Kitabı oku: «Geld, Krieg und Macht», sayfa 7
6 Die Konzessionen der Obrigkeit – Inhalt der Einigungsverträge
Auch wenn sich die Aufstände hinsichtlich Verlauf, Trägern, Ereignissen und Konfliktlösung unterscheiden, zeigt bereits ein flüchtiger vergleichender Blick auf die Texte der Einigungsverträge, dass der Untertanenprotest gegen das Pensionenwesen mit der Verteidigung der alten Freiheiten gegen herrschaftliche Durchdringung verknüpft worden war.303 Eine Ausnahme stellen einzig die Ereignisse in Zürich 1515 dar. Die strukturelle Ähnlichkeit der Verträge verdeutlicht die folgende Tabelle.
Tabelle 1: Einigungsverträge 1513–1516304
Der Inhalt der Einigungsverträge lässt sich grob in drei Themenbereiche zusammenfassen, die im Folgenden knapp ausgeleuchtet werden sollen: Ein Pensionenverbot sowie die Bestrafung der Pensionenempfänger und -verteiler (1), das Konsensrecht der Landschaft in Bündnisangelegenheiten (2) und schliesslich die Garantie der korporativen Freiheiten der Gemeinden (3).
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Auf der Berner, Luzerner, Solothurner und Zürcher Landschaft bestand ein breiter Konsens in der Frage nach einer harten Bestrafung der Pensionenbezüger und -verteiler. Ausserdem sollte der heimliche Geldfluss durch ein Pensionenverbot untersagt und die ungleich höhere Gewinnbeteiligung der Obrigkeiten aus dem Sold- und Pensionengeschäft abgestellt werden. Die Untertanen waren sich des engen Konnexes zwischen Pensionen und Aussenpolitik sehr genau bewusst. Entsprechend lautete die Kritik der Luzerner Ämter, dass die Obrigkeiten «mitt fürsten und herren» einzig «durch gu(o)tts gelltts und eignen nutzes willen, pu(e)ndtüss und vereinnung» abschliessen würden.305 Die Luzerner Bestimmung zielte dabei einzig auf die privaten Pensionen ab, das heisst auf die «sunndrer personen pensionen [,] mietten[,] gaben».306 Das Luzerner Verbot orientierte sich an einer Berner Ordnung, die einige Tage zuvor während der Könizer Unruhen erlassen worden war: «lutt einer ordnung unnd geschrifft, so unnser lieben eidtgno(sse)n von Bernn, ouch uff sich genomen». Der Zürcher Mailänderbrief von 1516 wiederholte eine bestehende Pensionenbestimmung, die vorschrieb, dass «kein sondre person […] von niemans überal kein pension, provision, gnad, dienstgelt, miet, gab noch schenki, wie das namen haben möcht, zu(o) irem nutz nit nemen noch empfachen söll, heimlich noch offenlich, in kein wyss noch weg».307 In Solothurn kam es dagegen zu keinem Verbot der Privatpensionen. Trotz Bestrafung der fehlbaren Räte liessen sich die Solothurner Untertanen nicht auf ein von oben angestossenes Pensionenverbot ein und forderten es offensichtlich auch während der Einigungsverhandlungen nicht.308 Der Bezug von öffentlichen Pensionen wurde in keinem der Orte infrage gestellt.
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In Bern wurde die Mitsprache der Landschaft in Bündnisangelegenheiten institutionell verankert. In aussenpolitischen Fragen sollte künftig ein möglichst breiter Konsens zwischen Stadt und Land erreicht werden. Bern verpflichtete sich dazu, «hinfu(e)r mit niemant kein pu(e)ntnu(e)ss, noch einung, darin dan hilf ervordret wurde, anzenemen anders, dan mit der iren von stat und land gmeiner botschaften biwesen, und der selben geha(e)ptem rat.»309 Mit dieser Klausel wurde in der Aarestadt eine bereits gängige politische Praxis (Ämteranfragen) rechtlich abgesichert.310 Für Luzern war die Einmischung der Untertanen in die Bündnispolitik dagegen neu. Die Ämter begehrten im Vertrag vom 21. Juli, dass «söllich pu(e)ndtnüss[,] einungen unnd da by die pensionen, und den eignen nutz, dar umm söllich pünndtnüssen, und einungen gemacht werden abzestellen» seien.311 Die Ämter positionierten sich damit, so von Segesser, «als die Gesammtheit der Unterthanen der Obrigkeit gegenüber als ein gesondertes Subject von Rechten» und verlangten «als solches die Theilnahme an der Entscheidung über Krieg und Frieden, einem wesentlichen Attribute der Hoheit».312 In Luzern wurde den Untertanen mit dieser Klausel zwar keine institutionalisierte Mitsprache in bündnispolitischen Belangen eingeräumt, doch wurde der Abschluss von Soldallianzen mehr oder weniger verunmöglicht und die alleinige Entscheidungsgewalt der Obrigkeit über Krieg und Frieden stark relativiert.313 Obwohl sich die Forderung der Landschaft nach einer Mitsprache in Bündnisfragen nur in zwei Orten in konkreten Bestimmungen niederschlug, entsprach das Begehren nach einer aussenpolitischen Partizipation vermutlich einem generellen Bedürfnis der Untertanen in den untersuchten Gebieten. So äusserten die Zürcher Untertanen im Anbringen vom Jahr 1513 die Bitte an die Obrigkeit, «den herren und frömbden kriegen müssig zu(o) gand, so vestest man könn und möge.»314 Doch gelang es dem Rat, das Begehren abzuweisen, indem er erklärte, man habe «sich von andern Eidtgnossen nit können sündern».315 Erst mit den Kappelerbriefen, knapp zwanzig Jahre später, sah man sich schliesslich auch in Zürich gezwungen, den Vogteien und Ämtern ebenfalls eine institutionalisierte Mitsprache in Bündnisfragen einzuräumen.316
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In allen vier Orten wurde die verfassungsmässige Begrenzung der städtischen Landesherrschaft thematisiert. Die Aufständischen wehrten sich gegen den wachsenden Herrschaftsanspruch entgegen den althergebrachten Freiheiten und Rechten der Gemeinden. In Bern, Luzern und Solothurn wurden aus diesem Grund Freiheitsbriefe für die Gemeinden ausgestellt. So erhielten in Luzern Willisau und Entlebuch vertragliche Zusicherungen, 317 während es in Bern vor allem die Oberländer Gemeinden waren, die nachdrücklich auf ihre althergebrachten korporativen Freiheiten pochten. Allein für das Obersimmental wurden vier Urkunden ausgestellt, und schon im Juli 1513 erreichte die Gemeinde die Zusage, dass den Beschwerden gegen die «nüwen zusa(e)tze» ihres alten Landrechts entsprochen würde.318
Am weitesten ging die Klärung der Stadt-Land-Beziehung in Solothurn. Dort stand neben dem Burgrecht, dem Gerichts-, Steuer- und Jagdwesen auch die Frage nach der Ablösung der Leibeigenschaft zur Debatte.319 Die Solothurner Untertanen erhoben damit als einzige eine Forderung, die nicht mit dem alten Recht, das seit den Arbeiten von Günther Franz als definitorisches Merkmal des bäuerlichen Widerstands im Spätmittelalter gilt, 320 zu legitimieren war. Die wirtschaftliche Last, mit der die Leibeigenschaft um 1500 primär verbunden war, sollte aufgehoben werden. Im Unterschied zu Solothurn besass die Leibeigenschaft in den anderen Orten keine nennenswerte Bedeutung mehr.321 Mit Verweis auf ihre Nachbarn forderten die solothurnischen Untertanen deshalb, ihre Herren «wellent die eigenlut so in iren hauchen vnnd nidren gerichten gesessen sind geben abzelo(e)sen vnnd halten wie min hernn von Bernn gemacht hant mit iren eignen luten in der herschafft Bipp der burgrechtz vnd eigenschafft halb».322 Im Verlauf der Aufstände erreichten sie schliesslich, dass die Ablösungssumme der Leibeigenschaft bindend festgelegt wurde.323
In Zürich verzichteten die Untertanen auf die Ausstellung von vertraglichen Zusicherungen. Das Verhältnis zwischen Stadt und Land war seit den Waldmannschen Spruchbriefen aus dem Jahr 1489 weitgehend geklärt.324 Dennoch erachtete man es als notwendig, die Obrigkeiten im Mailänderbrief – sozusagen als regulatorischer Nachschub zu den Spruchbriefen – pauschal auf die Achtung des alten Herkommens zu verpflichten.325
Weder in Bern, Luzern, Solothurn noch in Zürich liess es der Rat auf eine militärische Kraftprobe ankommen. Vielmehr zeigten sich die Obrigkeiten zu weitgehenden Konzessionen bereit. Denn auch wenn die Aufständischen die obrigkeitlichen Kompetenzen (Aussenpolitik) teilweise stark infrage stellten, verzichteten sie darauf, grundlegende Reformen des politischen Systems einzufordern. Möglicherweise erschwerte auch die stark variierende Rechtsstellung der einzelnen Gemeinden die gemeinsame Formulierung eines weitergehenden politischen Programms. Da sich die Gemeinden mit der Durchsetzung ihrer partikularen Positionen begnügten, 326 blieb der Herrschaftsanspruch der Städte über ihr Territorium in der Folge weitgehend unangefochten. So sollten beispielsweise die Luzerner Ämter nach dem Wortlaut der Einigung «den eid so sy jarlichen jren herren, unnsern eidtgno(ssen) von Lucern swerrent trülich halltten».327 Das Vorgehen der luzernischen, bernischen, solothurnischen und zürcherischen Gemeinden während der Pensionenunruhen widerspricht somit der Beobachtung Peter Blickles, dass ländliche Gemeinden in Konfliktlagen dazu tendieren, die autonomen Bereiche institutionell mit der Forderung nach einer territorialen Repräsentation (Landstandschaft) weiter abzusichern.328 Für die Schweizer Geschichte stellt dieser Befund zu den Pensionenunruhen indessen keine Ausnahme dar, denn kommunale Staaten beziehungsweise Republiken kennen im Unterschied zu Fürstentümern und Monarchien allgemein keine ständische Repräsentation.
1513–1516 wurde die Verfassung nicht infrage gestellt.329 Vielmehr verknüpften die Einigungsverträge den Anspruch der Gemeinden auf ihre althergebrachten Freiheiten mit den massiven Verteilungsungerechtigkeiten der Einkünfte und der Lasten zwischen den obrigkeitlichen Pensionären einerseits und der reislaufenden Bevölkerung andererseits, die ihr Leben gegen vergleichsweise geringes Geld in Italien aufs Spiel setzte. Exemplarisch beklagt der Einigungsvertrag von Luzern vom 21. Juli 1513 deshalb, «wie ein zitt daher, unnd je lennger jemer iren herren unnd obern, mitt fürsten und herren durch gu(o)tts gelltts und eignen nutzes willen, pu(e)ntüss und vereinnung darhar kommen, das man den selben hillfflich sin, und zu(o) zitten krigen müssent, sy die iren da hin schicken, das sy umm ir su(e)n fru(e)nnde unnd ander lu(e)tt kommen».330 Den höchsten Blutzoll hatten die Untertanen zu entrichten, wobei das Zitat die Perspektive der Väter widerspiegelt, die ihre Söhne (also ihre Erben und Arbeitskräfte) in den Solddiensten verloren.331
7 Zusammenfassung
Die Aufstände in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich weisen hinsichtlich Ursachen, Verlauf und Akteure Unterschiede auf. Den Bewegungen gemeinsam war jedoch ihre Kritik am Solddienst, an den geheimen Praktiken der politischen Einflussnahme (Pensionen) und an der obrigkeitlichen Herrschaftsintensivierung.
In allen vier untersuchten Untertanenprotesten zogen tausende Aufständische vor die Zinnen ihrer Hauptstädte. Auslöser für die Unruhen bildeten jeweils Gerüchte über angebliche militärische Niederlagen, hohe Opferzahlen und geheime Pensionenzahlungen, wobei den politischen Eliten oder militärischen Führungspersonen Verrat und Bestechlichkeit vorgeworfen wurde. Insbesondere die französischen Praktiken der politischen Einflussnahme mittels Pensionen nach dem eidgenössischen Sieg in Novara vom 6. Juni 1513 und den Ereignissen im Umfeld der Schlacht von Marignano am 13./14. September 1515 hatten in den vier Städteorten für Empörung gesorgt. Die rasche Verbreitung der Gerüchte in der Eidgenossenschaft, die die zahlreichen Vergehen der politischen und militärischen Eliten zum Inhalt hatten, zeugt von gut funktionierenden Informationssystemen. Über diese Kommunikationszusammenhänge und die Kommunikationswege zwischen den Aufstandsbewegungen in den verschiedenen Orten geben die Quellen jedoch keinen Aufschluss. Briefe oder andere schriftliche Dokumente sind nicht überliefert (sofern solche überhaupt existierten). Zu vermuten ist, dass bei der Verbreitung von Gerüchten die örtlichen Wirtshäuser eine zentrale Rolle einnahmen.332 Es ist auch anzunehmen, dass die geografische Nähe der Aufstandsgebiete (v.a. Solothurn, Bern und Luzern) die Kommunikation zwischen den Untertanen begünstigte und ein teilweise koordiniertes Vorgehen der Aufrührer ermöglichte. Seit Beginn der Erhebungen lassen sich personale Verknotungen feststellen, so etwa als Solothurner Untertanen vor den Mauern Luzerns oder Berner Untertanen vor den Toren Solothurns erschienen und sich dem Protest anschlossen. Im Zusammenhang mit dem Aufstand in Solothurn lässt sich feststellen, dass sich einzelne Akteure (Sässeli, Löwenstein) zeitweilig in Frankreich aufhielten und in verschiedenen Orten (Bern, Luzern) den Protest mit Aussagen über die angeblich verräterischen Umtriebe der Obrigkeit gezielt befeuerten. Ähnliches lässt sich auch 1515 im Zusammenhang mit den Unruhen in Zürich beobachten, als der habsburgische Kaiser seinen Agenten Reichenbach in die Eidgenossenschaft entsandte. Ob es sich im Falle Sässelis und Löwensteins ebenfalls um Agenten handelte, die von einer fremden Macht beauftragt worden waren, oder ob die beiden auf eigene Faust agierten, lässt sich mit dem überlieferten Quellenmaterial nicht beantworten. Geheime Treffen, wie etwa dasjenige in Plombières, an dem unter anderem der Berner Dittlinger, der Luzerner Ratzenhofer, der Solothurner Löwenstein und der Basler Kalbermatter teilgenommen hatten, verdeutlichen jedoch, dass die ortsübergreifenden Verflechtungen der Akteure für die Widerstandsbewegungen eminent waren.
Die Anführer der Aufstände sind uns nur in Luzern (Mieschbühler und Heid) und Zürich (Schufelberger) bekannt. Lediglich im Fall von Mieschbühler lassen sich Mutmassungen über die persönliche Motivation anstellen (persönliche Feindschaft mit dem Willisauer Schultheissen). Über politische Einstellungen der Anführer, deren Haltung gegenüber dem Sold- und Pensionenwesen oder deren Beziehungen zu fremden Mächten schweigen sich die Quellen hingegen aus. Man kann sich insgesamt nur ein diffuses Bild von den Trägern der Unruhen machen. Tausende Untertanen nahmen an den Aufständen teil, wobei aber offenbar auch Stadtbürger und Angehörige der städtischen Eliten wie Heinrich Winkler in Zürich, welche die Anliegen der Untertanen offen unterstützten, eine wichtige Rolle spielten.333 Die ausgestellten Freiheitsbriefe in Bern, Luzern und Solothurn lassen indessen vermuten, dass die Verhandlungen zwischen Obrigkeiten und Untertanen nach dem anfänglichen Massenprotest mittels Boten der einzelnen Gemeinden und Ämter abgewickelt wurden. Es ist anzunehmen, dass zumindest während der Einigungsverhandlungen mit den Obrigkeiten die Vertreter der dörflichen Eliten die Verhandlungen anführten, es also letztlich die Interessen dieser ländlichen Schicht waren, die Eingang in die Einigungsvertäge fanden.334
Bemerkenswert an den Pensionenunruhen ist auch die Tatsache, dass die Untertanenproteste in keinem der Orte zum offenen Krieg führten. Anstatt die Untertanen mit kriegerischen Mitteln in die Schranken zu weisen, sahen sich die Obrigkeiten zu weitreichenden politischen Zugeständnissen gezwungen. In allen Aufstandsgebieten wurden die Unruhen mit Einigungsverträgen zwischen Obrigkeiten und Untertanen formal beigelegt. Dieser unblutige Ausgang der Konflikte verweist auf zweierlei: (1) Es wird deutlich, dass die regierende Stadt der bevölkerungsreichen Landschaft in Zeiten der Krise militärisch nichts entgegenzusetzen hatte, sofern sich die Untertanen auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten und koordiniert handelten. Eine Obrigkeit, die wie die eidgenössischen Städteorte in einem hohen Ausmass auf die steuerlichen und militärischen Kräfte ihrer Untertanen zurückgriff, war einfach unter Druck zu setzen und musste deshalb in ihrer Politik auf die «subtile Austarierung der Interessen in der alltäglichen Kommunikation der Macht bedacht sein».335 Durch erhebliche politische und rechtliche Zugeständnisse an die Aufständischen sowie durch die Bestrafung der Pensionäre in den Räten sicherten sich die städtischen Obrigkeiten ihre Herrschaft und die grundlegenden Parameter des bestehenden politischen Systems. (2) Bedeutsam für diesen friedlichen Ausgang war eine aktive Friedensdiplomatie verschiedener Akteure innerhalb der Orte und zwischen den Orten. In Bern schalteten sich etwa die Boten der unbeteiligten Ämter Hasli und Aarberg ein, um eine Einigung herbeizuführen. In Zürich war es ein Untervogt, der die Aufständischen vom Plan einer Plünderung der Stadt abbringen konnte. Die ohnmächtigen Eliten zeigten sich nicht in der Lage, aus eigener Kraft eine Konfliktlösung herbeizuführen. Hingegen zeigen die Aufstände aber auch, dass nicht nur die Aufständischen, sondern auch die in Bedrängnis geratenen Obrigkeiten ortsübergreifend agierten. Die Berner Obrigkeit intervenierte beispielweise während der solothurnischen Unruhen, indem sie Kaspar Hetzel als Vermittler nach Solothurn schickte und sich mehrmals schriftlich an den Solothurner Rat wandte, um diesem konkrete Handlungsvorschläge zur Deeskalation der Situation zu unterbreiten. Wichtig war in diesem Zusammenhang aber insbesondere die Friedensdiplomatie der Tagsatzung. Eidgenössische Boten waren in Luzern, Solothurn und Bern (Einigung vom 2. Juli 1513) als Vermittler involviert und bisweilen massgeblich an der Ausarbeitung der politischen Lösungen der Konflikte beteiligt.336
Um die Zusammenhänge zwischen Pensionen, Staat und Gesellschaft klären zu können, müssen die beteiligten Akteure und ihre Praktiken, welche für aussenstehende Zeitgenossen während der wechselvollen italienischen Feldzüge kaum mehr nachvollziehbar waren, in den Blick genommen werden. So berichtet der Luzerner Chronist Cysat im bereits weiter oben aufgeführten Zitat, Luzerner Ratsherren hätten «ein heimliche practick und verräterischen anschlag wider dieselbigen Eidtgnoßen» gemacht. «Practick» meint gemäss Groebner immer das, was man nicht sehen kann.337 Im folgenden Kapitel III soll es nach einer knappen Skizzierung der eidgenössischen Gewaltmärkte um 1500 deshalb auch darum gehen, sichtbar zu machen, was eigentlich unsichtbar bleiben sollte.
III Geschäfte mit der militärischen Gewalt – Das Pensionenwesen in der Eidgenossenschaft zur Zeit der Mailänderkriege
1 Die eidgenössischen Gewaltmärkte: Krieger als Handelsware
Beim Sold- und Pensionengeschäft handelte es sich in mancherlei Hinsicht um einen entgrenzten Markt. Über geografische, ständische und soziale Grenzen hinweg sowie über allfällige Bündnisschranken hinaus wurde mit der militärischen Gewalt gehandelt. Entscheidend für die Nachfrage nach eidgenössischen Söldnern waren einerseits militärisch-taktische Innovationen und andererseits die Konfliktlage in Europa. So generierte der Kampf der Grossmächte um die Vorherrschaft in Norditalien einen hohen Bedarf an Söldnern. Diese internationalen Zusammenhänge stiessen auf ein lokales Handlungsfeld, auf dem Diplomaten, Politiker und Söldnerführer das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmten. Mit subtilen Praktiken der politischen Einflussnahme versuchten die Kriegsherren, Zugang auf die eidgenössischen Gewaltmärkte zu erhalten. Doch nicht nur vor Ort in Bern, Luzern, Solothurn oder Zürich wurden Patronagebeziehungen angebahnt oder gepflegt. Auch während den Friedensverhandlungen in Vercelli oder Gallarate im Vorfeld der Schlacht von Marignano flossen Gelder in die Taschen der politisch-militärischen Elite (Zürich 1515).
Die Akteure und ihre Handlungsweisen auf den eidgenössischen Patronagemärkten sollen ausführlich anhand der überlieferten Gerichtsakten der Pensionenunruhen zur Sprache kommen (2), nachdem die Ökonomisierung fremder Kriege um 1500 grob skizziert (1.1) und die Pensionenpolitik der Orte und der Tagsatzung diskutiert (1.2) worden ist.
1.1 Die Ökonomisierung fremder Kriege
1.1.1 Instrumente
Ein wichtiges Instrument zur Abwicklung des Söldnerexports war die Bündnispolitik. Bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts waren mit Ausnahme der regelmässig erneuerten Waffenstillstände mit Österreich bedeutende Vertragsschlüsse der Orte mit anderen Mächten rar. Das änderte sich erst mit dem Alten Zürichkrieg. Die schmerzliche Erfahrung, einem überlegenen, koalierten Gegner (Frankreich-Österreich) gegenüberzustehen, förderte die Intensivierung des politischen Dialogs nach aussen. Die Aussenbeziehungen entwickelten sich in der Folge zu einem wichtigen Traktandum auf der politischen Agenda der eidgenössischen Gesandtenkongresse. Als wichtige Pfeiler der frühen eidgenössischen Bündnisarchitektur sind unter anderem die Verträge mit Frankreich 1452/53, mit Burgund 1467, mit Württemberg 1469, mit Österreich 1474 (Ewige Richtung, die 1511 als sogenannte Erbeinung erneuert wurde ), mit Mailand 1479, mit Savoyen 1512 und schliesslich der Ewige Friede mit Frankreich von 1516 zu nennen.1 Generell verpflichteten sich die Vertragsparteien in diesen Bündnissen zur Friedenswahrung und sagten sich gegenseitig Hilfe im Konfliktfall zu. Sollte es zu Krieg kommen, so war es verboten, den Gegner des Vertragspartners mit Söldnern oder mit Durchpass zu unterstützen. Gerade Zweiteres war für die werbenden Mächte im Hinblick auf die Schweizer Pässe zentral. Im Gegenzug liessen sich die Eidgenossen die Einfuhr von Waren (Salz, Wein, Korn) sowie den Vieh- und Textilexport, meist in Verbindung mit zahlreichen wichtigen Zollvorteilen, zusichern.2 Die Regelungen der militärischen Unterstützungsmassnahmen blieben in diesen allgemeinen Bündnistexten jedoch meistens sehr vage. So hielt die Erbeinung mit Österreich von 1511 die Eidgenossen im Falle eines Angriffs lediglich «zu getreuem Aufsehen» an, was etwa die Verpflichtung zur Leistung guter Dienste, zu Freundschaft und die Nichtunterstützung der Feinde des Bündnispartners bedeutete.3
Das Bündnis mit Frankreich 1474 stellte einen Wendepunkt in den eidgenössischen Aussenbeziehungen dar. Bereits der Chronist Anshelm hatte den Streit der Eidgenossen mit dem Burgunderherzog Karl dem Kühnen als Zäsur für die eidgenössischen Aussenbeziehungen hervorgehoben:
«Mit obgemeltem Frankrichischen punt ist ein nu(e)wer gwerb durch nu(e)we und keiser Julio unbekante kouflu(e)t in ein fromme Eidgnoschaft ankommen, dises punds und kriegs ouch aller nachkommen pu(e)nden und kriegen die fu(e)rnemste ursach und urhab, mit nammen die grossma(e)chtige, huldriche pension, einfach gmeine und ofne, aber zwifach sundre und heimliche, und so stark ingesessen, dass weder babst noch keisers, noch einicher gwalt, denn geltsmangel, nu(e)t wider si hat vermo(e)gen.»4
Die Deutung der Burgunderkriege als Heldensieg oder aber als Sündenfall ist ein in der Geschichtsschreibung äusserst kontrovers diskutiertes Thema.5 Wilhelm Oechsli etwa verurteilte die Entwicklung scharf:
«Noch 1453 hatten die Eidgenossen den Bewerbungen Frankreichs um Söldner den Grundsatz entgegengestellt, sie seien nicht gewohnt, ihre Knechte ausser Landes an fremde Orte hinzulassen; aber zwei Jahrzehnte später gelang es den Bemühungen des Bernerschultheissen Nikolaus von Diesbach, ein neues Element in die eidgenössische Politik einzuführen, das französische Geld. Als erste Frucht des Sündenfalls der schweizerischen Magistratur kam 1474 jenes Bündnis mit Ludwig XI. von Frankreich zu stande, das moralisch und politisch kaum höher zu stellen ist, als die Verträge, durch welche deutsche Landesfürsten im letzten Jahrhundert ihre Unterthanen als Kanonenfutter an England verkauften.»6
Anshelm und Oechsli zeichnen zwar ein sehr einseitiges und negatives Bild von den Folgen der Burgunderkriege, doch ist ihre Analyse richtig.7 Auf der diplomatischen Grundlage der Verträge von 1452/53 nahm die Kommerzialisierung des eidgenössischen Gewaltpotenzials während der Burgunderkriege ihren Anfang.8 Das Bündnis mit Frankreich von 1474 wurde prägend für die Aussenbeziehungen der Eidgenossenschaft, weil dieses nach ersten Ansätzen in der Jahrhundertmitte9 eine vertraglich geregelte Möglichkeit für die Anwerbung eidgenössischer Söldner durch eine fremde Macht unter der Kontrolle der eidgenössischen Orte gestattete.10 Zugangsrechte auf die eidgenössischen Gewaltmärkte mittels Soldallianzen und Kapitulationen11 wurden zum Gegenstand diplomatischer Verhandlungen im Rahmen der eidgenössischen Aussenbeziehungen. Fortan waren Pensionen und Solddienst eng miteinander verquickt.12 Wichtigste vertragliche Abnehmer von eidgenössischen Söldnern waren bis 1521 der französische König, der Kaiser und der Papst. Soldallianzen und Kapitulationen mit Frankreich kamen auch 1480, 1495, 1499 und 1521, mit dem Reich 1496 sowie 1516 und mit dem Papst 1479, 1486, 1505, 1510 und 1514/16 zustande.13 Interessenten gab es hingegen zahlreiche. Gagliardi zeichnet ein lebendiges Bild vom Wettbewerb der Grossmächte um die eidgenössischen Söldner: «In den Ratsstuben drängten sich die fremden Gesandten. Der Kaiser und Ludwig XI., Friedrichs III. Sohn Maximilian und sein Vetter Herzog Sigmund, Matthias Corvinus von Ungarn, der Papst, die Herzöge von Lothringen und Mailand, die Regentin von Savoyen, die Stände der Freigrafschaft, die Niedere Vereinigung – sie alle begehrten Hilfe, Bündnis, Frieden, Vereinigung oder Soldaten; die Kongresse und Verhandlungen nahmen kein Ende.»14 Dass die Anzahl der abgeschlossenen Soldverträge trotz der grossen Nachfrage begrenzt blieb, lag unter anderem daran, dass das demografische Potenzial der Orte beschränkt war und sie – auch aus Gründen der eigenen Sicherheit – nicht beliebig viele Söldner stellen konnten.
Eine vertragliche Einigung zwischen den Kriegsherren und den eidgenössischen Orten konnte unter Umständen Jahre in Anspruch nehmen. Das musste etwa der französische König Karl VIII. erfahren, für dessen Soldallianz von 1495 insgesamt über acht Jahre lang verhandelt wurde (Februar 1487 bis November 1495). Der König bot den zehn Orten für das Recht, 3500–4000 Reisläufer rekrutieren zu können, 10 000 Franken Pensionen jährlich, was aber nicht den Erwartungen der Orte entsprach. Zudem sabotierte Mailand die Verhandlungen zwischen den Eidgenossen und Frankreich mit rivalisierenden Bestrebungen. Unter diesen Bedingungen blieb dem König letztlich nichts anderes übrig, als wie sein Vorgänger Ludwig XI. die bisher üblichen 20 000 Franken Pensionen zu bezahlen.15
Um den Abschluss von Werbelizenzen gegnerischer Mächte in der Eidgenossenschaft zu verhindern oder zu verzögern, wie das Mailand mit der französischen Allianz 1495 versucht hatte, zeigte sich Venedig beispielsweise bereit, Pensionen zu entrichten, ohne dafür ein vertragliches Werberecht auf den eidgenössischen Söldnermärkten einzufordern. Venedig stand damals aufgrund der Angriffspläne der Liga von Cambrai (Papst, Kaiser, Frankreich und Spanien) massiv unter Druck. Ausgerechnet in dieser prekären Lage verhandelte Frankreich mit den eidgenössischen Orten über eine Erneuerung der Soldallianz von 1499. Der venezianische Gesandte Hieronymus Savorgnano bot den Orten 12 000 rheinische Gulden an, was als Gnadengeld und Pension zu verstehen sei, wie er betonte. Aussergewöhnlich am venezianischen Angebot war, dass die Eidgenossen weder Knechte zu schicken noch Werbungen zu gestatten hatten, sondern sich lediglich dazu verpflichteten, den französischen König in Mailand zu überfallen. Zudem unterstrich Savorgnano, dass die Eidgenossen die eroberten Städte, Schlösser und Dörfer in Mailand behalten dürften. Auf diese Weise versuchte er, das französische Angebot zu überbieten und dadurch die Verhandlungen mit Ludwig XII. zu hintertreiben.16
Diese unterschiedlichen Bündnisangebote führen zu der Frage, welche Punkte in Soldverträgen geregelt wurden. Dies lässt sich mit einer Auswahl von Vertragstexten mit Frankreich aus den Jahren um 1500 beantworten:
Tabelle 2: Die Soldverträge mit Frankreich 1474, 1499 und 152117
Mit dem Vertrag von 1474 wurde ein Instrument geschaffen, das es erlaubte, die Vertragsdauer, die Pensionen, den Sold, die Hilfestellung im Kriegsfall, die Truppenbestände oder die Einsatzmodalitäten der Truppen zu regeln. Der Vertrag von 1474 wurde zum Vorbild für alle weiteren Soldallianzen mit Frankreich (und anderen Mächten).18 Bis 1777 wurde die eidgenössisch-französische Allianz regelmässig erneuert.19 Die Söldnerwerbungen fanden jeweils unter der Kontrolle der eidgenössischen Orte statt und wurden durch den Abschluss von sogenannten Kapitulationen genau geregelt. Die Verträge von 1474 und 1499 machen die Verpflichtung der Hilfeleistung davon abhängig, dass die Eidgenossen nicht mit «eigenen Kriegen beladen sind».20 1521 wurde mit dem Rückrufrecht der Knechte im Kriegsfall dafür gesorgt, dass das Sold- und Pensionengeschäft nicht mit den sicherheitspolitischen Bedürfnissen der Orte kollidierte.
Neben der Sicherheit stellte auch die Versorgung mit wichtigen Handelsgütern einen zentralen Aspekt der Verträge dar. Im Vertrag von 1521 verschafften sich die Orte mit der Salzeinfuhr einen wichtigen handelspolitischen Vorteil, da für die Viehwirtschaft und Käseherstellung, beispielsweise im Greyerzerland, Salz von ausserordentlicher Bedeutung war.21 Der Grund, weshalb sich die Regelung wirtschaftspolitischer Bereiche im Vertrag von 1521 auf die Salzeinfuhr beschränkte, ist damit zu erklären, dass schon mit dem Ewigen Frieden von 1516 diverse handelspolitische Privilegien der Eidgenossen im Herzogtum Mailand und in der Messestadt Lyon erneuert und der freie Handel zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft garantiert worden war.22 Die Verknüpfung des Solddiensts mit wirtschaftspolitischen Interessen lässt sich hingegen bereits vor 1516/1521 feststellen. Obwohl der Vertrag von 1499 keinen entsprechenden Artikel aufweist, spielten handelspolitische Überlegungen direkt in die Verhandlungen mit König Ludwig XII. hinein. So wandte sich die Stadt St. Gallen mit der Bitte an die Eidgenossen, während der Verhandlungen auf den alten Messefreiheiten der Stadt zu insistieren. Mit der Ratifikation des Vertrages erneuerte Ludwig tatsächlich die den eidgenössischen Kaufleuten und den Händlern aus St. Gallen, Appenzell und Wil seit Karl VIII. gewährte Verlängerung der Messefreiheit auf zehn Folgetage. Ausserdem waren die genannten Händler während dieser Zeit für den Transfer von Waren, Geld und Juwelen von sämtlichen Zöllen befreit. Im Gegenzug verpflichteten sich diese lediglich dazu, die Messen von Genf nicht zum Schaden derjenigen von Lyon zu bevorzugen.23 Der vertraglich geregelte Solddienst war somit Teil eines grenzüberschreitenden Handelssystems, das nicht nur den Export eidgenössischer Söldner organisierte, sondern darüber hinaus auch den übrigen Warenfluss zwischen der Eidgenossenschaft und ihren Allianzpartnern regulierte. Mit dem 1516 zustande gekommenen Ewigen Frieden und der darauf folgenden Soldallianz von 1521 festigte sich die vertragliche Beziehung zwischen diesen ungleichen Partnern in politisch-militärischer, aber auch in diplomatischer und ökonomischer Hinsicht.24