Kitabı oku: «Gefährliche Liebschaften», sayfa 9
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Vierzigster Brief
Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil
Das ist für meine grausame Schöne noch zu wenig, nicht auf meine Briefe zu antworten und sie nicht anzunehmen – sie will mir ihren Anblick entziehen, sie verlangt, daß ich abreise. Worüber Sie aber staunen werden: ich unterwerfe mich und reise. Sie werden mir Unrecht geben. Doch ich habe geglaubt, die Gelegenheit, mir etwas befehlen zu lassen, nicht besser nützen zu können, denn ich bin davon überzeugt, daß der, der befiehlt, sich verpflichtet; und dann ist diese scheinbare Macht, die wir den Frauen so gerne geben, eine der Fallen, denen sie am schwersten entgehen. Und noch eins: die Geschicklichkeit, mit der sie ein Alleinsein mit mir vermied, brachte mich in eine ganz gefährliche Situation, aus der ich um jeden Preis herausmußte: ich war immer um sie ohne die Möglichkeit, sie mit meiner Liebe zu beschäftigen, und so war die Gefahr nahe, daß sie sich schließlich daran gewöhnte, mich zu sehen und ohne Erregung zu sehen. Und das ist, wie Sie gut wissen, eine Situation, aus der herauszukommen sehr schwer ist.
Übrigens können Sie sich denken, daß ich mich nicht bedingungslos gefügt habe. Ich hatte sogar die Vorsicht, eine Bedingung zu stellen, die unmöglich zu erfüllen ist, um einerseits immer Herr zu bleiben, mein Wort zu halten oder zu brechen, und dann auch, um einen Verkehr – mündlich oder schriftlich – in dem Augenblick einleiten zu können, wo meine Schöne zufriedener mit mir ist und das Bedürfnis hat, daß ich zufriedener mit ihr wäre. Zu all dem noch dies, daß ich sehr ungeschickt wäre, wenn ich keine Mittel fände, eine Entschädigung für das Aufgeben dieser meiner Bedingung zu bekommen, so unhaltbar sie auch ist.
Nachdem ich Ihnen in dieser langen Einleitung meine Gründe auseinandergesetzt habe, erzähle ich Ihnen die Geschichte dieser zwei letzten Tage. Als Belege dienen die Briefe meiner Dame und meine Antwort darauf. Es wird wenige Historiker geben, die so exakt sind wie ich, nicht wahr?
Sie erinnern sich der Wirkung meines Briefes aus Dijon. Der Rest des Tages war recht bewegt. Die schöne Frau erschien erst zum Diner wieder und kündigte eine schwere Migräne an, – ein Vorwand, um eine dieser heftigen Stimmungskrisen zu maskieren, die Frauen haben können. Ihr Gesicht war wirklich merkwürdig verändert; der sanfte Ausdruck, den Sie an ihr kennen, bekam eine Nuance Trotz, was eine ganz neue Schönheit aus ihr machte. Ich will mir diese Entdeckung für den späteren Gebrauch merken und manchmal die sanfte Geliebte von dieser seltsam trotzigen ablösen lassen.
Ich sah einen trüben Nachmittag voraus, vor dessen Langeweile ich mich damit rettete, daß ich Briefe schreiben zu müssen vorgab und mich auf mein Zimmer zurückzog. Ich kam gegen sechs Uhr in den Salon zurück. Frau von Rosemonde schlug eine Spazierfahrt vor, was angenommen wurde. Aber gerade da wir in den Wagen steigen wollten, bekam meine angebliche Kranke höchst boshaft einen neuen Kopfschmerzanfall – vielleicht auch um sich an meinem »Briefschreiben« zu rächen – und ließ mich erbarmungslos ein Tête-à-Tête mit meiner alten Tante genießen. Ich weiß nicht, ob die Verwünschungen, die ich gegen diesen weiblichen Satan ausstieß, erhört wurden, aber bei unserer Rückkehr fanden wir ihn zu Bett.
Am nächsten Tage war ihre natürliche Sanftmut wieder da, und ich glaubte, mir wäre verziehen. Das Frühstück war kaum zu Ende, als diese nun wieder so sanfte Frau sich ruhig-gleichgültig erhob und in den Park ging; ich folgte natürlich, wie Sie sich denken können. »Woher diese Lust spazieren zu gehen?« fragte ich. – »Ich habe heute morgen viel geschrieben.« sagte sie, »und mein Kopf ist etwas müde.« – »Bin ich nicht so glücklich,« erwiderte ich, »mir die Ursache dieser Müdigkeit geben zu dürfen?« – »Ich habe Ihnen wohl geschrieben, aber ich weiß noch nicht, ob ich Ihnen den Brief geben soll. Er enthält eine Bitte, und Sie haben mich nicht daran gewöhnt, von einer Bitte Erfüllung zu hoffen.« – »Ich schwöre, wenn es mir möglich ist ...« – »Nichts ist leichter« – unterbricht sie mich – »und trotzdem Sie sie aus Gerechtigkeit erfüllen sollten, werde ich es als eine Gnade ansehen.« Sie gab mir ihren Brief; ich nahm ihn, und nahm auch ihre Hand, die sie ohne Unwillen und mit mehr Verlegenheit als Eile zurückzog. »Die Hitze ist doch stärker als ich dachte,« sagte sie, »wir müssen ins Haus zurück.« – Und sie nahm den Weg zum Schloß. Umsonst waren alle Versuche, sie zur Verlängerung des Spazierganges zu bewegen, und ich mußte mich daran erinnern, daß man uns sehen könnte, um nicht mehr als Worte aufzuwenden. Sie kehrte um und sprach kein Wort; und mir war klar, daß sie mit diesem Spaziergang keinen anderen Zweck hatte, als mir ihren Brief zu geben. Sie ging in ihre Zimmer und ich in die meinen, um die Epistel zu lesen, die ich Ihnen ebenfalls zu lesen rate, wie auch meine Antwort, bevor ich weiter erzähle.
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Einundvierzigster Brief
Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont
Es kommt mir vor, Vicomte, als ob Sie mit Ihrem Benehmen Tag für Tag nur die Gründe meiner Klagen über Sie vermehren wollten. Hartnäckig sind Sie darauf aus, mir von Ihrer Liebe zu sprechen, was ich weder hören will noch darf. Sie treiben Missbrauch mit meinem Vertrauen oder meiner Schüchternheit und scheuen sich nicht, mir Ihre Briefe zukommen zu lassen und das auf eine wenig delikate Weise, wie ich wohl sagen kann. Den letzten Brief schickten Sie mir, ohne im mindesten die Wirkung einer Überraschung zu befürchten, die mich hätte arg bloßstellen können. Alles das gäbe mir wohl Anlass genug, Ihnen die stärksten und verdientesten Vorwürfe zu machen. Doch ich will statt all dem nur eine Bitte an Sie stellen, und wenn Sie mir ihre Erfüllung zusagen, dann soll alles vergessen sein.
Sie selbst haben mir gesagt, daß ich für alles, was ich Sie bitte, keinen abschlägigen Bescheid zu fürchten brauche, und trotzdem dieser Zusage mit der Ihnen eigenen Inkonsequenz die einzige Ablehnung folgte, die Sie mir geben konnten, so will ich doch glauben, daß Sie heute ebenso formell Ihr Wort halten werden, wie Sie es mir vor einigen Tagen gegeben haben.
Ich wünsche also, daß Sie die Güte haben, abzureisen, den Ort zu verlassen, wo Ihr längeres Verweilen mich nur noch mehr dem Gerede der Welt aussetzen könnte, die ja immer schnell dabei ist, von anderen schlecht zu denken, und die Sie nur allzu sehr daran gewöhnt haben, sich jene Frauen ganz besonders anzusehen, die Sie mit Ihrer Gesellschaft auszeichnen.
Meine Freunde haben mich schon lange vor der Gefahr gewarnt, aber ich habe diese Warnung ignoriert, ja sogar die schlimme Meinung bekämpft, solange Ihr Betragen mir gegenüber mich in dem Glauben ließ, daß Sie mich nicht in die große Zahl jener Frauen einschließen, die alle Ursache hatten, sich über Sie zu beklagen. Heute, wo Sie mich so wie jene behandeln und wo ich das nicht länger ignorieren kann, heute bin ich es der Welt, meinen Freunden und mir selbst schuldig, einem notwendigen Entschluss zu folgen. Ich könnte noch dies bemerken, daß Sie durch eine Weigerung nichts gewinnen würden, da ich entschlossen bin, selbst zu reisen, wenn Sie darauf bestehen, zu bleiben. Aber ich will die Verpflichtung, die ich Ihnen für Ihre Gefälligkeit schuldig sein werde, nicht verkleinern, und so sage ich Ihnen, daß es mir momentan nicht angenehm wäre, abzureisen. Beweisen Sie mir also, wessen Sie mich so oft versicherten: daß anständige Frauen sich nie über Sie zu beklagen haben, oder beweisen Sie mir wenigstens, daß Sie es wieder gut zu machen wissen, wenn Sie ihnen Unrecht getan haben.
Habe ich es noch nötig, meine Bitte zu rechtfertigen? Es würde dazu genügen, Ihnen zu sagen, daß Sie eben Ihr Leben so verbrachten, daß diese meine Bitte nötig ist, und daß es nicht meine Schuld ist, wenn ich sie stelle. Aber wir wollen uns nicht an Dinge erinnern, die ich vergessen will und die mich zur Strenge zwingen würden und dies in einem Augenblick, wo ich Ihnen Gelegenheit gebe, sich meine Dankbarkeit zu verdienen. Adieu. Und was Sie tun, wird mir sagen, mit welchen Gefühlen ich für das Leben sein werde Ihre ergebene von T.
Schloß . . .,25. August 17..
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Zweiundvierzigster Brief
Vicomte von Valmont an die Frau von Tourvel
So schwer auch Ihre Bedingungen sind, gnädige Frau, – ich will sie erfüllen. Ich fühle, daß es mir unmöglich wäre, irgendeinem Ihrer Wünsche entgegen zu sein. Nun, da wir darüber einig sind, darf ich wohl hoffen, daß Sie auch mir um etwas zu bitten erlauben, das leichter zu gewähren ist, als um was Sie mich baten, und das ich doch nur durch meine völlige Unterwerfung unter Ihren Willen erlangen will.
Das eine, das mir hoffentlich Ihr Gerechtigkeitssinn zugestehen wird, ist, daß Sie mir die Namen jener meiner Ankläger nennen; sie tun mir doch, scheint es, Schlimmes genug, als daß ich nicht das Recht beanspruchen könnte, zu wissen, wer sie sind. Das andere, um das ich Sie bitte, ist, daß Sie mir auch in Zukunft erlauben, Ihnen manchmal die Huldigung einer Liebe zu Füßen zu legen, die mehr denn je Ihres Mitleids bedarf.
Bedenken Sie, gnädige Frau, daß ich mich beeile, Ihnen zu gehorchen – selbst auf Kosten meines Glückes, ja trotz meiner festen Überzeugung, daß Sie meine Abreise nur wünschen, um nicht mehr das Opfer Ihrer Herzlosigkeit zu sehen, was immer ein peinlicher Anblick ist.
Gestehen Sie doch, gnädige Frau, daß Sie das Gerede der Gesellschaft nicht fürchten, die, daran gewöhnt, Sie zu respektieren, nie eine schlechte Meinung über Sie haben wird, – daß Sie doch nur die Gegenwart eines Mannes lästig empfinden, den Sie wohl leicht bestrafen, aber schwer verurteilen können. Sie verbannen mich, – wie man den Blick von einem Unglücklichen abwendet, dem man nicht helfen will. Aber wenn nun die Trennung meine Qualen, verdoppelt, an wen anders als an Sie kann ich meine Klagen richten? Von wem sonst kann ich den Trost erwarten, der mir so nötig sein wird? Werden Sie ihn mir verweigern, wo Sie doch allein meiner Leiden Ursache sind?
So werden Sie wohl auch nicht darüber erstaunt sein, daß mir viel und alles daran liegt, vor meiner Abreise die Gefühle zu rechtfertigen, die Sie mir einflößten, so wie ich auch den Mut zu reisen nicht fände, bevor ich nicht den Befehl aus Ihrem Munde habe.
Das beides läßt mich um einen Augenblick der Aussprache bitten. Vergeblich würden wir uns darüber Briefe schreiben – man schreibt Bände und sagt schlecht, wozu eine Viertelstunde miteinander Sprechens genügt, um sich zu verstehen. Sie werden leicht eine Zeit für diese Unterredung finden. Ich will mich ja beeilen, Ihnen zu gehorchen, aber Sie wissen, daß Frau von Rosemonde meine Absicht kennt, den Herbst bei ihr zu verbringen, und ich müßte wenigstens einen Brief von Paris abwarten, der mir den Vorwand zu einer plötzlichen Abreise gäbe.
Leben Sie wohl, gnädige Frau. Nie noch ist mir dieses Wort so schwer geworden als hier, wo es mich an unsere Trennung erinnert. Wenn Sie ahnten, was ich davon leide, wüßten Sie mir wohl einen Dank für meine Folgsamkeit.
Empfangen Sie wenigstens mit einiger Nachsicht die Versicherung meiner zärtlichsten und ehrfurchtsvollsten Liebe. V.
Schloß . . ., 26. August 17..
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Dreiundvierzigster Brief
Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont
Weshalb wollen Sie meine Erkenntlichkeit kleiner machen, Vicomte? Warum wollen Sie nur halb folgen und bei einem doch so ehrlichen Handel feilschen? Ist es Ihnen nicht genug, daß ich den Preis voll schätze? Sie verlangen von mir nicht nur viel, Sie verlangen Unmögliches! Wenn mir wirklich meine Freunde von Ihnen erzählt haben, so haben sie das doch nur aus Freundschaft für mich getan, und selbst wenn sie sich irrten, so wäre ihre Absicht deshalb nicht weniger gut gewesen. Und nun verlangen Sie, daß ich diese Beweise guter Freundschaft damit belohne, daß ich Ihnen meine Freunde preisgebe! Es war schon nicht recht, daß ich Ihnen davon etwas sagte, und Sie lassen mich das jetzt genug fühlen. Was für jeden andern bloß Aufrichtigkeit gewesen wäre, wird Ihnen gegenüber zum Leichtsinn, und würde gemeine Verleumdung, wenn ich Ihrem Verlangen nachgäbe. Ich appelliere an Sie selbst, an Ihre Ehrenhaftigkeit – halten Sie mich wirklich einer solchen Handlung für fähig? Durften Sie mir das zumuten? Doch sicher nicht; und ich bin fest davon überzeugt, Sie werden nicht mehr darauf zurückkommen, wenn Sie darüber nachdenken.
Der andere Wunsch, daß Sie mir schreiben wollen, ist kaum leichter zu gewähren. Ich will Sie nicht beleidigen – aber welche Frau könnte bei dem schlimmen Ruf, den Sie haben und den Sie nach Ihrem eigenen Geständnis wenigstens zum Teil verdienen, welche Frau könnte da ruhig sagen, daß sie mit Ihnen Briefe wechsle, und welche anständige Frau könnte etwas tun, was sie zu verheimlichen genötigt wäre? Ja, wenn Ihre Briefe so wären, daß ich niemals mich darüber zu beklagen Ursache hätte und ich es immer vor mir selber rechtfertigen könnte, sie empfangen zu haben, dann würde mich vielleicht der Wunsch, Ihnen zu beweisen, daß mich Vernunft und nicht Haß leitet, über die starken Bedenken wegkommen und mich mehr tun lassen als ich dürfte, indem ich Ihnen erlaube, mir manchmal zu schreiben. Wenn Sie das wirklich so sehr wünschen, wie Sie sagen, werden Sie sich gern der einzigen Bedingung fügen, unter der ich darein willige. Und wenn Sie nur etwas Dankbarkeit für das haben, was ich jetzt für Sie tue, werden Sie Ihre Abreise sofort ins Werk setzen. Sie bekamen doch heute morgen einen Brief und haben diese Gelegenheit doch nicht, wie Sie mir versprachen, benutzt, Frau von Rosemonde Ihre dringend nötige Abreise mitzuteilen. Hoffentlich hält Sie nun nichts mehr davon ab, Ihr Wort zu halten, und ich erwarte bestimmt, daß Sie nicht erst auf die von Ihnen verlangte mündliche Unterredung warten, zu der ich mich unter keiner Bedingung bestimmen lassen werde. Statt des Befehles, den Sie angeblich nötig haben, werden Sie sich wohl nun mit der wiederholten Bitte zufrieden geben. Und so Adieu. von T.
Schloß . . ., den 27. August 17..
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Vierundvierzigster Brief
Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil
Nun wollen wir überlegen, meine schöne Freundin. Sie wissen wie ich, daß die höchst gewissenhafte und sehr anständige Frau von Tourvel die erste meiner zwei Forderungen einfach nicht gewähren kann – sie wird das Vertrauen ihrer Freunde nicht verraten, indem sie mir die Namen meiner guten Feinde nennt. Da ich aber alles nur auf die Erfüllung dieser Bedingung hin verspreche, verspreche ich gar nichts. Nun wird aber die abschlägige Antwort, die sie mir sicher geben wird, für mich ein Anrecht auf alles übrige, wobei ich nur gewinne: ich reise ab und korrespondiere mit ihr. Denn auf das verlangte Rendezvous lege ich keinen Wert und hatte das keinen andern Zweck, als sie so allmählich daran hinzuführen, mir spätere wichtigere und nötigere Zusammenkünfte nicht abzuschlagen.
Eines bleibt mir vor meiner Abreise noch zu tun: ich muß herausbekommen, wer die Leute sind, die sich bei ihr mit meiner Person so liebenswürdig beschäftigen. Vielleicht ihr Idiot von Mann, und das wäre mir nicht unangenehm. Abgesehen davon, daß die eheliche Notwehr dem Verlangen eine Lust mehr ist, bin ich sicher, daß ich von dem Augenblick an, da mein Schatz in die Korrespondenz einwilligt, nichts mehr von ihrem Manne zu fürchten habe, denn da betrügt sie ihn schon.
Sollte es aber eine intime Freundin von ihr sein, die bei ihr gegen mich hetzt, so muß ich die beiden natürlich auseinanderbringen, und das werde ich schon fertig bekommen. Aber wissen muß ich es vor allem. Gestern dachte ich schon, daß mir die nötige Aufklärung würde, aber diese sonderbare Frau tut alles anders als andere Frauen. Wir waren bei ihr, als man zum Diner ruft. Sie war gerade mit der Toilette fertig, beeilt sich, entschuldigt sich und läßt darüber, wie ich bemerkte, den Schlüssel zu ihrem Schreibtisch stecken; den zu ihren Räumen zieht sie nie ab. Während der Mahlzeit höre ich ihre Kammerjungfer herunterkommen, ich schütze Nasenbluten vor und gehe hinaus. Stürme an den Schreibtisch, dessen Schubladen alle offen sind – und finde nicht ein einziges beschriebenes Blatt. Und jetzt heizt man doch nicht! Aber was macht sie denn mit den vielen Briefen, die sie bekommt? Ich habe alles durchsucht und nichts dabei gewonnen als die Überzeugung, daß die kostbaren Briefe in ihrer Tasche bleiben. Aber wie sie da herausbekommen? Seit gestern denke ich über ein Mittel nach, und ich muß die Briefe haben! Man kann so viel und hat kein Talent zum Taschendieb. Die Liebe und ihre Künste sollten wirklich in den Erziehungsplan des Menschen aufgenommen werden. Aber unsere Eltern und Lehrer denken an gar nichts, und ich muß es tun und komme nur darauf, daß ich ungeschickt bin und das nicht ändern kann.
Ich setze mich also wieder und sehr verstimmt zu Tisch. Meine Dame besserte etwas meine schlechte Laune, da sie mich teilnahmsvoll nach meinem gar nicht vorhandenen Unwohlsein fragte, und ich versäumte es natürlich nicht, ihr zu gestehen, daß ich in letzter Zeit viel an heftigen Aufregungen litte, die meine Gesundheit zugrunde richteten. Sie ist doch davon überzeugt, daß sie davon die Ursache sein muß, aber ihre Frömmigkeit kennt die Barmherzigkeit nicht – sie verweigert die kleinste Liebesgabe, und das gibt doch ein Recht auf den Raub, nicht? Aber Adieu! Während ich Ihnen schreibe, denke ich an nichts sonst als an diese verfluchten Briefe.
Auf Schloß . . ., den 27. August 17..
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Fünfundvierzigster Brief
Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil
Freuen Sie sich mit mir, schöne Freundin – ich werde geliebt! Ich habe dieses widerspenstige Herz gezähmt und besiegt. Umsonst verstellt sie sich noch und tut anders – meine Geschicklichkeit hat ihr das Geheimnis entlockt, und ich weiß nun alles, was ich zu wissen brauche. Seit der Nacht, seit der glücklichen gestrigen Nacht, bin ich wieder in meinem Element und lebe ich wieder mein Leben. Zwei Geheimnisse habe ich entdeckt: das der Liebe und das der Gemeinheit, das eine werde ich voll genießen und an dem andern mich rächen, und so ist mein Weg von Vergnügen zu Vergnügen. Der bloße Gedanke daran gibt mir solche Wonnen, daß ich mich zusammennehmen muß, um mit einiger Ordnung zu erzählen, wie alles das kam.
Also: Kaum hatte ich Ihnen gestern geschrieben, als ich von Frau von T. einen Brief bekam, den ich Ihnen beilege; Sie finden darin, wie sie mir so wenig ungeschickt als sie kann die Erlaubnis gibt, ihr zu schreiben. Sie drängt auf meine Abreise, und ich weiß wohl, daß ich sie nicht zu lange hinausschieben kann, ohne mir zu schaden. Aber mich plagte es noch immer, zu erfahren, wer gegen mich intrigiert haben konnte, und so wußte ich nicht was tun. Ich versuchte es bei der Kammerjungfer, sie sollte mir die Taschen ihrer Herrin ausliefern. Ich bot ihr zehn Louis für die kleine ganz gefahrlose Gefälligkeit, aber das Mädel ist eine ängstliche oder eine gewissenhafte Gans, die sich weder von meiner Beredsamkeit noch von meinem Geld gewinnen ließ. Ich rede noch in sie hinein, da läutet es zum Souper. Ich muß sie stehen lassen, froh genug, daß sie mir wenigstens versprach, reinen Mund zu halten, denn ich erwartete nicht einmal das. Ich war in einer miserablen Laune und machte mir den ganzen Abend Vorwürfe wegen meiner Unvorsichtigkeit.
Etwas beunruhigt zog ich mich zurück und sprach mit meinem Diener, der als glücklicher Liebhaber doch einigen Einfluß auf das Frauenzimmer haben mußte. Er sollte von dem Mädel verlangen, was ich gewollt hatte oder sich wenigstens ihrer absoluten Verschwiegenheit versichern. Aber diesem Menschen, dem sonst nichts unmöglich vorkommt, schien der Erfolg dieses Handels unsicher, und er machte darüber eine Bemerkung, deren tiefer Sinn mich verblüffte.
»Der gnädige Herr wissen gewiß besser als ich, daß mit einem Mädchen ins Bett liegen nichts weiter bedeutet als das zu tun, was ihr Spaß macht. Aber von da bis dahin, daß sie macht was wir wollen, ist's oft noch sehr weit. Für dieses Frauenzimmer steh ich um so weniger, weil ich, und mit Grund, glaube, daß sie einen seriösen Liebhaber hat, und ich ihre Gunst nur dem etwas regellosen Leben auf dem Lande verdanke – ich stellvertrete nur.« Der Junge ist doch ein Juwel, nicht? »Und was nun das Stillschweigen anlangt, was würde uns ihr Versprechen nützen, da sie doch gar nichts dabei riskiert, wenn sie nicht schweigt und uns anlügt? Mit ihr darüber reden, das würde ihr nur noch mehr zeigen, wie wichtig uns das ist, und da bekäme sie nur noch größere Lust, sich bei ihrer Herrin als treue Dienerin zu inszenieren.«
Das war alles nur zu wahr, und meine Situation wurde nicht besser. Glücklicherweise war der Schlingel im besten Zug und ich ließ ihn reden. Er erzählt mir also von seinem Verhältnis mit dem Mädchen und kommt dabei auch darauf, daß ihr Zimmer nur durch eine Art Verschlag von dem ihrer Herrin getrennt ist, und weil man da jedes Geräusch hindurch hören könne, kämen sie jede Nacht in seinem Zimmer zusammen. Darauf baute ich meinen Plan, zusammen mit meinem Diener, und führten ihn mit bestem Erfolg aus.
Ich wartete, bis es zwei Uhr morgens war und begab mich dann wie verabredet in das Zimmer, in dem die beiden ihre Zusammenkünfte pflegten. Mit einem Licht in der Hand trat ich ein: ich hätte wiederholt umsonst geklingelt. Mein Diener war vollendet in seiner Rolle, spielte sehr geschickt eine kleine Überraschungsszene mit Verzweiflung und tausend Entschuldigungen, die ich damit zum Schluß brachte, daß ich ihn wegschickte, mir Wasser wärmen zu lassen. Die treue Kammerjungfer wußte vor Scham nicht wohin; mein Junge hatte nämlich noch ein Übriges getan und die Kleine zu einer Toilette veranlaßt, wie sie die Jahreszeit wohl mit sich brachte, aber nicht ganz entschuldigte. Ich gestattete ihr natürlich weder die Position noch die Toilette zu ändern, denn je größer die Scham, desto leichter bekam ich das Geschöpf in meine Hand. Mein Diener erwartete mich auf meinem Zimmer, und so setzte ich mich ruhig neben die Kleine aufs Bett, das etwas sehr in Unordnung war, und fing an. Ich durfte die Macht, die mir die Situation über das Mädchen gab, nicht riskieren und blieb kalt, kalt ... ich erlaubte mir nicht den geringsten Scherz mit ihr, was zu erwarten ihr die Situation und ihr hübsches Gesicht wohl das Recht gaben, und sprach mit ihr, nüchtern und sachlich wie ein Magistratsbeamter. Ich würde ihr verliebtes Geheimnis bewahren, wenn sie mir nächsten Tages zur selben Stunde ausliefert, was ihre Herrin in den Taschen hat. Und bei den zehn Louis bliebe es außerdem. Wie Sie sich denken können, versprach das Mädchen alles; ich zog mich zurück und gestattete dem glücklichen Paar, die verlorene Zeit wieder einzubringen; die meine benutzte ich zum Schlafen.
Des Morgens dachte ich an einen Vorwand, den Brief meiner Widerspenstigen nicht zu beantworten, bevor ich nicht ihre Papiere durchgesehen hatte, ging also auf die Jagd und blieb fast den ganzen Tag aus. Bei meiner Rückkehr war es ein etwas kühler Empfang – man war sicher pikiert, daß ich so wenig Eifer zeigte, die kurze Zeit meines Bleibens auszunützen, besonders nach dem liebenswürdigen Brief, den sie mir geschrieben hatte.
Ich schließe das aus ihrer Antwort auf Vorwürfe, die mir Frau von Rosemonde über meine lange Abwesenheit machte; meine Dame sagte darauf nämlich etwas spitz: »Ach, machen wir Herrn von Valmont doch nicht Vorwürfe darüber, daß er sich dem einzigen Vergnügen hingibt, das er hier finden kann.« Ich beklagte mich natürlich über diese falsche Meinung und benutzte die Gelegenheit, zu versichern, daß ich mich in der Gesellschaft der Damen so wohl fühle, daß ich ihr zu Liebe einen sehr wichtigen Brief, den ich zu schreiben hätte, versäume. Und fügte noch hinzu, daß ich seit manchen Nächten den Schlaf nicht fände und versucht hätte, ob ihn mir vielleicht die Ermüdung bringen würde – und mein Blick erklärte genügend Brief und Schlaflosigkeit. Ich war den ganzen Abend sehr um eine melancholische Zärtlichkeit bemüht, was mir gut zu gelingen schien, und unter der ich die Ungeduld verbarg, mit der ich die Stunde herbeisehnte, die mir die Entdeckung des ängstlich gewahrten Geheimnisses bringen sollte. Endlich trennten wir uns, und bald darauf brachte mir die treue Kammerjungfer den bedungenen Preis meines Stillschweigens.
Ich war also endlich der Herr des Schatzes und ging mit aller Vorsicht an seinen Inhalt; denn es war wichtig, das alles wieder richtig auf seinen Platz kam. Zuerst fand ich zwei Briefe des Gatten, ein unverdauliches Gemisch von Prozeßdetails und ehelichen Liebestiraden, was ich mit Geduld zu Ende las und worin ich kein Wort fand, das mich betraf. Verstimmt legte ich dieses Geschreibsel wieder zurück, aber meine Laune wurde besser, als ich die Stücke meines hübschen Briefes aus Dijon fand, sorgfältig zusammengelegt. Ich hatte den guten Einfall, ihn durchzulesen und können Sie sich meine Freude vorstellen, als ich darin deutliche Spuren von Tränen meiner angebeteten Frau sah? Ich benahm mich wie ein Jüngling und küßte den Brief mit einer Leidenschaft, die ich mir gar nicht mehr zutraute. Ich suchte weiter und fand alle meine Briefe, einen um den andern nach dem Datum geordnet. Was mich höchst angenehm überraschte, war, meinen ersten, den ich mir schnöde zurückgegeben glaubte, von ihrer Hand sorgfältig abgeschrieben zu finden, mit einer zitternden bewegten Hand, dem Zeugen der süßen Erregtheit ihres Herzens.
Bis dahin war alles Liebe, nun kam die Wut. Wer, glauben Sie, ist es, der mich bei dieser angebeteten Frau verleumdet? Welche Kanaille halten Sie für niederträchtig genug, so etwas auszuhecken? Sie kennen sie, es ist Ihre Freundin, Ihre Verwandte – Frau von Volanges! Sie glauben nicht, was für Scheußlichkeiten diese Megäre über mich geschrieben hat. Sie, nur sie allein, hat die Ruhe dieser engelsgleichen Frau gestört, und auf ihre Ratschläge, auf ihre Befehle hin bin ich gezwungen, von hier weg zu gehen; diesem Weibe opfert man mich. Ja wahrhaftig,, man muß ihr ihre Tochter verführen, und nicht genug daran, sie soll sie verlieren! Da das Alter diese verdammte Frau in seinen Schutz nimmt, muß man sie in ihrer Tochter treffen.
Diese Frau will also, daß ich nach Paris zurückkehre! Sie zwingt mich dazu! Gut, ich kehre zurück; aber sie wird über meine Rückkunft jammern. Dumm ist, daß Danceny der Held dieses Abenteuers werden soll; er besitzt solche bedeutende Hintergründe von Ehrlichkeit, was uns die Sache erschweren wird. Aber er ist verliebt, und ich sehe ihn oft; man muß daraus profitieren. Mein Zorn macht mich ganz vergessen, daß ich Ihnen ja noch erzählen muß, was heute geschehen ist. Also weiter.
Heute morgen sah ich meine empfindsame Nonne wieder – nie noch habe ich sie so schön gefunden! Und das mußte wohl so sein: der schönste Augenblick im Leben einer Frau, der einzige, der diesen Rausch der Seele hervorbringen kann, von dem man immer spricht, den man aber so selten erlebt, ist der, wo wir die Gewissheit ihrer Liebe, aber noch nicht deren Gnaden haben. Und das war mein Fall. Vielleicht war es auch der Gedanke, daß ich bald nicht mehr die Lust ihres Anblicks genießen würde, was zu ihrer Verschönerung half. Endlich kam die Post und ich erhielt Ihren Brief vom 27.; und während ich ihn las, zögerte ich noch, ob ich mein Wort halten sollte; als ich den Blick meiner Schönen traf, da war es mir unmöglich, ihr nicht zu gehorchen.
Ich habe also meine Abreise angekündigt. Einen Moment darauf ließ uns Frau von Rosemonde allein – aber ich machte kaum vier Schritte auf meine scheue Freundin hin, als sie aufsprang und wie entsetzt rief: »Lassen Sie mich! lassen Sie mich! Um Gotteswillen. lassen Sie mich!« – Was mich nur noch mehr erregte. Schon war ich bei ihr und hielt ihre Hände, die sie mit einer rührenden Gebärde ineinander legte, und begann sehr zärtlich von meinen Qualen zu reden, als ein feindlicher Dämon Frau von Rosemonde zurückführte, was die fromme Schöne, die schon einigen Anlass zur Furcht hatte, benutzte, sich zurückzuziehen.
Ich reichte ihr noch einmal die Hand und sie nahm sie, und ich drückte die ihre. Erst wollte sie sie wieder zurückziehen, aber ich bat, daß sie sie mir ließe. Doch sie antwortete auf das, was ich sagte, mit keiner Gebärde, mit keinem Wort. An ihrer Türe angekommen, wollte ich ihre Hand küssen und sie sträubte sich wieder sehr ernsthaft; aber ein sehr zärtliches »Bedenken Sie doch, daß ich fortgehe!« machte ihre Verteidigung zögernd und ungeschickt. Doch kaum fühlte die Hand den Kuss, als sie auch schon die Kraft fand, mir zu entschlüpfen, und sie trat in ihr Zimmer, vor dem meine Geschichte endet.
Wie ich vermute, sind Sie morgen bei der Marschallin von …, wo ich Sie sicher nicht aufsuchen werde. Wir dürften, glaube ich, sehr vieles zu besprechen haben, besonders auch die Geschichte mit der kleinen Volanges, die ich nicht aus den Augen verliere, und so lasse ich diesen Brief, so lang er auch ist, mir vorausgehen und will ihn erst schließen, wenn die Post abgeht: denn wie die Dinge jetzt stehen, kann ein Zufall alles wieder ändern, und diesen möglichen Zufall will ich noch abwarten.
P. S. Abends acht Uhr.
Nichts Neues; keinen Augenblick für die kleinste Freiheit, »Sie« zeigt aber so viel Traurigkeit, als es der Anstand mindestens erlaubt. Etwas vielleicht nicht ganz Unbedeutendes ist eine Einladung, mit der mich Frau von Rosemonde an Frau von Volanges beauftragt hat, einige Zeit bei ihr auf dem Lande zu verbringen.
Adieu, meine schöne Freundin – auf morgen oder spätestens übermorgen!
Schloß . . ., den 28. August 17..
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.