Kitabı oku: «Gefährliche Liebschaften»
Gefährliche Liebschaften
Skandal Literatur
aus alter Zeit
IMPRESSUM
Autor: Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos
Herausgeber:
Jürgenl Prommersberger
Händelstr 17
93128 Regenstauf
Vorbemerkung des Herausgebers
Wir glauben den Leser aufmerksam machen zu müssen, daß wir ungeachtet des Titels des Buches und dem, was der Sammler dieser Briefe in seiner Vorrede darüber versichert, für die Echtheit dieser Sammlung nicht gut stehen, und daß wir selbst gewichtige Gründe haben, anzunehmen, daß das Ganze nur ein Roman ist.
Überdies kommt uns vor, als ob der Verfasser, der doch nach Wahrscheinlichkeit gesucht zu haben scheint, diese recht ungeschickt durch die Zeit zerstört hat, in die er die erzählten Ereignisse setzt. Einige der handelnden Personen sind in der Tat so sittenlos und verderbt, daß sie unmöglich in unserm Jahrhundert gelebt haben können, in diesem unsern Jahrhundert der Philosophie und Aufklärung, die alle Männer, wie man weiß, so ehrenhaft und alle Frauen so bescheiden und sittsam gemacht hat. Beruhen die in diesem Buche erzählten Begebenheiten wirklich auf Wahrheit, so ist es unsere Meinung, daß sie nur anderswo oder anderswann sich begeben haben können, und wir tadeln sehr den Autor, der sichtlich von der Hoffnung, mehr zu interessieren, verlockt, sie in seine Zeit und sein Land zu verlegen, und unter unserer Tracht und in unsern Gebräuchen Sittenbilder zu zeichnen wagte, die uns durchaus fremd sind.
Wenigstens wollen wir, soweit es in unserer Macht liegt, den allzu leichtgläubigen Leser vor jeder Überraschung bewahren und werden uns dabei auf eine Logik stützen, die wir dem Leser als sehr überzeugend und einwandfrei vortragen, denn zweifellos würden gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorzubringen nicht verfehlen: wir sehen nämlich in unsern Tagen kein Fräulein mit 60000 Francs Rente Nonne werden, und erleben es in unserer Zeit nicht, daß eine junge und schöne Frau sich zu Tode grämt.
C. D. L.
Vorwort des Sammlers dieser Briefe
Dieses Werk oder vielmehr diese Zusammenstellung, die der Leser vielleicht noch zu umfangreich finden wird, enthält doch nur die kleinere Anzahl der Briefe, welche die gesamte Korrespondenz bilden.
Von den Personen, an die diese Briefe gerichtet waren, mit deren Ordnung beauftragt, habe ich als Lohn für meine Mühe nur die Erlaubnis verlangt, alles, was mir unwichtig erschien, weglassen zu dürfen, und ich habe mich bemüht, nur jene Briefe zu geben, die mir zum Verständnis der Handlung oder der Charaktere wichtig erschienen. Dazu noch einige Daten und einige kurze Anmerkungen, die zumeist keinen andern Zweck haben, als die Quellen einiger Zitate anzugeben oder einige Kürzungen zu motivieren, die ich mir vorzunehmen erlaubt habe – dies ist mein ganzer Anteil an dieser Arbeit. Alle Namen der Personen, von denen in den Briefen die Rede ist, habe ich unterdrückt oder geändert.
Ich hatte größere Änderungen beabsichtigt, die sich meist auf Sprache oder Stil bezogen hätten, in welch beiden man manche Fehler finden wird. Ich hätte auch gewünscht, die Vollmacht zu haben, einige allzu lange Briefe zu kürzen, von denen mehrere weder unter sich noch mit dem Ganzen in rechtem Zusammenhange stehen. Diese Arbeit wurde mir jedoch nicht gestattet; sie hätte gewiß dem Buche keinen neuen Wert hinzugefügt, aber sie hätte zum mindesten einige seiner Mängel beseitigt.
Es wurde mir erklärt, die Beteiligten wollten die Briefe, wie sie sind, veröffentlicht haben, nicht aber ein Werk, das auf Grund dieser Briefe verfaßt sei; daß es ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit wie gegen die Wahrheit selbst verstoßen würde, daß die acht bis zehn Personen, die diese Briefe schrieben, den gleichen korrekten Stil hätten. Und auf den Einwand, daß unter den Briefen kein einziger sei, der nicht grobe Fehler enthalte, und daß die Kritik nicht ausbleiben würde, bekam ich die Antwort, daß jeder verständige und wohlgesinnte Leser erwarten werde, Fehler in einer Sammlung von Briefen zu finden, die Privatpersonen einander schrieben, und daß sämtliche bisher veröffentlichten Briefe – selbst jene geschätzter Autoren und Mitglieder der Akademie nicht ausgenommen – in dieser Beziehung nicht einwandfrei wären. Diese Gründe haben mich nun keineswegs überzeugt; ich finde sie leichter vorgebracht, als sie gebilligt werden können; aber ich war nicht Herr dieser Angelegenheit und gab nach. Ich habe mir nur vorbehalten, dagegen Einspruch zu tun und zu erklären, daß ich die Ansicht meiner Auftraggeber nicht teile, was hiermit geschieht.
Was den Wert betrifft, den dieses Buch haben kann, so kommt es mir vielleicht nicht zu, mit meiner Ansicht die anderer zu beeinflussen. Die vor Beginn einer Lektüre wissen wollen, was sie von ihr erwarten können, mögen hier weiterlesen; die andern tun besser, an die Briefe selbst zu gehen, von denen sie nun ja genug wissen.
Dies muß ich noch sagen: Wenn ich auch diese Briefe herausgab, so bin ich doch weit entfernt, ihren Erfolg zu hoffen, und ist diese meine Aufrichtigkeit keine falsche Bescheidenheit des Autors; denn ebenso aufrichtig erkläre ich: hielte ich diese Arbeit nicht der Veröffentlichung wert, hätte ich mich nicht mit ihr abgegeben. Das scheint ein Widerspruch; ich will ihn zu lösen versuchen.
Ein Brief ist nützlich oder unterhaltend oder er vereint beides. Aber der Erfolg, der nicht immer den Wert beweist, ist oft mehr abhängig vom Gegenständlichen als von dessen Gestaltung, mehr vom Inhalt als von dessen Form. Diese Sammlung enthält Briefe verschiedener Personen mit verschiedenen Interessen, welche Verschiedenheit vielleicht das eine Interesse des Lesers nicht erhöht. Dann sind auch die Gefühle und Empfindungen, die diese Briefe aussprechen, gefälscht, geheuchelt oder verstellt, und können sie so wohl die Neugier reizen, aber das Herz nicht fesseln und rühren. Und das Bedürfnis des Herzens steht über der Neugierde, und das Herz ist ein nachsichtigerer Richter als die Neugierde, die leichter die Fehler bemerkt, die sie in ihrer Befriedigung stören.
Die Fehler werden vielleicht von einer Eigenschaft des Buches aufgewogen, die in seiner Natur liegt: ich meine die Wahrheit seines Ausdrucks, ein Verdienst, das sich hier von selbst einstellte und das die Langweile der Einförmigkeit nicht aufkommen lassen wird. Der eine und andere Leser wird auch durch die neuen oder wenig bekannten Beobachtungen, die dort und da in den Briefen sind, auf seine Kosten kommen, – das ist aber auch alles Vergnügen, das man von dem Buch erwarten darf, auch dann, wenn man es mit größter Gunst hinnimmt.
Den Nutzen des Buches wird man vielleicht noch stärker in Zweifel ziehen als dessen Annehmlichkeit, aber er scheint mir doch leichter zu beweisen.
Mich dünkt, man erweist der Sittlichkeit einen Dienst, wenn man die Mittel bekannt gibt, deren sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben; diese Briefe können sich Wohl in diesen Dienst stellen. Man wird in ihnen auch den Beweis zweier wichtiger Wahrheiten finden, die man verkannt glauben möchte, so wenig werden sie geübt: die eine ist, daß jede Frau, die einen schlechten Menschen in ihrer Gesellschaft duldet, sicher früher oder später dessen Opfer wird. Die andere ist: daß es zum mindesten eine Unvorsichtigkeit der Mutter bedeutet, wenn sie duldet, daß eine andere als sie selber das Vertrauen ihrer Tochter besitzt. Auch können die jungen Männer und Mädchen hier lernen, daß die Freundschaft, die ihnen schlechte Individuen gern und reichlich zu schenken scheinen, immer nur eine gefährliche Falle ist, gleich verhängnisvoll für ihr Glück wie für ihre Tugend.
Jedoch: der Mißbrauch des Guten ist dem Guten sehr nahe und er scheint mir hier zu befürchten. Weit davon, dieses Buch der Jugend zu empfehlen, scheint, es mir vielmehr nötig, es von ihr fernzuhalten. Der Zeitpunkt, da dieses und ähnliche Bücher aufhören, gefährlich zu sein und nützlich werden, scheint mir von einer vortrefflichen Mutter, die Geist und rechten Geist hatte, sehr richtig bestimmt worden zu sein. Sie hatte das Manuskript dieses Buches gelesen und sagte: »Ich würde meiner Tochter einen großen Dienst damit zu erweisen glauben, daß ich ihr dieses Buch an ihrem Hochzeitstag gebe.« Dächten alle Mütter so, würde ich mich immer glücklich schätzen, diese Briefe veröffentlicht zu haben.
Doch alle diese günstigen Voraussetzungen angenommen, dürfte das Buch doch wenigen gefallen. Die depravierte Gesellschaft wird ein Interesse daran haben, ein Buch zu verlästern, das ihr schaden kann; und da es ihnen in diesem Stücke an Geschicklichkeit nicht fehlt, so bekommen sie am Ende auch die rigorosen Leute in ihr Lager, deren Eifer darüber aufgebracht ist, daß man solche Dinge darzustellen sich nicht scheute.
Was aber die angeblichen starken Geister betrifft, so werden sie sich kaum für eine fromme Frau interessieren, die ihnen eben deshalb höchst albern vorkommen wird, während die Frommen sich daran stoßen werden, die Tugend unterliegen zu sehen; und sie werden sich auch darüber aufhalten, daß die Religion sich mit zu wenig Macht zeige.
Die Leute von feinem Geschmack werden den Stil mancher Briefe zu simpel und fehlerhaft finden, und die Mehrzahl der Leser wird, von dem Gedanken verführt, daß alles Gedruckte Erfindung sei, in andern Briefen wieder eine Maniriertheit des Verfassers zu erkennen meinen, der sich hinter den Personen, die er sprechen läßt, verberge.
Schließlich ist es vielleicht das allgemeine Urteil, jede Sache gelte nur an ihrer rechten Stelle was; und wenn auch der allzu gefeilte Stil der Autoren privaten Briefen ihren Reiz raube, dieser Briefe Nachlässigkeiten doch zu wirklichen Fehlern würden, die sie im Drucke unerträglich machten.
Ich gebe ehrlich zu, daß alle diese Vorwürfe ihr Recht haben mögen, wenn ich auch glaube, ihnen antworten zu können, auch ohne die gewöhnliche Länge eines Vorwortes zu überschreiten. Aber man wird meine Meinung teilen, daß ein Buch, das allen gerecht würde, keinem taugen könne. Hätte ich allen nach Gefallen schreiben wollen, hätte ich so Buch als Vorrede nicht geschrieben.
Übersetzt von Franz Blei:
Geboren am 18.01.1871 in Wien; gestorben am 10.07.1942 in Westbury/Long Island.
Franz Blei studierte von 1890 - 1894 in Zürich und Genf Nationalökonomie, Geschichte und Literaturgeschichte. Nach seiner Promotion lebte er als Literat und Bohemien abwechselnd in München und Berlin. 1931 zog er nach Mallorca und flüchtete als Gegner des Nationalsozialismus in die U.S.A.
Franz Blei übersetzte Werke von Baudelaire, Hawthorne, Laclos, Stendhal, Wilde und Balzac.
Erster Teil
Erster Brief
Cécile Volanges an Sophie Carnay, bei den Ursulinerinnen zu ...
Du siehst, liebe Freundin, daß ich Wort halte und daß der Toilettentisch mir nicht meine ganze Zeit raubt, – er wird mir immer welche für Dich übrig lassen. Ich habe an diesem einzigen Tag mehr Schmuck gesehen, als in den vier Jahren, die wir zusammen verlebt haben, und ich hoffe, daß die eingebildete Tanville, meine Mitpensionärin, sich bei meinem nächsten ersten Besuche mehr ärgern wird als sie annahm, daß wir uns ärgern, jedesmal wenn sie uns in ihrem vollen Staat besuchte. Mama spricht jetzt über alles mit mir: ich werde gar nicht mehr wie ein Schulmädchen behandelt. Ich habe meine eigene Kammerzofe, meine zwei eigenen Räume und einen sehr hübschen Schreibtisch, an dem ich Dir schreibe, und dessen Schlüssel ich habe, und alles darin einsperren kann, was mir beliebt. Mama sagt mir, daß ich sie jeden Tag am Morgen sehen werde, daß es genügt, wenn ich bis zum Diner frisiert bin, weil wir beide immer allein sein werden, und dann wird sie mir die Stunde jedesmal angeben, zu der ich am Nachmittag mit ihr ausgehe. Die übrige Zeit gehört mir allein. Ich habe meine Harfe, meine Zeichensachen und die Bücher ganz wie im Kloster, nur ist Mutter Perpetua nicht hier, um mich auszuzanken, und ich kann faulenzen so viel ich will: aber da meine Sophie nicht bei mir ist, um mit mir zu lachen und zu schwatzen, so ist's mir lieber, mich zu beschäftigen.
Es ist noch nicht fünf Uhr und ich soll erst um sieben Uhr mit Mama zusammensein, hab also Zeit genug, wenn ich Dir etwas zu erzählen hätte. Aber man hat noch über gar nichts mit mir gesprochen; und wenn ich nicht all die Vorbereitungen sehen würde und das Massenaufgebot von Schneiderinnen, die meinetwegen bestellt sind, ich würde nicht glauben, daß man mich verheiraten will, sondern daß das ganze nur so ein Geschwätz von unserer guten Pförtnerin Josephine war. Aber meine Mama sagte oft, daß ein junges Mädchen bis zu ihrer Verheiratung im Kloster bleiben soll; da sie mich herausgenommen hat, so muß doch Schwester Josephine Recht gehabt haben.
Soeben hält ein Wagen unten am Tor, und Mama läßt mich bitten zu ihr zu kommen. Ich bin nicht angezogen, – wenn es dieser Herr wäre!? Mein Herz klopft stark, und meine Hand zittert! Als ich meine Zofe fragte, wer bei Mama wäre, lachte sie und sagte: Herr G ...
O! ganz bestimmt, er ist es. Ich werde Dir dann alles erzählen, – jetzt kennst Du immerhin schon seinen Namen, und ich will nicht länger auf mich warten lassen. Adieu, bis nachher!
Wie wirst Du Dich über die arme Cécile lustig machen! O wie war ich auch dumm! Aber sicher wäre es Dir genau so gegangen. Also wie ich bei Mama eintrat, stand dicht neben ihr ein Herr ganz in Schwarz. Ich begrüßte ihn so artig wie ich konnte und blieb, ohne mich vom Platz zu rühren, stehen. Du kannst Dir denken, wie ich ihn mir anschaute! »Gnädige Frau«, sagte er zu meiner Mutter und grüßte mich, »sie ist entzückend, und ich fühle vollauf den Wert Ihrer Güte.« Das klang so bestimmt, und ich begann zu zittern, daß ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte; ich fand einen Stuhl in meiner Nähe, auf den ich mich verwirrt und ganz rot geworden niederließ. Kaum saß ich, so lag dieser Mann auch schon zu meinen Füßen. Ich verlor nun völlig den Kopf und war, wie Mama behauptete, ganz verwirrt. Ich stand auf mit einem Schrei, ganz so einem Schrei, wie damals, weißt Du, als das starke Donnerwetter anhub. Mama lachte laut und sagte: »Was hast du denn? setz dich nieder und reiche dem Herrn deinen Fuß.« Und wirklich, meine liebe Freundin, – der Herr war ein Schuster! Es ist mir nicht möglich, Dir zu beschreiben, wie beschämt ich mich fühlte, – glücklicherweise war nur Mama anwesend. Wenn ich verheiratet bin, werde ich gewiß nicht mehr bei diesem Schuster arbeiten lassen.
Jetzt sind wir, ich und Du, nicht klüger als zuvor! Lebe wohl, – meine Kammerzofe sagt, ich müsse mich jetzt anziehen, es ist bald sechs Uhr. Adieu, ich liebe Dich noch gleich stark wie im Kloster, meine liebe, liebe Sophie.
P. S. Da ich nicht weiß, durch wen ich meinen Brief schicken soll, werde ich warten bis Josephine kommt.
Paris, den 3. August 17..
Zweiter Brief
Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont im Schlosse zu ...
Kommen Sie, mein lieber Vicomte, kommen Sie zurück! Was machen Sie, was können Sie denn bei einer alten Tante machen, deren Vermögen Ihnen doch schon sicher ist? Ich brauche Sie, reisen Sie also unverzüglich. Ich habe eine vortreffliche Idee, mit deren Ausführung ich Sie betrauen will. Diese wenigen Worte sollten Ihnen genügen, und Sie sollten sich von meiner Wahl so sehr geehrt fühlen, daß Sie herbeieilen müßten und kniend meine Befehle entgegen nehmen. Aber Sie mißbrauchen meine Güte, selbst seitdem Sie sie nicht mehr brauchen. Zwischen einem ewigen Haß und einer übergroßen Güte trägt zu Ihrem Glücke doch wieder meine Güte den Sieg davon. Ich will Sie nun von meinem Projekte unterrichten. Aber schwören Sie mir zum voraus, daß Sie als mein treuer Kavalier sich in kein anderes Abenteuer einlassen, ehe dieses nicht zu Ende geführt ist, – es ist eines Helden würdig: Sie werden dabei der Liebe und der Rache dienen, und Sie werden sich seiner in Ihren Memoiren rühmen können, in diesen Memoiren, von denen ich möchte, daß sie einst gedruckt werden – ich will es auf mich nehmen, sie zu schreiben. Aber zu unserer Sache!
Frau von Volanges verheiratet ihre Tochter: es ist noch ein Geheimnis, das ich aber gestern von ihr selbst erfuhr. Wen glauben Sie wohl, daß sie sich zum Schwiegersohne aussuchte? Den Grafen Gercourt! Wer hätte mir gesagt, daß ich die Cousine von Gercourt werden würde! Ich bin wütend darüber – und – aber erraten Sie denn immer noch nicht? Was sind Sie schwerfällig! Haben Sie ihm das Abenteuer mit der Intendantin verziehen? Und vergessen, wie ich mich über ihn zu beklagen habe? Ich muß sagen, die Hoffnung, mich nun endlich rächen zu können, beruhigt und erheitert mich sehr.
Wie oft hat uns Gercourt mit der Wichtigtuerei gelangweilt, mit der er von der Wahl seiner künftigen Frau sprach, und mit seiner lächerlichen Einbildung, er würde dem unvermeidlichen Schicksal, düpiert zu werden, entgehen. Erinnern Sie sich seiner albernen Vorliebe für die klösterliche Erziehung der Mädchen und seines lächerlichen Vorurteils, daß die Blondinen sittsamer wären? Ich wette, er würde die Ehe mit Fräulein Volanges niemals eingehen, trotz ihrer sechzigtausend Francs Rente, wenn sie nicht blond und nicht im Kloster erzogen worden wäre. Beweisen wir ihm, daß er nur ein Idiot ist, und daß er es sicher eines Tages sein wird, dafür stehe ich. Aber ich möchte, daß er als Idiot debütiert.
Wie würde er am Tage nach der Hochzeit prahlen, und wie würden wir lachen! Denn prahlen wird er! Und es müßte wunderbar zugehen, sollte Gercourt nicht Tagesgespräch in Paris werden, nachdem die Kleine erst einmal in Ihrer Schule war.
Die Heldin dieses Romanes verdient übrigens Ihre größte Aufmerksamkeit, denn sie ist wirklich hübsch; erst fünfzehn Jahre alt und wie eine Rosenknospe; gar nicht geziert, aber dumm und lächerlich naiv, wovor ihr Männer ja keine Angst habt. Im übrigen noch einen vielversprechenden Ausdruck in den Augen. Kurz und gut: ich empfehle sie Ihnen, und so brauchen Sie sich nur noch bei mir zu bedanken und zu gehorchen.
Dieser Brief ist morgen früh in Ihren Händen. Ich erwarte, daß Sie morgen Abend um sieben Uhr bei mir sind. Bis acht Uhr empfange ich niemand, nicht einmal den zur Zeit regierenden Chevalier – er hat nicht genug Verstand für eine so wichtige und große Sache.
Wie Sie sehen, macht mich die Liebe nicht blind. Um acht Uhr haben Sie Ihre Freiheit – um zehn Uhr kommen Sie wieder, um zusammen mit der Schönen bei mir zu soupieren, denn Mama und Tochter werden bei mir zu Tisch sein.
Adieu, es ist über zwölf Uhr: bald werde ich mich nicht mehr mit Ihnen beschäftigen.
Paris, den 4. August 17..
Dritter Brief
Cécile Volanges an Sophie Carnay.
Ich kann Dir immer noch nichts mitteilen. Bei Mama waren gestern viele Gäste zum Abendessen. Trotzdem ich mit großem Interesse die anwesenden Herren beobachtete, so habe ich mich doch gelangweilt. Herren und Damen, alle schauten mich an, dann sprachen sie sich leise in die Ohren, und ich merkte, daß von mir die Rede war: gegen meinen Willen wurde ich ganz rot. Ich wollte es nicht, denn ich bemerkte, daß die andern Frauen, wenn man sie ansah, nicht rot wurden. Vielleicht auch sieht man es unter der Schminke nicht; denn es muß doch sehr schwer sein, nicht zu erröten, wenn einen ein Mann so fest ansieht.
Was mich am meisten beunruhigte, war, was man wohl über mich dachte. Mir war, als wenn ich zwei- oder dreimal das Wort »hübsch« verstanden hätte; das Wort »ungeschickt« hörte ich ganz deutlich, und es muß wahr sein, denn die Frau, die das sagte, war eine Verwandte und Freundin meiner Mutter; sie schien sogar sofort Freundschaft für mich zu empfinden. Das war auch die einzige Person, die am ganzen Abend ein wenig mit mir sprach. Morgen werden wir bei ihr zu Abend essen.
Außerdem hörte ich noch nach dem Diner einen Herrn zu einem andern sagen – und ich bin überzeugt, es ging auf mich: »Das muß man erst reif werden lassen, wir werden ja in diesem Winter sehen.« Vielleicht war es sogar der, der mich heiraten soll, das wäre aber dann ja erst in vier Monaten! Ach, ich möchte so gerne wissen, was wahres an all dem ist!
Gerade kommt Josephine und sie sagt, daß sie sehr in Eile wäre. Ich will Dir aber doch noch eine große Ungeschicklichkeit von mir erzählen. Die Dame, die das sagte, hat doch wohl recht, glaub ich. Also nach Tisch wurde gespielt. Ich setzte mich neben Mama und war sofort eingeschlafen, ohne daß ich merkte, wie das geschah. Eine Lachsalve weckte mich auf. Gewiß hat man über mich gelacht, aber ich bin dessen nicht ganz sicher. Mama erlaubte mir, mich zurückzuziehen, was mir sehr recht war. Denke, es war schon nach elf Uhr! Adieu, meine liebe Sophie, und hab Deine Cécile immer recht lieb. Ich versichere Dir, daß die große Welt nicht halb so amüsant ist, wie wir uns das immer vorstellten.
Paris, den 4. August 17..
Vierter Brief
Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil in Paris.
Ihre Befehle entzücken mich, die Art und Weise, wie Sie sie geben, noch mehr: Sie machen einen das unbedingte Gehorchen lieben. Sie wissen, es ist nicht das erstemal, daß ich bedaure, nicht mehr Ihr Sklave zu sein. Und wenn Sie mich auch ein Ungeheuer nennen, so erinnere ich mich doch immer mit großem Vergnügen der Zeiten, da Sie mich mit süßeren Kosenamen bedachten. Oft wünsche ich mir, ich könnte sie wieder verdienen und der Welt mit Ihnen zusammen ein Beispiel ewiger Treue geben.
Aber größere Dinge erwarten uns. Erobern, das ist unsere Bestimmung, und man muß ihr folgen: vielleicht treffen wir uns am Ende dieser Carriere wieder. Denn, ohne Sie kränken zu wollen, meine schöne Marquise, muß man zugeben, daß Sie mit mir Schritt halten. Seitdem wir uns für das Glück der Mitmenschen trennten, predigen wir jeder seinerseits die Treue und den Glauben, und mir scheint, daß Sie in dieser Liebesmission mehr Proselyten machten als ich. Ich kenne ja Ihren Eifer, Ihre hingebende Inbrunst; und wenn jener Gott uns nach unsern Werken beurteilen würde, müßten Sie die Schutzpatronin einer großen Stadt werden, während Ihr Freund nur der Heilige eines Dorfes würde. Diese Sprache erstaunt Sie, nicht wahr? Aber seit acht Tagen höre und spreche ich keine andere; nur um mich darin noch zu vervollkommnen, muß ich Ihnen ungehorsam sein.
Aber werden Sie nicht böse und hören Sie mich an. Als Mitwisserin meiner Herzensgeheimnisse will ich Ihnen den größten Plan anvertrauen, den ich je gehabt habe. Was schlagen Sie mir vor? Ein junges Mädchen zu verführen, das weder was kennt, noch irgend etwas gesehen hat, das mir gewissermaßen ohne Gegenwehr preisgegeben ist, das einem ersten verliebten Sturm erliegen wird und das dabei mehr von der Neugierde geleitet ist als von der Liebe. Zwanzig andere können dasselbe ausrichten. Nein – mein Plan ist ein andrer: sein Erfolg wird mir ebensoviel Ruhm wie Vergnügen bereiten. Die Liebe, die mir meinen Kranz windet, schwankt noch zwischen Myrte und Lorbeer, oder sie wird vielmehr beides vereinigen. Sie werden, meine schöne Freundin, von heiligem Respekt vor mir erfüllt werden und mit Enthusiasmus ausrufen: »Das ist der Mann meines Herzens.«
Sie kennen doch die Präsidentin von Tourvel, ihre Frömmigkeit, ihre eheliche Treue und ihre strengen Grundsätze. Das ist mein Gegner und ein Feind meiner würdig, und das ist das Ziel, das ich erreichen will.
»Bleibt auch in diesem Kampf der Siegespreis nicht mein,
Daß ich den Kampf gewagt, wird Ruhm genug mir sein.«
Man darf schlechte Verse zitieren, sie müssen nur von einem großen Dichter sein.
Sie müssen also wissen, daß sich der Präsident in Burgund aufhält, eines Prozesses wegen – ich hoffe ihn aber einen wichtigeren verlieren zu lassen – seine untröstliche andere Hälfte aber soll ihre betrübende Zeit der Witwenschaft hier verbringen. Jeden Tag eine Messe, einige Besuche bei den Bezirkskranken, Gebete des Morgens und des Abends, fromme Unterhaltungen mit meiner alten Tante, und manchesmal einen trübseligen Whist, das sollen ihre einzigen Zerstreuungen sein. Mein guter Genius hat mich hierher geführt, zu ihrem und zu meinem Glück. Vierundzwanzig Stunden habe ich zu bereuen, die ich konventionellem Gerede opferte. Welche Strafe, zwänge man mich nach Paris zurückzukehren! Glücklicherweise spielt man Whist zu viert, und weil hier nur ein Dorfgeistlicher existiert, so hat meine gottesfürchtige Tante in mich gedrängt, ihr einige Tage zu opfern. Sie können sich denken, wie ich bereit war! Aber Sie können sich keinen Begriff davon machen, wie meine Tante mich seitdem verhätschelt, wie sie darüber erbaut ist, mich so regelmäßig beim Beten und in der Messe zu sehen! Sie hat keine Ahnung von der Gottheit, die ich in der Kirche anbete.
Seit vier Tagen bin ich also an eine heftige Leidenschaft gebunden. Sie kennen mein Temperament und wie ich Hindernisse nehme, aber Sie wissen nicht, wie köstlich die Einsamkeit meine Begierde steigert. Ich kenne nur noch dieses eine, ich denke daran am Tage und träume davon des Nachts: Ich muß diese Frau haben, um nicht der Lächerlichkeit zu verfallen, verliebt zu sein. Verliebt – wohin führt uns nicht ein ungestilltes Verlangen! Köstliches Verlangen – ich beschwöre dich um meines Glückes und besonders um meiner Ruhe willen! Wie glücklich sind wir, daß sich die Frauen so schlecht verteidigen, – wir wären sonst schüchterne Sklaven neben ihnen. Ich verspüre jetzt eine Art Dankbarkeit für die gefälligen, leichten Frauen, ein Gefühl, das mich natürlich vor Ihre Füße führt. Da knie ich nieder, bitte um Verzeihung und endige dort meinen allzu langen Brief. Adieu, meine sehr schöne Freundin und – keinen Groll.
Auf Schloß . . ., den 5. August 17..
Fünfter Brief
Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.
Wissen Sie, Vicomte, daß Ihr Brief unverschämt ist, und daß ich ihn Ihnen sehr übel nehmen könnte, gäbe er mir nicht zugleich den Beweis, daß Sie ganz und gar den Kopf verloren haben? Und das bewahrt Sie vor meiner Ungnade. Als Ihre gefühlvolle und großmütige Freundin vergesse ich Ihre Beleidigung und kümmere mich um die Gefahr, in der Sie schweben; mag es auch dumm sein, darüber zu räsonieren, so will ich Ihnen doch in diesem Augenblick beistehen. Sie wollen die Präsidentin von Tourvel haben? Was für eine lächerliche Laune! Ich erkenne daran ganz Ihren Eigensinn, der nur das wünscht, was er glaubt, nicht erreichen zu können. Was hat denn diese Frau? Vielleicht sehr regelmäßige Züge, aber sie sind ohne Ausdruck; sie ist recht gut gebaut, aber ohne Grazie, und angezogen ist sie, zum Lachen! Ganze Pakete Stoff hat sie bis zum Hals hinauf, daß ihr der Leib bis zum Kinn reicht. Als Freundin sage ich Ihnen: zwei solche Frauen genügen, Sie um Ihr ganzes Ansehen zu bringen. Erinnern Sie sich noch des Tages in Saint-Roche, wo sie für die Armen sammelte, was Sie veranlaßte, mir für das Schauspiel zu danken, das ich Ihnen damit bereitete? Ich sehe sie noch, wie sie diesem einer Hopfenstange ähnlichen Herrn mit den langen Haaren die Hand gab, der bei jedem Schritte umzufallen drohte, und wie sie ihren vier Ellen langen Reifrock immer jemandem an den Kopf schwang bei jeder Verbeugung und errötete. Wenn man Ihnen damals gesagt hätte, daß Sie diese Frau verlangten! Nun, Vicomte, erröten Sie Ihrerseits und besinnen Sie sich auf sich selber. Ich verspreche Ihnen Diskretion.
Bedenken Sie doch auch alle die Unannehmlichkeiten, die Sie dabei erwarten. Und was für Rivalen haben Sie? Einen Gatten! Sind Sie bei diesem einen Wort nicht schon ganz klein? Welche Schande, wenn es mißlingt! Und wie wenig Ruhm beim Erfolg! Ich sage noch mehr: versprechen Sie sich kein Vergnügen. Gibt es denn eines mit prüden Frauen? Ich meine mit den ehrlichen Prüden, die selbst auf dem Höhepunkt des Vergnügens noch zurückhaltend sind und so nur halben Genuß geben. Dieses völlige Sichselbstvergessen, diesen Rausch der Wollust, der das Vergnügen durch sein Übermaß läutert, diese Wohltaten der Liebe kennen sie nicht. Ich prophezeie Ihnen, daß im günstigsten Fall Ihre Präsidentin glauben wird, alles für Sie getan zu haben, indem sie Sie wie ihren Ehegemahl behandelt, und im engsten und zärtlichsten ehelichen Zusammensein bleibt man immer – zu zweit. In Ihrem Falle steht es noch schlimmer.
Ihre keusche Dame ist fromm und von jener Frömmigkeit, welche die gute Frau zu einer ewigen Kindlichkeit verurteilt. Vielleicht überwinden Sie dieses Hindernis, schmeicheln Sie sich aber nicht, es zu zerstören; wenn auch Sieger, über die Liebe Gottes, so sind Sie es doch nicht über die Furcht vor dem Teufel; wenn Sie Ihre Geliebte in Ihren Armen erschauern fühlen, so ist das nicht Liebe, sondern Angst. Wenn Sie diese Frau früher gekannt hätten, vielleicht hätten Sie etwas aus ihr machen können; aber sie ist jetzt zweiundzwanzig Jahre alt und bald zwei Jahre verheiratet. Glauben Sie mir, Vicomte, wenn eine Frau schon so in diese tugendsamen Vorurteile hineingewachsen ist, soll man sie ihrem Schicksale überlassen, – sie wird immer nur ein Gattungswesen sein.
Und um dieses schönen Gegenstandes willen wollen Sie mir nicht folgen, wollen Sie sich in das Grab Ihrer Tante vergraben und dem schönsten und köstlichsten Abenteuer entsagen, das Ihnen Ehre gebracht hätte. Durch welches Schicksal muß denn Gercourt immer und überall vor Ihnen etwas voraus haben? Ich spreche ganz ohne Ironie, aber jetzt glaube ich wirklich, daß Sie Ihren Ruf nicht verdienen; und daß ich mich versucht fühle, Ihnen mein Vertrauen zu entziehen. Ich würde mich nie dazu verstehen, meine Geheimnisse dem Geliebten einer Frau von Tourvel anzuvertrauen.