Kitabı oku: «Schaum-Welt-Komfort», sayfa 5

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2. Zunehmende Explizitheit

Mit diesen beiden atmoterroristischen Prozeduren dem Gaskrieg 14/18 und dem genozidischen Gas-Exterminismus von 41/45 treten die Umrisse einer Sonderklimatologie hervor. Atemmanipulation wird zur Kultursache –wenn auch zunächst in der destruktivsten Dimension.

Sie trägt von Anfang an Züge des designerischen Zugriffs durch ein exakt abgrenzbares Mikroklimata des Todes von Menschen für Menschen entworfen und lege artis hergestellt.

Bis dahin war das durchschnittliche In-der-Welt-sein ein tiefgewisses und selbstverständliches In-der-Luft sein, genauer Im-Atembaren-Sein und unhinterfragbar sicher, allenfalls im poetischen, physikalischen oder medizinischen Kontexten problematisiert und beachtet.

Das 21. Jhdt wird -soviel ist absehbar- in neue Ausdrücklichkeiten vorstoßen.

Luftbeben: Mit dem Explizitwerden der Luft-Klima und Atmosphärenverhältnisse wird das Ur-Vorteil der Existierenden zu Gunsten des primären Existenzmediums angetastet und der Naivität überführt.

Ab jetzt sind sie zur förmlichen Klimasorge und zum Atmosphärendesign verdammt.

Bevor diese Aufgabe sich stabilisieren konnte, waren weitere Explikationen des Atmoterrorismus zurückzulegen. Dabei ist von einem zentralen Phänomen der Luftwaffe philosophisch zu reden deren Name ja die Zuständigkeit für Eingriffe in atmosphärische Tatsachen bekundet. Militärflugzeuge wie später Raketenartillerie heben die immunisierende Wirkung der räumlichen Entfernung zwischen Armeegruppen auf. Sie erzwingen Zugang zu Objekten die auf dem Boden kaum oder nur unter hohen Opfern erreichbar wären.

Ohne diese Reichweitenexplosion durch Luftwaffen bleibt die Globalisierung des Krieges mittels teledestruktiver Systeme unerklärlich. Sie sind einer schwarzen Meteorologie zuzurechnen: menschengemachten Sonderniederschlägen zur Erschließung des Luftraumes für atmoterroristische und para-artilleristische Aufgaben. Insbesondere die einseitigen und unerwiderbaren Luftschläge, präzise oder als Flächenbombardierung – als Unschärfe in Analogie zur Gaskrieg-Unschärfe-: nah genug ist operativ so gut wie exakt.

Die Metapher vom Bombenteppich kam in aller Munde. Bebaute und bewohnte Flächen wurden mit tödlicher Auslegeware bedeckt. Aber nicht nur das physische Vernichten und Töten, sondern auch die moralische Erschlagung der betroffenen Zivilbevölkerung ist die dezidierte Absicht der Angreifer. Es gibt nicht nur der körperlichen Tod, sondern auch den seelischen der dann die physische Abwehrkraft dezimiert.

Der Krieg -nicht nur der- offenbart die unsichtbare Psyche oder Seele. Siegen heißt physiche und psyche Vernichtung. Eine Ökologisierung der Kriegsführung. Der Kollateralschaden erweist sich nicht selten als der Hauptzweck.

Der Krieg wird zur Vernichtung eines geschlossenen Raumes, als Lebenswelt im umfassenden Sinne. Will er gründlich sein, deckt er die expliziten Grundlagen „allen Lebens“ ab: Luft, Biologie, Wasser, verbrannter, vergifteter, verminter Boden, Nachschub, Nachwuchs – bis hin zum Feuersturm der auf das Prinzip der Eliminierung eines geschlossenen Vernichtungsraums zielte.

Aber als alles was durch die beiden Weltkriege an „Überraschungen“ – Implizites das Explizit gemacht und zur Kriegsführung eingesetzt wurde- aufgedeckt schienen,

erwies sich mit den folgenden Überraschungen als überbietbar.

Die Explikation der Atmosphäre durch den Terror macht bei der Umwandlung von „Lebenswelten“ in Gas- und Feuerkammern nicht halt. Dazu war eine noch weitere Ausfaltung dessen, was die Welt in ihrer physikalischen und biosphärischen Latenz zusammenhält vonnöten. Hier sprechen wir nun von der kernphysikalischen Explikation der radioaktiven Materie und ihrer populären Demonstration durch Atompilze. Das zog eine „revolutionäre“ Neu-Orientierung des „Umwelt“-Bewusstsein in Richtung auf das unsichtbare Wellen- und Strahlenmilieu nach sich.

Angesichts dessen ist mit dem Rekurs auf die klassische Lichtung, in der wir „leben, weben und sind“, ob man sie theologisch oder phänomenologisch lese, nichts mehr zu erreichen. (Heideggers Lichtung und Max Webers „leben, weben, sind“)

Der (nach)phänomenologische Kommentar zu den Atompilzen über der Wüste von Nevada und den beiden japanischen Städten lautet: „making radioactivitiy explicit“.

Dadurch wurde nicht nur eine neue „Rekordmarke“ der Simultanauslöschungen von Menschen erreicht, sondern auch über die thermoterroristische Dimension hinaus der Übergang in die strahlenterroristische eröffnet.

Menschliche Existenz ist kontinuierlich in eine komplexe Wellen und Strahlen-atmosphäre eingebettet, von denen allenfalls indirekte Wirkungen jedoch keine unmittelbare Wahrnehmung Zeugnis geben können.

Dass hinter den thermischen und kinetischen Primäreffekten eine tödliche Dosis Radioaktivität freigesetzt wurde, riss in den Zeugen und Verletzten eine völlig neue Latenz-Dimension auf. Altverborgenes, Unbekanntes, Unbewusstes, Niegwußtes, Niebemerktes, Nichtbemerkbares wurde mit einem Mal in die Manifestationsebene gezwungen; als ob ein unsichtbares Feuer sichtbare Brandwunden bewirkte.

In den Gesichtern spiegelte sich eine neue Gestalt der Apathie wider: Die „Hiroshimamasken“ starrten in die Reste einer Welt, die dem Menschen im Lichtsturm entzogen worden war.

Als verstrahlte Wüste wurde sie zurückgegeben. Die Gesichter kommentieren die Seins-Zumutung an ihrem dunkelsten Grenzwert. Die Nichtwahrnehmbarkeit der Strahlenwaffen wird zu einem wesentlichen Teil der Waffenwirkung selbst.

Jetzt wird klar das etwas in der Luft liegen kann, von der die heiter atmenden, naiv kontextsensiblen Weltkinder der vornukelaren Ära, die altmenschlichen Zöglinge der Luft, nichts zu bemerken vermochten.

In Zukunft hat man seine eigenen Wahrnehmung zu misstrauen, um in toxischen Umwelten zu überleben. Die Denk und Erlebnisweise der Paranoiden wird zu einem Teil der allgemeinen Erziehung –„Only the paranoid Survive.“

In der neu definierten Latenz operieren auch Bioterroristen. Sie nehmen die Dimension des unwahrnehmbar Kleinen in ihr Angriffskalkül auf und bedrohen die Umwelt des Feindes mit unsichtbaren Angreifern.

Im Gegensatz zu Heideggers „Heimatlosigkeit“ als existenzielles Kennwort des Menschen im Ge-stell-Zeitalter, -im modernen Zeitalter der Technik-, das auch eine Ausbürgerung der Menschen aus der natürlichen Lufthülle in klimatisierte Räume oder den Exodus aus allen möglichen Nischen der Geborgenheit in der Latenz gelesen werden konnte steht Sloterdijks andere Überzeugung: dass auch die Gegend und Heimathafen Verhältnisse im Zeitalter der Hintegrundexplikation, wo sie lokal noch gelingen, nicht einfach als Gabe des Seins hingenommen werden können, sondern von einem hohen Aufwand an formalem Design, technischer Herstellung, juristischer Betreuung und politischer Gestaltung abhängen.

Die folgenden Ausführungen beschreiben einen historischen Bogen zunehmender

Ausdrücklichkeit bei der Problematisierung des menschlichen Aufenthalts in Gas- und Strahlenmilieus. Damit ist allerdings nicht die Unterstellung verbunden, die Geschichte der Atmosphärenexplikation sei mit dem Ablauf des kalten Krieges zu einem Ende gelangt.

Die Einbeziehung von bislang unentfalteten klimatischen, radiophysikalischen und neurophysiologischen Hintergunddimensionen menschlicher Existenz in militärische Projekte der Weltmacht, bedeutet die Schwelle der neunziger Jahre eher ein Neubeginn.

Am 17. Juni 1996 präsentierten sieben Offiziere des Department of Defense ein genehmigtes Papier das die Umrisse einer zukünftigen Ionosphärenkriegsführung: „Wetter als Kampfkraftmultiplikator: Wetterherrschaft im Jahre 2025“ abstecken sollte.

Der alltägliche Aufenthalt in der Latenz wird zunehmend unruhig.

Zwei Arten von Schläfer treten dabei in Erscheinung:

Sie macht die einen zu Mitarbeitern an der Explikation der Hintergrundbedingungen

von Natur und Kultur, -zu Agenten eines strukturellen Terrors gegen diese- während die anderen zu inneren Aborigines, Regionalisten und freiwilligen Kuratoren der eigenen Unzeitgemäßheit verwandelt –in tatsachenfreie Reservate den Vorteil pflegen, an Weltbildern und symbolischen Immunverhältnissen des Latenzzeitalters festhalten zu dürfen.

3 Air / Condition

Unter den Offensiven der Moderne hat besonders der Surrealismus die Einsicht zugespitzt, dass das Hauptinteresse der Gegenwart der Explikation der Kultur gelten muss. Der Surrealismus gehorcht dabei dem Imperativ, im Modernisierungsfeldzug die symbolischen Dimensionen zu besetzen. Sein Ziel: schöpferische Prozesse explizit zu machen und ihre Quellgebiete technisch aufzuschließen. Auch er bediente sich dabei des Begriffs der „Revolution“. Was er erreichte war aber keine Umwälzung, sondern ausschließlich eine Umverteilung der symbolischen Hegemonie.

Am Beispiel Surrealismus zeigt sich, wie sie Teil der explizitivistischen Bewegung der Moderne war, weil er sich unmissverständlich als latenzbrechendes und hintergrundauflösendes Verfahren vorstellte. Damit wurde er immer wieder zum Bürgerschreck das aber seine Lektionen immer wieder schnell lernte. Am Beispiel einer bekannten und nicht gelungenen surrealistischen Offensive durch Salvador Dali –sein Auftritt im Taucheranzug- illustriert, dass bewusste Existenz als ein explizites Kontexttauchen gelebt werden muss. Wer sich in der Multi-Mileu-Gesellschaft aus dem eigenen Lager herauswagt, hat sich seiner „Taucherausrüstung“, das heißt seines physischen wie mentalen Immunsystems beziehungsweise seiner sozialen Raumkapsel, gewiss zu sein.

Der fast Unfall – bei seinem Auftritt im Taucheranzug hatte man die Luftzufuhr vergessen- legt auch die systemischen Risiken der technischen Atmosphärenexplikation und der technischen Erzwingung des Zugangs zum anderen Element offen. Die Moderne als Hintergundexplikation bleibt in einem phobischen Zirkel gefangen: indem sie Angstüberwindung durch angsterzeugende Technik anstrebt, muss sie ihr Ziel immer erneut verfehlen.

Die Angst liefert den anhaltenden Schub für den Fortgang des vergeblichen Prozesses; ihre Dringlichkeit rechtfertigt auf jeder Stufe der Modernisierung den Einsatz von weiterer latenzbrechender und hintergrundkontrollierender Gewalt –oder nach den herrschenden Sprachregelungen: Sie fordert Grundlagenforschung und Innovation in Permanenz. Die ästhetische Moderne ist ein Verfahren der Gewaltanwendung weder gegen Personen noch Sachen, sondern gegen ungeklärte Kulturverhältnisse.

War für Dali nach der Tauchanzugpanne eine Rückkehr in die gemeinsame Luftatmosphären möglich, so ist diese Lösung für die zivilisatorische Lage unbrauchbar, weil der Prozess der Atmosphärenexplikation kein zurück zum bisher implizit Voraussetzbaren erlaubt: Menschen die sich momentan oder habituell in ausgeprägten indoors-Situationen aufhalten, müssen an ein unterstützendes „Luftversorgungssystem“ angeschlossen werden.

Die fortgeschrittene Atmosphärenexplikation erzwingt eine durchgehaltene Aufmerksamkeit auf die Atembarkeit der Luft –zunächst im physikalischen Sinne, dann auch zunehmend im Hinblick auf die metaphorischen Dimensionen des Atmens in kulturellen Motivations- und Sorgenräumen.

Nach Ablauf des 20 Jhdt. gewinnt die Lehre von homo sapiens als Zögling der Luft

pragmatische Konturen. Es geht um die Kulturwissenschaften als Wissenschaft von der Beatmung sinn-abhängiger Lebewesen durch informierende und imperative Milieus. Die technisch-naturwissenschaftlich-militärisch-juristisch-architektonisch-bildnerischen Aspekte haben dabei einen nur schwer einholbaren Vorsprung vor der kulturtheoretischen Begriffsbildung erreicht. Die am weitesten ausgearbeitet und alltagsrelevante Expertise dabei ist der Wetterbericht, die „klimatologische Lagebesprechung“.

Moderne Großkommunen verwandeln sich in dorfartige Nachbarschaften, in denen man sich darüber austauscht, dass „das“ für die Jahreszeit nicht das passende Wetter ist. Massen verwandeln sich dann zwischen Heiligabend und Epiphanias zu Wetterdissidenten. Wetter ist halt das, das sich ausschließlich selber macht und was unaufhörlich von einem gegeben Zustand in den nächsten prozessiert. Diverse Klima Faktoren die unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung ein äußerst komplexes Muster des Energieaustausches ergeben.

Sie lassen sich ohne Bezug auf eine anfänglich planende oder nachträglich eingreifende Intelligenz in rein naturwissenschaftlicher Haltung darstellen. Eine adäquate Analyse erweist sich als so komplex, dass sie einen neuen Typus von Physik erzwingt, die imstande ist, mit unvorhersagbaren Strömungen und Turbulenzen umzugehen –ohne Rückgriff auf eine transzendente Intelligenz.

Sie steht in der Tradition des abendländischen Rationalismus der von Beginn der Neuzeit an jeden möglichen Gott beurlaubt. Der Gott der neuzeitlichen Europäer ist klimainaktiv.

Die moderne Meteorologie steht aber im Bündnis mit einer progressiven Subjektivierung des Wetters:

Die klimatischen Gegebenheiten beziehen sich immer mehr auf die Bevölkerungen denen das Wetter in Bezug auf ihre Projekte nicht gleichgültig ist; weil das objektive Klima zunehmend als Effekt der Industriegesellschaftlichen Lebensform beschrieben wird. Neuzeitliche Menschen sind Wetterklienten und Wettermitverursacher. Sie erlauben sich Urteile über Sachverhalte in die sich frühere nur in stummer Ergebenheit fügen durften.

Europäische Kulturen sind selber Klimamächte geworden. Die Menschen begegnen seither im Wetter den atmosphärischen Auswürfen ihrer eigenen industriell-chemotechnischen, militärischen, lokomotorischen und touristischen Tätigkeiten. Eine Meinung über das Klima zu haben bereitet den Wandel der Grundhaltung vor, sich vom „Herren“ und „Besitzer“ der Natur zu Atmosphärendesigner und Klimawärtern umzubilden –man sollte sie nicht mit Heideggers „Hüter des Seins“ verwechseln.

Hier begegnet man nun dem anthropogenen Treibhauseffekt als die Klimaspur eines zivilisatorischen Projekts, das auf den erleichterten Zugang zu großen Mengen fossiler Brennstoffen dank Kohlebergbau und Ölförderung beruht. Beide sind die objektive Stütze der Frivolität, ohne die es keine globale Konsumgesellschaft, keinen Automobilismus, keinen Weltmarkt für Fleisch und Mode gäbe.

Zunächst gilt, dass ohne den natürlichen, primären Treibhauseffekt die Erde eine ausgedehnte Eiswüste wäre. Dieser entsteht, weil Wasserdampf und Treibhausgase in der Erdatmosphäre die Rückstrahlung der von der Sonne aufgenommenen kurzwelligen Energie in Form von langwelligen Infrarotstrahlungen behindern. Hierdurch konnte eine mit Leben kompatible Erwärmung auf plus 15Grad entstehen.

Leben ist ein Nebeneffekt klimatischer Verwöhnung. Die Signatur des Fossilenergie-Zeitalters zeigt sich darin, dass die Verwöhnten leichtsinnig genug wurden, ihre Verwöhnung aufs Spiel zu setzen, indem sie das Risiko einer anthropogenen Übererwärmung - oder evtl. das einer Zwischeneiszeit- eingehen.

Zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert kam es zu jener design- gestützten „Entdeckung des Offenkundigen“ durch welche Menschen im Explikationszeitalter motiviert wurden zu einem zweiten Griff nach dem was auf der Hand lag: die Popularisierung des vormals herrschaftlichen-luxeriösen-frivolen bis hin zur aromatechnischen Modifikation der Atmosphäre, mit der sich der Übergang ins offensive Air Design vollzieht und damit eine Antwort auf die verspätete Einsicht, dass menschliches In-der-Welt-Sein sich immer und ohne Ausnahme als Modifikation von In-der-Luft-Sein darstellt.

Sobald die Luftabhängigkeit der Menschen in prinzipieller Tonart artikuliert wird, drängt sich auch eine entsprechende Emanzipation auf. Sie fordert und erlangt die aktive Gestaltung des Elements. Das Air Design tritt der Luft in der Haltung praktischer Stärke „gegenüber“. Sie schlägt gewissermaßen die Fortsetzung des privaten Parfumgebrauchs mit öffentlichen Mitteln vor, sie dient dem Zweck die Luft-Passanten durch geruchsinduzierte angenehme Situationszumutungen an den Ort zu binden und eine erhöhte Produktbejahung und Kaufbereitschaft bei ihnen hervorzulocken.

Die Gestaltung von Atemumgebungen dehnt das Prinzip Innenarchitektur auf das sonst unmerkliche Lebensmilieu, das Gas- und Aroma-Envierement, aus.

Vergessen wir nicht, dass die heutige sogenannte Konsum- und Ereignisgesellschaft im Treibhaus erfunden wurde – in jener Glasüberdachten Passsagen des frühen 19. Jhdt., eine frühe Stufe der urbanistischen Atmosphärenexplikation, eine Ausstülpung der „Wohnsüchtigen“ Disposition.

Wohnsucht sagt Walter Benjamin, ist der unwiderstehliche Trieb, in beliebigen Umgebungen „ein Gehäuse zu prägen“. Schon bei Benjamin ist das „überzeitliche“ Bedürfnis der Uterus-Simulation mit den symbolischen Formen einer konkreten historischen Situation zusammen gedacht worden.

Das 20. Jhdt. zeigt in seinen Großbauten, wieweit solche Gebäude über die Bedürfnisse der Suche nach einem wohnlichen Interieur hinausgetrieben wurden.

Sie werden von der Aufgabe entbunden, Häuslichkeit vorzutäuschen. Das Passagenwerk müsste heute Air-Condition-Werk heißen.

1936, in einer Festrede von Elias Canetti auf Hermann Brochs 50. Geburtstag, sprach Canetti über das Verhältnis zwischen dem Autor und seiner Epoche. Dabei definierte er den Aufenthalt des Künstlers als einen Atem-Zusammenhang, als eines Eintauchens in die atmosphärischen Zustände der Gegenwart.

Canetti lobt an Broch das Vermögen, jeden Menschen gleichsam ökologisch aufzufassen: Er erkenne an jeder Person eine singuläre Existenz in ihrer eigenen Atemluft, von einer unverkennbaren Klimahülle umgeben, in einen persönlichen ‚Atemhaushalt‘ eingegliedert, …“das die Vielfalt unserer Welt zum guten Teil auch aus der Vielfalt unserer Atemräume besteht.“

Dadurch wird das Entfremdungsmotiv in der Moderne auf veränderte Grundlagen gestellt: Es ist die atmosphärische Getrenntheit der Menschen, die für ihren Einschluss in jeweils eigene „Atemhaushalte“ sorgt; ihre Schwererreichbarkeit durch die Andergestimmten, Andersumhüllten, Andersklimatisierten. Die Zerspaltenheit der sozialen Welt in füreinander unzugänglichen Eigensinn-Zonen ist das moralische Analogon zur mikroklimatischen „Zersplitterung der Atmosphären“ die ihrerseits einer Zersplitterung der „Wertewelt“ entspricht.

Canetti erkennt in Broch den prophetischen Warner von einer Menschheits-Gefährdung ohne Beispiel, die im metaphorischen wie im physikalischen Sinn vom Atmosphärischen her droht: der Wehrlosigkeit des Atems.

Die Luft sei die letzte Allmende. Sie kommt allen zu, auch der Ärmste darf von ihr nehmen. Und dieses Letzte, das uns allen gemeinsam war, soll uns alle gemeinsam vergiften. Der Atomterrorismus im Ersten Weltkrieg habe sich nach innen gewendet.

Aus der gemeinsam geatmeten Luft, aus dem Äther des Kollektiven, wird künftig die wahnverfallende Gemeinschaft den Giftkrieg gegen sich selber führen.

Wie? das sollte eine Theorie der „Dämmerzustände“ klären – ein fragmentarisch gebliebener Teil in Brochs massenpsychologischen Hypothesen.

Dämmerzustände sind solche, in denen Menschen sich als Trendbefolger unter der Trance des Normalen bewegen. Durch toxische Kommunion werden sie zusammengehalten, eine Identität durch gemeinsame Bedrohtheit. Was in der Luft liegt, wird durch totalitäre zirkuläre Kommunikation in sie gelegt: Sie ist erfüllt von Siegesträumen gekränkter Massen und ihren rauschhaften, empirie-fernen Selbsterhöhungen, denen das Verlangen nach der Erniedrigung ihrer Gegner wie ein Schatten folgt.

Das Leben im Medienstaat gleicht dem Aufenthalt in einem von Erlebnisgiften animierten Gaspalast.

An diesem Ansatz arbeitet Broch seit 1939 während des ganzen Jahrzehnts.

Träger und Agens von Wahnbildungen in modernen Kollektiven sind seit den zwanziger Jahren des abgelaufenen Jhdt. Dauerkommunikation durch Presse und Rundfunk: Enthemmungsmedien in denen Phrasen wahr werden. Sie bilden das informatorische Analogon zur chemischen Kriegsführung. Broch erfasst den Parallelismus zwischen Gaskrieg und der Erzeugung von Massenwahnzuständen als dem Versuch die Bevölkerung in eine zu ihrer Selbstzerstörung hinreichende, durch Verlangen nach „Superbefriedigung“ überladene ekstatische Atmosphäre einzutauchen.

Die Einzelnen: sie sind „Schlafwandler“, die sich im „sozialen Tagtraum“ ihrer Organisation wie ferngesteuert zu bewegen. Sie sammeln sich unter Parolen und Fahnen wie Miteigentümer an Luftschlössern. Broch geht es um die Prophylaxe der Mitgerissenheit, in ihrem therapeutischen Teil mit der Zurückführung der Ergriffenen in die lebbare Rationalität eines ‚offenen Systems‘ – alias Demokratie oder Gewaltenteilung der Paniken und Hysterien: einer Besiegung des Siegs“; den Siegestaumel durch Siegestrauer zu ersetzen.

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Serideki Üçüncü kitap "Begleittext zu Peter Sloterdijk Sphären Band III: Schäume"
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