Kitabı oku: «Einzelbilder werden zum Mosaik», sayfa 2
(3) Dürer, die Socken und das Provinzieren
Ich habe Hannah in einer Bar kennen gelernt. Ich hatte ein paar Ideen von T-Shirts ersonnen, die auf Vorder- und Rückseite bedruckt waren, ihr davon erzählt, und zwar bei einer After-Hour, also nach Dienstschluss. Sie war begeistert gewesen und wir verabredeten wir uns zu einem Kneipenbesuch. Und dann wollte sie, dass ich ihr ein paar Wortspiele erzähle, einfach so, aus dem Stand. Aber mir fiel keines ein. Sie war enttäuscht und als wir uns verabschiedeten, stand da immer noch etwas zwischen uns; der Funke war nicht wirklich übergesprungen. Aufgeben aber wollte ich auch nicht gleich.
Ständig schwirrte mir im Kopf herum, dass sie davon gesprochen hatte, wie sehr sie Socken mochte. Das fand ich süß. Und um sie weiter zu begeistern, insbesondere mit meiner Kreativität, beschloss ich, ihr Socken-Comics zu malen.
Da war zum Beispiel die Sportsocke, eine vitale Natur. Dann die Seidensocke, das sollte natürlich ein Mädchen sein. Daneben die modische und stilvolle Herrensocke und die Polyestersocke, die weltoffen und weitgereist sein sollte, so der Typ Bogart-Socke, auch weil sie gelegentlich zwielichtige Jobs machte. Es waren eben Socken mit Persönlichkeit. Natürlich gab es auch ein Zwillingspärchen, die Comic-Socken, die gleichsam eine innere Klammer bildeten, den Comic im Comic. Das Ganze erzählte ich am "Dürer" einer guten Bekannten.
Der "Dürer" in Nürnberg ist nicht der Albrecht-Dürer-Platz. Und warum der richtige Dürer-Platz vom Dürer-Haus nicht einsehbar ist, ist mir ein Rätsel. Der "Dürer" also war ein beliebter Treffpunkt im Sommer, oberhalb des Dürer-Hauses. Man saß da herum, trank Bier und ab und zu geschah auch etwas.
Und so geriet ich, weil ich eines Tages zu früh am "Dürer" war, zum ersten Mal ins Albrecht-Dürer-Haus. Außerdem fühlte ich mich bereit, etwas übers Zeichnen zu lernen. Wenn man unter anderem Möchtegern-Spielerfinder ist, ist das nie schlecht. Fasziniert hat mich an Dürer sofort sein verspieltes Wesen. Er neigte dazu, sehr viel in seine Werke hineinzulegen und auch von Bildwitz verstand er sehr viel. Im Bild von "Hieronymus im Gehäuse" hat er zum Beispiel seine Initialen in einen Rahmen geschrieben, der am Boden liegt. Das Bild im Rahmen des Bildes, so verstehe ich das, das war er. Oder man betrachte die Anordnung vorne, ganz rechts der zahme Löwe, daneben in fallender Bedeutung, der Hund, und links daneben noch die Hausschuhe, das Symbol der häuslichen Gemütlichkeit schlechthin.
Geknickt trat ich wieder ins Freie. Dort drinnen war so viel, und ich war so wenig dagegen. Ich trank mit der besagten Bekannten Katrin ein paar Bier. Dann trollte ich mich nach Hause. Ich hatte da auch gleich meine ersten Ideen fürs Socken-Comic. Im ersten Entwurf band sich die Sportsocke mit einer Laufmasche von ihr an den Pfosten einer Brücke und wollte Bungee-Springen. Im zweiten Bild sprang sie, stellte aber fest, dass sie logischerweise aufdröselte. Und im dritten Bild hing nur noch ein schlaffer Faden an der Brücke. Die Socke hatte sich aufgelöst.
Im zweiten Comic besuchen die edle aber etwas eingebildete Herrensocke und die Damensocke gemeinsam ein Museum, natürlich das Museum der berühmten Socken. Im ersten Bild stehen sie vor der Socke, die Edmund Hilary getragen hat, als er den Mount Everest erstmals bestiegen hat. Sie ist so plastisch abgebildet, dass man den vereisten Mief sehen kann. Das zweite Bild zeigt die Socke, die Armstrong auf dem Mond getragen hat. Sie schwebt einfach so im Raum neben den Stars-and-Stripes. Dann gehen sie zum dritten Bild. Das zeigt wiederum die erste Socke, diesmal auf dem Mars. Erst als sie direkt davor stehen, entdecken die zwei, dass es sich dabei um die Polyester-Socke handelt und sie fragen: Na, ist das jetzt dein neuer Nebenjob? Aber die Polyester-Socke verharrt schweigend in ihrer Pose. ... Macht nur "Pssst!"
Dann hatte ich die beiden Serien per Post an Hanna geschickt und auf Antwort gewartet. Derweil ging ich wieder hoch zum "Dürer", wo ich wieder meine gute Bekannte Katrin traf. Sie fand weder die Idee der Socken-Comics an sich gut, noch deren Ausführung sonderlich bemerkenswert.
Ich geriet in Zweifel. Und hatte sogleich eine neue Idee, ich sollte eine Kolumne schreiben, ich habe doch so gute Ideen. Damit würde ich mich bewerben, bei einer Zeitung.
Und so kam ich auf die Idee, die da hieß, “Die Stadt an der Nürn”. Man muss wissen, Nürnberg ist die Stadt, in der ich wohne, aber Nürn ist kein Ort hier per se. “Nürn” ist nur der eingeschliffene Name für “nor”, was “steiniger Fels” heißt. Und der Fluss heißt ganz anders, es ist die Pegnitz. Ich schrieb also die Probe-Kolumne und gab sie wieder Katrin zum Testlesen, wieder am “Dürer”. Es war ein Text, der im Grunde darum ging, dass ein Freund in der Altstadt einen Stand hatte mit Nippes, Hüte, Lederwaren, Geschenkbändschen und so Zeugs halt, für die Touristen.
Und wann immer die Touristen kamen und fragten, wie der Fluss heißt, dann sagte er immer, das sei die Nürn. Und es sei Tradition, dass man hineinspuckt und dabei sagt: “Ab nach Fürth”, denn dahin fließt die Pegnitz.
Und auch diese Idee fand Katrin nicht sonderlich.
Es folgte eine kurze Phase voller Selbstzweifel. Ich wünschte, ich wäre ein Ozean. Aber ich bin ein kleiner Tümpel, der hineingeworfene Stein beschäftigt die Oberfläche noch eine viel zu lange Weile und schlägt seine Wellen sogar in die Tiefe. Noch Tage nach einem Vorfall spiele ich die Situation durch und versuche, meine Wunden durch schlagfertige Reaktionen zu heilen, aber die Worte gesprochen vom eigenen Mund trösten nur selten. Es wurde Zeit für grundsätzliche Weichenstellungen; ich meldete mich zu einem Samstags-Ganztags-Psycho-Seminar an, es hieß: "Winde Ableiten - Wie ein Schiff vorankommt hängt nicht davon ab, wie der Wind steht, sondern wie die Segeln gesetzt sind. An einem Tag lernen mit Stresssituationen in Mehrpersonenbeziehungen umzugehen. Mit Geld-Zurück-Garantie." Ich überwies die stattliche Summe, füllte den ziemlich umfangreichen Fragebogen aus und ging eine Woche später, es war ein Samstag, hin.
Es ging zeitig los und meine Zuversicht glich einem Ozean. Der Seminarleiter mit der roten Kunststoffdesignerbrille und dem wallenden schulterlangen grauen Haar hätte ich Gartentipps genauso zugetraut wie Kernphysik, und er bewegte sich so schnell wie eine Stubenfliege, wie um ja nicht ertappt zu werden; der versteckte irgendwas.
"Kernaussage dieses Tages ist," fing er an, "Lassen Sie sich nicht provinzieren. Wenn jemand Sie irgendwie provinziert, bleiben Sie ruhig." Und er grinste breit in die Runde.
Wir, das heißt alle vier Teilnehmer und der Leiter, gingen in ein Zimmer, in dem auf dem Boden lauter Bierdosen lagen und er sagte dazu: "Das ist die Ausbeute eines Pfanddosensammlers an einem Wochenende vor einer einzigen Großraumdiscothek. Eine Pfanddose sind 25 Cent, 42 Dosen sind 10 Euro 50. Das sind 550 Euro im Jahr. Es ist kein leichtes Los, aber davon kann man auch in Urlaub fahren. So ist es mit dem Glück auch: es liegt überall und es kann ein großer Polster werden, wir müssen uns nur bücken. Ich sage Ihnen eines: Werden Sie Pfanddosensammler des Glücks! Wer glücklich ist, der lässt sich nicht so leicht provinzieren! Ich wiederhole: werden Sie Pfanddosencorrektor des Glücks!" Und wieder grinste er breit.
Es war nur ein kleiner Stein und ich zwang mich zur Ruhe und das köstliche Mittagessen glättete die Wogen. Links neben mir aß ein Managertyp mit einer teuren Uhr an der Hand und hackte Befehle in sein Blackberry, rechts saß eine Frau, die permanent mit ihrem Mann telefonierte und ihm per Handy Ortsanweisungen bezüglich seines Essens und das seiner Kleider durchgab und mit gegenüber schließlich eine kugelige Mischung aus Schnupfen und Feinmotorikstörung, den ich beinahe mit "Heh, Internet" angesprochen hätte, als ich das Salz wollte, so sehr war er der Programmierer, als der er sich vorgestellt hatte; kurz, niemand zum Reden da; nichts konnte den Abfluss aus dem Ozean stoppen.
Für den frühen Nachmittag stand ein Spiel auf dem Plan. Die Frau war schon gegangen und hatte ihr Geld mitgenommen, angeblich weil der Mann das Essen nicht aufwärmen konnte. Ich aber lachte innerlich, es war sicher der andere Grund.
Es gab einen Stab, der auf alle sechs Hände, wir waren quer gegenüber aufgestellt, unten auf den Handflächen ruhen sollte, und dabei darauf achtend, dass man immer in Kontakt zum Stab bleibt, ihn gemeinsam so hoch wie nur möglich zu heben. Innerlich betete ich darum, dass der Seminarleiter bloß nichts sagen sollte und wenn, dann aber schon gar nichts erklären, aber vergeblich. Denn die Wirkung einer solchen Aufgabe ist die, dass der Stab immer weiter sinkt und so ging es weiter:
"Wenn jeder nur versucht, die Ebene, also das NiQuh zu halten, wird es immer weiter sinken. Bleiben Sie standhaft, auf alle Fälle - und streben Sie nach Höherem! Wenn Sie jemand provinzieren will, will er sie klein halten und an ihre Grenzen führen. Er will die Befriedigung, dass Sie ausrasten. Tun Sie ihm den Gefallen nicht, bewahren Sie die Achtung vor sich selbst, den Restrikt." Und wieder grinste er breit bis über beide Ohren. Und ich spürte, wie aus dem Ozean ein Tümpel geworden war.
Der frühe Nachmittag sollte durch einen Spaziergang in der Fußgängerzone ausgefüllt werden. Der Manager war auch schon weg, ein überraschender Termin, sagte er. Ich ahnte es besser.
"Sie gehen jetzt von hier los", der Seminarleiter deutete auf einen Punkt, "und zählen ihre Schritte bis zehn. Und nach dem zehnten, also wenn elf kommt, springen Sie in die Luft und rufen so laut sie können: Kikeriki! Es wird nicht leicht, es ist wie eine rote Linie; sie macht einem Angst, aber wenn man sie erstmal durchschritten hat, werden Sie sich sagen, das war gar nicht so schwer. So ist vieles im Leben, einfach die im Geiste eingebildete, die imarginäre Grenze ohne zu Fragen durchschreiten, also parlieren und Sie werden sehen, sie war tatsächlich nie da, sie war nie rectal. Wenn Sie jemand provinzieren will, will er, dass Sie klein bleiben. Tun Sie es nicht, sie sind bereits über die rote Linie hin zum Friedlichen gegangen." Und abermals grinste er breit und nickte bedächtig dabei.
Die rote Linie zu durchschreiten war nicht schwer, allerdings rollte sich in mir ein Stein wie ein Schneeball immer größer auf und ich hatte zunehmend Schwierigkeiten, mich zu beherrschen.
Am frühen Abend stand Kartenhausbau auf dem Plan. Mit der für wirklich jedermann offensichtlich fadenscheinigen Ausrede, er müsse eine Homepage aktualisieren, war auch Internet gegangen und ich wartete darauf, dass Dr. Gartenbau-Kernphysik anfangen würde zu heulen, aber da war gar kein Unterschied zu erkennen.
"Kartenhäuser gelten als unsicher, als insteril", er begutachtete meines mit einem breiten Lächeln. "Aber wenn man die beiden gedruckten Blätter, aus denen die Karten bestehen und normalerweise geklebt sind, an den Rändern etwas auseinanderdrückt, dann stellt sich heraus, dass die Konstruktion auf einmal sehr steril sein kann und einiges aushält. Wenn eine Provinziation von oben auf das Kontrakt drückt, hält die sterile Struktur das aus."
Es reichte jetzt endgültig.
"Hören Sie mal", fing ich an, "es heißt nicht provinzieren, es heißt provozieren. Provinz ist eine Art Gebiet. Es heißt nicht correktor des Glücks sondern Kollektor. Correktor ist eine Art Verbesserer, meist irgendwas mit Schriftstücke. NiQuh gibt es nicht, es heißt Niveau, Herrgott nochmal! Restrikt ist auch falsch gibt es so gar nicht! Respekt ist das Wort, das Sie verwenden wollten! Restriktion heißt Beschränkung! Die Grenze ist nicht imarginär, wenn Sie nur im Kopf existiert, sondern imAAHginär, ohne R! Rectal verrate ich Ihnen nicht, das Treffende heißt indes REAL. Insteril heißt unsauber, wenn die Konstruktion so überhaupt richtig ist, unsicher heißt inSTAbil. Und schließlich: Kontrakt ist ein Vertrag, ein Gebilde wird auch KONSTRUKT genannt! Sie sind absolut unfähig und vor allem unfähig zu erkennen, dass alle das klar sehen können und schon gegangen sind. Wie kann es Gerechtigkeit geben auf der Welt, wenn Sie von ihrem Job Leben können?? Welche Bildung haben Sie denn überhaupt?!"
Es ist unschwer zu erkennen, dass der große Stein von meinem Herzen in den Tümpel gefallen war und alles Wasser weggespritzt hatte.
- Aber er grinste immer noch. Er ging zu seinem Bürotisch und holte einen Packen Blätter hervor, den ich als meine detaillierten Angaben erkannte.
"Ich bin Diplom-Psychologe", er lächelte. "Aber es ist irrelevant, was ich bin, sondern es ist vielmehr memorabil, was sie sind. Sie glauben, sie sind zielsicher, aber ihre Sprüche sind sehr oft nur verletzend und salopp. Sie sind nicht akkurat, sie sind einfach nur rechthaberisch und lassen sich zu leicht provozieren. Die anderen beiden Herren und die Dame waren bezahlte Schauspieler, ich mache nur Einzelberatungen! Und sie hören gar nicht richtig zu! Den ganzen Tag versuche ich Ihnen nahe zu bringen, dass sich Größe zeigen lohnt; sie aber tun die ganze Zeit nichts, als sich auf ihre kleine Insel zurückzuziehen um mir zu beweisen, dass sie besser sind. Wenn es sie denn so sehr gestört hat, warum haben sie mich nicht vorsichtig beiseite genommen und mich darauf aufmerksam gemacht? Sie sind nicht an Konflikt-LÖSUNG interessiert, sie wollen ihn um jeden Preis gewinnen; still sammeln sie Waffen und hoffen auf die günstige Gelegenheit. Und falls das nicht funktioniert, rotieren sie um ihr kleines Problemchen bis zum jüngsten Tag. Sie könnten die ganze Welt sein, statt dessen lassen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes provinzieren, zu einem kleinen Landstrich degradieren..."
Nein, ich habe mein Geld nicht zurückverlangt. Natürlich nicht.
Ich habe die Comics Hannah gegeben und die Story von der Nürn auch. Ich hätte auf Katrin hören sollen, der Erfolg hielt sich in Grenzen. Und ich habe daraufhin die Idee mit den Socken-Comics speziell und dem Zeichnen allgemein begraben und ihnen nie mehr eine Träne nachgeweint. Dafür aber Hannah. Denn nun war der Anfangs-Schwung weg und sie hatte sich nicht verliebt.
(4) Gozo
Für alle, die es interessiert, Gozo ist die Schwesterinsel von Malta. Für alle, die es interessiert, ich fuhr hin mit der Frau, die ich liebe, Hannah. Zu meinem Bedauern liebt sie einen anderen, den sie nicht kriegt. Zu meinem Bedauern sehr. Für alle, die es interessiert, auch mich liebt eine Frau sehr, Katrin, zum meinem Bedauern hilft das kein bisschen. Katrin ist sogar meine Mitbewohnerin in der WG.
Im Flugzeug musste ich über Gott philosophieren. Wenn man sich in 10 Kilometern Höhe befindet, kommt einem alles unten nichtig und klein vor. Aus dieser Höhe kann ich verstehen, dass Gott ein liebender Gott ist, weil von hier oben alles winzig klein aussieht. Ich meine, es könnte doch sein, dass es lediglich eine Sache der Höhe des Wohnortes ist und zwar die spezifische Entfernung zur Erde. Meine Theorie bestätigt sich, als wir die Alpen überfliegen sind die Bergspitzen meinem Auge viel näher und ich kehre wieder zum Realismus zurück. Den italienischen Stiefel kann man aus 10 Kilometern Höhe in voller Breite sehen und ich finde alles da unten wieder unbedeutend. Das Essen wird serviert und ich behalte die Sichtweise bei, so ein winziges Schnitzel habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Da müsste man 5 Kilometer näher dran sein, um davon satt zu werden, aber ich bin gerade mal 5 Zentimeter davon entfernt, also bleibe ich hungrig. Hannah hat eine Vorliebe für Ingwer, sie neigt dazu, einen kleinen Spender in der Handtasche dabei zu haben, um es im Restaurant oder so stets vorrätig zu haben.
Wir landen auf dem Flughafen von Luqa auf der Hauptinsel Malta, der Taxifahrer empfängt uns, er öffnet mir die linke Tür und dann fällt mir ein, das Lenkrad sitzt rechts; hier fahren sie links. Auf Malta hat man beim Überqueren einer Straße dieses London-Gefühl, man schaut immer in die falsche Richtung und wird die permanente Angst nicht los, im nächsten Moment überfahren zu werden. Das riesige Häusermeer um Valletta herum haben wir auf Straßen umfahren, die in mir die Zuversicht keimen ließ, hier keinen einzigen tiefergelegten Wagen zu sehen. Kurz vorab, die Typen dazu gibt es dennoch zuhauf.
Auf der Fähre nach Gozo hatte ich dann die Eingebung, wie ich die ausweglose Lage überstehen konnte; ich musste den Schmerz durch einen stechenderen ersetzen: ich musste Nichtraucher werden.
Das erste, was man von Gozo sieht, ist der Hafen von Mgarr, sprich Mdscharr, und mit seinen breiten Schutzmolen derart beschützend, dass man unvermutet den Eindruck hat, nach Hause zu kommen und in eine liebevolle Umarmung hineinzulaufen. Nimmt man dazu den Anblick der oben auf den Berg thronenden, von Hunderten von Glühbirnen erleuchteten Kirche, so hat man keinen Zweifel mehr daran, dass die Katholiken viel von Inszenierung verstehen; der Eindruck ist so machtvoll, dass mir unverzüglich meine Sünden einfallen.
Malta und Gozo sind Felsen und das merkt man zu jeder Zeit. Es gibt kaum Grün, stattdessen die ganze Zeit über Staub und Steine. Wenn man Steine verkaufen könnte, wären die Malteser reich.
Wir kommen im Hotel in Marsalforn, sprich Marsalforn, an und checken ein. Die Malteser sind derart freundlich, dass man vergessen könnte, dass sie innerhalb der letzten 200 Jahre 2 Aufstände zuwege gebracht haben. Merke: freundlich und duldsam sind zwei verschiedene Dinge.
Zweiter Tag. Erbärmlich geschlafen, von Steinen geträumt. Ich war in einem amerikanischen Gefängnis, zwischen Lucky Luke, der beim Rauchen erwischt worden war und den Daltons beim Steineklopfen und wir allesamt versuchten, die zweite Strophe von „Stille Nacht“ zu singen, aber mir geht es wie jedem, ich kenne nur die erste. Als ich aufstehe meint sie, dass ich wohl eher beim Steinesägen war und geht. Katrin ist zum Tauchen hergekommen, ich will mir das Rauchen abgewöhnen.
Ich gehe raus zum Meer, zur Hafenpromenade. Es weht ein starker Wind und nachdem ich mich durchgerungen hatte, jetzt meine letzte Zigarette zu rauchen, brauchte ich vier Minuten, um sie anzuzünden. Ich stehe gut 5 Meter über dem Meer, sehe begehrenden Wellen zu, die immer wieder auflaufen und immer wieder zerbrechen.
Ich schreie die Wellen an: Kommt doch ihr Weicheier und holt mich! Aber sie schaffen es nicht so hoch. Ich stehe lange da, ziehe an der Kippe und sie schmeckt nach Salz. Sie haben mich subtil unterwandert, denke ich zerknirscht, blicke gedankenverloren in die See, sehe gebannt auf eine weitere Welle, die sich aufbaut und mich knapp verfehlt. Ich will gehen, als mir auffällt, dass sie meine Schuhe gekriegt hat.
Man soll Feuer mit Feuer bekämpfen, also hole ich mir ein Bier und setze mich ans Meer. Die weißen Schaumränder im dunklen Wasser erinnern mich an Bikiniränder und ich verspüre riesige Lust auf eine intime Liaison mit dem Meer. Welcher Mann wurde je von einer Frau umspült, überall berührt – das Meer tut es. Tief eintauchen, sich wie im Weltraum in 3D bewegen, eins werden. Einst kamen wir aus dem Meer und das Gehirn hat sich in Schichten entwickelt. Die Dino-Region ist die mit den Aggressionen, sie liegt nah am Ursprung; wo liegt die Delphin-Region? Die Naiv-Spielen-Region, die Unschuldigsein-Region? Man hat herausgefunden, dass Babys im Fruchtwasser lächeln können und es auch tun. Von Wasser umschlossen, Teil eines Großen sein, keine Verantwortung, schweben, vertrauen, da würde ich auch lächeln. Mir wird klar, dass ich da sein will, wo sie ist und bestelle mir noch ein Bier und zünde mir eine Zigarette an. Am Ende sind es vier Bier und ich habe Kette geraucht, die neue Kippe an der alten angezündet – wegen dem Wind. Und das alles vor 14 Uhr.
Ich gehe nach Hause und schlafe bis sie kommt. Danach gehen wir essen, sie erzählte begeistert vom Tauchen. Anschließend ist sie ins Bett, zum Tauchen muss man um sieben aufstehen, also ist sie noch vor neun eingeschlafen.
Dritter Tag. Wir schlafen in einem Zimmer, zwei Betten. Ich habe wieder schlecht geschlafen. Ich habe geträumt, dass ich ein, bei Asterix und Obelix eingeschleuster Römer bin, der entdeckt und nun dazu verdonnert wurde, von Troubadix die Handharfe zu lernen. Ich bin hoch oben auf dem Baum und bemühe mich, Falballa in der Ferne zu beeindrucken, aber ich bin zu nervös und jedesmal, wenn ich einen falschen Ton hervorbringe, kriege ich einen alten Fisch über den Kopf gezogen, fliege herunter und ein magischer Spiegel mit Cäsar im Bild sagt „homo iactus est“ – der Mensch ist gefallen.
Heute gehe ich wandern, die Steinfelsen rauf. Gozo und Malta sind wie gesagt, Felsen mit Steinen drauf. Und darauf Staub und darauf wiederum ich. Weit oben, jetzt eine Kippe rauchen, das wär’s. Aber ich habe keine mit. Früher gab es auf Malta ausgedehnte Wälder, aber aus Holz macht man Schiffe, also wurden die Wälder abgeholzt. Auf Malta war es der Johanniter- oder auch Malteserorden, in Griechenland die Athener, in Kroatien die Venezianer, in Schottland die Briten. Seefahrernationen, die Wald vorfanden und Steinwüsten hinterließen. Hätten sie doch eine Zigarettenschachtel hinterlassen! Ich fluche und gehe runter. Im Hotel rauche ich eine, sie schmeckt nach Staub.
Ich gehe duschen und denke an die Frau, die mich liebt. Ich frage mich, ob sie auch versucht, Nichtraucher zu werden, oder, in ihrem Fall, Raucher.
Ich beschließe, nach Victoria zu fahren, der Inselhauptstadt. Da in der Gegend befinden sich die neolithischen Wohnhöhlen. Im Klartext, die letzten Spuren des Matriarchats in Europa. Deswegen bin ich hier, das Matriarchat erkunden. Mich fragen, wie wahrscheinlich Doris Köpf als Bundeskanzlerin wäre, mit Gerhard Köpf-Schröder an ihrer Seite. Ich zeige einem Einheimischen die Karte von Victoria und frage ihn, wo genau wir sind. Der Mann lächelt freundlich und sagt „In Victoria.“ Merke: freundlich und kompetent sind zwei verschiedene Dinge. Wenn du als Tourist ausgefallene Wünsche hast, bist du so aufgeschmissen, als müsste man sich vor Gericht verteidigen. Ich kann mich noch lebhaft an London erinnern, wo ich an der Tourist Information versucht habe, das Monty Python-Haus ausfindig zu machen und um seine Unkenntnis zu übertünchen, hat mir der freundliche Herr höflich von den neuen Figuren bei Madame Tussaud’s erzählt.
Ich gebe mich nicht so schnell geschlagen und versuche es alleine, aber als ich einen großen Dobermann sehe, der herrenlos herumstreift, siegt die Angst über den Entdecker und ich kehre wieder um. Im Hotel treffe ich zwei Malteser, die mir erzählen, dass Malta und Gozo verschiede Atmosphären haben. Auf der Hauptinsel Malta herrsche das Geschäft, auf Gozo die Gemütlichkeit. Und dass ich doch zu den Gigantija-Tempeln gehen könne, die kenne jeder. Die wären zwar später erbaut worden, aber immer noch tausend Jahre vor Stonehenge oder gar den Pyramiden. Sie fragen mich, was es mit dem Matriarchat auf sich hat und ich erkläre es ihnen. Man hat herausgefunden, dass die Menschen als Nomaden friedlich waren; Kriege wurden erst erfunden, als die Menschen sesshaft wurden. Da fing dann Ackerbau an und es waren die Frauen, die sich damit auskannten. Und dass Frauen keinen Krieg führen, ist ein Märchen, die Geschichte mit den Amazonen ist als Relikt bis heute übrig geblieben.
Als er mich fragt, wieso ich mich für das Thema interessiere, gehe ich in meinen Mimik-Schrank, setze mein lockerstes Lächeln auf und sage im selbstverständlichsten Ton, den ich habe: Ich bin ein Mann, es ist normal, dass mich Frauen interessieren. Das klingt so entwaffnend naheliegend, dass es den Männern, die sich nicht für das Matriarchat interessieren, impliziert, dass sie sich nicht genug für Frauen interessieren. Und kein Hetero-Mann will sich sagen lassen, dass er sich nicht für Frauen interessiert.
Ich steige ins Jacuzzi, der in Deutschland Whirlpool genannt wird und genieße die Luftbläschen an meiner Haut, die mir ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern. Es dauert keine Minute, schon verschwimmt die Welt um mich herum zu einem bedeutungslosen Nichts. Das ist so ein Moment, da könnte ich sogar die vierteljährlich wiederkehrende wohlmeinende „wann finden Sie endlich eine liebevolle Frau, dass sie heiraten können?“-Frage meiner Hausordnungs-Putzfrau ertragen, ohne das brennende Bedürfnis zu haben, ihr ein „wenn Sie abnehmen“ wie eine Torte ins Gesicht zu werfen. Das Entwürdigende daran ist, dass ich mir jedesmal denke, „ich hatte gehofft, heute“. In einem Jacuzzi ist alles besser. Hier drin lächelt man sogar beim Anblick des Gehaltszettels; ich möchte Petrus’ Urteil über mein Leben in einem Jacuzzi übermittelt bekommen, die Lungenkrebsdiagnose sowieso.
Ich muss an Katrin denken, die mich liebt. Das tut sie schon seit Längerem, gesagt hat sie es mir vor einer Woche. Ich habe versucht, es ihr auszutreiben, ihr Dinge von mir erzählt, die Frauen nicht mögen. Sie antwortete: „Ich will dich nicht verändern, nur lieben.“
Als ich zurückkomme, ist Hannah schon da, sie erzählt begeistert vom Tauchlehrer und dann gehen wir essen. Wir essen jetzt zum dritten Mal in Folge Spaghetti Gozitana, diesmal wieder bei dem ersten Restaurant; hier schmecken sie am Besten. Kapern, Oliven und noch mehr. Hannah träufelt noch etwas fein geriebenen Ingwer drauf. Ich könnte glatt aufstehen, zum Koch laufen und ihn bitten, mir das Rezept zu geben, dafür würde ich jegliche Moral und Neigung ignorieren. Man möge mich nicht falsch verstehen, aber sie schmecken hier so gut, dass sie einen in eine andere sinnliche Dimension katapultieren.
Ich sehe mir den Ober an und hierbei insbesondere seinen Minihintern. Also, das werde ich an Frauen nie verstehen, wie kann man so was nur schön finden? Ich weiß, die meisten Frauen haben ein Problem damit, aber ich möchte hiermit eine Hymne auf das weibliche Becken intonieren. Frau muss in der Mitte wie Frau aussehen. Punktum. Ich habe das Foto der Frau, die mich liebt und ihr Foto ein paar Freunden gezeigt und alle sagten, dass jene, die in mich verliebt ist, schöner sei. Frauen und Männer und dann habe ich gefragt, warum. Und als Antwort kam – weil sie schlanker ist.
Vierter Tag. Freitag. Immer noch grauenhaft geschlafen. Geträumt habe ich, dass ich mit den Peanuts auf einem Piratenschiff war. Als Flagge dient Schröders Schmusedecke, der verzweifelt versucht, eine fürchterlich keifende geraubte Prinzessin, gespielt von Lucie, in den Griff zu kriegen. Charlie Brown stand als einäugiger Kapitän hinter dem Steuerruder, auf seiner Schulter Woodstock, der Vogel von Snoopy, der selber kläffend hinter mir stand und mich auf die Planke drängte, damit ich ins Wasser springe.
Heute bekämpfe ich das Rauchen mit Schokolade. Vollherb, mit ganz viel Kakao. Soll glücklich machen. Jede Nation, die etwas auf sich hält, hat ihre eigenen Süßigkeiten und ihren eigenen Alkohol. Frustwegpuster halt. Wenn Frauen Kummer haben, essen sie Süßes, Männer trinken Alkohol. Heute habe ich das „Sorry“ abgestellt, wenn ich jemanden anspreche, es heißt nämlich „Excuse me“. Sorry heißt nicht „Entschuldigung“, es heißt „Es tut mir leid“. Sprache, denke ich mir, während ich frühstücke. Das Mobiltelefon wird nur in Deutschland Handy genannt, in England heißt es „Mobile“ oder Amerikanisch „Cellphone“, kurz „Celly“. Die Malteser haben eine eigene Sprache, eine Mischung aus Italienisch und Arabisch. Aber die Zahlen sprechen sie Englisch aus. Hat sich wegen der Touristen eingebürgert. Wie die Griechen, die den Sirtaki aus dem Film „Alexis Sorbas“ übernommen haben, einfach so, für die Touristen. Der Tanz wurde extra für den Film erfunden und die Griechen haben sich gedacht; naja, wenn das Touris bringt, warum nicht?!
Die Alkohol-Spezialität hier ist Bier, nennt sich Cisk, sprich Tschisck, und schmeckt lecker; da merkt man die britische Kolonialzeit.
Die Süßwaren-Spezialität auf Gozo ist Nougat, ähnlich dem türkischen Nougat, hier wird er in stattlichen 150-Gramm-Barren verkauft. Ich esse umso mehr, je mehr ich das Bedürfnis nach Nikotin verspüre, aber ich habe nur 2 gekauft und so muss ich auf Eis umsteigen, dass ich jetzt auf dem Weg zum Strand verputze. Am Ende sind es drei Eis und ich kriege Bauchschmerzen. Die Zigarette schmeckt nach Vanille.
Am Abend waren wir essen, sie erzählte begeistert vom Tauchgebiet. Sie will mich für Scuba-Diving, das ist Tauchen im Pool, begeistern. Ich winke entschieden ab, da gäbe es nichts zu sehen. Ich gebe doch keine 25 Euro aus, um Kacheln zu sehen!
Die Gozitanerinnen selber versprechen und halten nichts. Hier hat der Vatikan die Hand drauf; es ist hier absolut nicht üblich, vor der Verlobung sexuelle Aktivitäten das Jungfernhäutchen betreffend zu entwickeln.
Die Männer auf Gozo reagieren auf die einheimischen Mädels dadurch, dass sie recht beachtliche Energien bezüglich den Touristinnen entwickeln. Nicht plump, eher äußerst bemühend. Wir sind in der Disco und sie ist gerade das Objekt der Begierde. Die Disco heißt „La Grotta“ befindet auf der anderen Seite der Insel, in Xlendi, sprich Schlendi, und liegt traumhaft an einer Felsbucht in selbstmordgefährlicher Höhe; der Innenbereich ist sogar in den Felsen gehauen. Die Örtlichkeit ist der Traum, was ich mir gerade anschauen muss, ist hingegen der Horror eines jeden Verliebten. Hera Lind in der Verfilmung eines japanischen Autorenfilmers mit Turkish Pop als musikalische Untermalung wäre leichter zu ertragen.
Ich habe Phantasien, zu der brusthohen Begrenzung zu laufen und dann darüber hinaus elegant die Klippe herunter zu springen, aber es würde sowieso nicht klappen. Immer, wenn ich versuche, cool zu sein, geht das in die Hose. Womöglich ist dahinter noch nicht die Klippe und ich lande auf dem Felsen. Es gibt nichts Entwürdigenderes, als einen heroischen Liebeskummer-Selbstmord perfekt zu inszenieren, nur um hinterher von der Frau, wegen der man es tun wollte, seine Schürfwunden verarztet zu bekommen.
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