Kitabı oku: «Im Licht der Horen», sayfa 2
»Aber ...«, wandte der Erste Offizier De Sutton, der rechts neben Coulthard saß, mit gerunzelter Stirn ein.
Kurz hatte Dee die Vision des Juraprofessors der Akademie, der mit blasierter Miene eine Litanei von möglichen Bedenken gegen eine abweichende Auslegung der Flottenstatuten deklamierte. Genau wie bei diesem Juraprofessor, prägte De Suttons Gesicht ein sauber getrimmter Vollbart. Nur war De Suttons Bart dunkelbraun, nicht grau überhaucht wie der des Professors damals.
Auf Coulthards missbilligenden Blick glättete sich De Suttons Stirn, sein Gesichtsausdruck wurde hochnäsig. »Ma’m, mit Verlaub. Ich muss Sie daran erinnern, dass unser Schiff bisher nicht erprobt wurde und zudem mit einer unerfahrenen Crew bestückt ist. Es wäre ausgesprochen waghalsig ...«
»Ich bin über diese Fakten sehr wohl im Bilde«, erwiderte Coulthard. »Nichtsdestotrotz werden wir mit sofortiger Wirkung von der Admiralität einberufen, um einen Kurierdienst von höchster Priorität zu übernehmen.«
De Sutton runzelte nun doch wieder die Stirn. »Gemäß Paragraf acht der Einsatzstatuten darf ein Prototyp nicht für Kurierdienste der obersten Priorität eingesetzt werden. Es wäre natürlich zu diskutieren, ob das erste Schiff einer geplanten Serie als Prototyp zu werten ist. Nichtsdestotrotz müsste zuerst überprüft werden, ob alle Crewmitglieder die entsprechende Freigabe besitzen.«
»Zur Kenntnis genommen, De Sutton. Dann erledigen Sie das. – Watanabe!« Ohne weitere Umschweife wandte Coulthard sich dem Leiter der Einsatztruppen neben Dee zu.
»Sir?« Der große Japaner hatte bisher keine Miene verzogen. Dee war sicher, seinen Namen im Zusammenhang mit einer Tapferkeitsmedaille gehört zu haben. Sie wunderte sich, dass Watanabe trotz seines Alters immer noch Lieutenant war. Entweder war er geschickt darin, seinen Vorgesetzten auf die Füße zu treten oder er war zwischenzeitlich für längere Zeit beurlaubt gewesen.
De Suttons Mund war leicht geöffnet, als wolle er noch etwas sagen. Aber außer Dee schien das niemand zu bemerken. Als Coulthard sich an Watanabe wandte, klappte er langsam den Mund wieder zu.
»Rüsten Sie das Quartier von De Sutton mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für den Aufenthalt eines Gastes der höchsten Sicherheitsstufe aus. De Sutton wird sich für die Dauer unseres Auftrags das Quartier mit Hawk teilen. Das Einverständnis der beiden Herren vorausgesetzt.« Coulthard hob fragend die Augenbrauen.
»Aye, Ma’m«, antwortete Hawk sofort.
»Ma’m, ich muss Sie nicht daran erinnern, dass nach Paragraf hundertfünfundzwanzig höherrangige Offiziere ein Recht auf Privatsphäre haben!« Mit hoch erhobenem Kinn sah De Sutton Coulthard an.
»Doktor Tipton, wären Sie dazu bereit, das Quartier mit Lieutenant Hawk zu teilen?« Mit erhobener Augenbraue sah Coulthard den Doktor an, der bisher schweigend zugehört hatte.
Tiptons Miene wurde noch eine Spur griesgrämiger. Graue Bartstoppeln zierten sein hageres Gesicht. »Es tut mir leid, Captain. Aber ohne ein Quartier direkt benachbart zur Krankenstation kann ich keine einwandfreie, medizinische Versorgung garantieren.«
»Nun denn! De Sutton, da Lieutenant Hawk als höherrangiger Offizier ein Recht auf Privatsphäre hat, verbietet sich selbstverständlich der Vorschlag, ihn bei den niederen Dienstgraden unterzubringen. Aber ich bin sicher, dass Sie eine Möglichkeit finden werden, auch Ihre Privatsphäre zu wahren.« Coulthard lächelte De Sutton unverbindlich an. »Zu den Daten.«
»Ma’m!«, unterbrach De Sutton den Captain. »Ich muss pro ...«
»Commander De Sutton, ich bin sicher, dass Sie eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung finden werden. Ich verlasse mich darauf – und nun zu den Fakten.«
Coulthard ließ den Blick über die versammelten Offiziere schweifen. Die eisblauen Augen musterten zuerst De Sutton, Doktor Tipton und Hawk zu ihrer Rechten und dann Nayiga, Watanabe und Dee zu ihrer Linken.
Dee straffte sich. Sie kam sich mit einem Mal wie ein Schulmädchen vor. Den anderen Anwesenden schien es nicht anders zu gehen. Selbst De Sutton wagte keine Widerworte mehr.
Coulthard drückte einen Knopf am Besprechungstisch und auf dem Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand wurde das Bild eines Mannes sichtbar. Dee erkannte ihn sofort. Es handelte sich um Clark Duras, den Botschafter der Erdregierung, der zurzeit auf Persephone weilte.
Botschafter war eigentlich das falsche Wort. Sowohl der Botschafter der Erdregierung, als auch der der Kolonien konnte eigenständige Entscheidungen treffen, ohne sich zuvor mit der Regierung abstimmen zu müssen. Der Botschafter der Erde war nur seinem Präsidenten verpflichtet, und der Botschafter der Kolonien dem Senat. Aber Dee wusste nicht, ob der Botschafter der Erde ebenso innerhalb einer Flottenhierarchie stand wie der Botschafter der Kolonien.
»Ich bin sicher, dass jeder hier im Raum diesen Mann kennt. Unser Auftrag lautet, Clark Duras zur waffenfreien Zone zu bringen, um ihn dort in die Obhut eines Schiffes der Erdregierung zu übergeben. Unsere Botschafterin Fay Hagen wird uns auf dieser diplomatischen Mission begleiten. Ich habe für sie bereits mein Quartier geräumt und Commander MacNialls Kabine bezogen, die freundlicherweise dazu bereit war, ein Quartier mit Junior Lieutenant Nayiga zu teilen.«
Nayiga warf Dee einen vielsagenden Blick zu.
Aha. So wurden hier an Bord also Entscheidungen gefällt. Captain Coulthard beschloss etwas und alle nickten. Und De Sutton hatte die Arschkarte gezogen. »Es war mir ein Vergnügen, Ma’m.« Dee bemerkte, wie De Sutton sie bei diesen Worten musterte.
Natürlich musste der sofort nachlegen. »Ma’m, unter diesen Voraussetzungen werde ich Ihrem Ansinnen selbstverständlich entsprechen. Darf ich dennoch darauf hinweisen, dass es angebracht wäre, dass wir unseren Status als Quasiprototyp gegenüber Herrn Duras als Vertreter der Erdregierung verschweigen.«
Coulthards Miene wurde frostig. »Commander De Sutton, Sie dürfen annehmen, dass die Admiralität Ihre Einwände bedacht und den Befehl in Kenntnis aller zu erwägenden Details getroffen hat. Setzen Sie sich bitte mit dem Problem der Unterbringung auseinander. Der Leibwächter des Botschafters wird ebenfalls eine Unterkunft benötigen. – Watanabe! Sorgen Sie für die erforderlichen Sicherheitsprotokolle und unterbreiten Sie mir bis zwanzighundert Ihre Vorschläge. Hawk, MacNiall, der Botschafter erwartet morgen um null achthundert auf dem Gelände der Admiralität seine Abholung. Prüfen Sie die Fähre und machen Sie sich mit den Sicherheitsstandards vertraut, die Ihnen Watanabe übermitteln wird. Nayiga, ich erwarte Vorschläge, um den Botschafter adäquat zu unterhalten. Und Doktor Tipton ...«
»... überprüfen Sie die medizinische Datenbank nach entsprechenden Einträgen«, brummte Tipton. Sein ohnehin faltiges Gesicht wirkte noch zerknautschter als zu Beginn der Einsatzbesprechung.
»Sie sagen es.« Coulthard lächelte. »Ich empfehle mich.« Bei diesen Worten erlosch das Bild des Botschafters und Coulthard verließ den Raum.
Dees Blick blieb an dem antiken Breitschwert hängen, das an der Wand des Besprechungsraums hinter Coulthards Sitz hing. Es war der einzige persönliche Gegenstand im Raum. Warum nur musste sie bei seinem Anblick an das berühmte Damoklesschwert denken?
Nayigas leises Atmen im Bett über ihr störte Dee beim Einschlafen.
Die Fähre war überprüft. Es gab nichts, worüber sie sich Sorgen machen musste.
Außer diesem Traum, der nichts zu sagen hatte. Wenn morgen etwas schieflief, dann war es Hawks Schuld und nicht die ihre. Und Hawk wirkte nicht so, als würden ihm Fehler unterlaufen. So selbstsicher waren alle Piloten. Warum sollte er eine Ausnahme sein?
Sie sollten also den Botschafter der Erdregierung befördern. Die CFF Nyx! Ein Quasiprototyp mit einer Crew, die noch nie zusammengearbeitet hatte. Was dachte sich die Admiralität dabei? Das war doch Irrsinn! War Coulthard so karrieregeil, dass sie sich um den Job geprügelt hatte?
Coulthard, Coulthard ... Woher kannte sie den Namen?
In Dees Hirn regte sich nichts. Bis auf die Gewissheit, den Namen schon gehört zu haben.
Oder gab es einen guten Grund, ausgerechnet die Nyx mit diesem Auftrag zu betrauen? Dee rieb sich die Stirn. Abschreckung. Würde die Erdregierung davon ausgehen, dass der Botschafter auf einem Prototyp befördert wurde? Niemals. Gesetzt den Fall, die Erdregierung käme zu dem Schluss, die Koloniale Flotte hätte eine ganze Flotte dieser Schiffe, könnte das dazu führen, einen geplanten Angriff zu verzögern?
Ja, das wäre denkbar. Aber nur, wenn sie es schafften, dem Botschafter eine reibungslos funktionierende Crew und ein ebenso reibungslos funktionierendes Schiff zu präsentieren. Aber Coulthard schaffte das – falls De Sutton den Mund hielt.
Dee wurde kalt. War das etwa die Coulthard? Die Frau, die die CFF Argos in der Schlacht um Hekate befehligt hatte? Ein Mitglied der Schattenabteilung des Geheimdienstes, hieß es damals. Niemand hatte das Gerücht bestätigt. Aber nur ein Mitglied der Schattenabteilung hätte die entsprechenden Informationen und Befehlsgewalt innegehabt, um Coulthards eigenmächtige Entscheidungen in der Schlacht um Hekate zu rechtfertigen. Und wie sonst wäre zu erklären gewesen, dass Admiral Nikolajewa Coulthards Entscheidungen nachträglich in aller Öffentlichkeit gutgeheißen hatte?
Das erklärte einiges. Wo war sie da nur hineingeraten? Und das alles nur, um Paul zu vergessen! Er würde sich totlachen, wenn er davon erführe.
Dee schlang die Arme um den Oberkörper und drehte sich auf die andere Seite, den Blick der Wand zugekehrt.
Paul war fort. Sie war allein. Endgültig.
Nein, sie vermisste Paul nicht.
Sie vermisste nur jemanden an ihrer Seite.
Siobhans Gesicht erstand in ihrer Erinnerung. Dee sah sie lächeln. Fast glaubte sie, ihre Stimme zu hören. »Warte einfach ein Weilchen. Auch du wirst einen Mann finden, der dich liebt. So wie Seanan mich liebt.«
Siobhans Gesicht verblasste, machte Dunkelheit Platz.
Aus der Schwärze schälten sich die Konturen der Kommandozentrale. Dee fand sich an ihrer Konsole wieder. Ihr Blick war auf die Kontrollen der Fähre gerichtet, in der sich Hawk und ein Passagier befanden. Es war nicht der Botschafter. Aber der Name wollte ihr nicht einfallen.
Was machte Hawk da? Der Kurs der Fähre wich vom vorgegebenen ab.
»Ma’m, die Fähre weicht vom Kurs ab.«
»Auf den Schirm.« Das war Coulthard.
Dee gehorchte. Im nächsten Augenblick sah sie das zweite Flugobjekt, das sich der Fähre näherte. »Kollisionsalarm.«
»Ausweichkurs«, blaffte Coulthard.
Dees Finger drückte den Kommunikationsknopf. »Hawk, ausweichen! Ausweichkurs! Sofort!«
Aus dem Komm drang statisches Rauschen.
Zu spät.
Auf dem Bildschirm erblühte eine Feuerblume, als die beiden Flugkörper miteinander kollidierten.
Während Dee noch entsetzt auf den Monitor starrte, wurde er schwarz. Bis langsam ein blaues Leuchten die Dunkelheit ersetzte.
Dee sah sich um. Sie kniete in einem engen Raum, in dem sie sich kaum rühren konnte. Die Gestalt eines Mannes versperrte ihr den Weg.
Nach kurzem Zögern kroch sie weiter. Nach einem halben Meter hielt sie inne und spähte, entdeckte blonde, kurze Haare und die Uniform der Flotte.
Paul! Dee wurde übel.
In diesem Augenblick bewegte sich der Mann und wandte sich ächzend zu ihr. Das war nicht Paul. Paul war stets makellos rasiert. Goldblonde Bartstoppeln zierten die aschfahlen Wangen des Fremden. Sein Atem ging flach und angestrengt. Das kantige Gesicht war hohlwangig und schweißig und trotzdem schön. So unpassend die Bezeichnung auch schien, eine andere fiel ihr nicht ein.
Er blinzelte. Die dunklen Augen richteten sich auf sie. Dann flatterten seine Lider und mit einem leisen Stöhnen schloss er sie.
Dee riss die Augen auf und begriff erst in diesem Augenblick, dass sie sie gemeinsam mit ihrem Gegenüber geschlossen hatte.
Sie stand wieder auf der Brücke. Auf dem Hauptbildschirm sah sie einen Fächer von Geschossen auf die Nyx zuschießen. Wie versteinert starrte sie auf den Monitor, hörte die Entsetzensschreie der anderen Crewmitglieder, fühlte, wie die Nyx sich aufbäumte und mit einem ohrenbetäubenden Donnern zerbarst.
Dee erstickte ein Wimmern und schreckte hoch. Schweiß stand auf ihrer Stirn.
Über ihr regte sich ein Körper. Eine schlaftrunkene Stimme meldete sich. »Commander? Stimmt etwas nicht?«
»Alles in Ordnung«, erwiderte Dee mechanisch.
Aber nichts war in Ordnung. Rein gar nichts.
3. Kapitel
»Was machen Sie hier, Ma’m?« Das war Hawk. Ertappt zuckte Dee zusammen und stieß sich prompt den Kopf an der Konsole, unter der sie lag.
»Letzte Kontrollen«, erwiderte sie. Gab es eine noch lahmere Ausrede? Wenn die Fähre nun in die Luft flog, würde jeder denken, sie habe sie manipuliert.
Hawks dunkler Kopf beugte sich zu Dee hinunter. »Aber wir haben doch gestern gemeinsam die Fähre von vorne bis hinten durchgecheckt. Was überprüfen Sie denn noch?«
»Ein Ungleichgewicht im ... im ...« Dee kam ins Schwitzen. Mit zitternden Händen stopfte sie die Kabel zurück in den Bauch der Konsole. Eines verhedderte sich und wäre in Dees Händen fast gerissen. »Mist!«
Hawk räusperte sich. »Ma’m, wissen Sie, wie spät es ist? Ich muss in fünf Minuten starten.«
»Oh, verdammt!« Dee ließ die Hände sinken. Über ihr hingen die Kabel aus der Konsole wie die Eingeweide eines geschlachteten Tiers. »Ich wollte doch nur ...«
»... sichergehen.« Dee glaubte Sarkasmus in Hawks Stimme zu hören. »Oder die Fähre sabotieren?«
»Was bilden Sie sich ein?«, fauchte Dee. Ruhig, mahnte sie sich, ganz ruhig. Mit immer noch zitternden Fingern begann sie, Kabel für Kabel an seinen Platz zurückzuschieben.
»Wir sind alle nervös, Ma’m. Ich kann das verstehen. Aber in fünf Minuten muss ich starten. Kriegen Sie das hin?«
»Selbstverständlich! Wenn Sie aufhören, auf meine Finger zu starren!«
Hawk zuckte mit den Schultern. »Wie Sie wünschen, Ma’m. Ich wollte nur helfen.« Er stand auf und setzte sich an die Pilotenkonsole.
Dee hörte, wie er diverse Schaltkreise prüfte. Routinecheck, begriff sie. Ganz ruhig jetzt! Nur einmal tief durchatmen und an nichts mehr denken. Die Anspannung und Nervosität wichen von ihr. Ihre Hände hörten auf zu zittern und plötzlich wusste sie genau, in welcher Reihenfolge sie die Kabel in den Bauch der Konsole schieben musste. Vorsichtig drückte sie den Deckel zurück an seinen Platz und lauschte dem leisen Klicken, mit dem er einrastete.
»Beeindruckend.« Hawk kniete plötzlich neben ihr. »Wie haben Sie das geschafft, Ma’m?«
Fast ließ Dee das Prüfgerät fallen, das sie gerade einstecken wollte. Hitze stieg ihr ins Gesicht. Im ersten Moment wollte sie ihn zurechtweisen, schaffte es aber gerade noch, sich zurückzuhalten. Immerhin hatte er recht. Es war beeindruckend, dass sie die Konsole in der kurzen Zeit richten konnte.
»Übung«, erwiderte sie schlicht und schaffte es, ein selbstsicheres Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Wenn Piloten ihr Können arrogant zur Schau trugen, konnte sie das auch. »Jahrelange Übung, Lieutenant. Und nun machen Sie Platz, damit ich unter der Konsole hervorkommen kann.«
Grinsend stand Hawk auf. Groß und breit, wie er war, überragte er Dee um einen Kopf, als sie vor ihm stand.
»Sie sind ... Ich meine, das war große Klasse.« Er räusperte sich. »Ich war gestern Abend auch noch einmal hier und habe die Konsolen und den Kurs überprüft. Wird schon schiefgehen. Ich fliege das Baby doch jeden Tag.«
Sein Siegerlächeln misslang diesmal.
Dee wurde kalt. Er war ein Mutant. Er fühlte auch, dass etwas nicht stimmte. Oder er war einfach nur nervös – so wie jeder Pilot es wäre, wenn er den Botschafter der Erdregierung befördern musste. Selbst Paul wäre jetzt nervös und der war so feinfühlig wie ein Plasmastrahl.
»Natürlich«, antwortete Dee. »Wir wollen beide nur sichergehen.«
»Aye, Ma’m.« Und endlich gelang Hawk sein Siegerlächeln.
Dee schritt zum Schott. Es drängte sie danach zu sagen: »Passen Sie auf sich auf!« Aber die Worte wollten nicht über ihre Lippen kommen.
Wie in Trance saß Dee vor ihrer Konsole in der Kommandozentrale. Ihr Blick hing am Flugüberwachungsmonitor, verfolgte die Spur des leuchtenden Punktes, der die Raumfähre markierte, in der Hawk Clark Duras und Fay Hagen zur Nyx brachte. Ihr Herz klopfte, als wolle es zerspringen.
Es war alles in Ordnung. Sie war keine Seherin.
Der Punkt kam näher. Im Hintergrund schwirrten die Stimmen der anderen Crewmitglieder.
Jetzt ...
»MacNiall. Hören Sie mich?«
Erschrocken wirbelte Dee herum und sah sich Coulthard gegenüber, die sie missbilligend fixierte.
»Ma’m?«
Coulthards Stimme glich einem Kübel voll Eiswasser. »Alle Offiziere in den Hangar! Sofort! Die Fähre legt in wenigen Minuten an.«
Dee sprang auf. »Aye, Ma’m.« Nach einem letzten Blick auf den Monitor mit dem leuchtenden Punkt folgte sie Coulthards energischen Schritten.
Die Fähre stand bereits im Hangar. Davor warteten De Sutton, Nayiga und Tipton. Dee reihte sich zwischen De Sutton und Tipton ein. Watanabe sicherte mit einem kleinen Einsatzteam den Hangar.
War das wirklich nötig? Der Anblick verstärkte ihre Nervosität. Dass De Sutton neben ihr penetrant nach Schweiß stank, was auch sein übermäßiger Deodorantgebrauch nicht vertuschen konnte, und Tipton in regelmäßigen Abständen die Nase hochzog, trug nicht dazu bei, sie zu beruhigen.
Ein Zischen ertönte. Ozongeruch überdeckte Deo und Schweiß. Ein Schwall kalter Luft fegte durch Dees Haare und die Luke der Fähre öffnete sich.
Nichts. Wieso war wieder nichts passiert?
Eine blonde Frau kletterte aus der Fähre. Ihre kurzen Haare schimmerten zu silbrig, um eine natürliche Haarfarbe zu sein. Das Gesicht war zu glatt, als dass es zu ihrem Alter von über sechzig Standardjahren gepasst hätte. Altrosafarbener Chiffon umflatterte ihre schlanke Gestalt, während sie mit einem strahlenden Lächeln auf Coulthard zueilte.
Wie konnte diese Frau in der Hierarchie über dem Captain stehen? Aber die Flotte hatte einst ihrer Ernennung zugestimmt und damit ihren Rang als Ehrenadmiral der Flotte bestätigt. Also hatte es wohl seine Richtigkeit.
»Captain Coulthard! Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Fay Hagen.« Ohne Coulthards Reaktion abzuwarten, griff Hagen nach deren Hand und schüttelte sie.
Coulthard verzog keine Miene. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Botschafterin.«
Immer noch lächelnd ließ die Botschafterin ihren Blick über die anwesenden Offiziere schweifen. »Hervorragend. Ganz hervorragend.« Angesichts des Einsatzteams runzelte sie die Stirn und wedelte mit der Hand. »Bitte, kein Einsatzteam. Überwachen Sie den Hangar nur mit technischen Mitteln. Ich möchte nicht riskieren, dass der Botschafter unsere Fürsorge missversteht.« Ihre Stimme klang entschuldigend.
Weshalb fühlte sich das auf einmal wie eine Generalprobe an?
In diesem Moment verließ Hawk die Fähre und salutierte vorschriftsmäßig vor Coulthard.
»Wo ist der Botschafter?«, fragte Coulthard kühl.
»Ma’m, Miss Hagen ...« Hawk ließ die Grußhand sinken und stand stramm.
»Mistress Hagen«, unterbrach Hagen ihn sanft.
»... Mistress Hagen bestand darauf, die Ankunft des Botschafters auf sechzehnhundert zu verschieben, um mit Ihnen zuvor die diplomatischen Belange durchzugehen.« Hawk schwitzte.
»So.« Coulthard lächelte. Dee wollte nicht in Hagens Haut stecken.
»Entschuldigen Sie bitte die Planänderung. Aufgrund neuer Informationen sah ich mich leider dazu gezwungen. Am besten wäre es, wir würden das weitere Vorgehen unter vier Augen besprechen.« Hagen bedachte Coulthard mit einem warmen Blick und wandte sich den wartenden Offizieren zu. »Und wollen Sie mir nun nicht Ihre prächtigen Offiziere vorstellen, Captain?«
»Mit Vergnügen.« Coulthards hellblaue Augen waren kalt. Dee glaubte zu hören, wie sie mit den Zähnen knirschte.
»Ma’m?« Nayiga drehte sich halb zu Dee um. Auf Nayigas Konsole blinkte ein Icon.
Im ersten Moment wollte Dee sie an Coulthard verweisen. Dann erinnerte sie sich, dass Coulthard sich nun schon seit Stunden mit De Sutton, Watanabe und der Botschafterin im Besprechungszimmer befand, um die diplomatischen Belange durchzugehen – wie Hawk es genannt hatte. Im Moment hatte Dee also die Befehlsgewalt in der Kommandozentrale, auch wenn sie nicht auf Coulthards Platz saß. »Was gibt’s?«
Hoffentlich war es nichts Wichtiges. Das fehlte ihr jetzt noch! Andererseits ... Was war so schlimm daran, das Kommando inne zu haben? Auf der Achilles war sie daran gewöhnt gewesen. Und sie war immer noch die gleiche Frau.
»Hier ist ein Admiral Mason. Er bittet darum, an Bord der Nyx gebracht zu werden.«
Dee runzelte die Stirn. »Bringen Sie ihn auf meinen Monitor.«
»Aye, Ma’m.«
Im nächsten Augenblick erschien das Bild eines distinguierten Mannes in Admiralsuniform auf Dees Bildschirm. Für sein Alter war er eine blendende Erscheinung.
»Hier spricht der Zweite Offizier, Lieutenant Commander MacNiall. Captain Coulthard und der Erste Offizier sind zur Zeit nicht abkömmlich. Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Sir?«
Hoffentlich hatte ihre Antwort professionell genug geklungen.
»Admiral James Mason.« Der Admiral straffte sich ein wenig. »Letzte Order für Captain Coulthard und Mistress Hagen.« Ein Lächeln umspielte bei dem Namen der Botschafterin seine Lippen. »Schicken Sie mir Ihre Fähre zum Raumhafen der Admiralität.«
Ein Admiral, der eine Order persönlich überbringen wollte?
»Wie Sie wünschen, Sir. Ich werde dem Piloten sofort Anweisung geben, Sie abzuholen. Nyx Ende.«
»Verstanden. Ende.« Das Bild des Admirals erlosch.
Nachdenklich starrte Dee auf den Monitor.
Was konnte so wichtig sein? Natürlich! Die Untergrundbewegung der Mutanten musste sich gemeldet haben. Deshalb hatte Hagen den Plan geändert. Alles passte mit einem Mal zusammen.
»Ma’m?« Nayiga räusperte sich. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich bin nicht sicher.« Dee hob den Kopf und suchte Hawk, der breitschultrig hinter der Pilotenkonsole saß.
Er drehte sich um, als habe er Dees Blick gespürt. »Ma’m!«
»Sie haben gehört, was der Admiral will. Holen Sie ihn ab!«
Leichtes Unwohlsein breitete sich bei den Worten in Dee aus. Nein! Er durfte nicht fliegen! Er musste ...
Zwei Flüge hatte die Fähre bereits hinter sich gebracht und nichts war passiert. Sie hatte nur Albträume. Nichts weiter.
»Ma’m, ist Ihnen nicht gut?« Dee sah in Nayigas besorgtes Gesicht. »Soll ich den Doktor holen?«
Brüsk schob Dee sie beiseite. »Unsinn!«
»Terrorwarnungen?«, fragte Hawk.
Dee schüttelte den Kopf. »Nein, nur ein paar letzte Befehle der Admiralität. Nun gehen Sie schon!«
Hawk salutierte. »Aye, Ma’m!«
Als er die Kommandozentrale verließ, verstärkte sich ihr Unwohlsein. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Es drängte Dee, ihn zurückzurufen. Stattdessen nickte sie Nayiga zu und setzte sich wieder vor ihre Konsole.
Sie war keine Seherin! Es war alles in Ordnung.
Ein Schott zischte.
Dees Blick huschte zu Coulthard, die mit energischen Schritten die Kommandozentrale betrat. Endlich. Ein Teil der Last fiel von ihr ab.
»Bericht!« Coulthard musterte den Hauptbildschirm, wo der leuchtende Punkt, der die Fähre markierte, sich dem Zentrum näherte – und damit dem Standpunkt der Nyx. Ihre Stimme war so eisig, dass Dee unwillkürlich fröstelte.
»Admiral James Mason hat darum gebeten, an Bord gebracht zu werden. Um ein paar letzte Befehle für Sie zu überbringen«, sagte Dee schnell.
»So.«
Die Pause nach dem Wort erzeugte bei Dee eine Gänsehaut.
Mit süffisantem Unterton fuhr Coulthard fort: »Mistress Hagen persönlich zu verabschieden, lässt sich der alte Charmeur wohl nicht entgehen.«
Mason und Hagen? Dee glaubte, sich verhört zu haben. Ein Admiral ließ sich von ihnen abholen, um seinen Gefühlen nachzugeben?
»Es tut mir leid, Ma’m. Falls ...«
Coulthard unterbrach Dees Entschuldigung mit einem Wink ihrer Hand. »Wenn die Admiralität befiehlt, dann gehorchen wir. Nicht wahr, Commander?« Wieder war der süffisante Unterton in Coulthards Stimme nicht zu überhören.
»Aye, Ma’m.« Dees Blick glitt zu ihrem Konsolenmonitor, auf dem immer noch der Kurs der Fähre abgebildet wurde. Was sie sah, glich einem Déjà-vu. Schweiß brach plötzlich auf ihrer Stirn aus. Ihr Magen zog sich zusammen.
Nein.
Der Kurs der Fähre wich von der projizierten Kurve ab.
Dee keuchte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Das Herz klopfte so laut in ihren Ohren, dass es alle anderen Geräusche übertönte. Sie spürte den zweiten Punkt, bevor sie ihn sah.
»Kollisionsalarm.« Ihre Stimme war nur ein Krächzen.
»Auf den Schirm«, blaffte Coulthard.
Nayiga kam Dee zuvor. Doch Dee wusste bereits, wie Coulthards nächster Befehl lauten würde, und stellte mit zitternden Fingern den Funkkontakt zur Fähre her.
»Stellen Sie Kontakt zur Fähre her! Ausweichkurs!«
Dees Worte kamen nahezu zeitgleich: »Hawk, Ausweichkurs! Weichen Sie aus! Hawk!«
Auf dem Monitor verschmolzen die beiden Punkte miteinander und erloschen. In Dees Ohren dröhnte das statische Rauschen der Funkverbindung. »Lieutenant Hawk? Hören Sie mich? Lieutenant Hawk!«
Licht ergoss sich über die Kommandozentrale.
»Zu spät.« Coulthards Stimme klang völlig emotionslos.
Dee wirbelte herum und sah gerade noch die Feuerblume, die die Explosion der beiden Flugkörper auf den Hauptmonitor brannte.
Das Breitschwert hinter Coulthards Platz im Besprechungszimmer ähnelte mehr denn je einem Damoklesschwert.
»Commander MacNiall, ich erwarte einen ausführlichen Bericht über den Status der Fähre.«
Zu ihrer Rechten saß Hagen. Tipton und De Sutton waren aufgerückt, sodass Tipton nun auf Hawks Platz saß. Immer noch umgab Hagen der Hauch von altrosafarbenem Chiffon. Nichts an ihr deutete darauf hin, dass sie unter Stress stand.
Wie konnte sie so gelassen sein? Gerade eben hatte sie erfahren, dass der Mann, mit dem sie anscheinend liiert war, getötet worden war. War sie wirklich so professionell?
»Ma’m, Lieutenant Hawk und ich haben die Funktionstüchtigkeit der Fähre gestern Abend bis ins kleinste Detail überprüft. Jeder von uns hat zudem separat noch diverse Checks durchgeführt. Weder Hawk noch ich konnten eine Fehlfunktion feststellen.«
Weshalb hatte sie das erwähnt? Das machte sie doch nur verdächtig. Andererseits, wäre es nicht noch verdächtiger, wenn sie es verschwieg und jemand beim Prüfen der Einträge herausfand, dass sie heute Morgen in aller Herrgottsfrühe an der Fähre herumgemurkst hatte?
»Zusatzchecks?« Coulthard hob die linke Augenbraue.
»Aye, Ma’m. Ich wollte noch einige Relaisschaltungen durchgehen, die in dieser Fährenbauart einige Male zu Problemen geführt haben.« Das stimmte. Das konnte jeder nachprüfen.
»Probleme?«, hakte Coulthard nach. »Gehören dazu auch Abweichungen vom Kurs?«
Dees Kragen wurde eng. »Nein, Ma’m. In über neunzig Prozent der Fälle handelte es sich um Fehlfunktionen in der Funkverbindung. Dies scheint eine Schwachstelle dieser Fährenreihe zu sein.«
Coulthard runzelte die Stirn. Die Pause zog sich in die Länge.
Hagen öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Coulthard kam ihr zuvor. »Könnte diese Schwachstelle dazu geführt haben, dass Lieutenant Hawk die Nyx nicht erreichen konnte?«
»Aber ...«, wandte Hagen ein.
Coulthard schüttelte unwillig den Kopf und forderte Dee mit einem Wink der Hand auf, zu antworten.
»Das wäre im Bereich des Möglichen, Ma’m.«
Verwundert lauschte Dee ihrer eigenen Antwort. Es wäre in der Tat möglich! Weshalb war sie nur so dumm gewesen, nur im Kurscomputer zu suchen? Jemand hatte verhindern wollen, dass Hawk mit der Nyx Kontakt aufnahm, bevor ... Aber das würde bedeuten ...
»Wäre es möglich, dass Sie diese Schwachstelle bei Ihren Checks übersehen haben, Commander?«
Dee schluckte. »Ma’m, ich habe gestern Abend alle Schaltungen mit Lieutenant Hawk überprüft. Auch das Funkrelais. Gestern Abend liefen alle Konsolen einwandfrei. Ich weiß um das Problem der Funkschaltungen. Deshalb habe ich mich gestern Abend vergewissert, dass in diesem Bereich keine Fehlfunktion vorliegt.«
»Das bedeutet?« Coulthard legte die Handflächen aneinander und fixierte Dee.
Hagen horchte auf. »Heißt das, dass Sie meine Befürchtungen bestätigen, Captain?«
»Das haben Sie gesagt, Mistress Hagen.« Coulthards Blick fixierte nach wie vor Dee. »Sagen Sie es mir, MacNiall! Ist es möglich, dass diese Fehlfunktion sich nachträglich eingeschlichen hat? Haben Sie die Schaltung heute Morgen deshalb noch einmal überprüft?«
»Nein, Ma ‘m. Ich habe heute Morgen die Flugleitkontrollen überprüft und nicht das Funkrelais.« Dee schwitzte.
»Bezieht sich Ihr Nein darauf, dass sie es nicht für möglich halten, dass sich die Fehlfunktion nachträglich eingeschlichen hat?«
»Verzeihung, Ma’m.« Dee atmete tief durch. »Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Fehlfunktion von selbst nachträglich eingeschlichen hat, halte ich für gering. Und nein, ich habe heute Morgen leider nur die Flugleitkontrollen überprüft und nicht das Funkrelais. Aber Lieutenant Hawk hat ebenfalls eigenständige Checks durchgeführt. Es wäre im Bereich des Möglichen, dass er dabei unwillentlich einen Defekt im Funkrelais provozierte.«
»Ich verstehe.« Coulthard fixierte die Wand gegenüber. Mit einiger Verzögerung setzte sie hinzu: »Ich danke Ihnen für Ihre ehrliche Antwort, MacNiall. Ich habe nur noch eine Frage: Wieso haben Sie die Flugleitkontrollen überprüft, wenn Sie wussten, dass das Funkrelais zu Problemen führt?«
»Weil ...«
Weil sie schlecht geträumt hatte? Nein, das war die dümmste Antwort, die sie geben konnte.
»... ich die Flugleitkontrolle gestern aufgrund der Funkrelaisproblematik vernachlässigt hatte und sichergehen wollte, nichts übersehen zu haben.«