Kitabı oku: «Geh's noch Gott?», sayfa 2
Was ist das Geheimnis eines erfüllten Lebens?
Wer Mensch wird, der hat es die ersten neun Monate echt gut! Der wird rundum versorgt und entwickelt sich und muss sich um gar nichts kümmern. Er wird durch die Gegend getragen, hört Geräusche und kommt so langsam ins Leben. Das nennt der Psychoanalytiker Sigmund Freud die intrauterine Einheit des Kindes mit der Mutter. Das Kind ist ganz eins mit der Mutter, und dann kommt der Trennungsvorgang während der Geburt. Da lernt das Kind, dass es eben nicht die Mutter ist, sondern ein eigenständiger Mensch. Und es muss langsam lernen, Schritt für Schritt, dass dieses rundum erfüllte Leben, diese Rundumversorgung, nicht Leben ist. Sondern Leben ist, dass ich aus dieser Rundumversorgung heraus in meine Aufgabe hineingeboren werde, in eine Welt, die mich auf gar keinen Fall so befriedigen wird wie meine Mutter es im Mutterschoß getan hat.
Alice Miller, die große Kinderpsychologin, hat darüber lange geforscht, wie der Individuationsprozess im menschlichen Leben geht, das heißt wie ein Kind merkt, dass es nicht Mama ist. Das geht dann schon los, wenn es Hunger hat und die Brust nicht sofort kriegt. Warten … Hunger haben … nicht sofort den Wunsch erfüllt kriegen. Es gehört mit zu einer guten Erziehung, dass ich Schritt für Schritt einem Individuum, einem Wesen, einem Menschen klarmache: Die Welt ist nicht dazu da, dass sie dir zu Füßen liegt wie die Plazenta, an der du angedockt warst. Wenn ich das richtig beobachte, erlebe ich Menschen, die das Gefühl haben: Eigentlich ist die Welt dafür da, dass sie mir alle Wünsche erfüllt. Miller hat in ihren Untersuchungen festgestellt, woran das liegt, dass Menschen sich nicht wirklich von dieser tiefen Sehnsucht verabschieden können, dass ihnen immer alles zu Füßen liegen muss: Wenn es nämlich zu traumatischen Erfahrungen kommt, wenn also dieser Prozess der Abnabelung nicht Schritt für Schritt passiert, sondern wenn Kinder aus vertrauter Elternbeziehung herausgerissen werden, weil sie zum Beispiel wegen einer Krankheit in Krankenhäusern sein müssen. Dann werden sie zu schnell in das Unversorgtsein, zu schnell in diesen Zustand, dass die Wünsche nicht alle erfüllt werden, hineingerissen. So kommt mir das manchmal wirklich vor, wenn ich Menschen begegne, die eine wahnsinnige Vorstellung davon haben, was ein erfülltes Leben ist.
Was ist denn ein erfülltes Leben? Ein erfülltes Leben kann meines Erachtens nicht daher kommen, dass ich alle Wünsche erfüllt bekomme. Sondern ein erfülltes Leben fängt da an, wo ich es schaffe, aus diesen Wünschen in die Hingabe zu kommen. Wenn es mir gelingt, aus diesem Ich-Bezug (Alles für mich!) auszusteigen und zu erfahren, dass, wenn ich der Welt oder den Menschen etwas gebe, wenn ich einen anderen Menschen glücklich mache, dieses Glück dann zu mir kommt. „Vom Geben ist noch keiner arm geworden“, hat unsere Großmutter gesagt, weltkriegserfahren. In dieser Erkenntnis steckt eine ganz alte, tiefe Menschheitserfahrung: dass ich dann am erfülltesten lebe, wenn ich mich auspowere. Das kann man im Fitness-Studio ja sehen: Die Leute powern sich aus, die Jogger powern sich aus und merken, dass sie tolle Sachen machen können! Das hat letztlich mit unserer Grundstimmung zu tun: Wenn wir sinnvoll Kraft verströmen, werden wir stärker. Was heißt sinnvoll? Das Wort Sinn heißt ja, dass ich einen Weg gehe, wo ich ein Ziel vor Augen habe, das ich verfolge. Ein erfülltes Leben ist deswegen nach der Aussage der alten Asketen dann zu finden, wenn ich mich beschränke um einer guten Entscheidung willen, für die ich alle Kraft einsetze.
Auf der Suche nach einem erfüllten Leben ist es deshalb wichtig, dass ich erst mal alle Träume, die ich habe, in den Schrank stelle – alles, was hätte sein können, hätte sein müssen in meinem Leben und mit vielen Ansprüchen an andere: an die Welt, an die Sonne, an den Kosmos, an den lieben Gott und sonst wie. Dann ist Zeit, mich zu fragen: Für wen oder für was will ich mich eigentlich einsetzen? Ich weiß aus vielen Gesprächen natürlich auch, dass man nicht einfach wie in einer Art Supermarkt auswählen kann, für dies und für das möchte ich mich einsetzen. Du hast ja selber schon genug Herausforderungen in deinem Leben, aber du kannst den Umgang mit ihnen bestimmen. Du wirst ein erfülltes Leben finden, wenn du in der Lage bist, in aller Freiheit dir als deine Aufgabe anzueignen, was sich dir in den Lebensweg stellt.
Ich begleite Eltern, die behinderte Kinder ins Leben hineinführen, und für die war das natürlich eine große Herausforderung, das anzunehmen. Sie erzählen mir dann auch manchmal, dass es durchaus so unerleuchtete Zeitgenossen gibt, die sich nicht entblöden, den Eltern zu sagen: „Das ist ja auch wirklich eine große Belastung, immer dieses Kind zu umsorgen.“ Die Eltern haben dann alle Hände voll zu tun, dem Gesprächspartner zu sagen: „Es ist schon nicht immer leicht, aber es ist eine für mich erfüllende Aufgabe, dem Leben so zu dienen, wie es mir geschenkt worden ist.“ Wow, was für ein Satz, oder? Dem Leben so zu dienen, wie es mir geschenkt worden ist.
Seien wir doch mal ehrlich: Haben wir uns die Sachen ausgesucht? Ja, ich habe auch eine Grundentscheidung getroffen, dass ich in einen Orden eintreten will. Aber was mir da alles passiert ist und was es da an Herausforderungen gibt, das habe ich mir weiß Gott nicht ausgesucht. Doch ich nehme es an, weil es mit dieser Grundentscheidung zusammenhängt. Und es kann ein erfüllendes Leben sein, wenn ein Partner / die Partnerin beim Unfall querschnittsgelähmt wurde. Sie jetzt die nächsten dreißig Jahre einfach zu umhegen, zu umsorgen und mit ihr auf dem Weg zu sein. Das kann ein erfülltes Leben werden, wenn der Partner diese Aufgabe wirklich in Freiheit angenommen hat, diesen Menschen ein Leben lang begleiten zu wollen. Das ist doch das, was uns immer wieder zum Staunen bringt: dass es Menschen gibt, die einfach bei ihrer Sache bleiben und sich weiter drum kümmern. Sie sagen nicht: „Ich bin dann mal weg!“ und denken sich, das Gras auf der anderen Seite des Zaunes sei grüner, da würde man schneller ein erfülltes Leben finden.
Ich kenne leider auch Menschen, die schon das dritte Studium angefangen haben und immer noch nicht fühlen, dass sie ein erfülltes Leben damit finden können und jetzt schon neunundzwanzig geworden sind. Da kann ich nur sagen: „Was du auch wählst, es ist sowieso das Verkehrte. Denn was glaubst du denn, was es alles für Dinge gibt, die du erleben musst?“ Aber das ist eben überall so: Es gibt ja nicht irgendwo eine Insel, auf die ich hingehen kann und dort ist dann das Schlaraffenland, der Mama-Schoß, wo ich alles so bekomme, wie ich es gerne hätte. Nein, das Leben ist Konflikt und Auseinandersetzung, und es wird ein erfülltes Leben werden, wenn ich das als meine Aufgabe mit einer gewissen Portion Humor annehme.
Für mich bedeutet dieser Humor, den ich vom Heiligen Franziskus lerne und den ich in meinem Leben verwirkliche, daher, dass ich in meinem Glauben wie manchmal von einer höheren Warte aus mein Leben betrachte und denke: „Ja, es läuft jetzt so. Wenn es jetzt anders laufen würde, würde es halt anders laufen. Aber Herausforderungen bleiben überall. Und es ist doch zum Lachen, wie ich manchmal aus emotionalen Gründen und weil sich auch manches an Ängsten aufbaut, aus einer Mücke einen Elefanten mache. Aber ein erfülltes Leben ist ein Leben voller Konflikte, voller Versöhnung, Streit, Hunger, Durst, schönes Abendessen, toll was trinken … Die Fülle des Lebens ist doch eigentlich das erfüllte Leben. Und wer bin denn ich, dass ich darüber richten kann, was ein bisschen erfüllter ist und was ein bisschen weniger erfüllt?“
Also: Mach deine Aufgabe. Zum Abschluss möchte ich Michael Endes tollen Roman Momo zitieren: Denk an Momos Gespräch mit dem Straßenkehrer. Was macht der Straßenkehrer? Der macht einmal Strich … und Strich … und Strich … und streicht mit seinem Besen über die Straße und ist ein wunderbar erfüllter Mensch und hat alle Hände voll zu tun, damit die grauen Herren, die Zeitfresser, ihm das Leben nicht madig machen.
Ich wünsche dir, dass du in dem, wo du gerade bist, auch in dem Mangel, den du gerade erlebst, wo du gerade denkst: Hach, ich habe eben kein erfülltes Leben!, den Vogel siehst, der vielleicht gerade vor deinem Fenster sitzt und singt. Dann denk dir: Der singt jetzt grrade nur für mich! Das könnte ja vielleicht der Anfang sein, dass du siehst: Die Fülle kannst du dir nicht machen. Sie wird dir geschenkt.
Ein erfülltes Leben kann nicht daher kommen, dass ich alle Wünsche erfüllt bekomme.
Sondern ein erfülltes Leben fängt da an, wo ich es schaffe, aus diesen Wünschen in die Hingabe zu kommen.
Was ist Glück?
Ich finde, wir müssen mal über das Glück reden. Es wird uns zum Beispiel „ein glückliches neues Jahr“ gewünscht, wir machen Glückwünsche zum Geburtstag oder
zu was auch immer – es wird ständig Glück gewünscht. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob alle Menschen das Gleiche meinen, wenn sie das Wort „Glück“ sagen.
Was ist eigentlich Glück? Meine Definition von Glück fängt damit an, dass ich sage: Glück ist das Unerwartete. Glück ist genau das, womit ich nicht gerechnet habe. Glücklich macht mich nicht, wenn ich das kriege, was ich mir gewünscht habe – das ist ja komisches Glück. Wenn ich das kriege, was ich mir gewünscht habe, dann kommt ja nichts Neues in mein Leben. Ich habe meine Wünsche, die sage ich auch und dann werden sie mir erfüllt. Na super. Glücklich macht mich das nicht.
Glücklich macht mich, wenn ich überrascht werde, wenn ich beglückt werde, zum Beispiel: „Boah, hätt’ ich ja nie gedacht, dass ich das im Urlaub erlebe!“ oder „Diese Musik spricht mich so an, unglaublich“ oder „Dass du mit mir jetzt so lange Zeit verbracht hast, macht mich superglücklich!“ und „Dass ich diesen Ort gefunden habe, mit dem ich überhaupt gar nicht gerechnet hatte, macht mich superglücklich!“. Das ist das Glück, was ich Menschen wirklich wünsche. Und damit wünsche ich ihnen auch ein Überraschungsherz. Ich finde, es mangelt in unserer Welt an Überraschungsherzen. In einer Welt, in der alle möglichen Erwartungen an Menschen gerichtet werden und Erwartungen erfüllt werden müssen, fehlt es an einem Überraschungsherzen. Einem Herzen, das sich eben nicht überlegt: Was erwarte ich von dem anderen? Was erwarte ich vom Leben? Was erwarte ich von meiner Frau? Von den Kindern? Was erwarte ich hier und was erwarte ich da? Stattdessen frage ich mich: „Bin ich noch bereit, mich überraschen zu lassen von meiner Frau?“ Oder sage ich mir: „Die hat schon wieder nicht gekocht, was ich mir gedacht habe!“ Oder: „Die Jungs haben schon wieder nicht ihr Zimmer aufgeräumt, wie ich mir das vorgestellt habe!“ Oder: „Das Auto ist immer noch nicht aus der Werkstatt so wiedergekommen, wie ich es mir gedacht habe.“ Eine Miesepeterigkeit ohne Ende stelle ich bei vielen Menschen fest. Sie sind nicht mehr bereit, als Glücksdetektive durch die Welt zu gehen und zu sagen: „Ich möchte gerne mal entdecken, wo ich gerade beglückt werde“ – in der Straßenbahn, auf dem Bahnhof, beim Spazierengehen, durch die Sonne, durch den Frost, durch den Wind, durch den Regen … Ich lasse sehr viele Momente in meinem Leben insofern an mich heran, dass ich mich frage: Wie wollen die mich gerade beglücken? Glück ist so was wie die Erfahrung von einer Zusammengehörigkeit in einer Welt, die wir nicht in der Hand haben, so wie wir auch unser ganzes Leben nicht in der Hand haben. Und glücklich werde ich da, wo ich bereit bin, das zu bejahen. Wenn ich sagen kann: Die Welt kommt mir entgegen, und sie beschenkt mich. Sie beschenkt mich in einer Weise, dass ich wieder neu nachdenken kann über die Welt, über mich, über das Leben. Sie erneuert mich ständig.
Für mich ist einer der größten Glücksmomente, in eine Ausstellung zu gehen und mir dann eine Viertelstunde lang ein Bild anzugucken. Währenddessen überlege ich: „Wie berührt mich jetzt dieses Bild oder dieses Kunstwerk?“ Oder ich sitze in einer Oper und denke mir: „Wahnsinn, wie da zusammengespielt und -gearbeitet wird! Das macht mich jetzt wirklich glücklich in einer Weise, wie ich es gar nicht erwartet hätte.“ Manchmal erlebe ich das auch im Gebet. Ich bete dann oder bin in der Stille, in der Meditation, und dann habe ich manchmal diesen Eindruck: Ich bin jetzt ganz in Gemeinschaft mit dem, der mich geschaffen hat und mit dem ich unterwegs bin. Das ist einfach toll, und das ist Glück.
Glück ist: Ich fühle mich zugehörig zu der Welt, in der ich bin. Und Glück heißt für mich: Ich kann die Welt wahrnehmen, wie sie mich beschenkt, wie sie mich herausfordert, wie sie in Kommunikation mit mir ist, wie sie mich zum Wachsen bringt.
Ein anderer Aspekt des Glücks, den ich auch wichtig finde, ist, dass ich durch die Welt gehe und der Welt etwas schenken kann. Mich macht es ja nicht nur glücklich, wenn ich etwas erhalte, etwas bekomme, etwas mitbekomme, sondern dass ich auch etwas geben kann. „Vom Schenken ist noch keiner arm geworden“, hat meine Großmutter gesagt. Dahinter steckt die tiefe Erfahrung: Weil ich ein Empfänger bin, will ich gerne auch ein Geber, eine Geberin sein. Ich will auch etwas von mir loslassen. Es macht mich zum Beispiel glücklich, wenn ich mit Menschen im Gespräch bin und mir Menschen zuhören, die ich gar nicht kenne und die bereit sind, meine Meinung aufzunehmen. Oft haben diese Menschen eine Haltung wie: „Ich lasse mir jetzt einfach mal was sagen.“ Wenn ich mir für die Menschen Zeit nehme, macht es mich glücklich, weil ich in Kontakt mit ihnen bin. Und ich hoffe, die Menschen spüren, dass ich das tatsächlich mit Freude mache und mit Freude für sie da sein will.
Glück bedeutet für mich also nicht: „Das hab ich jetzt, und dann pack ich das ein, und dann lebe ich so weiter.“ Nein, das ist für mich wie eine Art Fluss, in dem ich gehe, stehe, bade. Ich schwimme da drin, ich gebe das Meinige, ich werde umspült von anderen. Wenn man mich fragt, könnte ich sagen: Ich bin tatsächlich ein glücklicher Mensch, weil ich aufgehört habe, mir zu überlegen, was mich glücklich machen könnte. Das wäre auch mein Rat an dich, wenn du glücklich werden willst. Glück kann man nicht anstreben. Du kannst nicht sagen: „Heute will ich mal überlegen, wie ich mich glücklich machen will.“ Das geht nicht. Ich will jetzt nicht gerade sagen: Bleib unglücklich! Aber ich wünsche dir eine Haltung, die sagt: „Ich packe das Leben jetzt an, wie es sich mir anbietet. Leider ist dies nichts geworden, leider ist das nichts geworden und hier ist auch etwas kaputt gegangen. Etwas funktioniert nicht. Aber ich kann über diese Dinge herrschen. Ich kann sie verwandeln, wenn ich sie als meinen Auftrag annehme, und ich kann jetzt und heute einen neuen Schritt anfangen.“ Das ist ein Vermögen, aus dem, was das Leben uns anbietet, etwas zu bauen, was uns weiterbringt. Auf einer Spruchkarte heißt es: „Die Steine, die uns in den Weg gelegt werden, können wir zum Fundament machen, auf dem wir unser Leben aufbauen können.“
Wenn du das so siehst, dann wirst du auch glücklich sein und Glück erfahren können. Noch einmal: Nimm bitte nicht die Haltung ein: Bin ich schon glücklich? So wird keiner glücklich! Glücklich wird, wer die Alltagsaufgaben, die ihm angeboten sind, die ihm aufgelastet sind, für die er herausgefordert ist, wenn er diese Aufgaben als Möglichkeit nimmt, zu wachsen an Kräften und an Ideen. Wenn er sie annimmt als eine Aufgabe der Liebe. Der Liebe nämlich zur Welt, der Liebe zu sich selber, der Liebe zu Gott – denn als gläubiger Mensch schreibe ich ja hier. Gebet ist für mich vor allen Dingen, dass ein Gott mit mir durchs Leben geht, der mir in allen Situationen meines Lebens einen Anlass gibt zur Auferstehung. Für mich ist das größte Glück, dass ich immer neu einen Grund habe, aufzustehen und die Situation zu beherrschen. Meine Ängste, meine Trauer, meine Freude, meine Möglichkeiten, meine Unmöglichkeiten – das alles gehört für mich zusammen und ich möchte alles zu dem weitertreiben, was der nächste Lebensschritt ist.
Ich weiß nicht, ob dich das jetzt gerade glücklich macht, wenn ich dir das so sage, aber dein Alltag, den du gerade lebst, das ist der Ort, an dem du glücklich werden kannst. Glaub mir!
Glück heißt für mich: Ich kann die Welt wahrnehmen, wie sie mich beschenkt, wie sie mich herausfordert, wie sie in Kommunikation mit mir ist, wie sie mich zum Wachsen bringt.
Wie definierst du Erfolg?
„Erfolg ist keiner der Namen Gottes.“ So hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber einmal gesagt. Und trotzdem sprechen heute alle Menschen davon, dass sie Erfolg haben wollen. Wenn ich dann nachfrage: „Was ist eigentlich ein Erfolg für dich?“, dann gibt es die Gruppe von Menschen, die antwortet: „Wenn ich viel Geld verdiene, wenn ich mir was leisten kann, wenn ich mir keine finanziellen Sorgen machen muss – dann ist mein Leben erfolgreich.“ Eine zweite Gruppe von Menschen sagt: „Erfolg ist für mich eigentlich, wenn ich in einem Beruf gelandet bin, der mir richtig Spaß macht, in dem ich aufgehe, in dem ich Erfüllung finde, in dem ich mit Menschen zusammen bin und der Menschheit dienen kann – wenn ich das geschafft habe, ist das für mich ein Erfolg in meinem Leben.“
Aber es gibt auch noch einen anderen Erfolg, von dem Leute reden: „Ich habe einen persönlichen Erfolg, weil ich die Partnerschaft gefunden habe, in der ich mich wohlfühle, in der ich mich hingeben kann, die sich auch so entwickelt, dass ich mitgehen kann. Außerdem habe ich Kinder. In meinem privaten Umfeld bin ich erfolgreich, denn es klappt gut im Gespräch mit meiner Frau, wir können Konflikte durchstehen, die Kinder kann ich gut begleiten, sie haben Vertrauen zu mir – das ist für mich Erfolg.“
Und es gibt auch noch Menschen, die sagen: „Erfolg habe ich dann, wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin, wenn Kameraden da sind, wenn Menschen da sind, auf die ich mich verlassen kann. Wenn mir das gelungen ist, ist das für mich auch schon Erfolg.“
Es gibt bei dem Wort „Erfolg“ sehr unterschiedliche Kategorien: die berufliche, finanzielle, private, familiäre Kategorie und das Freundesumfeld – überall da kann ich erfolgreich sein. Menschen fragen dann: „Und wie werde ich so erfolgreich? Wie schaffe ich das dann?“ Hier erlebe ich, dass viele Menschen sich verrennen und sich daraus einen großen Stress ins Leben holen. Menschen verbinden mit dem Wort „erfolgreich“ meistens das Wort „Stress“ und oft auch noch den Satz: „Ich muss mir etwas antrainieren, was ich eigentlich gar nicht so kann und habe, damit ich endlich erfolgreich bin.“ Oder sie meinen, noch zu einem Seminar gehen oder irgendwas lesen oder beten oder anhören zu müssen. Sie haben den Eindruck, sie müssten in ihrem Leben etwas machen, was sie eigentlich vielleicht nicht täten. Es gibt Menschen, die dadurch unter einem regelrechten Erfolgsstress leiden, weil sie Leib und Seele nicht mehr zusammenbringen. Die tun dann Sachen, die gar nicht mehr zu ihnen passen. Ich sehe Leute in einem viel zu engen Jogginganzug durch den Park joggen – eine Karikatur ihrer selbst. Oder ich sehe Menschen, die in irgendwelchen Ausstellungen und Museen stehen, weil sie gehört haben, man muss ins Museum gehen, um mitreden zu können. Da stehen sie dann vor einem Bild wie der Ochs vorm Berg. Oder sie begeben sich auf Wanderschaft in Wanderklamotten, die sie sich im Katalog ausgesucht haben, aber irgendwie merken sie: Das passt gar nicht zu ihnen. Das gibt’s auch im Urlaub. Ich könnte mich totlachen, wenn Leute „ganz erfolgreich“ Urlaub machen wollen und dann einen Urlaubstag nach dem anderen abarbeiten und dabei ein Gesicht machen, als wäre sieben Tage Regenwetter.
Erfolg ist etwas, was den Menschen dann anfängt zu stressen, wenn es zu einer Außenbestimmung wird. Wenn mir Ziele vorgegeben werden, von denen ich denke, dass ich sie erreichen muss: Ich muss jetzt im Urlaub so glücklich werden wie das in den Prospekten steht! Oder: Ich muss jetzt so viel auf der hohen Kante haben wie das die Lebensplaner vorsehen! Oder: Ich muss die Zensuren haben, von denen sich Menschen ausgedacht haben, dass man sie haben muss! Ich muss so dick, so dünn, so klein, so groß, so ich-weiß-nicht-was-alles sein, um einer Norm zu entsprechen. Der Tod aller Lebendigkeit ist ein Erfolg, den man haben will, weil einem andere Menschen das vor Augen gestellt haben.
Darum ist für mich Erfolg nicht das, was ich mir erarbeitet und wo ich mich angestrengt habe, wo ich mich sozusagen verbogen habe, sondern wo es mir gelungen ist, den Pfad des Lebens zu finden, auf dem ich mich entfalten kann – und das mit ganzer Hingabe. Erfolg hat für mich vor allen Dingen mit Hingabe zu tun. Mit der Bereitschaft, etwas mit ganzem Herzen, mit ganzer Kraft, mit ganzem Verstand zu tun. Vielleicht kommt dir das irgendwoher bekannt vor – es ist aus der Bibel. Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand. Und das hat für mich mit Erfolg zu tun. Erfolg bedeutet, mich mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Verstand wirklich an eine Sache geben zu können, die dann zu einem Ergebnis führen kann. Klar, es ist auch schön, wenn man damit was verdienen kann, wenn man damit Freunde gewinnen kann, wenn die Familie zufrieden ist. Schön, wenn das alles auch geschieht. Aber letztlich ist der Maßstab, dass ich etwas mit Erfolg gemacht habe, dann doch nicht der Applaus der anderen, sondern die Übereinstimmung des Ergebnisses mit meiner Seele. Dann bin ich erfolgreich.
Ein bisschen spitz gesagt: Der wirklich erfolgreiche Mensch kann ganz gut auch einsam sein mit seinem Erfolg und sich still vergnügt hinsetzen und sagen: Ich hab’s geschafft! Wenn andere das gut finden – super! Wenn andere mich auch noch dafür bezahlen – super! Wenn meine Freunde mit mir einverstanden sind – toll! Aber der wirkliche Erfolg ist doch der, dass ich etwas durchgestanden habe, weil ich gemerkt habe: Ich muss das jetzt einfach durchhalten. Nicht, weil ein anderer das sagt, sondern weil ich damit in Treue zu mir selber war, in Treue zu meinen Aufgaben, in Treue auch zu meinem Dienen-Wollen für andere.
Mir begegnen in der Seelsorge Menschen, die wirklich tolle Sachen getan haben! Ich erinnere mich, dass ich einmal als Seelsorger in eine Familie gerufen wurde, weil der Sohn mit einundfünfzig Jahren verstorben war. Die Eltern, jetzt achtzig und zweiundachtzig, hatten ihn achtundzwanzig Jahre lang bei seiner Multiplen-Sklerose-Krankheit begleitet. Im Haus und im Garten hatten sie alles für ihn umgebaut, von morgens bis abends alles für ihn getan, ihm Essen gereicht. Nachts hatte die Mutter immer in seinem Zimmer geschlafen, weil er oft Atemprobleme hatte. Und das die ganze Zeit. Die Mutter erzählte mir, dass sie einen Oberschenkelhalsbruch hatte und nach einer Woche nicht in die Reha ging, sondern nach Hause, um wieder bei ihrem Sohn zu sein. Und sie wirkte derart zufrieden dabei – auch als wir dann um den Leichnam dieses Menschen saßen, dass ich gemerkt habe: Das sind wirklich erfolgreiche Eltern. Die können den ganzen Tag sagen: Wir sind mit unserem Gewissen im Reinen, wir haben nie Urlaub gemacht, wir sind nirgendwohin gefahren, wir waren immer nur hier, und uns fehlt gar nichts!
Zusammenfassend würde ich sagen: Ein erfolgreicher Mensch ist im Grunde jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist und der sich in dieser Zufriedenheit sagen kann: Ich habe das Menschlichste getan, was Menschen tun können, nämlich in Verbundenheit mit anderen Menschen gelebt. In Verbundenheit mit der Schöpfung. In Verbundenheit – ich sag jetzt mal – mit Gott. Und wenn du nicht an Gott glauben kannst: in Verbundenheit mit dem, was uns alle umgibt. Und in dieser Verbundenheit habe ich mich ganz eingebracht. Ich fühle mich sozusagen als einer, der eingebunden ist in der Vielheit. Von daher ist für mich Erfolg nicht, dass ich mich rauskatapultiere in einer Art Hitparade im Sinne von: „Ich krieg jetzt den Nobelpreis für Nächstenliebe“ oder „Ich krieg jetzt eine Auszeichnung, dass ich der absolute Hyper-Mönch bin“ oder „Ich habe jetzt die allermeisten Follower“. Schön, wenn es das auch alles gibt. Aber der schönste Erfolg ist doch der, dass ich mir sagen kann: Ich habe getan, was ich tun musste. Ich habe vollbracht, was mir aufgetragen ist. Ich habe einfach und schlicht meinen Dienst getan. Das ist vielleicht ein schweres Wort und schon gar nicht vereinbar mit dem Wort „Erfolg“, aber eigentlich ist es genau das: Der erfolgreichste Mensch ist einer, der seinen Mitmenschen gedient hat und der in diesem Dienst an den anderen ein Einverständnis hat mit sich selber und den anderen – mit einem Wort: Der Erfolgreiche ist der zufriedene Mensch.
Ein erfolgreicher Mensch ist jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist und der sich in dieser Zufriedenheit sagen kann: Ich habe das Menschlichste getan, was Menschen tun können, nämlich in Verbundenheit mit anderen Menschen, mit der Schöpfung, mit Gott gelebt.