel

88 Allerseelen, Bad Godesberg

89 Detektei

90 Hauptbahnhof Bonn

91 Detektei

92 Ehemaliger Atomschutzbunker, Bonn

93 Detektei

94 Nacht von Donnerstag auf Freitag, Gotenstraße

95 Freitag

96 Ehemaliger Atomschutzbunker, Bonn

97 Gotenstraße

98 Villa Anton, Bad Godesberg

99 Schweinheim

100 Nähe Rheinallee

101 Bad Godesberg, Villa Anton

102 Detektei

103 Drakes Wohnung, Südstadt

104 Hauptbahnhof, ehemaliger Atomschutzbunker

105 Südstadt

106 Hauptbahnhof, ehemaliger Atomschutzbunker

107 Barbaras Wohnung, Südstadt

108 Hauptbahnhof, ehemaliger Atomschutzbunker

109 Allerseelen Kinderheim, Bad Godesberg

110 U-Bahn Station, Hauptbahnhof

111 Hauptbahnhof, ehemaliger Atomschutzbunker

112 Allerseelen Kinderheim, Bad Godesberg

113 Samstag

114 Sonntag

115 6 Wochen später

116 Personenregister

117 Nachbemerkung

Impressum neobooks

Moloch Unsterblich

Der vierte Fall für Laura Peters

Kriminalroman

Das Buch

„Die Kamera zoomte auf die Machete, die er hoch über den Kopf erhoben hielt, und fuhr die lange, verschmutzte Klinge entlang. Das Sichtfeld glitt zurück in die Totale. Zeigte die junge Frau, deren Gesicht ein einziges Entsetzen war.“

Laura Peters wird ein Video zugespielt, in dem ein Mord gezeigt wird, und macht sich auf die Suche nach dem Täter. Als die Leiche eines kleinen Jungen, der fünf Jahre zuvor spurlos verschwunden ist, in einer verborgenen Kammer auf einem Dachboden gefunden wird, erkennt sie, dass sie es nicht nur mit einem Mörder, sondern auch mit einem jahrhundertealten System des Bösen aufgenommen hat. Doch sie stößt auf eine Mauer des Schweigens und muss lernen, dass nicht jeder das ist, was er zu sein scheint, und dass Vertrauen tödlich enden kann ...

Die Laura-Peters-Serie

Moloch Unsterblich ist der vierte Roman, in dem Laura Peters mit ihrem Team ermittelt. Alle Bände der Laura-Peters-Serie sind als Taschenbuch im Internet erhältlich und als E-Book in allen Online-Shops.

Patricia Weiss freut sich auf den Austausch mit ihren Lesern auf der Facebook-Seite ‚Patricia Weiss – Autorin‘, auf Twitter ‚Tri_Weiss‘, auf Instagram ‚tri_weiss‘ und auf YouTube ‚Patricia Weiss Autorin‘.

Moloch Unsterblich

Der vierte Fall für Laura Peters

Kriminalroman

von

Patricia Weiss

Moloch Unsterblich ist als Taschenbuch und als E-Book erhältlich.

Impressum Texte: © Copyright by Patricia Weiss c/o Relindis Second Hand Gotenstr. 1 53175 Bonn patriciaweiss@gmx.net

Covergestaltung und Foto: Patricia Weiss / Model: Christian Sydow

Lektorat: Katharina Abel

Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlichung: 2019

Der Kuss der Muse, nur gehaucht, entfesselt den Sturm ...

Für meine lieben Eltern.

Und für die Beste Gruppe der Welt.

Love life, stay weird!

Moloch

* Der Moloch wird in der Bibel erwähnt und ist ein Gott oder ein König, dem Kinderopfer dargebracht wurden.

* Moloch ist ein Synonym für eine gnadenlose Macht,

die alles verschlingt.

Am Ende des Buches gibt es ein Personenregister.

1 Prolog

Die Ästhetik des Tötens gewinnt an Schönheit mit der passenden Musik.

Der Übergang vom Leben zum Tod ist ein harter Cut. Kein sanftes Dahingleiten, kein langsames Entschweben, kein seichtes Diffundieren in eine andere, bessere Welt.

Jedenfalls nicht für den Beobachter.

Im einen Moment ist ein Körper noch voller Leben, im nächsten nur noch eine leere Hülle. Und dazwischen ist lediglich ein schmaler Grat.

Ein sehr schmaler.

Mit der Fernbedienung schaltete er den CD-Player aus und der Raum versank in tiefe Stille. Er stützte den Ellenbogen auf die massive Eichenplatte des Esstisches, legte das Kinn in die hohle Hand und studierte sein Gegenüber. Noch vor wenigen Minuten hatte das Objekt gestöhnt und geschnauft, sich zu den monumentalen Klängen von Orffs O Fortuna aufgebäumt und gewunden, gesabbert und mit fetten, kleinen Händen versucht, den Kragen zu öffnen, um das kommende Schicksal abzuwenden.

Sein Blick wanderte über den kaum angerührten Teller mit Rotkohl, Klößen, Rinderbraten und Soße und den seelenlosen Koloss dahinter, dessen Leibesfülle ihn zwischen den Lehnen des Stuhles und der Tischplatte festklemmte und am Umfallen hinderte. Der Anblick der hervorgequollenen Augen, die zu Lebzeiten kaum über die runden, rot-glänzenden Backen hervorgesehen hatten, des rot-blau angelaufenen Gesichts, der heruntergeklappten Kinnlade, aus der die Zunge heraushing, weckte kein Gefühl in ihm. Keine Regung. Nicht einmal Ekel. Die Hände blieben auch im Tod in den weißen Hemdkragen gekrallt und zeugten von der verzweifelten Gier der letzten Atemzüge nach Sauerstoff.

Das war gut.

Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Unfall durch Ersticken. Doch er wollte noch ein bisschen nachhelfen. Ohne Eile erhob er sich, näherte sich dem Teller, der vor dem Objekt stand und griff nach dem Besteck. Durch die dünne Membran der Einmalhandschuhe meinte er, einen Rest von Wärme zu spüren, die die Finger des Toten auf das verzierte Silber übertragen hatten. Eine letzte Erinnerung an das Leben, die Lebendigkeit, die noch bis vor wenigen Augenblicken den Körper des Kolosses erfüllt hatte, bevor sie als winziger Tropfen vom ewigen Ozean der kosmischen Energie absorbiert worden war. Sorgfältig schnitt er ein ordentliches Stück vom Rinderbraten ab, dann drückte er mit dem Messer die Zunge des Objektes nach unten und stopfte mit der Gabel das Fleischstück so tief in den Rachen, wie er konnte. Einen aufmerksamen Gerichtsmediziner würde er damit nicht täuschen können, aber die Behörden waren überlastet – mit etwas Glück würde dieser Körper nicht lange auf dem Seziertisch bleiben.

Im offenen Kamin prasselte und knackste das Feuer und verbreitete eine Hitze im Zimmer, die die Kerzen auf dem Tisch zum Schmelzen brachte. Schweißtropfen liefen über sein Gesicht. Hervorgerufen durch die Wärme ... oder durch das überdimensional große Bild, das über dem Kamin hing und einen gütig dreinschauenden Pfarrer in Soutane zeigte, der von schwarzen Kindern umringt war. Es stammte aus der Zeit, als das Objekt noch nicht so fett gewesen war wie ein Walross. Die eine Hand umfasste den Stab,

... du warst ein böser Junge, ein elender Taugenichts ...

die andere streckte er den Kindern entgegen, Handrücken oben, die Finger leicht nach unten gekrümmt

... braver Kerl, das hast du gut gemacht ...

Er wischte sich mit dem Ärmel über die feuchte Stirn. Die Angst, in der Kindheit sein ständiger Begleiter, schien zurückzukommen. Ein Kloß im Bauch, der sich ausbreitete, ihn lähmen wollte. Doch das ließ er nicht zu. Er war kein Opfer mehr. Er wehrte sich jetzt. Schlug zurück. Vernichtend. Seine Finger krampften sich um das Messer. Am liebsten hätte er ...

Er straffte die Schultern, streckte den Rücken, hob das Kinn, atmete bewusst dreimal tief durch. Der stinkende Giftnebel der Erinnerungen verflüchtigte sich, wich der kühlen Brise trostspendender Ratio.

Der Plan.

Er musste sich an den Plan halten, dann war alles gut. Sorgfältig die einzelnen Schritte abarbeiten. Einen nach dem anderen. Improvisation war etwas für Versager und führte ins Verderben. Sunzi sagte in ‚Die Kunst des Krieges‘ Handle umsichtig, rasch und unkompliziert. Das war jetzt gefordert.

Wieder ruhiger geworden sah er sich um. Im hinteren Teil des Raumes stand ein Ohrensessel vor einem wandhohen Regal mit unzähligen gelehrten Schriften.

Komm näher, mein Sohn ... knie dich hier neben mich ...

Die Wucht der plötzlichen Erinnerung, seit Ewigkeiten verschüttet, ließ ihn taumeln, blendete gleißend seine Seele. Er keuchte, kämpfte den Gedanken nieder. Richtete die Aufmerksamkeit gewaltsam wieder auf die Gegenwart. Das Hier und Jetzt, wo er die Regeln machte.

Und sie exekutierte.

Gnadenlos, kaltblütig, präzise.

Er ließ den Blick weiterwandern. Prunkstück des Raumes war der Esstisch, lang und massiv wie eine Rittertafel, an dessen Kopfende das Objekt soeben sein letztes Abendmahl eingenommen hatte.

Und es hatte ihm Vergnügen bereitet, es ihm zu kredenzen.

Die Chili-Thai-Koriander-Suppe, als Vorspeise serviert in einem Tässchen, das man auf einen Zug austrinken sollte, war die richtige Wahl gewesen. Die scharf-seifige Gewürzmischung hatte jeden irritierenden Fremdgeschmack überdeckt. Allerdings setzte die Wirkung erst nach zweiundzwanzig Minuten und siebenundreißig Sekunden ein. Er hatte die Stoppuhr gestellt, um die Information in seine Tabelle einzutragen.

Ohne Musik war das Sterben banal und nichtssagend.

Mit Musik ein dramatisch zerstörerischer Akt von beklemmender Schönheit.

Aber es musste sorgsam aufeinander abgestimmt sein. Wie eine gut inszenierte Oper. Der Zeitraum, bis die Reaktion eingesetzt hatte, war länger gewesen als beabsichtigt. Er schätzte den Koloss auf gute 130 Kilo. Wenn er es noch mal mit so einem Kaliber zu tun hatte, würde er die Dosierung hochsetzen. Dafür war der Todeskampf unerwartet kürzer verlaufen.

Enttäuschend kurz.

Fünf Minuten zweiundvierzig zwischen den ersten Anzeichen und dem letzten Atemzug. Herzschwäche, Bluthochdruck und Adipositas hatten ihn bei seinem Vorhaben unterstützt. Allerdings hatte er das Stück mehrfach von vorne spielen müssen. Ärgerlich. Vielleicht musste er es auswechseln. Etwas von Wagner nehmen. Oder Vivaldi. Aus den Vier Jahreszeiten. Das gäbe dem Akt des Tötens eine ganz neue Interpretation, eine charmante Leichtigkeit, Beschwingtheit. Aber das würde viel Arbeit bedeuten. Und er wollte nicht mehr warten. Seine Zeit war gekommen.

Jetzt.

Das Objekt hatte natürlich versucht, Hilfe zu alarmieren. Hatte sich zuerst an ihn gewandt. Flehend die Hände in seine Richtung gestreckt. Doch er hatte ihn nur unbewegt angesehen. Vielleicht hatte auch der Hauch eines Lächelns um seine Mundwinkel gespielt und ihn verraten. Sicher war er sich da nicht. Zu lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet, ihn immer wieder im Kopf durchgespielt. Möglich, dass er für einen kurzen Moment die Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren hatte. Dann war das Dämmern der Erkenntnis auf dem Gesicht des Objekts sichtbar geworden. Dass es zu spät war. Dass er ihn nicht retten würde, ja, dass er sogar der Verursacher der Notlage war.

Ein Verräter.

Eine Natter, die das Objekt an seinem Busen genährt hatte.

Reue traute er ihm nicht zu. Selbstgerecht und gnadenlos war er gewesen. Sadistisch und brutal. Hatte sich gesonnt in der Gewissheit der Absolution von ganz oben. Von ganz, ganz oben. Eigentlich hätte er schon damals seinen Glauben verlieren müssen. Als er noch klein, hilflos und dumm war und das Objekt ihm gezeigt hatte, dass die Hölle keine abstrakte Vorstellung vom Jenseits war, sondern im Diesseits äußerst real existierte.

Erschaffen von Teufeln, wie das Objekt einer war.

Und von denen es so viele gab.

Doch er hatte weiter fest geglaubt, gebetet, um Besserung gefleht, um Erleuchtung. Damit er erlöst würde aus dem Martyrium. Doch nichts hatte sich geändert. Heute wusste er, dass es dort oben niemanden gab, der zuhörte und half. Dass er sich nur selbst befreien und retten konnte. Es stimmte, das Objekt hatte ihn an seinem Busen genährt. Oder streng genommen an einem anderen Körperteil, weiter unten. Aber mit Gift. Und hatte ihn dadurch zur Natter gemacht, zu einem Taipan, der giftigsten Schlange der Welt.

Und jetzt war er auf der Jagd.

Das Objekt hatte versucht, zu fliehen. Doch damit hatte er gerechnet und ihn mit einer Jacke, die er um ihn geworfen und hinter der Lehne zusammengehalten hatte, auf dem Stuhl gehalten. Sicher wäre Festhalten oder Fesseln leichter gewesen, aber das hätte Verletzungen hinterlassen, Hämatome, die einen Leichenbeschauer stutzig machen konnten.

Er blickte auf die Uhr, wie er es den Abend über schon hundert Mal gemacht hatte. Zeit aufzuräumen und die Spuren zu verwischen. Oder die Brücken hinter sich abzubrechen, wie Sinzu sagte. Er kontrollierte den Sitz der Einmalhandschuhe und arbeitete seine Liste ab. Das Gedeck spülen, das er benutzt hatte, und zurück in den Schrank räumen. Die Fingerabdrücke von all den Stellen wegputzen, die er berührt hatte, als er keine Handschuhe getragen hatte, um das Objekt nicht misstrauisch zu machen. Mit dem Kleberoller über den Teppich fahren, um Haare oder sonstige Partikel von ihm zu entfernen. Natürlich würde er Spuren hinterlassen, aus denen man seine DNS ermitteln konnte.

Aber dazu musste erst mal jemand bemerken, dass ein Mord stattgefunden hatte.

2 Sonntag

Panoramapark, Rüngsdorf

Opfer im Labyrinth des Blutrausches

Es kratzte an der Tür. Jaulen, Krallen auf dem Parkett im Flur. Erneutes Scharren an der Schlafzimmertür. Schlaftrunken richtete sich Laura Peters auf, tastete im Dunkeln nach dem Schalter der Nachttischlampe und knipste sie an.

Der Wecker zeigte fünf Uhr.

Seufzend sank sie zurück in die Kissen und zog sich die Decke über den Kopf. Die Nacht war ein einziger Albtraum gewesen. Wie fast jede Nacht in den letzten Wochen. Diabolische Augen hatten sie durch ein Labyrinth gejagt, aus dem es kein Entkommen gab. Sie rannte durch verschlungene Gänge, flüchtete vor dem Unvorstellbaren. Doch am Ende wartete das Skalpell auf sie. Die Klinge, die vor ihren Augen stählern aufblitzte, um dann in ihr Fleisch zu schneiden. Auf sie niederfuhr, tiefe Wunden in ihren weichen Bauch, ihre Arme und Beine riss und ihr Blut in leuchtend hellroten Tropfen durch die Luft spritzen ließ. Und die Stimme, emotionslos und seltsam hell:

Schneiden, um zu verletzten, Stechen, um zu töten.

Immer wieder war sie keuchend hochgefahren, hatte sich aufgesetzt, das Licht angeschaltet und die verschwitzte Stirn abgewischt. Versucht, sich zu beruhigen. Nur um im Dunkeln erneut als Opfer im Labyrinth des Blutrausches zu enden.

Sie hatte das Gefühl, erst vor fünf Minuten Ruhe gefunden zu haben. Und sie brauchte den Schlaf dringend. Doch das Kratzen und Jaulen konnte sie nicht ausblenden.

„Ich komme ja schon“, murmelte sie und schälte sich aus dem Bett. Barfuß tappte sie über das kalte Parkett zur Tür und öffnete sie. Vor ihr saß der betagte Dackel der Nachbarin, legte den Kopf schief und wedelte.

„Friedi.“ Sie bückte sich und streichelte über das weiche, rotbraune Fell. „Geh wieder schlafen. Es ist noch viel zu früh.“ Doch der Hund war anderer Meinung. Schwanzwedelnd watschelte er den Flur entlang zur Wohnungstür, drehte den Kopf und sah sie an. Es war klar, was er vorschlug.

„Oh Mann. Echt jetzt? Warte, ich ziehe mir wenigstens etwas über. Draußen ist es eisig.“ Laura verspürte wenig Lust, so früh in die Kälte hinausgejagt zu werden, aber wenn der Hund musste, wollte sie kein Risiko eingehen und hinterher Friedis Häufchen vom Teppich entfernen müssen.

Sie zog sich die Jeans und einen Wollpullover über das Schlafshirt und stieg barfuß in die weich gefütterten Boots. Vom Haken im Flur angelte sie die Daunenjacke.

Als der Dackel sah, dass seine Bemühungen Früchte trugen, vollführte er ein paar schaukelnde Hüpfer mit den Vorderpfoten und wedelte stärker.

„Komm, Friedi.“ Laura beugte sich zu ihm hinunter und hielt ihm das abgewetzte Halsband entgegen. Doch der Hund zog den Kopf weg und duckte sich an ihr vorbei.

„Jetzt mach schon“, seufzte sie und verfolgte ihn gebückt durch den Flur, bis sie ihn in eine Ecke drängen und ihm das Geschirr überziehen konnte. Sie hakte die Leine ein, schnappte sich die Schlüssel von der Kommode neben der Tür und verließ die Wohnung.

Die Kälte traf sie wie ein Schlag.

Ihr Körper, der noch die Bettwärme gespeichert hatte, begann unkontrolliert zu zittern. Sie schlang die Arme um sich und verkroch sich tief in der Jacke. Dem Dackel schienen die Minusgrade nichts auszumachen, die Nase dicht am Boden verfolgte er konzentriert schnuppernd eine Spur den Bürgersteig entlang. Ohne auf sie zu achten, schlug er den Weg zum Panoramapark ein und zerrte sie hinter sich her.

Laura setzte die Kapuze auf, zog den Ärmel über die Hand, in der sie die Leine hielt, und vergrub die andere tief in der Jackentasche. Mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern lief sie dem Dackel hinterher.

Es war stockdunkel, lediglich die Straßenlaternen tauchten den Weg in regelmäßigen Abständen in goldgelbe Lichtkegel. Die Straßen lagen ruhig da, die Häuser schliefen friedlich vor sich hin. So früh am Morgen war noch niemand unterwegs.

Der Park, von dem aus man tagsüber einen schönen Blick auf den Rhein hatte, lag unbeleuchtet vor ihnen. Hohe Bäume reckten sich in den frühmorgendlichen Himmel. Es war ein idyllisches Fleckchen. An sonnigen Tagen spielten Kinder auf dem Klettergerüst, Senioren spazierten die sandigen Wege entlang und Hunde tollten über die Wiesen. Doch der Park hatte auch eine andere Seite: Gegen Abend wechselte das Publikum und Jugendliche belagerten die Bänke, um Drogen zu nehmen und Bier zu trinken. Und im Sommer hatte Lauras Assistentin Gilda hinter einem Busch sogar eine Leiche gefunden.

Kein schöner Gedanke.

Laura hätte es vorgezogen, an der Straße weiterzugehen, doch der Dackel zog sie zielstrebig in die Grünanlage. Die Wege schienen ihn nicht sonderlich zu interessieren, er steuerte quer über die Wiese auf ein Gebüsch zu. Laura holte mit klammen Fingern das Handy aus der Tasche und aktivierte die Taschenlampe. Der Lichtkegel war schmal und nicht besonders hell. Mehrmals strauchelte sie in dem unebenen Gelände und traf schließlich eine Entscheidung.

„Friedi, warte.“ Sie zog den unwilligen Dackel zu sich heran und leinte ihn ab. Wedelnd verschwand er in der Dunkelheit. „Komm aber zurück, wenn ich dich rufe!“ Sie wusste, wie entlarvend hilflos das klang. Aber es brachte nichts, hinter dem Tier her durch das Gras zu stolpern.

Wenige Meter vor sich hörte sie ihn durch die Büsche rascheln. Unbeholfen tastete sie sich mit den Füßen in seine Richtung vor, doch bevor sie ihn erreicht hatte, entfernte er sich wieder von ihr.

„Friedi!“ Sie rief ihn nur leise, um die Anwohner in den benachbarten Häusern nicht zu wecken. Erwartungsgemäß hörte er nicht auf sie.

Stattdessen schlug er an. Bellte wie rasend.

„Friedi! Aus!“ So schnell wie möglich versuchte sie, zu ihm zu gelangen. „Sei ruhig!“ Ein Ast ratschte ihr durchs Gesicht, sie tauchte nach unten und schlug blind danach.

„Verdammt noch mal, Friedi, sei still!“

Endlich hatte sie ihn erreicht. Sie griff nach seinem Geschirr und hakte die Leine ein. Dann leuchtete sie mit der Taschenlampe die Umgebung ab. Vor ihr befand sich eine Bank, auf der etwas Dunkles lag. Sie ließ den Lichtstrahl darüber wandern: Beine, eine Hand, ein Kopf, der zur Seite gefallen war.

„Oh mein Gott!“

Ein Mann!

War er tot?

Er musste tot sein. Bei diesen Minusgraden konnte niemand auf einer Parkbank herumliegen, ohne zu erfrieren. Sie griff nach der Hand, prüfte, ob sie noch warm war. Aber natürlich war sie kalt. Ihre Eigene fühlte sich ja auch wie ein Eisklumpen an. Vorsichtig schob sie ihre Finger in den Kragen seiner Jacke, um nach einem Puls zu suchen.

„Nein!“

Sie schreckte zurück. Er lebte! Ein Glück. Aber vielleicht war er gefährlich? Wer bei diesen Temperaturen und zu der Uhrzeit hier herumlag, führte womöglich nichts Gutes im Schilde. Innerlich wappnete sie sich, jederzeit die Flucht anzutreten.

„Sie können hier nicht liegen bleiben, es ist zu kalt!“ Sie griff seine Schultern und schüttelte ihn.

„Lass mich in Ruhe!“ Er versuchte, sie wegzuschieben.

„Jetzt kommen Sie schon!“ Laura ließ sich nicht abwimmeln. „Wo wohnen Sie? Sie können nicht hierbleiben. Soll ich jemanden anrufen?“

„Nein!“

Mit viel Mühe gelang es ihr, ihn aufzurichten, doch er sank sofort nach vorne.

„Jetzt helfen Sie mir doch ein bisschen. So geht das nicht.“

Plötzlich krampfte sein Körper sich zusammen, er erbrach sich. Direkt auf ihre Füße.

„Scheiße!“ Sie sprang zur Seite, ohne ihn loszulassen. „Ich rufe die Polizei. Oder einen Krankenwagen.“

„Nein!“ Seine Stimme klang verzweifelt, brüchig.

Friedi stupste die Hand des Mannes an. Der schluchzte auf und fing an zu schniefen. „Nicht die Polizei. Sie dürfen nichts erfahren. Er bringt mich um! Was soll ich bloß tun?“

„Ruhig.“ Laura überlegte, während sie abwesend seine Schulter tätschelte.

Dann ließ sie den Lichtstrahl ihres Handys erneut über ihn wandern. Schmal, Daunenjacke, Jeans, Sneakers. Das war kein Mann. Jedenfalls noch kein richtiger. Er war vielleicht siebzehn, achtzehn Jahre alt. „Junge, was treibst du dich nachts im Park herum?“

Sie erwartete keine Antwort und bekam auch keine.

Der Lichtstrahl streifte den Dackel, der mit den Vorderpfoten mitten in der Lache aus Erbrochenem stand und wedelte.

„Friedi, komm da raus.“ Sie zerrte den Hund zu sich. „Was soll ich denn mit dir machen?“ Sie hatte Mitleid mit dem Jungen. Wenn sie die Polizei rief, würde er sicher Ärger bekommen. Und bestimmt hatte er das auch verdient, sie brachte es trotzdem nicht übers Herz.

„Kannst du laufen?“

Er weinte weiter, ohne zu reagieren. Ihre Hand, die noch auf seiner Schulter lag, drückte sanft zu. „Hey, kannst du laufen, habe ich gefragt!“

Zum ersten Mal schien er sie wahrzunehmen, das Schluchzen versiegte.

„Du kannst erst mal mit zu mir kommen. Ich wohne nur ein paar Häuser weit weg. Da wärmst du dich auf, trinkst einen Kaffee und dann überlegen wir weiter. Ist das ein Vorschlag?“

Im Licht der Handylampe nickte er.

„Ist dir noch schlecht?“

Er schüttelte den Kopf.

„Gut, dann steh auf. Ich helfe dir. Stütz dich auf mich. Ich halte dich schon. Ich bin stärker, als ich aussehe.“ Sie versuchte, munter zu klingen. Auch, um sich selbst Mut zu machen. „Und tritt nicht in dein Erbrochenes“, fügte sie hinzu. Doch sie sah ein, dass das zu viel verlangt war.

Der Weg zurück war mühsam. Nach anfänglicher Scheu hatte sie alle Zurückhaltung fahren lassen, sich seinen Arm um die Schultern gelegt und den eigenen Arm fest um seine Hüfte geschlungen. Zu ihrer großen Erleichterung trugen ihn seine Beine und er ließ sich widerstandslos mitführen.

Nicht so der Dackel.

Friedi hatte eine interessante Stelle entdeckt und war nicht bereit, mitzukommen. Und als sie ihn hinter sich her zerrte, änderte er die Taktik und lief kreuz und quer vor ihren Füßen her, sodass sie ständig über ihn stolperten. Als sie in den Vorgarten des Mietshauses einbogen, in dem sich ihr Apartment befand, war sie schweißgebadet.

In der Wohnung angekommen, entledigte sie sich ihrer verschmutzten Stiefel und feuerte sie in die Ecke. Dann half sie dem Jungen aus seinen Sneakers und bugsierte ihn aufs Sofa.

„So, du kannst dir die Decke nehmen. Soll ich den Kamin anmachen?“

Ihr Besucher sah sich um, sein Blick wanderte über die Umzugskisten, die überall im Raum verteilt waren, und blieb am Kaminofen hängen, der in der Ecke stand.

„Ok, ich nehme das mal als ein Ja.“

Laura wohnte erst seit ein paar Wochen hier. Ein Einbrecher, der sich als sadistischer Stalker entpuppt hatte, hatte sie in der alten Wohnung heimgesucht und ihre Sachen durchwühlt. Auch wenn sie wusste, dass er ihr nichts mehr tun konnte, hatte sie sich dort nicht mehr sicher gefühlt und sich nach einer anderen Unterkunft umgesehen. Das neue Domizil lag nur wenige Schritte von ihrer Detektei entfernt, hatte Rheinblick und Kamin, da hatte sie nicht lange überlegt.

Sie schichtete Holzscheite auf, gab ein paar Stücke Kaminanzünder dazu und entfachte das Feuer. Dann ging sie in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine an. Während das heiße Getränk in die Tasse lief, suchte sie die Schränke nach Keksen und Schokolade ab. Da sie nicht der gut organisierte Vorratstyp war, fanden sich nur eine geöffnete Tüte mit ein paar hart gewordenen Gummibärchen und das letzte Rippchen einer Nussschokolade. Besser als nichts.

Als sie mit zwei Kaffeetassen zurück ins Wohnzimmer kam, bot sich ihr ein idyllisches Bild. Der junge Mann hatte sich auf den weichen Polstern des Sofas in eine Decke gewickelt, Friedi lag neben ihm und hatte den Kopf auf sein Bein gelegt. Im Kaminofen loderte das Feuer und verbreitete eine angenehme Wärme. Laura widerstand dem Impuls, den Hund von der Couch zu scheuchen, und verdrängte den Gedanken an seine schmutzigen Pfoten.

„Kaffee“, sagte sie munter und stellte eine Tasse vor ihn. „Und etwas Süßes. Das ist gut für die Nerven.“ Sie setzte sich ihm gegenüber in den Zwanzigerjahresessel mit den Löwenfüßen, zog die Beine auf das Polster und vergrub die nackten Füße unter einem Kissen. „Es ist schon sechs Uhr, so langsam fängt der Tag an. Selbst ein Sonntag.“ Der Versuch, den Jungen durch belanglose Konversation und einen Scherz aus der Reserve zu locken, misslang. Er wärmte die Finger an der Kaffeetasse und starrte ins Feuer.

„Was ist passiert? Warum hast du im Park auf der Bank gelegen? Du bist doch kein Obdachloser, das sehe ich. Hattest du Ärger? Oder hast du Drogen genommen und nicht mehr nach Hause gefunden?“

Die Wärme und der Kaffee hatten den Jungen wieder etwas aufgerichtet. Trotzdem schwammen in den blauen Augen immer noch Tränen, die er tapfer wegzuschlucken versuchte. „Danke, dass Sie mich mitgenommen haben. Es war verdammt kalt dort draußen. Hätte schiefgehen können.“

Laura lachte trocken. „Das ist wohl wahr.“

„Es stimmt, ich habe ein paar Bier getrunken. Und etwas geraucht.“

„Im Park? Allein?“

„Nein, bei einem Freund.“

„Dann hast du es nicht mehr bis nach Hause geschafft.“ Laura war erleichtert, dass er keine Selbstmordabsichten gehabt hatte. Sonst hätte sie seine Eltern oder einen Notdienst informieren müssen. So konnte sie ihn einfach gehen lassen, wenn er sich wieder besser fühlte.

„Ja. Nein. Ich wollte nachdenken. Und ich war ... durcheinander. Ich weiß auch nicht.“ Er beugte sich zu Friedi hinunter, streichelte über das Fell und eine Träne lief seine Wange hinab. Er biss sich auf die Lippen.

„Liebeskummer?“, riet Laura das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam.

„Quatsch. Liebeskummer ist ein Scheiß.“ Er schob sich eine Strähne aus der Stirn und sie sah, dass seine Hand zitterte. „Es ist gestern Nacht etwas Schlimmes geschehen. Das werde ich nie wieder aus meinem Kopf kriegen. Ich weiß nicht, wie ich damit leben kann.“

Laura wurde es unbehaglich. War er doch ein Selbstmörder? „Was ist passiert?“, fragte sie hart.

„Das kann ich nicht sagen. Dann kriegt mein Kumpel echt Ärger. Und dann lässt er es mich büßen. Nein, das geht nicht.“ Er schüttelte heftig den Kopf und Kaffee schwappte aus seiner Tasse. „Oh, Entschuldigung!“

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