Kitabı oku: «Der mondhelle Pfad», sayfa 22

Yazı tipi:

„Natürlich, Usheen. Das ist ganz einfach …“, erklärte Viviane und schob ihn seitwärts.

Usheen hielt jedoch dagegen, trat von einem Bein aufs andere und winkte sie zu sich herunter.

„Viviane, äh, also … Ach, ja! Hab ich ganz vergessen, meine Tante möchte dich morgen in deinem Zelt besuchen! Aber sie wollte mir nicht sagen, warum. Mein Onkel hat mir aber verraten, dass es wegen der Hagebuttenblüten ist, die meine Tante gesammelt hat. Daraus hat sie dir ein herrlich duftendes Öl als Geschenk gemacht.“

„Sag ihnen, ich freue mich auf ihren Besuch“, gluckste Viviane und strich sich über ihren Bauch. Dabei sah sie Usheen prüfend in die Augen. Seine Hände waren so unruhig. So kannte sie ihn gar nicht … „Ach, jetzt weiß ich’s! Halt mal still, Usheen! Da steht was!“

Usheen klatschte sich die Hände an die Seiten seiner sehnigen Beine, stand stramm und sah verwirrt zu ihr hoch. Viviane strich mit dem Zeigefinger über seine Stirnrunzeln, beugte sich vor und murmelte: „Ja, ganz eindeutig und sogar unterstrichen … Da steht: Usheen – hat – Angst.“

Usheen riss die Augen auf und fuhr sich ungläubig über die Stirn. Viviane stemmte verärgert die Hände in die Hüften.

„Jetzt hast du’s verwischt!“

„Oh! Das habe ich nicht gewo …“

Usheen legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. Verschmitzt grinsend winkte er sie noch einmal zu sich runter, wobei sein Blick Amaturix streifte, der sich aber in Richtung der Händler gedreht hatte.

„Viviane. Du hast ja recht. Ich habe ein bisschen Angst. Ist dieser Druide wirklich so groß wie ein Felsen und hat Arme, so dick wie Tannenbäume? Wenn er atmet, bläst er den Sturm aus seinem Mund und wo er zuschlägt, wächst kein Gras mehr?“ Amaturix schwang herum, starrte ihn an, plötzlich bog er sich vor Lachen und klatschte sich johlend auf die Schenkel. Usheen beäugte ihn argwöhnisch und trat sicherheitshalber einen Schritt zurück. Viviane legte ihm jedoch den Arm um die Schultern, bis Amaturix sich schnaufend die Tränen aus den Augen gewischt hatte und erwartungsvoll zu ihm herabschaute. Da tätschelte sie Usheen beruhigend und strich lächelnd über seinen langen, hellbraunen Zopf.

„Usheen, das ist Amaturix: Herrscher vom Dietrichsberg, Druide des Pheryllt-Ordens und Träger des Drachenschwertes. Das mit den Tannen und dem Felsen stimmt, aber wie du siehst, kommt kein Sturm aus seinem Mund, wenn er atmet.“

Usheen starrte Amaturix an und ehe sich Viviane versah, war er auf die Knie gefallen, um Entschuldigungen zu stammeln, wobei ihre Hand immer noch seinen langen Zopf festhielt. Schnell ließ sie los, was er für noch tiefere Kniefälle nutzte.

Amaturix nickte ihr zu und kreuzte Zeige- und Mittelfinger so, dass sie es gut sehen konnte. Langsam hob er Usheen an seinem eigenen Gürtel hoch, bis er auf Augenhöhe baumelte.

„Das mit dem Gras ist ebenfalls korrekt. Allerdings ist dort, wo ich hinschlage, auch noch nie Gras gewachsen. Brüllen kann ich auch, wenn es sein muss, also sind deine Ängste vollkommen berechtigt. Aber wenn du es wirklich willst, werde ich mir Mühe geben, dass man einmal das Selbe von dir erzählt, mein Kleiner. Fangen wir am besten gleich an.“

Er schlenkerte Usheen leicht hin und her und taxierte ihn dabei mit kritischem Blick.

„Wenn aus so einem kleinen Steinchen noch ein Felsen werden soll, müssen wir uns ranhalten. Ist von eurem Brot schon was fertig? Es riecht jedenfalls so!“ Usheen nickte und schluckte gleichzeitig.

„Und habt ihr auch ordentlich Schmalz parat? Das esse ich am liebsten auf frischem Brot.“

Usheen nickte wieder und Amaturix korrigierte die Augenhöhe. „Perfekt. Hier kommt also deine erste Lektion, Usheen: Hast du Schmalz auf dem Brot, zermalmen deine Finger alles zu Schrot. Das werden wir jetzt gleich am praktischen Beispiel probieren.“

Usheen japste und krächzte hastig: „Meine Mutter muss noch den Lehrpreis aushandeln. Ich soll sie rufen, wenn ich dich gefunden habe Amaturix, Herrscher vom Dietrichsberg, Druide des Pherryllt-Ordens, Träger des Drachenschwertes.“

Amaturix winkte mit seiner freien Hand ab.

„Das hat keine Eile! Erst die Stärkung, damit ich deiner Mutter entgegentreten kann. Ich habe nämlich gehört, sie soll sehr gefährlich sein und ahnungslose Männer mit Haut und Haaren fressen. Ihre Haare sind dicke Hanfseile. Mit denen fesselt sie ihre Opfer und erwürgt sie. Ihre Fingernägel sind scharfe Adlerklauen. Damit reißt sie ihnen die Bäuche auf. Und ihr Mund ist so groß wie das Maul eines Wolfes und ihre Zähne so spitz wie Reißzähne … Damit zerfetzt sie die Herzen und schlürft das Blut heraus.“ Amaturix schlürfte laut, als wolle er vormachen, wie sich die Trinkgewohnheiten von Usheens Mutter anhörten und winkte grinsend zu Viviane. Sie grüßte zurück und sah den beiden hinterher.

Amaturix hatte seinen Spaß. Er hielt Usheen immer noch am Gürtel fest, aber so weit unten, dass seine Zehen den Boden berührten. Darum hopste Usheen nun neben ihm her und beteuerte immer wieder mit zaghaften Gesten, dass die Gerüchte über seine Mutter gar nicht stimmen täten. Wenn, dann wäre sie eher mit einem sanften Lämmchen zu vergleichen. Amaturix verstand stattdessen aber ‚Löwe‘ und Usheen dementierte jetzt doch lebhafter.

Lächelnd ging Viviane zu dem Lagerabschnitt, der den Händlern vorbehalten war und wo sich die Leute schon um die Wagen drängelten. Kopfschüttelnd fragte sie sich, wie es die Händler überhaupt schafften, bei diesem Ansturm ihre Waren auszubreiten.

Handelsgüter aus fernen Ländern waren natürlich am meisten begehrt, denn die gab es nur zu Lugnasad. Kupfer aus den Alpen, Zinn aus Cornwall … Ja. Ausländische Edelmetalle, Hölzer, Gewürze, Keramik, Schmuck, Edelsteine, Waffen, Stoffe oder Schminke hatten diesen exotischen Reiz, das besondere Flair … Natürlich gab es auch Waren aus der Gegend. Ein Händler vom Vogelsberg führte eine neue Drehmühle vor und es dauerte nicht lange, da waren all seine Drehmühlen verkauft. Wer nicht schnell genug war, hatte das Nachsehen. Natürlich nahm er mit Freuden Bestellungen für den nächsten Markt an. Die Manufaktur, für die er die Lande bereiste, war schließlich auf die Bearbeitung von Blasenbasalt spezialisiert.

Auch der Händler aus Batava hatte regen Zuspruch, als er lauthals seine dicken, fast mannshohen Tonkrüge anpries. Taberia stand in der ersten Reihe und Tarian deckte ihr den Rücken, damit sie in Ruhe handeln konnte. Das war auch angebracht, denn die Töpfer aus der Manufaktur vom Brendlorenzen hatten sie in die Zange genommen. Diese waren immerhin ein Dutzend kräftige Männer und Frauen, die sich auf Töpferwaren und Feinschmiedekunst spezialisiert hatten.

Rot- und Brauneisen gab es auf ihren Feldern ja zur Genüge und die Tonerdeschichten konnte man garantiert einen Klafter tief ausgraben, aber raetischer Graphit war unverzichtbar, wenn man ein bruchsicheres Tongefäß fertigen wollte. Einfach unvergleichbar und im wahrsten Sinne des Wortes ‚heiß begehrt‘ bei allen Leuten, die das Töpferhandwerk beherrschten. So schön bemalte und glasierte Urnen wie die Handwerkskünstler von Brendlorenzen bekam allerdings niemand gebacken, und ihre filigranen Schmuckstücke schon gar nicht, sodass sich auch an deren eigenem Marktstand viele Leute drängten. Es ging aber sehr ruhig und gesittet zu, schließlich waren die meisten davon in Trauer.

Am Stand der Gerber dagegen übertönten Conall und Silvanus lautstark ihre Konkurrenten und tauschten ihre selbstgefertigten Ledertaschen, Schuhe und Glasarmbänder gegen verschiedene Ledersorten. Besonders das Corduanleder wollten sie massenhaft, da es auf den Winter zuging und die gegerbte Pferdehaut nun einmal der beste Schutz gegen Nässe war. Das wusste natürlich auch der Händler und verlangte diesmal einen höheren Preis als zu Beltaine. Conall rollte mit seinen Muskeln, er bekam prinzipiell alles klein, was ihm zu groß war.

Ein paar Schritte weiter stand Marcus auf seinen Weinfässern und trieb ebenfalls mit wachsender Begeisterung die Preise hoch, das konnte er sich leisten. Er brauchte nur zu rufen: „Unverdünnter Wein aus dem sonnigen Mediolanum!“ und schon hatte sich eine regelrechte Traube um ihn gebildet. Wenn es Viviane richtig sah, war auch Loranthus bei den Bietern dabei. Er hielt gerade eine goldene griechische Drachme in die Höhe und Marcus nickte erfreut.

Da rief jemand Vivianes Namen und wedelte mit einem weißen Fell, um auf sich aufmerksam zu machen − Angus natürlich. Viviane winkte zurück und schon hatte er das Fell an König Justinius verkauft.

Viviane musste sich beeilen, damit sie auch noch bekam, was sie wollte. An ihren Ständen ging es zum Glück ruhiger zu. Die Kräuterfrauen sahen sich gegenseitig beim Einkauf zu und fachsimpelten über das Für und Wider von Heilpflanzen, die es nicht in ihrer Gegend gab. Über die Aufbereitung und Verwendung von Süßholzwurzeln entstand eine regelrechte Debatte und jede wollte natürlich ihre Erfahrungen preisgeben. Als endlich die verschiedensten Arten von Magenproblemen ausgiebig erörtert waren, wurde sich dem Fledermauskot zugewandt. Er kam aus zwei verschiedenen Regionen. Aber welcher war denn nun besser? Der von den Skyten oder der von den Nachkommen der Teutonen? Die Meinungen prallten aufeinander und wurden lautstark vertreten, mit Tendenz zur hitzigen Diskussion, die dann nichts mehr mit Kot, sondern eher mit Raubzügen und Plünderungen zu tun hatte. Als ob die Fledermäuse nun etwas für den schlechten Leumund ihrer Heimat könnten.

Viviane zückte einen kleinen, goldenen Vierundzwanzigstelstater mit Schlangenprägung und ließ sich von beiden je einen Klumpen geben. Schlagartig beruhigten sich die Gemüter und jede rief, sie wolle das Gleiche, schließlich hatte Viviane schon ein Pferd vor dem Platzen der Gedärme bewahrt und kannte sich mit Fäkalien aus. Als sie sich noch einen Tontopf mit Schwarzkümmel aus Ägypten voll scheffeln ließ, dauerte es nicht lange und die Vorräte dieses Gewürz- und Heilmittels waren auch alle, aber es gab ja noch andere. Der Händler verneigte sich lächelnd und winkte Viviane nach, die voll bepackt zu ihrem Zelt wankte und Großmutter Dana noch zurief, sie solle den Weihrauch nicht vergessen.

Als sie wieder heraustrat, waren die ersten Frauen schon damit beschäftigt, ihre neuesten Errungenschaften wie Schmuck, Schminke, Stoffe, Schalen, Krüge, Kupferkessel und was man sonst noch alles gebrauchen konnte zu begutachten. Einige Männer beugten sich bereits fachsimpelnd über Messer, Sensen, Äxte, Hacken, Rechen oder Schaufeln. Sogar zwei Mähwerke wurden probeweise über ein Gerstenfeld geschoben und Viviane entnahm den Gesten der Männer, dass sie mit Silvanus’ Arbeit höchst zufrieden waren.

Mitten durch die Menge staksten viele Kinder mit solchen Stelzen, wie Viviane sie von Naschu geschenkt bekommen hatte. Andere pusteten fasziniert in blütenförmige, leuchtend gelbe Holzblättchen, die daraufhin um ihre gemeinsame Achse rotierten.

Auch Lavinia und Robin hatten solch eine gelbe Holzblüte am Stiel ergattert. Sie pusteten aber nicht, sondern schwenkten sie jauchzend und rannten auf einer freien Stelle hin und her. Je schneller sich die Blüte drehte, desto mehr stachelten sie sich gegenseitig zu einem enormen Tempo an. Als Robin keuchte, hielt Lavinia fordernd die Hand hin und preschte mit der Blüte weiter. Robin schnaufte hinterher und Viviane beobachtete schmunzelnd seine Aufholversuche. Plötzlich sah sie aus dem Augenwinkel etwas Braunes auf sich zu fliegen.

Ihre Hand schnellte hoch, sie fing einen Lederball auf und sah sich nach dem Werfer um. Es waren etliche Jungen, die in ihre Richtung blickten, der kleinste hatte noch die Wurfhand oben. Schlagartig wurde er rot und klatschte sich die Hand hinter den Rücken. Viviane knautschte den Ball einen Moment zwischen den Fingern, lächelte und winkte ihn zu sich.

Seine Spielkameraden rissen die Augen auf, drängten sich dicht zusammen und erstarrten allesamt. Der Mutigste unter ihnen konnte sich noch etwas bewegen und schubste den Herbeizitierten aus ihrem Pulk heraus.

Nun stand der Kleine außen vor und drehte sich hilfesuchend um, doch seine Freunde scharten sich noch enger zusammen und kannten kein Pardon. Was blieb ihm also übrig? Mit einer Miene, aus der das pure Entsetzen sprach, rückte er Schritt für Schritt vorwärts, bis er vor Viviane stand und zu ihr aufsah.

Viviane hockte sich vor ihn hin und lächelte.

„Hast du die Kirschkerne selbst gesammelt?“

Der Kleine riss die Augen auf und verbeugte sich hastig.

„J … ja, Dru … Druidin Viviane. Und ich h … habe meinem V … Vater auch beim Vernähen geholfen.“

Viviane drehte den Ball noch einmal zwischen ihren Fingern und begutachtete die Nähte.

„Das hast du gut gemacht. Dein Ball ist wirklich sehr prall und fliegt perfekt. Ich wünsche dir noch viele gute Würfe damit“, sagte sie und hielt ihm den Ball hin. „Spiel schön weiter.“

Der Kleine riss die Augen noch weiter auf, verbeugte sich bis zu den Zehen und rannte zurück zu seinen Spielkameraden. Sofort öffnete sich ihr Pulk, sie zerrten ihn in die Mitte, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten aufgeregt. Viviane konnte zusehen, wie der Kleine regelrecht in die Höhe wuchs, bis er ungläubig auf seine leeren Hände starrte. Seine Gefährten schoben ihn sofort raus.

Nun stand er wieder hilfesuchend da und streckte bittend die Hände vor. Viviane winkte ihm schmunzelnd und warf so zielsicher, dass er nur noch die Hände um den Ball schließen musste.

Sie hob den Daumen, um ihre Anerkennung auszudrücken und musste lachen, weil der Kleine ebenfalls den Daumen hob und damit ihren Wurf seinerseits lobte. Seine Spielkameraden rückten vor und klopften ihm alle zusammen Achtung zollend die Schultern, wobei er ziemlich durchgeschüttelt wurde. Johlend huschten sie auseinander und warfen sich den Ball wieder zu, achteten jedoch sorgsam darauf, nicht in Vivianes Richtung zu zielten.

Also konnte sie nun ganz in Ruhe den Platz nach Naschu absuchen, was in dem Gedränge gar nicht so einfach war.

Schließlich sah sie seine schulterlange braune Haarmähne neben der hüftlangen kupferfarbenen von Ninive an einem Stand, wo sie ihn eigentlich hätte vermuten müssen, bei Angus, seinem Schwager.

Viviane schlängelte sich durch die Massen und reichte Angus die Hand über seine Waren. Er hielt sie fest und nickte anerkennend.

„Wie ich höre, ist mein Traum geplatzt wie eine Seifenblase. Ich hatte mir wirklich Hoffnung gemacht, dich als meine Braut heimzuführen. Umia hätte sich so gefreut.“ Viviane lächelte listig und wedelte mit dem Zeigefinger ihrer freien Hand. „Umia ist realistischer als du, Angus. Sie weiß schon längst, dass ich mich für Silvanus entschieden habe und sie weiß auch, dass wir ein Kind bekommen. Gwendolin schickt ihr öfters mal eine Taube. Und rate mal, was so eine Taube auf dem Rückweg alles zu berichten hat?!“

Angus schaute Viviane treuherzig an, konnte ihrem verschmitzten Grinsen aber nicht standhalten und strich sich zur Ablenkung durch die goldenen Haare. Seine azurblauen Augen schlug er schüchtern nieder.

„Ich weiß gar nicht, was du meinst, Viviane …“

„Sagte der Wolf im Schafspelz und schielte nach saftigen Lämmchen.“ Prompt kicherten hinter Viviane ein paar jungen Maiden, die sich umständlich über den Stand beugten, damit ihre Hände sehr sorgfältig die Weichheit der ausgelegten Felle prüfen konnten. Ihre Augen begutachteten jedoch etwas ganz anderes. Viviane winkte Angus zu sich heran und senkte die Stimme zu einem ziemlich lauten Flüstern.

„Du scheinst von Bikurgion bis zur Wesermündung auf jedem Markt deine Schaumbäder zu haben. Nun, ja. So ein langer Weg … Da muss man unterwegs öfters baden.“ Angus lächelte entschuldigend und seine blauen Augen strahlten wie ein wolkenloser Himmel. Viviane wandte sich an Ninive und Naschu, damit sich Angus um seine kichernde Kundschaft kümmern konnte.

„Sag mal, Naschu, hast du all die Stelzen gemacht, die hier herumstaksen?“ Naschu streckte sich und ließ seine weißen Zähne blitzen.

„Ja, Viviane. Das habe ich. Die Windblumen sind auch von mir.“

„Blumen aus Holz, eine geniale Idee! Wann hast du das alles geschafft!? Du konntest doch so lange nicht laufen!“

Naschus Zähne erstrahlten bis zu den Ohren.

„Kannst du dich noch erinnern, als ich damals so deprimiert war, weil ich nicht laufen konnte? Du hast zu mir gesagt, ich soll an allem etwas Gutes finden, wenn es auch noch so schwer fällt. Zu Beltaine habe ich Blumenkränze geflochten. Das geht ja auch im Liegen. Da hatte ich Adonisröschen in der Hand und plötzlich wusste ich, was du meinst. Sie haben so zarte, leuchtend gelbe Blütenblätter und ich musste sie einfach nachbauen. Ich habe sie mit einem Splint verbunden, an einem Stab festgemacht und Ninive hat …“

„ … Bruder Wind nachgeahmt, der sie in seinen sanften Händen wiegt“, ergänzte Ninive, presste sich eine Hand in den Rücken und wiegte sich wie zur Demonstration hin und her. Unter ihrem Kleid schaukelte es asynchron mit, als wolle sich ihr dicker Bauch über den Stellungswechsel beschweren.

Naschu sah seine Frau fragend an, doch sie winkte nur lachend ab.

„Es ist nur der Rücken! Mein Kreuz fühlt sich an, als würde es jemand als Tanzboden missbrauchen.“

„Der Tanz wird wohl noch eine ganze Weile andauern, Ninive! Es sitzt noch viel zu hoch!“

„Phuuu“, seufzte Naschu und wandte sich wieder an Viviane. „Natürlich wollte jeder von den Kindern solch ein hölzernes Adonisröschen haben und ich hobelte und schnitzte …“ Ninive strich ihm liebevoll eine braune Strähne aus dem Gesicht. „ … und er wurde auf einmal wieder der Mann, in den ich mich verliebt hatte.“

„So hatte ich mir das auch gedacht, als ich dich damals gerüttelt und geschüttelt habe, Naschu. Und wie bist du auf die Idee mit den Stelzen gekommen?“

„Das war ganz einfach. Als es mir wieder besser ging, brauchte ich keine Stütze mehr. Die Kinder haben sich meinen Stock gleich unter den Nagel gerissen und ‚spring übers Feuer‘ gespielt. Hirlas rief ihnen zu, wenn sie zwei hätten, könnten sie noch mehr Schwung holen.“

Viviane nickte anerkennend, doch Naschus Augen glänzten feucht. Er hielt ein weißes Robbenfell hoch.

„Sieh mal, Viviane! Das haben wir gerade für unser Baby erstanden. So etwas hätte ich mir im Leben nicht leisten können. Selbst Angus kann es mir nicht billiger geben. Das verdanke ich alles dir, Viviane.“

Naschu nahm ihre Hand und hielt sie an seine Stirn. Viviane war derlei Ehrenbezeugung mittlerweile schon gewöhnt und Naschu wusste aus Erfahrung, wie sie darauf reagierte. Deshalb deutete er schnell auf Ninive und gluckste: „Eigentlich wollte ich meinem Weib ein Fass Wein kaufen, damit sie endlich mal etwas hat, das ihr in nichts nachsteht, was die Wirkung auf mich betri …“

Ninive verpasste ihm einen ordentlichen Stoß mit dem Ellenbogen und tat so, als wolle sie nur ihren dicken Bauch tätscheln, der wirklich einem Weinfass in nichts nachstand. Viviane kicherte und wiegte diplomatisch den Kopf. Glucksend versicherte sie Ninive: „Mit einem Weinfass kann man bestimmt allerhand anfangen, aber so ein Fell kann auch recht nützlich sein. Bis das Baby kommt, hast du ja noch etwas Zeit, Ninive.“

Ninive wog das Fell in der Hand und griente verschwörerisch. Naschu wollte sich gerade vor den zu erwartenden Gefahren ducken, da strich eine bekannte Hand über den Flaum und klopfte Naschu von der anderen Seite auf die Schulter. Viviane atmete erleichtert aus und beugte leicht ihren Kopf.

„Mein König.“

Auch Naschu und Ninive verbeugten sich, selbst Angus ließ sein Schaumbad warten und neigte den Kopf bis zu seinen Auslagen hinab.

„König Gort. Es ist mir eine Ehre“, rief er dabei höchst erfreut und schnappte wieder hoch.

„Sei gegrüßt, Angus! Hast du noch solch ein herrlich flauschiges Fell für mich übrig?“ Angus breitete die Arme über einem besonders großen Fell aus. Der König prüfte den Flaum und nickte anerkennend. Mit einem verschmitzten Lächeln deutete er zum abgeschiedenen Hügel, wo Lews Zelt ganz für sich alleine stand.

„Es ist wirklich ein äußerst weiches Fell. Aber ist es auch gefeit gegen ansteckende, seltene Krankheiten? Ich würde gerne meinem armen, kranken Sohn eine Freude machen. Damit er schnell gesund wird und ich ihn wieder in meine Arme schließen kann. Im Moment geht es ihm wohl gerade sehr schlecht. Man hört sein Stöhnen noch bis dort hinaus.“

Viviane drehte sich weg, reckte den Hals und balancierte, mit der Hand über den Augen, auf ihren Zehenspitzen.

„Ach! Markus winkt nach mir. Mal sehen, was er will!“, verkündete sie eifrig und winkte dem imaginären Markus, den keiner ihrer Zuhörer von seinem Standpunkt aus sehen konnte.

Schon war sie ein paar Schritte gegangen, da schien ihr einzufallen, dass sie beinahe ihren König vergessen hätte zu grüßen, denn sie verharrte mitten im Lauf und schwenkte so hastig herum, dass ihr die Haare übers Gesicht flogen. Die Sicht von verwehtem Mahagonihaar getrübt, hob sie ihre Hand zum Gruß.

„Wir sehen uns spätestens morgen zum Opferfeuer, Angus! Einen schönen Abend, ihr alle! Mein König.“ Wie praktisch so ein Neigen des Kopfes doch war. Vielleicht wurde diese Art der Ehrenbezeugung extra gewählt, damit man sein Mienenspiel, in diesem Fall Grinsen, immer gut verbergen konnte. Langes Kopfhaar war dabei ganz wesentlich von Vorteil.

„Ach, Viviane! Da fällt mir gerade ein … Wenn du zu Markus gehst, sage ihm, er soll für mich ein Fässchen Wein aufheben! Ich will erst mit Angus handelseinig werden, dann komme ich nach! Und wenn du für mich das Fell zu Lew bringen könntest, wäre ich dir äußerst dankbar! Ich würde ja gerne selber nach ihm sehen, aber ich habe schreckliche Angst, mich anzustecken! Solche Schmerzen will ich nicht erleiden!“ Viviane beugte noch einmal leicht ihren Kopf und behielt ihn auch gesenkt, als sie sich zum Gehen wandte. Wenn König Gort handeln wollte, konnte das sehr lange dauern. Aber das lag nicht am Preis für das Fell, sondern an den Informationen, die noch ausgetauscht werden mussten. Ihr war es schon aufgefallen, dass König Gort den jungen Händler von der Wesermündung sehr wohlwollend behandelte. Schließlich gab es zwischen dem Gebiet der Chauken und dem der Hermunduren viel zu sehen, wie sie selbst aus Erfahrung wusste. Doch nun hatte sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Sie musste Markus finden, der stand nämlich schon längst nicht mehr auf seinen Fässern.

Markus schob sich gerade umsichtig durch das Gedränge, um Viviane zu suchen, da kam sie ihm entgegen, als hätte sie seine Gedanken gehört. Natürlich hatte er ein Fässchen Wein für König Gort zurückbehalten, das hatte der ja schon letztes Jahr bei ihm bestellt. Mit Viviane wollte er allerdings nicht über Wein reden und schon gar nicht vor so vielen Zuhörern. Schüchtern, wie er war, verabredete er sich mit ihr zum Sonnenuntergang vor seinem Zelt.

„Da – gehst – du – nicht – alleine – hin!!!“

„Warum nicht!?“

Viviane streckte die Hand nach einen Apfel aus, lehnte sich bequem an den Stamm und rieb ihn gemächlich an ihrem Kleid, während sie weiter redete: „Als wir Kinder waren, sind wir im Lagerabschnitt der Händler immer aus und ein gegangen. Wir haben mit ihnen gegessen. Wir haben mit ihnen gefeiert, getanzt, gelacht … Wir haben mit ihren Kindern gespielt … Kannst du dich nicht mehr erinnern, Silvanus?“

Mittlerweile glänzte Vivianes Apfel wie eine Speckschwarte. Sie nickte zufrieden und biss herzhaft hinein. Silvanus rupfte sich auch einen Apfel vom Baum und wetzte ihn über sein Hemd.

„Oh! Und wie ich mich erinnere! Wie du mit dem Sohn von diesem Händler aus Iberien rumgebusselt hast!“

Silvanus prüfte seinen Apfel und schlug seine Zähne hinein, dass es laut krachte. „Rumgebusselt?“, gluckste Viviane und beobachte, wie seine Kiefer den Apfel zermalmten. „Das ist doch Schwachsinn! Wir wollten nur mal ausprobieren, wie das geht! Wir waren damals so alt wie Lavinia und Robin!“

„Jaaa! Und heute ist dieser Händlersohn erwachsen und in die Fußstapfen seines Vaters getreten! Also frage ich dich, Viv: Was hast − du dort zu suchen?“

„Ei-fer-süch-tig?“

„Schwachsinn!!! Er hat sein Weib dabei und bald drei Kinder, wenn ich es richtig gesehen habe. Außerdem kann mir der mickrige Kerl nicht das Wasser reichen!“

„Ja, das könnte schwierig werden. Er ist fast zwei Köpfe kleiner als du. Aber ansonsten doch recht ansehn …“

Silvanus schlug sich mit der Hand aufs Bein, dass es klatschte. „Zum letzten Mal! Ins Lager der Händler gehst du nicht alleine, sage ich! Und das ist mein letztes Wort!“

Knurrend warf er sich den Rest vom Apfel, immerhin einen halben, in den Mund und kaute sichtlich verbissen. So war das mit dem letzten Wort gemeint. Viviane bohrte sich im Ohr herum.

„Ich versteh dich ganz schlecht. Ich habe so einen komischen Nachhall im Ohr. Ist wohl noch Wasser vom Waschen drin. Das will einfach nicht raus.“

Sie schüttelte ihren Kopf zur Seite hin aus und bohrte weiter. Silvanus knirschte mit den Zähnen, da er den Apfel schon runter geschluckt hatte, und knackte zusätzlich noch mit den Fingerknöcheln.

„Wer weiß, was sich da alles für Gezüch herumtreibt.“ Fingerknöchel Knacken konnte Viviane noch nie aushalten.

„Ach, jetzt geht’s wieder“, sagte sie erfreut, legte ihre Hände um seine und hörte mit ihren Verrenkungen auf. Dennoch beugte sie sich mit suchendem Blick zum Boden. „Gezüch? Das hat doch mehr Angst vor mir als umgekehrt!“

Silvanus rollte ungeduldig mit den Augen und setzte wieder zum Fingerknöchel Knacken an. Sofort hob Viviane triumphierend einen Finger.

„Ach! Du meinst gar kein vier- bis hundertbeiniges Krabbelzeugs, sondern die Händler!“

„Genau. Die sehen alle aus, als …“

„Genau! Die haben zwei Beine! Einfach zum Fürchten, wenn so was auf einen zukommt!“

„Beim Geweih von Cernunnos! Du weißt genau, was ich meine! Die sehen allesamt aus, als …“

„Natürlich weiß ich ganz genau, was du meinst, Silvanus! Manche sind dunkelhäutiger und schwarzhaariger! Andere hellhäutiger und blonder! Längliche Kopfform, rundliche Kopfform! Kleiner, größer! Und alle haben verschiedenfarbige Augen!“ Viviane warf die Arme in die Luft und trippelte ängstlich vor Silvanus hin und her. „Hilfe, Hilfe! Viviane, die Trägerin des Drachenschwertes, wird von ausländischen Wesen bedrängt! Sie rücken ihr mit seltsamen Dingen auf den Leib, von denen sie so viele haben, dass sie weit reisen, um sie bei ahnungslosen Opfern loszuwerden! Bruchsichere Amphoren von den Batavern, pures Glas von den Ägyptern!“

„Das geht ja gar nicht! Ich habe fast alle Glasbarren ergattert! Du machst dich lustig über mich, Viv.“

„Komm mal mit in die Sonne.“

Viviane zog Silvanus aus dem Schatten des Apfelbaumes und hielt eine Strähne ihrer Haare in die Höhe.

„Was siehst du?“

„Die schönsten Haare, die ich je zu Gesicht bekommen habe, dick und wellig, braun mit rotem Schimmer … ein Händler hatte ein ganz feines Holzkästchen aus Mahagoni im Angebot … hat aber nicht so gut nach Äpfeln geduftet wie …“

„Guck endlich hin! Wir stehen nicht umsonst in der Sonne.“

Silvanus nahm seufzend die Haarsträhne und hielt sie ganz dicht vor seine Augen. Mit Absicht begann er zu schielen.

„Ah, ja, jetzt sehe ich es ganz eindeutig, Viv! Sie sind nicht alle gleich. Manche sind dunkelbraun, manche sind hellbraun, die meisten glänzen wie Bronze, vier wie Kupfer, sogar goldene sind dabei! Ach, du hast ja sogar tief dunkelbraune wie ich! Eins ist richtig schwarz!“

„Und was sagt dir das?“

Silvanus zuckte die Schultern. Viviane sah ihn mitleidig an und sortierte ein einzelnes Haar aus der vielfarbigen Masse.

„Das hier! Das ist das gefährlichste! Messingfarben. Genau wie die Haare vom Händler der Chatten. Wenn der mich nun mit Körnern verwechselt und in einer Drehmühle zermalmt …“ Sie ließ das Haar los und wischte sich über die Stirn. „Puh! Zum Glück hat er keine mehr.“

„Ich verstehe immer noch nicht.“

Viviane suchte sich ein dunkelbraunes heraus.

„Das hier sieht genauso aus wie die Haare vom Händler aus Iberien. Wenn der mich nun mit seinem Zinnober vergiftet?! Das ist ja ein dermaßen feines Pulver … könnte ich doch aus Versehen einatmen, wenn er mir den Lederbeutel zu dicht unter die Nase hält, nur weil ich wissen will, ob es pur ist oder ob er es gestreckt hat. Aber ich kann dich beruhigen, Silvanus! Er ist kein Schwindler, dafür versteht er viel Spaß, und er hat auch kein Zinnober mehr. Die obersten Druiden haben alles in Sicherheit gebracht.“

„Das brauchen sie ja auch zum Gold Ausfällen. Ich würde so gerne einmal zusehen, wie sie das machen.“

„Das kann ich mir vorstellen! Beim Gold Ausfällen würde jeder gerne zusehen! Da siehst du mal, wofür so ein ausländisches … ‚Gezüch‘ gut ist.“

„Ich weiß gar nicht, was du eigentlich von mir willst, Viv!“

Viviane knurrte und warf ihren Kopf zurück. Silvanus verfolgte fasziniert, wie ihre Haare wellenförmig über ihren Hüften pendelten, doch sie packte seinen Arm und hielt den ihren dagegen.

„Oh, Schreck! Ich bin heller als du! Beim Geweih von Cernunnos! Jetzt muss ich aber Angst haben! Ich wusste doch gleich, dass mit dir was nicht stimmt! Ich kann gar nicht verstehen, warum mich Vater mit dir allein lässt!“ Silvanus präsentierte seinen treuesten Hundeblick.

„Weil er mich kennt?“

„Weiter, weiter! Was haucht der weise Ogmios noch in dein Ohr?“ Silvanus verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. „Also gut, also gut! Deine Haare zeigen, dass in deiner Ahnenlinie Menschen mit verschiedenen Haarfarben waren. Deine Hautfarbe ist ebenfalls gemischt, hell, aber nicht zu hell …“

„Sehr gut erkannt, Silvanus. Mein alter Lehrer Akanthus wäre hoch erfreut über soooo viel Verstand auf einem Haufen. Du brauchst also nicht zum Kongress für Einfältige nach Rom und hast stattdessen einen Wunsch frei.“

Silvanus faltete die Hände und hob sie dankend gen Himmel. Dann führte er sie über Vivianes Kopf, zog sie heran und schmiegte seine Stirn an ihren Hals. „Nimm mich mit.“

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺178,14

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
1573 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9783867779579
Yayıncı:
Telif hakkı:
Автор
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок