Kitabı oku: «Mrs. Lewis», sayfa 2

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Open your door, lest the belated heart Die in the bitter night; open your door

„Sonnet XLIV“, Joy Davidman

1950

Hat nicht alles mit Worten angefangen? Am Anfang war das Wort – sogar die Bibel posaunte diese Wahrheit hinaus. So war es auch mit meiner Freundschaft mit Lewis.

Ich ging von meinem Arbeitszimmer im Obergeschoss unseres Bauernhauses die Treppe hinunter und hinaus in die eiskalte Januarluft, um die Post zu holen. Dabei durchliefen zwei ganz unterschiedliche Gedanken meine Gehirnbahnen: Was sollte ich heute Abend für die Familie kochen? Und wie würde wohl in ein paar Monaten mein zweiter Roman Weeping Bay aufgenommen werden?

Das gefrorene Gras knirschte unter meinen Stiefeln, als ich zum Briefkasten ging und ihn öffnete. Ich blätterte den Stapel durch, und plötzlich schlug mein Herz schneller. Gleich oben auf dem Stapel von Rechnungen, Briefen und einer Ausgabe der Zeitschrift Presbyterian Life lag ein Brief aus England, aus Oxford. Ich nahm den weißen Umschlag mit der Luftpostbriefmarke, die das Profil des jungen König George mit über dem Haupt schwebender Krone zeigte, in die Hand. In der oberen linken Ecke stand in kleiner kursiver Handschrift der Name C. S. Lewis als Absender.

Er hatte endlich geantwortet. Ich fuhr mit dem behandschuhten Finger über seinen Namen. Hoffnung regte sich in mir wie eine frühe Frühlingsblume. Ich brauchte seinen Rat – mein Leben schien aus den Fugen geraten zu sein durch die neuen Überzeugungen, von denen ich gedacht hatte, dass sie mich retten würden, und C. S. Lewis kannte die Wahrheit. Zumindest hoffte ich das.

Ich klappte den Metallkasten schwungvoll zu, sodass die Eiszapfen klirrend zu Boden fielen, steckte mir die Post in die Jackentasche und ging über den vereisten Gehweg zurück zum Haus. Drinnen stritten sich meine Söhne über irgendetwas. Als ich ihre Stimmen hörte, hob sich mein Blick. Ich sah unser weißes Bauernhaus mit der Veranda quer über die ganze Front – eine Oase, bis man eintrat. Die grünen Fensterläden, wie Lidschatten auf einer blassen Frau, öffneten den Blick in die Seele des Hauses, die einmal klar gewesen, nun aber von Zorn und Frustration verdüstert war.

Die Eingangstür stand offen, unser vierjähriger Douglas kam herausgerannt, dicht gefolgt von seinem zwei Jahre älteren Bruder Davy.

„Das gehört mir. Gib es zurück!“, brüllte Davy, der nur zwei Fingerbreit größer war als sein kleiner Bruder. Sein braunes Haar war zerzaust vom Rangeln und Toben. Er schubste Douglas vor sich her, bis beide mich erblickten und wie angewurzelt stehen blieben, als wäre ich plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht.

„Mami!“ Douglas kam zu mir gerannt, schlang seine Arme um meine Hüften und vergrub sein Gesicht in den Falten meiner Jacke. „Davy hat mir gegen das Schienbein getreten“, heulte er. „Und dann hat er mich umgeschubst und sich auf mich gesetzt. Er hat sich viel zu fest auf mich gesetzt!“

Gott musste viel Vergnügen daran haben, zwei Jungs so verschieden zu machen.

Ich beugte mich zu Douglas hinab, strich ihm die Haare aus dem Gesicht und gab ihm einen Kuss auf seine runde Wange. In solchen Momenten war mein Herz voller Liebe zu den beiden Jungen, die Bill und ich auf die Welt gebracht hatten. Davy hatte seinen geschmeidigen Körper und seine unbändige Energie von Bill, aber die Empfindlichkeit, mit der Douglas auf Gemeinheiten aller Art reagierte, kam von mir. Er hatte noch nicht gelernt, sie zu verdecken, wie ich es tat.

„So ein Unsinn!“ Ich rubbelte Davy über den Kopf und nahm Douglas an die Hand. „Gehen wir hinein und machen heiße Schokolade.“

„Au ja!“, erwiderte Davy begeistert und rannte auf das Haus zu.

Die ganze Zeit über brannte mir der Brief in der Tasche. Geduld, sagte ich mir. Geduld. Vorfreude ist die schönste Freude.

Davy schoss durch die Eingangstür, freilich nicht ohne Topsy aufzuschrecken, der ein Gebell anstimmte, als müsste er uns vor einem monströsen Eindringling warnen.

„Gib Ruhe, du zottelige Promenadenmischung“, rief ich, „sonst tut es mir noch leid, dass ich dich gerettet habe!“ Im Flur stieg ich über einen Haufen Spielzeugautos, während Topsy sich an meine Fersen heftete. Wir besaßen zu dieser Zeit einen regelrechten Zoo an Tieren – vier Katzen, zwei Hunde und einen Vogel –, und jetzt wünschte sich Davy noch eine Schlange.

Bill war oben im ausgebauten Dachboden in seinem Arbeitszimmer und tippte, was seine Finger hergaben. Er arbeitete an seinem zweiten Roman, um die Rechnungen zu bezahlen, die sich schon so hoch stapelten, wie bald der Schnee liegen würde. Das Geschrei, Gebell und Durcheinander musste ihn von seiner Schreibmaschine verscheucht haben, denn plötzlich stand er am Fuß der Treppe.

Douglas duckte sich, und ich ergriff seine Hand. „Keine Angst“, sagte ich leise. „Daddy wird nicht schreien. Es geht ihm jetzt besser.“

Bill ließ hilflos die Arme hängen. Mit seinen knapp eins neunzig erinnerte mich mein Mann oft an einen schlanken, biegsamen Baum. Sein dichtes dunkles Haar war nach links gekämmt wie eine in sich zusammengestürzte Brandungswelle. Er war jetzt trocken, und seine verbalen Ausfälle hatten nachgelassen. Die Anonymen Alkoholiker mit ihren Zwölf Schritten, spirituellen Merksprüchen und ihrer gegenseitigen Rechenschaft innerhalb der Gruppe zeigten ihre Wirkung.

Er deutete auf den umgefallenen Korb neben der Tür, aus dem sich Bücher aus der Bibliothek über den Boden ergossen, und schob seine randlose Brille nach oben. „Du könntest das eigentlich mal aufheben.“

„Ich weiß, Schatz. Mache ich.“

Ich warf ihm einen Blick zu. Sein blaues Hemd war zerknittert und falsch zugeknöpft. Die Jeans hingen lose an ihm herunter; er hatte im Lauf der stressigen letzten Monate einiges Gewicht verloren. Ich hingegen hatte zugenommen – das Leben war einfach nicht fair.

„Ich habe versucht zu schreiben, Joy. Etwas zustande zu bringen in diesem Haus, das so voller Chaos ist, dass ich mich kaum konzentrieren kann.“

„Hunde. Kinder.“ Ich versuchte ihn anzulächeln. „Was für eine Kombination.“ Ich ging in die Küche. Ich wollte die Situation entschärfen – der Streit, der sich hier anbahnte, wäre doch nur eine Wiederholung dessen, was wir schon tausendmal erlebt hatten, und dafür war ich nicht in Stimmung. Ich hatte schließlich einen Brief in meiner Tasche, der ein Hoffnungsschimmer war.

Davy kletterte auf einen Stuhl, setzte sich an den zersplitterten Holztisch und faltete wartend die Hände. Ich schüttelte meine Jacke ab und hängte sie an einen Haken neben der Tür. Die Post legte ich auf den Küchentisch. Bis auf den Brief. Den wollte ich als Erste lesen. Ich wollte ihn für mich allein haben, wenn auch nur für einen Moment. Ich streifte die Handschuhe ab und stopfte sie in die Taschen, um ihn zu verstecken. Dann vergrub ich meine Hände in dem schmutzigen Geschirr, das sich in der Spüle stapelte – ein Zeugnis meiner mangelnden hausfraulichen Fähigkeiten. Schließlich fand ich den Kochtopf, in dem noch die Tomatensauce vom Vorabend klebte.

Dieses Haus war einmal die Erfüllung eines Traums gewesen. Als Bills Roman Nightmare Alley erschien und mit Tyrone Power in der Hauptrolle verfilmt wurde, hatten wir plötzlich zum ersten Mal in unserem Leben mehr als genug Geld zur Verfügung. Es war gerade genug, um uns diesen kleinen Hof auf dem Land zu kaufen. Wir wussten damals noch nicht, dass es nicht immer das Beste ist, wenn Träume sich erfüllen. Davon ist in Geschichten nie die Rede.

Ich wandte mich mit gespielt heiterem Tonfall an Davy. „Vielleicht kriegen wir heute Schnee. Wäre das nicht toll?“

„Au ja“, sagte er und schwang die Beine hin und her gegen die Unterseite des Tisches.

Bill kam in die Küche, blieb unschlüssig stehen und schaute mir zu, wie ich den verkrusteten Kochtopf scheuerte.

„Schon wieder Rechnungen“, sagte er, während er die Post durchblätterte. „Na, großartig!“

Ich spürte seine Augen auf mir und wusste, dass aus ihnen keine Liebe strahlte. Die Liebe schwand dahin, aber ich versuchte Tag für Tag einzuschätzen, was noch blieb. Gemeinschaft? Bewunderung? Geborgenheit? Im Moment fühlte es sich an wie Wut. Ich nahm den sauberen Topf und griff das grüne Tuch, das an der Seite der Spüle hing, und trocknete ihn ab. „Möchtest du eine heiße Schokolade?“

„Gern.“ Er ließ sich auf dem Stuhl neben Davy nieder. „Mami wird uns aufwärmen.“

Ich machte unseren alten Coolerator auf – er wirkte eher wie ein weißer Sarg als ein Kühlschrank – und musterte die verwaisten Glasböden. Welker Salat, eine offene Dose mit der Tomatensuppe von gestern Abend, Milch und ein Topf mit Hackfleisch, das eine verdächtig braune Farbe angenommen hatte. Ich musste dringend auf den Markt, was bedeutete, dass wieder einmal ein Nachmittag fürs Schreiben verloren ginge. Aufgrund des verdorbenen Fleisches schlug meine Stimmung um, und ich hasste mich für meine Selbstsucht, das Schreiben wichtiger zu nehmen als meiner Familie etwas zu essen zu machen. Doch so sehr ich mir auch Mühe gab, ich wusste nicht, wie ich mich ändern könnte.

Ich sah zu, wie die Milch im Topf allmählich zu kochen begann, und rührte anschließend die Schokoladenflocken in den weißen Schaum. Draußen war die erste Schneeflocke in Sicht, ließ sich auf der Fensterscheibe nieder und schmolz; ein kleines Naturschauspiel, das mein Herz wieder leichter werden ließ. Draußen war auf einem niedrigen Ast das Vogelhäuschen befestigt, wo gerade ein Kardinal Rast einlegte und mich mit seinem schwarzen Auge musterte. Für einen kurzen Moment strahlte jede Kleinigkeit eine außergewöhnliche Schönheit aus, es war wie ein täglicher Gnadenbeweis.

Douglas kam in die Küche gestürmt, gerade als ich die geschmolzene Köstlichkeit in drei Becher goss.

„Hast du mich vergessen?“, fragte er, die Hände so hoch über seinen Kopf gestreckt, als wolle er fliegen.

„Nein, mein Großer. Natürlich habe ich dich nicht vergessen.“

Wir ließen uns am Tisch nieder, meine drei Jungs jeder mit einem Becher heißer Schokolade und ich mit einer Tasse Tee. Gerne hätte ich ihnen noch eine Haube aus Schlagsahne dazu spendiert. Warum fühlte sich das Alltägliche meines Lebens manchmal so beklemmend an, wenn doch das Alltägliche alles war?

Ich hatte noch andere Verwandte. Meine Eltern lebten noch, aber ich verspürte keinen sonderlich dringenden Wunsch, sie zu besuchen. Mein Bruder arbeitete in der Stadt als Psychotherapeut, doch ich bekam ihn nur selten zu sehen. Abgesehen von unserer neuen presbyterianischen Kirchengemeinde war das hier meine Familie.

Auf unserem Hof im ländlichen Norden des Staates New York fühlte ich mich abgeschnitten von der Welt, doch den Nachrichten im Radio folgte ich stets: Truman war Präsident, die Atombombe war immer noch das heiße Thema – was hatten wir da nur auf die Welt losgelassen, als wir das Atom spalteten? Man überbot sich gegenseitig mit Weltuntergangs-Szenarien. Und in der Welt der Literatur hatte Faulkner gerade den Literatur-Nobelpreis gewonnen.

„Danke, Mami.“ Davys Stimme holte mich ins Hier und Jetzt des Hauses zurück.

Ich schmunzelte über seinen Schokoladen-Schnurrbart und schaute dann hinüber zu Bill. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und streckte sich. Was für ein prächtiges Bild er doch abgab, dieser „perfekte mythische Ehemann“, wie ich ihn damals, als wir uns ineinander verliebten, einmal genannt hatte. Manchmal fragte ich mich, wie ich wohl jetzt auf ihn wirkte, aber mein Überlebensinstinkt ließ mir keine Zeit für Eitelkeit. Meine braunen Haare, lang und dicht, trug ich in einem lose geschlungenen Knoten im Nacken. Falls ich überhaupt hübsch war, dann auf eine altmodische Weise, das wusste ich. Mit meinen nicht einmal eins sechzig und meinen großen braunen Augen entsprach ich nicht gerade einer umwerfenden Schönheit, der Männer hinterherpfiffen. Es war eher eine anheimelnde Schönheit, die sich hervorheben ließ, wenn ich mir Mühe gab, was ich allerdings in letzter Zeit nicht getan hatte. Aber Bill? Er war ein schneidiger Bursche, was er liebte zu hören, wohl auch angesichts seiner Abstammung von Plantagenbesitzern im sonnigen Süden Virginias.

Er schlug die Beine übereinander und wandte sein schiefes Lächeln, das Douglas von ihm geerbt hatte, in meine Richtung. „Ich gehe heute Abend um halb acht zum AA-Treffen. Kommst du mit?“

„Diesmal nicht. Ich glaube, ich bleibe heute zu Hause bei den Jungs und bringe ihre Wintersachen in Schuss.“

Unter dem Tisch wand ich meine Hände und wartete auf einen Vorwurf, der aber nicht kam. Ich atmete erleichtert auf. Bill stand auf, reckte sich mit einem Gebrüll, das Davy zum Lachen brachte, und schritt dann zur Küchentür. „Ich gehe jetzt arbeiten“, sagte er. „Oder wenigstens versuche ich es noch einmal.“

„Okay.“ Ich nickte ihm lächelnd zu, aber innerlich krampfte sich mein Herz zusammen, da es auch danach verlangte, wieder an meine Arbeit zu gehen. Der Chefredakteur der Zeitschrift auf dem Küchentisch hatte mich um eine Artikelserie über die Zehn Gebote gebeten und ich kam damit kaum vorwärts. Aber schließlich war Bill der Herr des Hauses, und ich war, wie er und die Gesellschaft mir immer wieder in Erinnerung riefen, bloß die Hausfrau.

Die Jungs stürmten hinüber ins Spielzimmer neben der Küche und kabbelten sich. Zuerst zögerte ich, aber dann rief ich: „Bill, C. S. Lewis hat uns geantwortet!“

„Na, wurde ja auch Zeit!“ Er blieb in der Tür stehen. „Wie lange hat das jetzt gedauert? Sechs Monate? Leg mir den Brief auf den Schreibtisch, nachdem du ihn gelesen hast.“

„Ich habe ihn noch nicht aufgemacht, aber ich weiß ja, dass du dich für diese Dinge nicht mehr so interessierst.“

„Für welche Dinge?“

„Gott.“

„Natürlich tue ich das, Joy. Ich bin nur nicht so versessen auf die Antworten wie du. Verdammt, ich bin auf gar nichts so versessen wie du!“ Er hielt inne, als wolle er die schweren Worte abwägen, und fügte beschwichtigend hinzu: „Du weißt ja noch gar nicht, was er geschrieben hat. Vielleicht verbittet er sich jeden weiteren Kontakt. Er ist schließlich ein viel beschäftigter Mann.“

Ich sackte innerlich zusammen und spürte, wie der Traum von etwas, das ich noch nicht einmal gesehen oder wahrgenommen hatte, in sich zusammenfiel. „Bill, ich kann nicht hinnehmen, dass mein Erlebnis bedeutungslos gewesen sein soll. Ich kann das nicht als ein Strohfeuer abtun. Gott war da; das weiß ich. Was bedeutet das?“

„Das weiß ich doch nicht. Aber mach, was du willst, Poogle. Schreib ihm, oder lass es bleiben. Ich muss wieder an die Arbeit.“

In meinem Arbeitszimmer fröstelte ich vor Kälte. Wäre unser Haus bloß nur so voller Liebe wie voller Bücher – inzwischen stapelten sich über zweitausend davon auf Regalen und Tischen und nötigenfalls auch auf dem Fußboden. Das Haus war zugig, und die Kohlenvorräte gingen wieder einmal zur Neige. Ich würde Davy schicken, um Nachschub hereinzuholen. Schon vor ein paar Wochen hatten wir die Haushälterin entlassen müssen. Ich hätte alles geschrieben, egal was, nur um genug Geld zu verdienen, um sie wieder einstellen zu können.

Es musste sich etwas ändern, und zwar bald.

Ich nahm den Brief in die Hand, schlang meine Strickjacke fester um mich und ließ mich auf einem abgewetzten Sessel nieder. Ich wünschte mir, dass mein Mann meine Sehnsucht verstand – dieses Verlangen nach der unsichtbaren Welt, die in dem verborgen liegt, was wir vor Augen haben. Lewis war siebzehn Jahre älter als ich, für ihn lagen seine Erfahrung und Suche schon ein gutes Stück zurück. Ich hatte ihm geschrieben, weil ich auf der Suche war nach Antworten, die sowohl mein Herz als auch mein Verstand zufriedenstellen würden.

Ich fuhr mit den Fingern über die geschwungenen Linien seiner Worte. Sie waren offensichtlich mit einem Füllfederhalter mit blauer Tinte geschrieben, und aus jedem Federstrich verästelten sich hauchdünne Linien in den feinen Kapillaren des Baumwollpapiers. Ich hielt den Brief unter meine Nase, aber er roch nur nach kalter Luft und Staub. Zögernd schob ich meine Finger unter die Lasche des Umschlags. Obwohl ich darauf brannte, jedes Wort zu lesen, wollte ich doch zugleich auch die gespannte Erwartung noch länger auskosten. Warten und Sehnen sind oft der billige Brennstoff des Verlangens.

„Liebe Mr. und Mrs. Gresham“, begann er.

„Danke für Ihren langen und ausführlichen Brief.“

Ich musste lächeln. Lang und ausführlich – das konnte man wohl sagen!

Ich warf schnell einen Blick an das Ende des Briefes, um mich zu vergewissern.

Ihr C. S. Lewis

Er hatte uns tatsächlich geschrieben. Unter all den Hunderten von Briefen, die er bekam, hatte er auf meinen geantwortet.

3


I have loved some ghost or other all my years Dead men, their kisses and their fading eyes

„Prayer before daybreak“, Joy Davidman

Am Tag, nachdem der Brief von Lewis gekommen war, lauschte ich dem winterlichen Lockruf des Windes. Auf dem Stuhl gegenüber lag ein Haufen Sachen, die zu nähen waren, doch ich beachtete sie nicht, sondern starrte aus dem Fenster. Ich vermisste meine ausufernden Spaziergänge über unser Land und die nach Apfelblüten duftende Luft meines Frühlingsgartens, der unter dem Frost schlummerte. Es würde wieder Frühling werden; so wie immer.

Ich setzte mich an meine Underwood-Schreibmaschine mit ihren schwarzen Tasten und dem eingespannten weißen Blatt, das auf mich wartete. Diese Nachmittagsstunde hatte ich fürs Gedichteschreiben reserviert; ein Geschenk an mich selbst.

The fires are in my guts and you may light

A candle at them that will do no good.

Ich hielt inne, nahm einen Schluck von meinem Tee und strich mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Mit geschlossenen Augen forschte ich in den Tiefen meines Innern nach den nächsten Zeilen. Mein ganzes Leben lang hatte ich zum Schreiben die Stellen in mir angezapft, die verknotet waren, in der Hoffnung, die Knoten würden sich lösen.

„Joy!“, Bills Stimme zerriss die Stille.

Die Gedichtzeile wurde von seiner Stimme weggeblasen wie Löwenzahnsamen, die sich zerstreuen und nur einen verwaisten Blütenstand zurücklassen.

„Hier oben“, rief ich, als er schon in der Tür erschien und sich gegen den Rahmen lehnte. Zwischen seinen Lippen hing eine Zigarette.

„Nicht im Haus.“ Meine Worte würden nichts nützen, aber ich sagte es trotzdem.

„Die Jungs sind in der Schule.“ Er nahm einen langen Zug, inhalierte tief und ließ dann zwei Rauchfontänen aus den Nasenlöchern strömen. Dann fragte er mich: „Hast du das Telefon nicht gehört?“

Ich schüttelte den Kopf und schlang meine Strickjacke fester um mich.

„Brandt und Brandt haben angerufen. Sie wollen mit Macmillan einen Termin für dein Autorenfoto für die Umschlagrückseite vereinbaren.“

Brandt und Brandt waren meine Agentur. Es ging um Verlagsangelegenheiten.

„Danke“, sagte ich, leicht verärgert, dass ich den Anruf verpasst und Bill stattdessen mit ihnen gesprochen hatte. „Ich werde zurückrufen.“

„Alles okay?“, fragte er, kam näher und ließ Asche in den Papierkorb neben meinem Schreibtisch fallen.

„Ich bin rastlos. Und ich finde heute Nachmittag keine Worte, jedenfalls keine, die einen Sinn ergeben.“

„Warum rufst du nicht Belle in der Stadt an und lädst sie ein, zu Besuch zu kommen? Sie schafft es immer, dich aufzuheitern.“

„Sie hat auch viel um die Ohren mit ihrer Familie. Und wir versuchen beide, so viel wie möglich zu schreiben. Im Moment müssen wir es beim Telefonieren belassen.“

„Dieser Weg, den wir gewählt haben“, sagte er, die Zigarette dicht vor den Lippen. „Schriftsteller zu sein. Vielleicht hätten wir uns etwas Leichteres aussuchen sollen.“ Er sagte es im Scherz; es war ein trauter Moment.

„Als ob wir uns irgendetwas anderes hätten aussuchen können.“ Ich sah ihn an. „Ich vermisse das Gedichteschreiben, Bill. Ich vermisse es schrecklich.“

„Wir tun, was wir tun müssen. Du wirst schon wieder dazu kommen.“ Er küsste mich auf die Stirn und hielt dabei seine Zigarette hoch in die Luft. „Und jetzt zurück an die Arbeit.“

Er schaltete meinen kleinen Heizlüfter ein und schloss dann die Tür. Solche freundlichen Gesten milderten die Spannung und riefen längst verblasste Gefühle in mir wach. Ich wandte mich wieder der Schreibmaschine zu. Doch statt ein Gedicht zu schreiben, wollte ich Mr. Lewis antworten. Es war erst einen Tag her, und obwohl ich es mir nicht anmerken lassen wollte, brannte ich vor Ungeduld.

C. S. Lewis:

Ihre geistliche Suche gleicht ziemlich der meinen. Ziemlich erschreckend, wenn einem der große „Jagdhund des Himmels“ auf den Fersen ist, nicht wahr? Meine erste Reaktion war Wut und Entsetzen. Ich frage mich, ob Sie es ähnlich empfunden haben. Ich glaube, ich habe all die Jahre seit jenem Moment mit dem Versuch zugebracht, mir einen Reim auf all das zu machen. Aber sollen wir uns überhaupt einen Reim darauf machen? Ich bin mir nicht sicher, ob das der Grund für unsere Begegnung ist. Dennoch versuchen wir es. Es hört sich an, als hätten Sie sich in seinem Netz verfangen – Sie haben keine große Chance, zu entkommen.

Wie es scheint, hat mein Freund Chad Walsh Ihnen viel über mein Leben erzählt; bitte erzählen Sie mir auch von sich. Wie lautet Ihre Geschichte, Mr. und Mrs. Gresham?

Ich hielt inne, denn ich spürte den Wunsch, langsam an die Sache heranzugehen, mit Bedacht, mich nicht hineinzustürzen, wie ich es fast immer machte, um dann zu stolpern und hinzufallen und wieder aufstehen zu müssen.

Meine Geschichte – danach hatte er mich gefragt. Es war zu lange her, dass irgendjemand sich für mehr interessiert hatte als dafür, was es zu essen gab, ob die Wäsche fertig war oder ob die Hausaufgaben gemacht waren.

Joy:

Lieber Mr. Lewis, wie wunderbar, in der Eiseskälte des neuen Jahres hier in New York Ihren Brief zu bekommen.

Und jetzt? Wie findet man Worte für etwas, was man nur undeutlich wahrnimmt, wenn man selbst darin lebt? Mein ganzes Leben lang war ich auf der Suche nach der Wahrheit gewesen, oder zumindest nach meiner Wahrheit. Wenn es etwas gab, was ich schon immer mit beharrlicher Zielstrebigkeit getan hatte, dann war es dies – das Suchen besänftigte mein unruhiges Herz.

Ich hatte an so vieles geglaubt und an so wenig.

Ich hatte mich selbst zugrunde gerichtet und mich selbst gerettet.

Hier ist Mrs. Gresham, die Ihnen antwortet. Danke, dass Sie einige unserer Fragen beantwortet haben. Am meisten verblüfft hat mich, wie Sie mein Argument demontiert haben, die Sehnsucht sei etwas, was wir bekämpfen müssten – Ihre Aussage, dass, wenn wir uns nach mehr sehnen, dieses Mehr (Gott) auch existieren muss, leuchtet mir ein wie der blaue Himmel über mir.

Aber Sie haben ja nicht gefragt, ob ich Ihnen widerspreche oder zustimme. Sie haben mich nach meiner Geschichte gefragt.

Ich hielt inne und atmete durch.

Müsste ich nicht witziger und schlagfertiger sein? Eine Brieffreundin, mit der er sich gerne auf intellektuelle Debatten einlassen würde? Intelligenz war das Einzige, was mich über die Jahre aufrechterhalten hatte. Sie war das, was mich auszeichnete. Wie meine Eltern mir (und jedem, der es hören wollte) immer wieder in Erinnerung riefen, war ich nicht übermäßig mit Schönheit, Anmut oder Charme gesegnet. Meine Cousine Renee hatte all diese Eigenschaften für sich gepachtet. Sie war die Hübsche. Dafür war ich die Kluge, oder?

Masken sind das Kennzeichen meines Lebens, mein Thema, wenn Sie so wollen, die Geschichte der Joy. Die Fassade hat sich unzählige Male verändert, aber der Schmerz und die Leere in mir blieben immer gleich, und heute glaube ich, dass sie die Sehnsucht sind, die mich auf die Knie gebracht hat.

War das zu ernst?

Nein, schließlich hatte er gefragt.

Es waren meine Eltern, die mich mit meiner ersten Maske versahen: als Jüdin. Ich wurde als Helen Joy Davidman geboren. Gerufen wurde ich aber immer Joy.

Ich schrieb wie in Trance – schwarze Tinte grub sich unter dem Stakkato der Metalltypen in die Seiten. Als die Rufe meiner Söhne mir verrieten, dass sie aus der Schule zurück waren, tippte ich gerade die letzten Sätze.

Nach der tief greifenden Bekehrungserfahrung, die mich von meinem festen atheistischen Fundament riss, lässt mir meine Seele keine Ruhe mehr, bis ich Antworten auf einige meiner geistlichen Fragen finde – Fragen, die mich nicht loslassen, Fragen, die mit vollem Recht an mir nagen, bis ich Frieden finde. Wer ist dieser Gott, an den ich jetzt glaube? Was soll ich mit dieser Wahrheit anfangen? War es überhaupt real, oder habe ich mich wieder einmal selbst hinters Licht geführt mit einem Allheilmittel, das doch nichts heilen kann?

Ihre Joy

Als ich fertig war, reckte sich mein Herz, als erwachte es gerade aus einem langen, trägen Schlummer, und eine stille Hoffnung machte sich in mir breit. Ich lächelte. Dann zog ich die letzte Seite aus der Schreibmaschine, faltete die vier Seiten zusammen und steckte sie in einen Umschlag.

Draußen heulte ein beginnender Sturm durch den Winternachmittag; meine Söhne spielten Ritter, die um eine Jungfrau kämpften, mein Mann hatte sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen; und ich versiegelte einen Brief an C. S. Lewis, in dem ich alle meine Masken fallen ließ.

Ich wollte, dass er mich kannte. Ich wollte, dass er mich sah.

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23 aralık 2023
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