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Kitabı oku: «Neues Altes», sayfa 5

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SOMMERABEND IN GMUNDEN

Wir, die nicht genug haben an den Taten des Alltages, wir Ungenügsamen der Seele, wir wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden Blick richten auf die Wellensymphonien des Sees, auf den Frieden überhängender Weidenbäume und die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasserpflanzen!

Auf die Menschen wollen wir unsern impassiblen Blick richten, mit ihren winzigen Tragödien und ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer Verachtung wollen wir nichts zu tun haben, und mildes Lächeln soll der Panzer sein gegen ihre Armseligkeiten!

Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen wir nachblicken, dem Spiele adeliger Gebärden und der Noblesse ihrer Ruhe! Ein Arm auf einer Sessellehne, eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten des Kleides bei Regenwetter, süßes kindliches Bacchantentum bei einem Quadrillefinale, wortloses Erbleichen und wortloses Erröten, stummer Haß und stummes Lieben, und alles Auf und Ab der eingeschüchterten und zagen Menschenseele – das, das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns hineintrinken und daran wachsen!

Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen die Anderen enttäuschungsschwangeren Zwecken entgegen, und ihre Seele bleibt ungenützt, verdirbt, schrumpft ein, stirbt ab!

Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht beim Toscana-Garten steht Schilf, und Weiden, und Haselstauden hängen über, ein Vogel flüchtet, und alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel zieht herüber, du lässest die Ruder sinken, und niemand, niemand stört dich!

ÄSTHETEN

Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen gelernt, einen jungen Mann und seine junge Gattin. Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen Schmuck. Sie leben im Tessin, am Lago Maggiore, in einem alten Steinhaus inmitten eines Edelkastanienurwäldchens. Jeder Satz, den sie äußert, ist ganz tief aus dem Geiste der Menschheit herausgeschöpft. Was sind eigentlich Ästheten, die uns brutaleren, zynischeren Naturen doch gänzlich ferne liegen?! Es sind Organisationen, bei denen sich die Urinstinkte völlig in Betrachtung und Genießen der zahllosen wertvollen Dinge der Welt aufgelöst, ja verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir noch wie böse Tiere hie und da unterworfen sind, sind nicht mehr in ihnen. Der Friede ist in sie eingezogen, durch den ewigen Anblick von Gottes Weltenschönheiten, Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen blicken verklärter als alle anderen, denn ihr Reich ist, trotz allen Anscheins, nicht hienieden. Sie werden erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung; deshalb blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein – . Jeder Mensch kann sich aus eigener Macht zu einem geistig-seelischen Organismus hinaufgestalten; und er und seine Umgebung hätten den Vorteil davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten sind, für brutale Organisationen betrachtet, wie gebrechliche Spielzeuge des Lebens, in linden Lüften und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich verwundet von jedem rauhen Wort sogar. Es gibt Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie auszusprechen wagte. Man muß durch sie von selbst ein feinfühligerer Mensch werden im Augenblick, obzwar man sich natürlich dadurch beengt fühlt. Aber mit Jeanne d’Arc hätte man ja auch nicht ungezogen oder sexuell sein können. Um gewisse Organisationen lagert eben die Atmosphäre Gottes, und da erlischt dann allmählich in den Augen des Lebenszynikers sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil ihnen! Sie haben mehr gesegneten Frieden als wir anderen, wir Barbarischen – . Sie sind »Naturmenschen« einer erhöhteren, erst anbrechenden Kultur, die dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur werden wird! Ästheten sind übertriebene Vorläufer einer gottgefälligeren Seelenentwicklung!

ERINNERUNG

Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen und edlen Sträuchern. Es ist kühl und schattig. Aber damals war es eine endlose graue Wiese mit eingetretenen staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen. Eines Tages stand eine grüne Bretterbude da, das erste Wandelpanorama in Wien, genannt »Der Rigi«. Es roch nach Öllämpchen, und mein Hofmeister und ich saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen. Der Rigi und alle Seen und Bergesketten zogen an uns vorüber, zu den Klängen eines italienischen Werkels. Dann wurde es allmählich finster, und die Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren ausgeschnitten und dahinter Licht. Das gefiel mir. Später machten wir eines Tages die erste Pferdetramwayversuchsfahrt mit, vom Schottenring bis Dornbach. Es fiel mir auf, daß es fortwährend klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken nicht zu beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich und unsicher und glaubte nicht recht daran, daß es sich einbürgern werde.

Die Sonntage wurden in Hietzing bei »Domayer« verbracht. Es fiel uns angenehm auf, daß unser Vater dem Fiaker, der uns führte, du sagte und sich in leutselige Gespräche mit ihm einließ. Er kam uns vor wie ein milder Potentat. Die Trinkgelder waren enorm, gleichsam die Entschädigung für das vertrauliche du. Die Rückfahrten vom Lande abends sind das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man verflucht den Moment der Ankunft, der Wagen ist das wunderbarste Bett gewesen. Aber jetzt kommt Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwerliche Arbeit.

Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle. Alles duftete in den Zimmern danach. Das ist ganz abgekommen. Auch gedünstete Kastanien, goldigglänzend, auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine Festspeise, die jetzt im Absterben begriffen ist. Die neue Generation macht sich nichts daraus.

Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouvernanten, und sie uns. Die Eltern spielten nur eine zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion bei außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach der »Oberste Gerichtshof«. Wir lebten »romantische Idyllen«, deshalb fiel es uns später so schwer, dem realen Leben Genüge zu leisten – .

VÖSLAU

Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sentimentalität, die ich habe. Deine grünbefranste Station ist geblieben wie eh und je. Nur meine wunderschöne Mama, die mich im Damenbade sorgsam auf ihren Armen wiegte, ist längst nicht mehr. Die Lindenblüten rochen wunderbar, und das sonnengedörrte Holz der Kabinen und die Wäsche der triefenden Schwimmanzüge. Der Kies brannte die zarten Kinder- und Frauensohlen. Vom Wald kam Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst mitten im Teiche, der für mich ein Ozean war! Sie verschwendete ihre romantische Zärtlichkeit an ein egoistisches, verständnisloses Kindchen, das ihren Hals in Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte Bach, von der Station aus bis zum Bade. Links ungeheure üppige Wiesen, die zu nichts zu dienen scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produzieren, für nichts und wieder nichts. Der Wind rauscht eigentümlich in den Tannen. Man hält es für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvaleszenten, für kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sanatorium für müde Menschen. Die graublaue Ursprungsquelle von vierundzwanzig Grad Celsius ist wie lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie murmelt und gewährt! Viele Hausgärten sind voll von Frieden und Pracht. Im Cafégarten hart beim Bade ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller. Daneben ein unbekannter Park wie ein Urwald. Niemand hat ihn vielleicht je betreten, ihn gestört in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen und Blütendunst und Geranke?!? Dieser Park ist Urwald. Vöslau, immer noch, seit fünfundvierzig Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem Bache plätschern lustig die Enten, die unmittelbar darauf abgestochen werden, denn der murmelnde Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad, gleichsam eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine Mama ist nicht mehr.

EIN BRIEF

Lieber Stefan Großmann,

in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben Ihren herrlichen Essay über und für Frau Tolstoi gelesen. Es ist großartig. Nur eines: Das männliche Genie geht eben in seinen langsamen Weltentwicklungen zuerst vom gewöhnlichen allgemeinen irdischen Leben aus, völlert, bekehrt sich sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie ein jeder gewöhnliche Sterbliche. Dann, im Alter aber erschaut es die idealeren Welten, ist jedoch von seinen vorherigen Entwicklungsstufen gebunden, ja geknebelt, kann und darf sie nicht los werden, und lebt doch bereits zugleich in Welten, die das bisherige althergebrachte irdische Sein überflügelt haben. – Wie wenn einem Heranwachsenden noch immer die getreueste Mutterbrust ihre Milch anböte, während er längst über diese Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinlichkeit hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker, der Prophet, der Vorherseher, der Menschen-Erhöher schwingt sich von selbst, ohne es zu wissen, in Regionen einer anderen künftigen Konstellation, während er historisch-atavistisch noch mit den ehernen Klammern alltäglicher und gewohnter Notdurften am bisherigen gebräuchlichen Dasein festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine organische Undankbarkeit gegen jene, die einem Stoffe in ihm dienen, den zu überwinden und immaterieller zu machen, er die ersten genialen Versuche unternimmt. – Man degradiert ihn also in allerbester Intention, zu einer bereits geistig überwundenen Entwicklungsstufe seiner selbst. Preisen wir seine adeligen Betreuerinnen, aber vergessen wir dabei zugleich nie, daß es in genialen Prophetengehirnen Entwicklungsembryos gibt, denen Frauen und Freunde ratlos, ja unbewußt feindselig, sich entgegenstemmen! Die Henne brütet ein Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem vor der Gefahr »Bächlein« zu bewahren. Aber das Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser, und die mütterliche Henne blickt in Todesangst den Schwimmkünsten des Entleins in seinem ihm organischen Elemente nach! Henne, bescheide dich, Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar undankbar, aber es ist eine organische, von Gott gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden Menschen zugute kommen muß. Die Frauen betreuen die Genies, aber die Genies betreuen die Menschheit! Beide gehen zugrunde in ihrem merkwürdigen unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Weltentwicklung vorgesehen, vorbedacht und wohlerwogen wurde vom göttlichen, meist noch gänzlich unfaßbaren Willen!

Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr Tolstoi, du bist nicht mehrwertig; in allen lebt und webt die göttliche Seele, unerforschlich, und dennoch geahnt und gespürt von einigen wenigen – .

Ihr Peter Altenberg.

DER FORTSCHRITT

Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserungen in jeglicher Sphäre des Lebens wie von einer heimtückischen bösen Macht, vor allem vom bösen Zauberer »Gewohnheit« hintertrieben, aufgehalten, zerstört werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe dafür finden, und sich daher wenigstens teilweise historisch-philosophisch über das Beharrungsvermögen des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt jedoch eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen, deren Nichtpopulärwerden man absolut nicht begreift. Dazu gehört die amerikanische Schuhputzmaschine. Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im Hausflur des Cafés am Mehlmarkt. Man wirft zehn Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei von Staub und Kot gereinigt. Dann wird er ebenso sanft wieder herausgeschoben und dabei gewichst und glänzend gebürstet! Man muß nur die Hose ein bißchen hochheben, da diese weder gewichst noch auch glänzend gemacht zu werden wünscht. Auch muß dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist, und sie entläßt ihn erst zur rechten Zeit. Weshalb sind solche herrlichen und gutmütigen Maschinen nicht schon längst in den Vestibülen von Hotels, Cafés, Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie, es zu erleben, wie selbst in den allereinfachsten Dingen niemand das Herz und den Sinn dafür hat, seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu erleichtern. Dabei wäre es noch ein Geschäft, natürlich für beide Teile. Wie muß man da im vorhinein verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt, betreut zu werden!?

Jemand sagte zu mir: »Es paßt mir nicht, daß diese Maschine mir meine zarten Chevreauschuhe mit einer minderwertigen Creme putzt!« Ich erwiderte ihm, daß die Maschine nur Staub und Kot entferne und dann glänzend bürste, also eigentlich mit jener Creme, die ein jeder Schuh schon von selbst habe. »Ach so,« sagte er tief enttäuscht darüber, daß er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden ihre Pflicht erfüllt, kein Klampfl anhängen konnte, ihr kein Bein stellen konnte, über das sie schmählich stürzen müßte!

ÜBER LEBENSENERGIEN

Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die geringste Ahnung von dem Inhalt des Wortes »Lebensenergien«. Es ist ein mysteriöses und ganz simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kraft, die unser Nervensystem enthält, zur Betätigung unsers Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren, heißt eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, verringern, heißt: ein Unkultivierter sein. Wir verlieren täglich, stündlich Tausende wertvollster Lebensenergien durch irrige Lebensführung jeglicher Art, und dann noch durch den Mangel an Rücksicht der Nebenmenschen auf unser Nervensystem. Tausend Ungezogenheiten und Taktlosigkeiten der Menschen zerstören unsre angesammelten Lebensenergien. Ferner Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlechtes Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure, ungezogene Freunde, alles, alles das frißt uns täglich, stündlich unsre angesammelten Lebensenergien weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende, lähmende, Zuckerkrankheit vorbereitende Art! Frauen besonders sind genial geschickte Zerstörerinnen unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch Erzeugung von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der Seele! Man wird plötzlich grün und gelb, und die Lebenselastizität läßt nach. Jeder Mensch ist eigentlich ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden, den er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Grund! Einem Menschen seine Lebensenergien erhalten wollen, sie schützen, ja, sie vermehren wollen, heißt allein: ihn wirklich lieb haben! Alles andre ist Seelenmumpitz! Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner Lebensbetätigungen schwächt, stört, lähmt, statt mich zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er sich auch sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebensenergien meines Organismus sei die Sehnsucht einer jeden ernstlich freundschaftlichen Seele. »In meiner Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elastischen Gang, alles an ihr schien leichter und von Erdenschwere befreiter zu werden – «; das wäre das ehrendste Zeugnis für eine wirklich liebevolle Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien rechtzeitig spüren, seine Gewinne freudig buchen im Lebenskonto, würde viele der angenehmen Fähigkeit näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal unerbittlich gegen den göttlichen Leichtsinn, ich bin für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich glaube, wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre, ich hätte ihm noch weitere zweitausend Lieder entlockt, indem ich ihn beschworen hätte, sich der seiner bedürfenden Menschheit zu erhalten durch allersorgfältigste Schonung seiner Lebensenergien. »Ja, pardon, aber ein Typhus raffte ihn hinweg – .« Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie und da sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden wie Typhus, mit einer solchen Hunneninvasion, auf! »Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser Zeilen, weshalb nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese immerhin beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen werten Dasein?!?« Weil ich dann vielleicht Lebensenergien entwickelte, um noch einige solcher Bücher wie bisher zu schreiben, und das muß unbedingt hintertrieben werden durch ungeordnete Lebensführung.

STRANDBAD

Nun sah ich dich, Unbekannte, mit deiner bräunlichen Haut und dem krebsroten nassen seidenen Schwimmtrikot, am »Gänsehäufel«, und bin an dir vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich mit deinen unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers Rand entlanggehen mit weiten Schritten – .

O, weshalb durft’ ich dir nicht sagen: »Kaiserin des Strandbads!« Dir hätte es nichts geschadet, und mich hätt’ es erlöst, wie es müde enttäuschte Menschen erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer heiligen Frau niederknien – . So aber wandle ich, krank an meiner fanatischen Zärtlichkeit, dahin – . Kaiserin des Strandbads – .

An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und müde, verlieren den Glauben an die Realisierbarkeit von Gottes Träumen. Da seh ich dich, Edelstgegliederte, und fange wieder an zu glauben – !

In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist, oder im Bett, wo des Mannes Leidenschaft sein Auge trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb, begnügen uns!

Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht und Luft getaucht, in nassem Schwimmtrikot, da besteht keine außer dir diese zärtliche Prüfung! Nun sah ich dich und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens flüstern durfte: »Kaiserin!«

WESEN DER RELIGION

Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin ziemlich ungläubig war, den Satzungen der Religion gegenüber:

»Nun, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte jetzt endlich gläubigern Sinnes geworden?!?«

»Herr Pastor,« erwiderte die Frau, »seitdem ich weiß, daß Gott alles sieht, wische ich in dem Hause, in dem ich bedienstet bin, den Staub auch unter den Teppichen auf – .«

Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen der Liebe, einer Art von Realreligion: die Frau hält ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand es mehr sieht und bemerken kann!

WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO IST ES!

P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager, ging auf den Blumenmarkt, kaufte purpurrote Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe Mimosen mit graugrünen gefiederten Blättchen.

Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen rief ihn an telephonisch: »Meine Gnädige schläft noch. Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie hat ein wunderschönes Bukett bekommen.«

Und er: »Von wem kann es denn sein?!?«

»Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am meisten beglücken.«

»Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte, sagen Sie nicht, daß Sie es durch mich erfahren haben, sondern nur als Ihre eigene Vermutung.«

Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt zu Herrn L.: »Ich habe wunderbare Blumen erhalten gestern …«

Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen, wie die Sache sich eigentlich wahrscheinlich verhalten habe …

Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen.

Da sandte er denn am nächsten Tage die herrlichsten Blumen, unter dem Namen P. A.

Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen: »Sieh, auch P. A. hat mir Blumen gesandt, sehr nett von ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut. Nun, aber die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirklich mit Geschmack und Zärtlichkeit ausgesucht …«

»PRODROMOS«

Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte festgerannt waren, nie viel geben können, trotz meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit gab, über die Dinge des Daseins rücksichtslos nachdenken zu dürfen – . Aber es gibt dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge; vor allem:

Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines Darmes! Das »Bauchherz« ist wichtiger wie das, was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des Darmes hängt unser ganzes Denken, Fühlen und Sein ab, unsere Größe, unsere Güte, unsere Menschlichkeit und unsere Weisheit! Wehe dem, der 24 Stunden lang, also als Sünder und Verbrecher, unpurgiert dahinwandelt! Er wird millionenmal mehr Schaden anrichten als ein Raubmörder und Kinderschänder! Er wird in den kleinsten Dingen sein Menschentum verleugnen, das ihm Gott in seiner Gnade mitgegeben hat. Nur der äußerlich und innerlich purgierte Mensch kann auch geistig und seelisch purgiert sein! Existieren können, ohne Darmfunktion wie die Taube, die es im Fluge von sich läßt, ohne sich in ihren edlen Schwingungen auch nur 1/100 Sekunde dadurch stören zu lassen, ist ein schändliches Verbrechen an sich und vor allem seinen Nebenmenschen, an denen man seinen Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in heimtückischer Weise dann Tag und Nacht ausläßt.

Abführmittel sind theosophische Geheimmittel, die imstande sind, den Menschen zu einer höheren Art hinaufzuentwickeln! Im Moment, wo das Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt fühlt, fühlt es sich degradiert zur »Herde der Gewöhnlichen«! Seine Schwingen sind ihm – wenn auch in anderer Weise – beschnitten und gelähmt.

Bauchherz, nervus sympathicus, plexus solaris, unbekanntestes Phänomen unter den mysteriösen Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung und die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein! Unten frei, oben frei! Unten gebunden, oben gebunden! So ist es!

Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem Organismus antun, die nicht durch eine absolut vollkommene Verdauungskraft besiegt werden könnte! Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Gesamttätigkeiten unseres Organismus, als alle andern Organe zusammen! Mit einem absolut leichten Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine »ewige Jugend« verschaffen können. Der obstipierte Mensch ist kein menschliches Wesen! Seine Heiligkeit, seine Gottähnlichkeit beginnt erst, wenn die Darmfunktionen eine fast ideale Leistungsfähigkeit erreicht haben. Die tiefste Genialität eines Organismus ist, mehr Rücksicht auf seine Darmnerven zu nehmen, als auf alle andern zusammen! Man schont damit vor allem Herz und Gehirn.

Der Philister

Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am Philister nehmen: Sie verhindern ihn, Tag und Nacht Tonika zu suchen, Belebungs- und Erregungsmittel dieser Stoffwechselmaschine »Mensch«! Sie wollen immer glatt und beruhigt überall durchkommen; daher verlieren sie die einzige Kraft, die es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff-wechsel!

Genialität

Das geniale Gehirn hat nie die kleinliche Todesangst des Philisters, sondern die absolute eines Bismarck, der wußte, daß bei einer verlorenen Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolverkugel übrig bliebe. – Selbst Goethe hatte ein Jahr lang den geladenen Revolver auf seinem Nachtkastel liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden, vor dem Sterben?!? Wozu also?! Das Genie bringt sich rechtzeitig um, wenn es seine Mission erfüllt hat, oder sie nicht erfüllen konnte! Aber diese andern paktieren mit dem Leben, das dann doch keines ist und keinen Pakt zuläßt!

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 mayıs 2017
Hacim:
130 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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