Kitabı oku: «Monströse Moral»

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1 Prolog JVA Masdorf Neun Jahre zuvor

2 Sonntag Heute Ofenkaulen, Siebengebirge

3 Montag Detektei Rüngsdorf

4 Italienisches Restaurant Bad Honnef

5 Detektei Rüngsdorf

6 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

7 Detektei Rüngsdorf

8 SIPE Solutions Bonn

9 Panoramapark Rüngsdorf

10 SIPE Solutions Bonn

11 Barbaras Wohnung Südstadt

12 Wohnung von Tinas Mutter Tannenbusch

13 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

14 Detektei Rüngsdorf

15 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

16 Johannesburg

17 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

18 Detektei Rüngsdorf

19 Johannesburg

20 Bad Godesberg

21 Detektei Rüngsdorf

22 Irgendwo in Bonn und Umgebung

23 Detektei Rüngsdorf

24 Luftraum über Spanien

25 Wohnung von Daniel Schulz Auerberg

26 Detektei Rüngsdorf

27 Irgendwo am Montagabend

28 Dienstag Irgendwo am frühen Morgen

29 Detektei Rüngsdorf

30 Irgendwo in Bonn

31 Johannesburg

32 Detektei Rüngsdorf

33 Johannesburg

34 Detektei Rüngsdorf

35 SIPE Solutions Bonn

36 Detektei Rüngsdorf

37 SIPE Solutions Bonn

38 Johannesburg

39 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

40 Detektei Rüngsdorf

41 Johannesburg

42 Lillian Sawaris‘ Wohnung Kessenich

43 Johannesburg

44 Detektei Rüngsdorf

45 Johannesburg

46 Martha Lemkes Wohnung Friesdorf

47 SIPE Solutions Bonn

48 Johannesburg

49 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

50 Johannesburg

51 Wohnung von Justins Familie Tannenbusch

52 Schweinheim

53 Detektei Rüngsdorf

54 Silvio Petrescus Wohnung Bonn

55 SIPE Solutions Bonn

56 Johannesburg

57 Silvio Petrescus Wohnung Bonn

58 Johannesburg

59 Tes Müllers Häuschen Friesdorf

60 Johannesburg

61 Detektei Rüngsdorf

62 Johannesburg

63 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

64 Johannesburg

65 Detektei Rüngsdorf

66 Johannesburg

67 Kessenich

68 Johannesburg

69 Silvios Wohnung Bonn

70 Kims Haus Duisdorf

71 Mittwoch

72 Detektei Rüngsdorf

73 Karin Sawaris’ Wohnung Hagen

74 Kessenich

75 SIPE Solutions Bonn

76 Detektei Rüngsdorf

77 Verfallener Pärchenklub Bad Honnef

78 Detektei Rüngsdorf

79 Verfallener Pärchenklub Bad Honnef

80 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

81 Verlassener Pärchenklub Bad Honnef

82 Detektei Rüngsdorf

83 SIPE Solutions Bonn

84 Detektei Rüngsdorf

85 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

86 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

87 Detektei Rüngsdorf

88 Diskothek Königswinter

89 Detektei Rüngsdorf

90 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

91 Detektei Rüngsdorf

92 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

93 Museum über die Historie der Psychiatrie Rheinpromenade

94 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

95 Museum über die Historie der Psychiatrie Rheinpromenade

96 Bernie Hardmans Anwesen Schweinheim

97 Diskothek Königswinter

98 Museum über die Historie der Psychiatrie Rheinpromenade

99 Diskothek Königswinter

100 Museum über die Historie der Psychiatrie Rheinpromenade

101 Diskothek Königswinter

102 Museum der Psychiatrie Rheinpromenade

103 Donnerstag

104 Detektei Rüngsdorf

105 Swetlanas Wohnung Beuel

106 SIPE Solutions Bonn

107 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

108 Detektei Rüngsdorf

109 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

110 Detektei Rüngsdorf

111 Klinik für Psychiatrie Falkennest Rhöndorf

112 Silvio Petrescus Wohnung Bonn

113 Lillian Sawaris’ Wohnung Kessenich

114 Detektei Rüngsdorf

115 Polizeipräsidium Ramersdorf

116 Haus von Dr. Hoffmann Bad Honnef

117 Polizeipräsidium Ramersdorf

118 Wohnheim Klinik für Psychiatrie Falkennest

119 Lauras Wohnung Rüngsdorf

120 Wohnung von Daniel Schulz Auerberg

121 Mäuseturm Königswinter

122 Detektei Rüngsdorf

123 Freitag

124 Detektei Rüngsdorf

125 Silvio Petrescus Wohnung Bonn

126 Dr. Hoffmanns Haus Bad Honnef

127 Polizeipräsidium Ramersdorf

128 Gabrielas Haus Rhöndorf

129 Polizeipräsidium Ramersdorf

130 Red Room

131 Polizeipräsidium Ramersdorf

132 Red Room

133 Samstag

134 Sonntag

135 Epilog Telefonat Bonn, Deutschland, und Krasnojarsk, Sibirien

136 Nachbemerkung

137 Personenregister

Impressum neobooks

Monströse Moral

Der fünfte Fall für Laura Peters

Kriminalroman

Das Buch

„Die Glühbirne hing nackt an einem Kabel von der Decke und tauchte den Keller in diffuses, rotes Licht. Ansonsten gab es nur ein Regal, auf dem der aufgeklappte Laptop stand und leise vor sich hinsurrte. Und die Webcam. Das lidlose Auge unverwandt und mitleidlos auf die Mitte des Raumes gerichtet. Auf den Stuhl. Aus Metall und mit extra stabilen Beinen und Armlehnen. Eine Sonderanfertigung für Adipositas-Patienten bis dreihundert Kilogramm.

Und für Opfer, die durch die Hölle gehen mussten.“

Ihr neuer Fall führt die Detektivin Laura Peters in eine Klinik für Psychiatrie und in die mystischen Tiefen des Darknets. Sie kommt einem Psychopathen auf die Spur, der ein unglaubliches Spiel treibt. Als sie merkt, dass sie längst selbst Teil eines menschenverachtenden Experiments ist, muss sie eine herzzerreißende Entscheidung treffen. Denn Justin, das jüngste Teammitglied, könnte sein nächstes Opfer sein.

Die Laura-Peters-Serie

Monströse Moral ist der fünfte Roman, in dem Laura Peters mit ihrem Team ermittelt.

Das Lager – Ein Fall für die Detektei Peters, Böse Obhut – Der zweite Fall für Laura Peters, Zweiundsiebzig – Der dritte Fall für Laura Peters und Moloch Unsterblich – Der vierte Fall für Laura Peters und Cäcilie: Eine Halloween-Novelle sind als Taschenbuch im Internet und als E-Book in allen Online-Shops erhältlich.

Patricia Weiss freut sich auf den Austausch mit ihren Lesern auf der Facebook-Seite ‚Patricia Weiss – Autorin‘, auf Twitter ‚Tri_Weiss‘, auf Instagram ‚tri_weiss‘ und auf YouTube ‚Patricia Weiss Autorin‘.

Monströse Moral

Der fünfte Fall für Laura Peters

PATRICIA WEISS

Kriminalroman

Monströse Moral ist als Taschenbuch und als E-Book erhältlich.

Impressum

Texte: © Copyright by Patricia Weiss

c/o

Relindis Second Hand

Gotenstr. 1

53175 Bonn

patriciaweiss@gmx.net

Covergestaltung und Foto: Patricia Weiss

Model: Julia Abel

Lektorat: Katharina Abel

Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlichung: Mai 2020

Für Miez.

Love life, stay weird.

Red Room

Ein Raum, in dem Menschen für Geld gequält werden.

Die Tortur wird live gestreamt und Zuschauer können sich über das Darknet

und mithilfe einer aufwendigen Bitcoin-Zahlungsprozedur

zuschalten und zusehen.

Angeblich gehören Red Rooms zu den urbanen Mythen – und ich kann nur hoffen, dass das stimmt.

Am Ende des Buches gibt es ein Personenregister.

1 Prolog
JVA Masdorf
Neun Jahre zuvor

Erst am Ende der Hoffnung, wenn es nichts mehr zu verlieren gibt, ist es die Verzweiflung, die die Kräfte des Bösen freisetzt.

Auf manche Orte kann man sich nicht vorbereiten. Egal wie groß die Befürchtungen oder wie niedrig die Erwartungen, alles kommt noch viel schlimmer. Manche Orte sind einfach die Hölle.

Das Gefängnis ist so ein Ort: Vordergründig geprägt von strenger Hierarchie und strikten Regeln, selbst für die privatesten Verrichtungen, öffnen sich hinter den verschlossenen Zellentüren die unheilvollen Weiten eines rechtsfreien Raums, in dem das System von Gut und Böse außer Kraft gesetzt und Sadismus zum obersten Prinzip wird.

Das Wochenende stand bevor, die Wärter waren gut gelaunt, tauschten ihre Pläne aus und rissen Witze über einen unerfahrenen Kollegen, der die Stellung halten musste. Es war fast sechs Uhr, alles wurde für den Schichtwechsel vorbereitet, Türen schlugen laut hallend zu und zunehmend kehrte Ruhe ein. Doch diese Ruhe war trügerisch. Beklemmend.

Der Vorbote des Grauens, das auf ihn wartete.

Er trottete mit den anderen Gefangenen hinter dem keuchenden Wärter her, der süßlich nach Schweiß stank, und starrte auf die silberne Kette mit den Schlüsseln und Schließkarten, die an dessen Hose befestigt war. Den Gürtel konnte man nur erahnen, er war verborgen unter den Speckrollen, die sich weit über den Hosenbund wölbten. Mit jedem Schritt wuchs seine Verzweiflung. Er spürte Übelkeit aufsteigen, Panik. Wie ein gefangenes Tier rasten seine Gedanken und suchten nach einem Ausweg, aber sein Verstand gab ihm klar zu verstehen, dass es den nicht gab. Niemand würde ihm helfen, es gab keine Rettung.

Freitag Abend, achtzehn Uhr, bis Montag Morgen, sechs Uhr. Vor ihm lagen sechzig Stunden Martyrium. Und alles, was er tun konnte, war darum zu kämpfen, am Leben zu bleiben.

Die Gruppe wurde kleiner, einer nach dem anderen bog in eine Zelle ab und wurde eingeschlossen. Er blieb als Letzter übrig. Der Wärter schlurfte zu einer geöffneten Tür, postierte sich daneben und suchte den richtigen Schlüssel: „Rein mit dir.“

Die Übelkeit stieg in ihm hoch und seine Füße wollten ihn nicht weiter tragen.

„Mach schon. Ich habe heute noch was anderes vor.“

Zögernd trat er in die Türöffnung. Sie hockten auf den Betten, die Arme auf die Beine in den Trainingshosen gestützt und warteten auf ihn.

„Nein!“ Der Schrei war in seinem Kopf so laut wie eine Explosion, doch über seine Lippen kam nur ein Flüstern.

„Vito hat darum gebeten, dass ihr das Wochenende gemeinsam verbringen könnt. Dann wünsche ich euch viel Spaß.“ Der Wärter stieß ihn in den Rücken und er stolperte in den Raum, konnte sich gerade noch an der Lehne eines Betts abfangen, um nicht hinzufallen. Die drei Zellenkameraden lachten dreckig. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss.

Das Spiel begann.

„Na, du Hurensohn? Freust du dich, uns zu sehen?“ Das Wiesel mit dem eklatanten Lispeln schickten sie jedes Mal vor. Er war der Schwächste des Trios und wurde von den anderen gequält, wenn es sonst kein Opfer gab. Doch wenn sie ihn mitmachen ließen, tat er sich mit besonderer Brutalität und Härte hervor, um sie zu beeindrucken.

„Guck, Schwuli, da ist der Eimer. Du machst dir bestimmt schon in die Hosen.“

Es begann immer mit Worten. Beleidigungen, Beschimpfungen. So pushten sie sich hoch, brachten sich in Stimmung. Versuchten ihn aus der Reserve zu locken, zu provozieren. Damit er einen Fehler machte, ausfallend wurde, womöglich als Erster zuschlug. Fast, als bräuchten sie einen Grund, eine Ausrede, um endlich loslegen zu können. Doch dem war nicht so. Es war lediglich ihr rituelles Vorspiel, das sie zelebrierten. Die Gewaltorgie würde auch beginnen, wenn er nicht reagierte.

Das Wiesel gab ihm einen Stoß. „Los, Hose runter. Du weißt, wir brauchen einen vollen Eimer für den Spaß.“

Ergeben senkte er den Kopf, öffnete mit zitternden Fingern den Knopf und zog den Reißverschluss herunter. Sich wehren half nicht, das hatte er bereits mehrfach versucht, es vergrößerte im Zweifel nur noch ihr Vergnügen und sein Leiden.

Dann blieb die Zeit stehen.

Sie arbeiteten sich an ihm ab. Traten ihn, bis sie müde wurden, tauchten sein Gesicht in die eigenen Fäkalien, bis er dachte, er müsse ersticken, penetrierten ihn von allen Seiten und demütigten ihn auf jede nur erdenkliche Art. Aber so schlimm wie dieses Mal war es noch nie gewesen.

Seine Wahrnehmung bestand nur noch aus Schmerz. Schmerz und Angst. Unterbrochen von gelegentlichen Auszeiten, die ihm sein Bewusstsein gönnte, wenn es sich in eine Ohnmacht verabschiedete, weil der Körper an seine Grenze gelangt war. Doch sie holten ihn immer wieder zurück. Ein Guss kaltes Wasser und Schläge ins Gesicht reichten, um ihn aus gnädig schwarzer Nicht-Existenz zurück in die Hölle der Realität zu zwingen.

Seine Peiniger waren ausdauernd.

Die Freude am Quälen, das Adrenalin und die sexuelle Erregung bildeten einen Drogen-Cocktail, der wirksamer war als jedes Amphetamin. Doch sechzig Stunden waren lang. Selbst wenn sie unterbrochen wurden durch die Kontrollgänge des Wärters, der alle acht Stunden einen Rundgang machte und durch das kleine Fenster in der Zellentür guckte und sogar einmal eine Extrarunde einlegte, weil Zellennachbarn sich über den Lärm beschwert hatten, und er wissen wollte, ob ‚alles in Ordnung sei‘. Oder durch gelegentliche Essenspausen, bei denen immer einer bei ihm blieb, damit er nicht um Hilfe schreien oder fliehen konnte. (Was absurd war, denn wenn es etwas an diesem Ort nicht gab, waren es Hilfe oder die Möglichkeit zu entkommen.) Doch gegen Sonntagnachmittag schien es ihm, als würden sie müde, als schlüge die Stimmung um. Als wollten sie das Ganze beenden.

Und als würde ihnen plötzlich klar, was sie ihm angetan hatten.

Und dass selbst, wenn er sie nicht denunzierte, die Gefängnisleitung davon erfahren und sie anzeigen würde. Vorzeitige Entlassung oder Hafterleichterungen waren damit für die drei Monster in weite Ferne gerückt. Fast regte sich so etwas wie Schadenfreude in ihm. Wenn er dazu die Kraft gehabt hätte.

Doch dann entwickelte sich diese Idee. Er konnte gar nicht sagen, wer zuerst darauf gekommen war, denn er dämmerte nur in seinem Schmerz dahin, erleichtert, für eine Weile Ruhe von den Quälereien zu haben, aber plötzlich sprachen sie nur noch darüber, begeisterten sich mehr und mehr für den Plan, überboten sich an Vorschlägen für die Ausführung.

„Du wirst Selbstmord begehen, du schwule Sau. Du Kindermörder. Hast du verstanden?“ Vito, der Boss, sprach ihn zuerst an. Das tat er selten. Mit ihm sprechen. Meist ignorierte er ihn, während er ihn schlug, trat oder ihn von hinten nahm. Sah ihn noch nicht einmal dabei an. Deshalb wirkten seine Worte umso furchteinflößender.

„Er muss es selbst machen.“ Das Wiesel wippte aufgeregt auf seiner Matratze. „Hast du verstanden, Kindermörder? Allein.“ Er lachte irre.

„Wir reißen einfach das Laken in Streifen und knoten es aneinander. Und dann hängt sich das Arschloch damit auf. Los, Body, dein Job.“ Vito gab dem dritten im Bunde, den sie Body nannten, weil er Muskeln wie ein Berg und ein Gehirn wie Erbsenpüree hatte, einen Wink. Der erhob sich, riss das Betttuch aus der Koje und versuchte, mit bloßen Händen einen Streifen abzutrennen. Doch das gestaltete sich schwieriger als erwartet.

Und erkaufte ihm Zeit. Letzte, kostbare Momente in seinem kurzen Leben, das ihm plötzlich wieder so wertvoll erschien. Die vergangenen zwei Tage hatte er nichts mehr herbeigesehnt als den Tod, sich gewünscht, dass die Qualen endlich ein Ende finden würden – für immer. Doch jetzt, wo er auf der Matratze lag, so wie sie ihn dort hingeworfen hatten - ihm fehlte die Kraft, sich in eine bequemere Position zu drehen - und den dreien bei den Vorbereitungen zu seinem Selbstmord zusah, erwachte sein Lebenswille wieder. Er wollte nicht sterben. Nicht hier, nicht jetzt, nicht durch die Hand dieser Monster und erst recht nicht durch seine eigene.

Das Schicksal hatte sein Leben in einen Albtraum verwandelt, aber es musste auch wieder andere Tage geben. Es konnte doch nicht alles so enden.

Laut ratschend gab das Betttuch nach und Body reichte dem Wiesel den ersten Streifen. Der Muskelprotz schien jetzt den Dreh heraus zu haben, die nächsten Stoffstücke dauerten nur noch wenige Augenblicke und schon bald hatten sie ein improvisiertes Seil hergestellt.

Das Wiesel beugte sich vor sein Gesicht und hielt es ihm hin. „Los, Kindermörder, du bindest dir jetzt den Strang um den Hals, dann machst du es an der Heitzung fest und hängst dich da rein, bis du abnippelst. Klar?“

Er schüttelte den Kopf, wollte sich wegdrehen, doch es war aussichtslos. Erst recht in seinem erbärmlichen Zustand. Sie grölten und johlten, feuerten ihn an, das Wiesel starrte sabbernd mit leeren Augen vor sich hin und wichste.

Das Ringen um den Tod dauerte Stunden.

Auch wenn er bald einverstanden war, sich zu töten, brachte er es nicht bis zu Ende. Es ging einfach nicht. Die Heizung, an die sie ihn gebunden hatten, war zu niedrig, sein Körpergewicht schien nicht auszureichen, um die Schlinge um seinen Hals endgültig zuzuziehen. Jedes Mal, wenn er kurz davor stand, endlich ohnmächtig zu werden und zu sterben, regte sich sein Lebenswille und ließ sich nicht niederkämpfen. Immer wieder kroch er ins Leben zurück, nur um durch Tritte und Schläge zu einem weiteren Versuch gedrängt zu werden.

Die Prozedur zog sich ewig hin. Das Morgengrauen kündigte bereits den neuen Tag und damit die Wachablösung an.

Vito verlor die Geduld. Er gab Body einen Wink: „Mach du das.“

Der nickte, stand auf, sah einen Augenblick unbewegt auf ihn nieder, dann sprang er mit Anlauf und dem Hintern zuerst auf ihn runter.

Die letzten Gedanken bestanden aus der Erkenntnis, dass es geschafft war.

Schlugen um in Wut, Hass.

Und dem Aufblitzen von tödlichem Durst nach blutiger Rache. Er würde wiederkehren. Und sie alle finden.

Mit einem gewaltigen Krachen wurde es dunkel in seinem Kopf.

Endgültig.

2 Sonntag
Heute
Ofenkaulen, Siebengebirge

Lillian Sawaris Herz klopfte bis zum Hals. Immer wieder studierte sie das Blatt mit der skizzierten Karte, um sicherzugehen, dass sie sich nicht verlaufen hatte. Eigentlich konnte es sich nur um einen Scherz handeln. Wer kritzelte schon solch kindische Wegbeschreibungen?

Aber Tina war verschwunden. Das war eine Tatsache.

Und derjenige, der ihr heute dieses Blatt unter die Matte vor die Wohnungstür gelegt hatte, wusste es.

Würde sie ihre Freundin wirklich am Ziel der Schnitzeljagd mitten im Wald finden? Sie war gestern aufgebrochen, um ihre Mutter zu besuchen, und seitdem nicht zurückgekehrt. Dabei hatten die beiden kein gutes Verhältnis, deshalb waren es meist Stippvisiten, geprägt von Zigarettenrauch, ranzigen Buttercremetortenstückchen und Vorwürfen. Oft dauerte es nur wenige Minuten, bis Tina von ihr als lesbische Schlampe beschimpft und aus der Wohnung gejagt wurde.

Die Homophobie der alten Frau wurde nur von ihrer Sammelwut übertroffen.

Das ganze Apartment war gesteckt voll mit Fröschen in jeglicher Ausführung: Keramik, Plüsch, Stein, Porzellan, Gummi, Plastik, Holz, Schokolade. Überall hockten diese Viecher und glotzten einen an. Und mittendrin thronte die Mutter auf dem Sofa, eine qualmende Kippe zwischen den nikotingelben Fingern, und starrte genauso. Eine fette Kröte in ihrem Tümpel. Lillian hatte die überfüllte Wohnung nur einmal betreten. Damals, als sie noch dachte, sie könnte Tinas Mutter mit Freundlichkeit einwickeln und dazu bringen, ihre Liebe zu der Tochter zu akzeptieren.

Sie lachte hart auf. Bevor dieser Moment eintrat, würde eher die Hölle zufrieren.

Die Wanderung hatte an einem Parkplatz im Siebengebirge begonnen. Von dort aus führte ein breit angelegter Weg zu einem beliebten Ausflugslokal. Doch schon an der ersten Biegung hatte sie den Weg verlassen und sich entsprechend den Anweisungen auf einem zugewachsenen Trampelpfad in die Botanik schlagen müssen. Noch waren die Büsche kahl, der Frühling war in weiter Ferne, und Blätter bedeckten braun und matschig den Boden. Mehrfach war sie auf dem abschüssigen Gelände weggerutscht und einmal hatte nur eine Wurzel, an die sie sich in letzter Sekunde klammern konnte, verhindert, dass sie in den Abgrund schlitterte.

War das Ganze ein makabrer Scherz? Steckte womöglich sogar Tina selbst dahinter? Lillian runzelte die Stirn. Das wäre das Letzte. Sie so in Sorge zu versetzen und dann mit einer Kinderpiratenkarte durch dieses Gestrüpp ins Nirwana zu schicken.

Sie folgte einer Biegung und vor ihr tauchte ein mächtiger Baumstamm auf, der quer über dem Weg lag. Ein Kreuz aus rosa Kreide bestätigte, dass sie den nächsten Punkt auf der Karte erreicht hatte. Der Stamm war so dick, dass ein Darübersteigen, ohne das Holz zu berühren, unmöglich war. Sie würde sich die Jeans an der feucht-moosigen Rinde versauen. Ihre Laune sank in den Keller. Wenn das hier ein Scherz war, dann würde jemand dafür bezahlen müssen.

Eigentlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass Tina ihr das antun würde. Die Freundin war lustig, manchmal zu Unsinn und kindischen Streichen aufgelegt, aber nicht grausam. Oder sie hatte sich total in dem Menschen geirrt, der in den letzten sechs Monaten den wichtigsten Platz in ihrem Bett und in ihrem Herzen eingenommen hatte.

Der Weg führte jetzt über eine Schneise im Wald steil bergan und war von Brombeeren überwuchert. Immer wieder musste sie Ranken von der Hose lösen, die sich mit den Dornen durch den dicken Stoff tief in der Haut verhakt hatten. Erleichtert seufzte sie auf, als sie das Zwischenplateau erreichte, auf dem es mehr Bäume und weniger Dickicht gab und das Vorankommen leichter wurde. Sie beschleunigte die Schritte, schob Tannenwedel zur Seite und bückte sich unter Ästen durch. Dann lichtete sich der Wald und sie gelangte zum vorletzten Meilenstein: einem riesigen, vermoosten Betonquader. Ein perfekter Würfel, sofern man sich vorstellte, dass der untere Teil ein gutes Stück im Boden steckte.

Lillian umrundete das Gebilde, suchte nach einem Eingang. Doch erst als sie auf einen Felsbrocken kletterte, entdeckte sie an der Oberseite eine kleine, quadratische Öffnung, gerade groß genug, dass ein Mensch hindurchpasste. Und daneben das rosa Kreidekreuz.

War Tina darin?

Doch laut Schatzkarte war sie noch nicht am Ziel. Die Odyssee führte weiter zu einer Höhle, die in unmittelbarer Nähe liegen sollte. Sie stieg von dem Felsen und umrundete den Quader erneut, diesmal den Blick auf die Umgebung gerichtet. Da. Das musste es sein. In einer Mulde, verborgen hinter größeren Steinbrocken, gähnte eine ovale Öffnung.

Mit klopfendem Herzen näherte sie sich.

Der Untergrund wurde steiniger, sie musste aufpassen, dass sie nicht umknickte. Vor dem Felsspalt blieb sie stehen. Unschlüssig.

Die Finsternis starrte sie an.

Ein Tor in die Unterwelt.

Was nun? Wurde von ihr erwartet, dass sie in die Höhle kletterte und dort nach Tina suchte? Sie zog das Handy aus der Jacke, stellte die Lampe an und hielt sie ins Innere. Der Lichtstrahl war nicht sehr kräftig, hatte kaum Reichweite und ließ nur schemenhaft etwas erkennen. Lillian krallte die eine Hand in den Felsen, streckte die andere mit der Taschenlampe aus und beugte sich so weit wie möglich vor.

Der Gestank traf sie wie ein Keulenschlag.

Eine Mischung aus vergammeltem Fleisch, Moder und Fäkalien. Sie musste die Luft anhalten und sich zwingen, die Mission nicht sofort abzubrechen. Tapfer leuchtete sie in die Dunkelheit, doch außer, dass sich der Raum nach hinten in einen Gang zu verjüngen schien, konnte sie nichts erkennen und beendete das Unterfangen, bevor sie sich noch den Hals brach. Es musste anders gehen.

Sie schaltete das Blitzlicht der Kamera ein und schoss aufs Geratewohl Fotos in die Finsternis. Dann zog sie sich vom Eingang zurück, lehnte sich an einen Felsen, atmete erleichtert die frische Waldluft ein und sah die Bilder an. Auf der linken Seite des Gewölbes zeichneten sich die Überreste eines aus groben Ziegeln errichteten Kamins ab. Irgendwann früher schien diese Höhle von Menschen genutzt worden zu sein, doch das musste schon lange zurückliegen. Dahinter schimmerten Lichtpunkte wie kleine Glühwürmchen. Als sie das Foto vergrößerte, entdeckte sie ein gigantisches Spinnennetz, perfekt gewebt und intakt. Niemand, der größer war als eine Maus, hätte in den Gang, der von der Höhle in die Tiefen des Berges führte, vordringen können, ohne es zu zerstören. Doch wie lange brauchte eine Spinne, um so ein Netz zu weben? Einen Tag? Eine Stunde? Jedenfalls schien der Witzbold, der ihr die Schatzkarte vor die Tür gelegt hatte, nicht mehr hier zu sein. Blieb trotzdem die Spinne. Seufzend legte sie den Kopf in den Nacken und starrte durch die Baumkronen in den grauen Himmel. Die Vorstellung, in einen dunklen Gang voller Insekten, Fledermäuse und sonstigem Getier zu klettern, verursachte ihr Gänsehaut.

Lillian betrachtete das nächste Foto.

Vom Blitzlicht beleuchtete, helle Steine, die den Boden bedeckten. Und ein Gegenstand, an dem etwas Glänzendes befestigt war. Eine eisige Hand schien ihr in den Nacken zu greifen, schickte Kälteschauer durch den ganzen Körper. Ihre Finger zitterten so sehr, dass es ihr erst nach mehreren Versuchen gelang, das Bild zu zoomen. Doch eigentlich brauchte sie keine Bestätigung, sie wusste, was dort lag.

Es war eine roségold schimmernde Tasche, an der ein Anhänger befestigt war: ein goldenes Herz mit den Buchstaben L und T.

Lillian und Tina.

Ihre Gedanken rasten.

War die Freundin dort drin? Sollte sie die Feuerwehr rufen? Aber was, wenn die sich mühsam mit einer ganzen Mannschaft durch das unebene Gelände im Wald kämpften, nur um eine billige Kunstledertasche aus einer Höhle zu retten? Womöglich musste sie den Einsatz bezahlen. Das konnte sie sich absolut nicht leisten.

Es half alles nichts, sie musste selbst nachsehen.

Lillian streifte die Kapuze über den Kopf, zog den Reißverschluss bis ganz nach oben und steckte die Hosenbeine in die urbanen Trekkingstiefel. Schuhe, die sie nur gekauft hatte, weil sie angesagt und stylish waren. Nicht, weil sie sich gerne in der Natur aufhielt. Dann kletterte sie über die Steine zurück zur Öffnung und aktivierte erneut die Taschenlampe des Handys.

Sie holte tief Luft, bückte sich und begab sich in die stinkende Finsternis.

Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und auch dann konnte sie kaum mehr als das erkennen, was im Lichtkegel auftauchte. Rasch leuchtete sie einmal rundum, um sicherzugehen, dass keine Gefahr lauerte, vielleicht ein Tier, oder ein Obdachloser, oder womöglich der Kartenmaler selbst, dann bewegte sie sich auf allen vieren in Richtung Tasche. Der Boden, eine Mischung aus Steinen, Erde und Blättern, war unangenehm weich und klebrig unter den Fingern. Eine Konsistenz, die im Zusammenhang mit dem Gestank ekelerregende Assoziationen hervorrief. Ein hauchzartes Knistern an der Kapuze signalisierte ihr, dass sie ein Spinnennetz gestreift hatte. Es brauchte eisernen Willen, die Vorstellung an eine dicke Spinne, die jetzt womöglich über ihren Kopf krabbelte, zu verdrängen und weiter vorwärts zu kriechen.

Endlich tauchte im spärlichen Lichtstrahl die Tasche auf.

Lillian wollte sie an sich nehmen, doch sie schien sich festgehakt zu haben. Sie zog kräftiger, riss und ruckte gewaltsam daran.

Plötzlich ertönte ein raschelndes Schleifen.

Als ob etwas Großes in Bewegung geriet. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie die Taschenlampe darauf richtete. Ein derber Männerschuh. Wie ihn Bauarbeiter oder Wanderer trugen. Zitternd ließ sie das Licht weiterwandern.

Sie wollte schreien, doch es kam nur ein Krächzen.

Ein Mann. Die Beine auf dem Boden lang ausgestreckt, den Rücken an der Wand, der Oberkörper leicht zur Seite gefallen, gehalten von den Armen, die rechts und links oberhalb des Kopfes an den Fels gekettet waren. Das Gesicht ausgemergelt und bleich.

Die Augen nur noch zwei leere Höhlen.

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