Kitabı oku: «Die moderne Erlebnispädagogik»
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ISBN 978-3-940 562-58-6
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ISBN 978-3-944 708-10-2 (eBook)
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. | Ochsentour Definitionen und Grundwortschatz | ||
1.1 | Definitionen in der Erlebnispädagogik (Auswahl) | ||
1.2 | Erlebnispädagogischer Grundwortschatz | ||
1.3 | Wissenschaft, Methode, Verfahren oder pädagogische Grundhaltung? | ||
2. | Fundamentale Ansätze der Erlebnispädagogik | ||
2.1 | Ansatz I: Die erzieherische Erlebnis-Therapie (Kurt Hahn) | ||
2.1.1 | Einschub: Der psychotherapeutische Erlebnistherapiebegriff | ||
2.1.2 | (schulische) Erlebnis-Pädagogik (Waltraud Neubert) | ||
2.1.3 | „Gegenmodelle“ Erlebnistherapie und Erlebnispädagogik | ||
2.1.4 | Rückgriff: Das Erlebnis nach Wilhelm Dilthey | ||
2.1.5 | Unterscheidung von „Erleben“ und „Erlebnis“ nach Schott | ||
2.2 | Ansatz II: Die Handlungs-Pädagogik (John Dewey) | ||
2.2.1 | Erlebnispädagogischer und handlungsorientierter Ansatz | ||
2.2.2 | Exkurs: Dewey, Hahn und Thoreau: Veränderung durch Erziehung | ||
3. | Philosophisch-pädagogische Wurzeln | ||
3.1 | Philosophische Wurzeln | ||
3.1.1 | Platon (427– 347 v.Chr.) | ||
3.1.2 | Jean Jacques Rousseau (1712 – 1778) | ||
3.1.3 | Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) | ||
3.1.4 | Exkurs: die Idee der pädagogischen Provinz | ||
3.2 | Reformpädagogische Wurzeln | ||
3.2.1 | Kunsterziehungsbewegung | ||
3.2.2 | Arbeitsschulbewegung | ||
3.2.3 | Landerziehungsbewegung | ||
3.3 | Exkurs: Jugend- und Pfadfinderbewegung | ||
3.4 | Internationale reformpädagogische Wurzeln | ||
3.5 | Pragmatische Wurzeln | ||
4. | Kurt Hahn: Begründer der institutionalisierten EP | ||
4.1 | Kurt Hahn: Die Erlebnispädagogik als Integrationspädagogik | ||
4.2 | Kurt Hahn: deutsches Bildungsideal und pragmatische Erziehung | ||
4.3 | Kurt Hahn: Die erste Didaktik der Erlebnispädagogik | ||
4.4 | Kurt Hahn: Begründer der institutionalisierten EP | ||
4.4.1 | Phase eins: Die schulische Erlebnistherapie (Landerziehungsheime) | ||
4.4.2 | Phase zwei: Exil bzw. „Expansion“ nach Großbritannien | ||
4.4.3 | Phase drei: Die projektorientierte Erlebnistherapie (Outward Bound Schools) | ||
4.4.3.1 Exkurs: Outward Bound – ein Marktbegriff? | |||
4.4.4 | Phase vier: Die Differenzierung in Dachverbände | ||
4.4.4.1 Internatsschulen und Round Square Conference | |||
4.4.4.2 Outward Bound Trust | |||
4.4.4.3 Atlantic Colleges und United World Colleges | |||
4.5 | Zusammenfassung | ||
5. | Erlebnispädagogik als (para)militärische Pädagogik | ||
5.1 | Sechs Thesen | ||
5.1.1 | These 1: Erlebnispädagogik als konservative Pädagogik | ||
5.1.2 | These 2: Militärischer Ursprung der Erlebnispädagogik | ||
5.1.3 | These 3: Militärischer Ursprung von Outdoortrainings | ||
5.1.4 | These 4: Militärischer Nutzen der Erlebnispädagogik | ||
5.1.5 | These 5: Reformpädagogik als nationalsozialistische Pädagogik und die Folgen | ||
5.1.6 | These 6: Geisteswissenschaftliche Pädagogik als nationalsozialistische Pädagogik und die Folgen | ||
6. | Formen und Begriffe der nordamerikanischen Erlebnispädagogik (nach Michael Rehm) | ||
6.1 | „Adventure-based Experiential Learning“ | ||
6.2 | „Experiential Education“ bzw. „Experiential Learning“ | ||
6.3 | Grenzen zu „Therapie“ und „Spiel“ | ||
6.4 | Programmtypen | ||
6.5 | Natur, Outdoor, Wilderness und Adventure | ||
6.5.1 | Die Grundannahme der heilsamen Natur | ||
6.5.2 | Outdoor und Wilderness als Ortsbezeichnung | ||
6.5.3 | Outdooraktivitäten und „erlebnispädagogische Medien“ | ||
6.5.4 | Outdoortraining | ||
6.5.5 | Wildnis und Abenteuer | ||
6.6 | Weitere Begriffe | ||
7. | Die moderne Erlebnispädagogik | ||
7.1 | Fundament Outward Bound und kooperative Spiele | ||
7.2 | Professionalisierung und Markt | ||
7.3 | Neue Ansätze und Theorien | ||
7.3.1 | Die Gruppendynamik: Basis der Seminardidaktik | ||
7.3.2 | Die humanistische Psychologie: zielgerichtete Persönlichkeitsentwicklung | ||
7.3.3 | Exkurs: Humanistische und behavioristische Erlebnispädagogik | ||
7.3.4 | Exkurs: Neue Qualifikationsprofile | ||
7.3.5 | Exkurs: Gegenmodell „erlebnispädagogische Praxis“ | ||
7.4 | Ansatz III: Interaktionspädagogik (George Mead) | ||
7.4.1 | Kritische Pädagogik und emanzipatorische Pädagogik | ||
7.4.2 | Interaktionspädagogik, soziales Lernen und das pädagogische Spiel | ||
7.5 | Entstehung der betrieblichen Outdoortrainings | ||
7.6 | Exkurs: Gegenmodell ganzheitlich-spirituelle Ansätze | ||
8. | Zusammenfassung: Von der Erlebnistherapie zur modernen Erlebnispädagogik; Quellen und Transformationsprozesse | ||
8.1 | Quelle 1: Die Erlebnistherapie von Kurt Hahn | ||
8.2 | Transformation 1: Die Entstehung von Outward Bound | ||
8.3 | Quelle 2: Die Handlungspädagogik von John Dewey | ||
8.4 | Transformation 2: Vom Erlebnis zu Handlung und Erfahrung | ||
8.5 | Quelle 3: Die Interaktionspädagogik und Project Adventure | ||
8.6 | Transformation 3: postmoderne Differenzierung | ||
8.6.1 | Gruppendynamik | ||
8.6.2 | Soziales Lernen, kritisch-emanzipative Pädagogik, humanistische Ansätze | ||
8.6.3 | Professionalisierung der Fort- und Weiterbildung | ||
8.7 | Skizze der modernen Erlebnispädagogik | ||
9. | Merkmale der Erlebnispädagogik (Michael Ernst) | ||
9.1 | Das Merkmal Arbeitsfeld | ||
9.2 | Das Merkmal Ziel(e) | ||
9.2.1 | Bildung | ||
9.2.2 | Erziehung | ||
9.2.3 | Training | ||
9.2.4 | Exkurs: Training, Lernen und Persönlichkeitsbildung | ||
9.2.5 | Ziele und Arbeitsfelder | ||
9.3 | Das Merkmal Anleitung/Didaktik | ||
9.3.1 | Didaktik des (geplanten) Erlebnisses | ||
9.3.2 | Didaktik des (reflektierenden) Handelns | ||
9.3.3 | Didaktik der (gruppendynamischen) Interaktion | ||
9.4 | Merkmal Erlebnis und andere „didaktische Ansätze“ | ||
9.5 | Die Merkmale Räume, Medien, Aktivitäten und Methoden | ||
9.6 | Das Merkmal Teilnehmende | ||
9.7 | Das Merkmal Anbietende | ||
10. | Systematik der modernen Erlebnispädagogik | ||
10.1 | Der Tree of Science (Hilarion Petzold) | ||
10.2 | Philosophie und Metatheorien der Erlebnispädagogik | ||
10.3 | Realexplikative Theorien in der Erlebnispädagogik | ||
10.4 | Einschub: Handlungsfelder und Ziele | ||
10.5 | Praxeologie der Erlebnispädagogik | ||
10.6 | Der „Tree of Science“ der Erlebnispädagogik | ||
10.7 | Systematik der Erlebnispädagogik | ||
11. | Das Zeitalter der Pädagogisierung | ||
11.1 | Begriffsbestimmung „Pädagogisierung“ | ||
11.2 | Der Prozess der „Umcodierung“ | ||
11.3 | Handlungsfeld Erlebnispädagogik und Pädagogisierung | ||
11.4 | Differenzierungsmodell Outdoortraining/Erlebnispädagogik | ||
11.5 | Synonyme „Schlüsselqualifikationen“ | ||
11.6 | Zur Betrachtung von „Markt und Krise“ | ||
11.7 | Die „postmodernen Hofnarren“ | ||
11.8 | Resümee |
Über den Autor
Literaturverzeichnis
Einleitung
Ausgehend von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten nehmen die Bezugswissenschaften (…) mit ihren verschiedenen Disziplinen (…) sowie die Praxis Einfluss auf die Erlebnispädagogik. Dies ist natürlich ein wechselseitiger Prozess, denn die Erlebnispädagogik verändert und beeinflusst wiederum durch Bildung/ Ausbildung/Realisierung und Therapie Mitglieder der Gesellschaft und somit diese selbst.1
Will man sich mit der „Erlebnispädagogik“2 wissenschaftlich auseinandersetzen, steht man am Anfang vor einem riesigen Berg an Ansätzen, Einflüssen, Aspekten, Modellen, Erklärungen, Methoden, Richtungen, Beschreibungen, Wirkmodellen, Didaktiken, Verfahrensweisen, Zuordnungen. Kurz gesagt man befindet sich unversehens in einem riesigen „Erlebnislabyrinth“. Friedrich Kron findet bei der Durchsicht von elf Lehrbüchern der Pädagogik insgesamt 40 „Ansätze, Richtungen oder Positionen der Pädagogik3“. Bei der „Erlebnispädagogik“ kommen noch Einflüsse aus den Bezugswissenschaften dazu, vor allem handelt es sich dabei um Psychologie und Soziologie, und der Basiswissenschaft Philosophie.4 Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der Schriftreihe „Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik“5 des Institutes für Erlebnispädagogik an der Universität Lüneburg zurzeit 56 (!) Wegbereiter benannt werden.
Uneinigkeit besteht auch darüber, ob es sich um eine „Methode“ oder um eine „Teilwissenschaft der Pädagogik“ handelt. Diese Diskussion ist noch nicht entschieden und sie wird wahrscheinlich auch nie entschieden werden. Eine Methode ist ein „planmäßiges und folgerichtiges Verfahren“6 und davon ausgehend kann man durchaus von der „Methode Erlebnispädagogik“ sprechen. Aus diesem Verfahrenscharakter resultiert eine große Heterogenität „der Erlebnispädagogik“, denn zur Begründung für das „folgerichtige Verfahren“ werden Lerntheorien aus der Psychologie, Ansätze aus der Soziologie, wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung bis hin zu Ansätzen aus dem Grenzbereich der Esoterik herangezogen.
Es gibt wohl wenige Ansätze, Theorien bzw. „Trends“ in den letzten 15 Jahren die nicht in Verbindung mit „der Erlebnispädagogik“ gebracht wurden und werden7. Dies ist jedoch nicht wirklich überraschend, es handelt sich eben auch um einen „handlungstheoretischen Ansatz“, das TUN ist also Programm.
Als „Teilwissenschaft der Pädagogik“ ist ein Beschreibungsversuch der „Erlebnispädagogik“ einfacher. Denn am Anfang der „Erlebnispädagogik“ steht die „Erlebnistherapie“ des Reformpädagogen Kurt Hahn und von diesem ausgehend lassen sich viele Bezüge herstellen: zu dem Pädagogen Rousseau, zum Begründer der Geisteswissenschaft Wilhelm Dilthey, zu anderen Reformpädagogen wie Hermann Lietz bis hin zu den Pragmatikern. Hier bewegen wir uns also im Bereich der pädagogischen Theorien, was zumindest gewisse Anhaltspunkte der Betrachtungen liefert. Dabei lässt der Bezug zur Reformpädagogik – der Beginn „der Erlebnispädagogik“ ist in diesem Bereich zu verorten – den Begriff des Gegenmodells in den Vordergrund treten und hier treffen sich wieder Methode und Teildisziplin. Denn sowohl Methode als auch pädagogischer Ansatz sind als Gegenmodell zu verstehen, als Gegenmodell gegen das „verkopfte Lernen“, gegen „erstarrte Lernstrukturen“.
In dieser Arbeit wird sowohl die (Ideen)Geschichte eines „pädagogischen Gegenmodells“ als auch die Entwicklung der „Erlebnismethode“ dargestellt. Die Ursprünge der Erlebnispädagogik bis hin zu den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts werden in den Kapiteln 2, 3, 5 und 6 dargestellt. Diese Ideengeschichte wird ergänzt durch eine Auseinandersetzung mit dem „erlebnispädagogischen Begriffsvokabular“, vor allem in Kapitel 1 und der Darstellung der institutionellen Entwicklung in Kapitel 4. Die Expansion der „modernen Erlebnispädagogik“ in den 80er Jahren8, vor allem als „methodische Anwendung“ – von der Zielgruppe der Jugendlichen hin zur Zielgruppe der Erwachsenen und somit (auch) in den Bereich der „Arbeitswelt“ und die daraus resultierenden Folgen wird vor allem in den Kapiteln 7 und 8 beschrieben. In jenen beiden Kapiteln wird auch der Bezug zu gesellschaftlichen Entwicklungen hergestellt und in Kapitel 11 wird die Entwicklung der professionellen Erlebnispädagogik kritisch betrachtet. Die Merkmale der Erlebnispädagogik stehen im Mittelpunkt von Kapitel 9 und basierend auf dem „Tree of Science“ wird schließlich in Kapitel 10 aus den „Erlebnispädagogischen Merkmalen“ eine „Systematik der Erlebnispädagogik“ entwickelt.
Eine umfassende Beschreibung der „Erlebnispädagogik“ bedarf also sowohl der „pädagogischen Ideengeschichte“, der analytischen Beschreibung der Begrifflichkeiten, Merkmale und Methoden, der Beschreibung der historischen Entwicklung der Institutionen und des Bezuges zu gesellschaftlichen Veränderungen. Methodisch handelt es sich somit um eine geisteswissenschaftlich-phänomenologisch-hermeneutische Arbeit. Es wird versucht, das „Phänomen Erlebnispädagogik“ durch die Analyse der verwendeten Begriffe möglichst genau zu beschreiben und diese gegeneinander abzugrenzen. Gleichzeitig macht dies nur Sinn, wenn die einzelnen Begriffe in ihrem historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang beschrieben werden. Nicht zuletzt geht es darum, das pädagogische Fundament der Erlebnispädagogik (wieder) zu entdecken. Zurzeit besteht eine Tendenz, die Erlebnispädagogik als eine Art „Technik der Gruppenarbeit“, als eine „innovative pädagogische Verfahrensweise“ zu sehen. Diese Arbeit möchte entgegen diesem Trend den Blick auf die (wissenschaftlichen) Fundamente wieder freilegen. Denn die aktuellen praktischen Verfahrensweisen“ haben sich aus den verschiedensten theoretischen Ansätzen heraus entwickelt und sind Produkt einer langen Entwicklungskette. Wissenschaftliche Theorie und wissenschaftliche Methoden ergeben ein wissenschaftliches Konstrukt und erst auf Basis dieser wissenschaftstheoretischen Fundamente können sich praktische Verfahrensweisen entwickeln9. Somit sind das Konzept und die Umsetzung der Hahnschen Erlebnistherapie ohne die Grundlage der geisteswissenschaftlichen Pädagogik nicht vorstellbar.
Denn einiges kehrt immer wieder, vieles der heutigen „modernen Erlebnispädagogik“ ist nur Altes im neuen Gewand und so kann man manche „Verfahrensweisen“, ganz im Sinne eines Wilhelm Diltheys, erst dann verstehen, wenn die historischen Bezüge und die wissenschaftstheoretischen Fundamente des „Phänomens Erlebnispädagogik“ aufgespürt werden.
Das Neue ist in der Tat nichts Anderes als die Wiederbelebung des Alten zum rechten Augenblick.10
1 Rehm (1996), S. 144.
2 Prinzipiell wird mit dem Begriff der Erlebnispädagogik das gesamte Spektrum der Möglichkeiten bezeichnet. Soll der Aspekt der Unheitlichkeit hervorgehoben werden, wird der Begriff unter Anführungszeichen gesetzt. Ebenso trifft dies auf andere in Anführungszeichen gesetzte Begriffe zu.
3 Kron (1999), S. 263. bzw. S. 248 – 290; vgl. dazu auch die Struktur der Pädagogik nach Dieter Lenzen in Gudjons (2003), S. 22 – 23 bzw. S. 30 – 68.
4 vgl. dazu Gudjons (2003), Kron (2001), Kron (1999), König, Zedler (2002) und Krüger (2002) als Referenzliteratur.
5 siehe auch http://www.uni-lueneburg.de/einricht/erlpaed/verlag_shop.htm#wegbereiter; Stand 06. November 2006. Die Reihe wird herausgegeben vom Verlag edition erlebnispädagogik.
6 Duden (1996), S. 490.
7 Ein kleiner Auszug: Neurolinguistisches Programmieren, Themenzentrierte Interaktion, Ansätze der (sozialen) Systemtheorie, Kognitivismus. Gestalttherapie, Entwicklungspsychologisches Modell von Piaget, Kohlberg, Erikson, soziologische Theorien von Parson und Mead, Gesellschaftstheorien von Beck (Risikogesellschaft) und Schulze (Erlebnisgesellschaft), Theorien der Personalentwicklung und Betriebswirtschaft, spirituelle Ansätze wie Schamanismus uvm.
8 vgl. Meier-Gantenbein (2000), S. 31. Meier-Gantenbein setzt den Beginn der „modernen Erlebnispädagogik“ bzw. den Anfang der Diskussion in der Fachliteratur konkret mit dem Jahr 1984 an. In anderen Publikationen wird „von einem Anfang in den 80ern“ gesprochen.
9 Dieses wissenschaftstheoretische Fundament schwingt zumindest in Form von „Haltungen, Ein- und Ansichten, Formulierungen und Leitbegriffen“ mit, ist allerdings oft nicht explizit ausgewiesen. Diese Bezüge herzustellen und nachzuweisen ist Aufgabe einer wissenschaftlichen Arbeit. Vgl. dazu Kron, Friedrich (1999).
10 Heckmair, Michl (2002), S. 267.
1. Ochsentour Definitionen und Grundwortschatz
In diesem Kapitel soll ein erster Überblick gegeben werden. Wie in der Einleitung schon ausführlich dargestellt, handelt es sich bei der Erlebnispädagogik um ein sehr heterogenes Gebilde und dementsprechend ist der Versuch, in einem Kapitel einen Überblick zu geben, schon zum Scheitern verurteilt. Allerdings ist es durchaus möglich, einen ersten Einblick zu gewähren. Dabei wird folgendermaßen vorgegangen: Im ersten Abschnitt werden einige Definitionen vorgestellt, die in ihrer Gesamtheit eine Beschreibung der Erlebnispädagogik aus verschiedenen Blickwinkeln ergeben. Damit ist ein erster Überblick gewonnen. Im zweiten Abschnitt wird aus diesen Definitionen ein „Grundwortschatz“ generiert und somit werden relevante „Leitbegriffe“ erfasst. Im letzten Abschnitt wird noch kurz auf die Frage „Wissenschaft, Verfahren, Methode oder pädagogische Grundhaltung“ eingegangen.
1.1 Definitionen in der Erlebnispädagogik (Auswahl)
Definition ist der Prozess der inhaltlichen Klärung eines Begriffs durch Angaben seiner wesentlichen Merkmale.11
Da in der Erlebnispädagogik eine enorme Anzahl von Ansätzen und Theorien anzutreffen ist12, erscheint eine Annäherung an das Phänomen Erlebnispädagogik bzw. der verwendeten Begriffe über die im Laufe der Zeit veröffentlichten Definitionen sinnvoll. Dabei kann man allerdings nicht von einer gültigen Definition ausgehen, sondern auch hier ergibt sich ein heterogenes Bild. Dementsprechend werden in diesem Kapitel mehrere Definitionen angeführt und alle zusammen sollen einen ersten Eindruck über die „Erlebnispädagogik“ vermitteln. Die „Moderne Erlebnispädagogik“ kommt in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern zur Anwendung: von der Sozialarbeit, der Erziehungshilfe über die (schulische) Erziehung bis hin zur betrieblichen Fort- und Weiterbildung. Dementsprechend spiegeln die Definitionen die speziellen Anforderungen dieser Arbeitsfelder wider.
Mit bereits vorliegenden Definitionen lassen sich (…) Zweige innerhalb der Erlebnispädagogik sinnvoll aufzeigen.13
Am größten ist die (begriffliche) Unterscheidung wohl zwischen dem Arbeitsfeld der „Sozialpädagogik“ und dem der „betrieblichen Fort- und Weiterbildung“: Im ersteren wird mehrheitlich der Ausdruck „Erlebnispädagogik“ verwendet, im zweiteren überwiegt die Bezeichnung von „Outdoor-Trainings“.14 Allerdings ist diese Trennung im Detail nicht aufrecht zu erhalten (vgl. dazu Abschnitt 11.4) und so gilt einfach: Die Realität liegt (zumeist) irgendwo dazwischen.
I. Definition nach Jörg Ziegenspeck:
Ein ganzheitlicher Ansatz kennzeichnet erlebnispädagogisch definierte bzw. begleitende Maßnahmen und Programme – „buten und binnen“ – allgemein:
Unmittelbares Lernen mit Herz, Hand und Verstand in Ernstsituationen und mit kreativen Problemlösungsansätzen und sozialem Aufforderungscharakter bilden den Anspruchsrahmen erzieherisch definierter, verantwortbarer und auf eine praktische Umsetzung ausgerichteter Überlegungen, die auf individuelle und gruppenbezogene Veränderungen von Haltungen und Wertmaßstäben ausgerichtet sind und durch sie veranlasst und begründet werden.15
II. Definition nach Annette Reiners:
Im Vordergrund soll das handlungsorientierte und soziale Lernen stehen.
Die Herausforderung soll vom Teilnehmer als subjektiv schwer, jedoch nicht unüberwindlich bzw. unlösbar gesehen werden. In dieser Situation der Grenzerkundung lernen die Teilnehmer ihre Fähigkeiten, die Eigenschaften und damit sich selbst besser kennen. (…)
Das Erleben muss ganzheitlich sein, d.h. die kognitive, emotionale und aktionale Lernebene sind abzustimmen.
Nach Einführung in die Aktivität soll der Gruppensteuerung und Selbstverantwortung der Gruppe soweit wie möglich freier Lauf gelassen werden.
Die Situationen müssen ernsthaft, direkt, konkret und authentisch, das heißt „nicht aufgesetzt“ sein; die an die Gruppe übertragene Verantwortung muss real und nicht spielerisch sein. Durch ein vielfältiges Angebot an sportlichen, sozialen, musisch-kreativen und organisatorischen Aktivitäten soll der Teilnehmer unausweichlich in Situationen geraten, in denen er sich bewähren oder an seine Grenzen stoßen kann.16
III. Definition nach Jörg Ziegenspeck:
Die Erlebnispädagogik versteht sich als Alternative und Ergänzung tradierter und etablierter Erziehungs- und Bildungseinrichtungen. Hört man heute das Wort Erlebnispädagogik, so kann davon ausgegangen werden, dass primär natursportliche Unternehmungen (…) gemeint sind. Die einseitige Ausrichtung auf (…) Outdoor-Pädagogik muss aber in Zukunft zugunsten von (…) Indoor-Pädagogik abgebaut werden, denn gerade auch in den künstlerischen, musischen, kulturellen und auch technischen Bereichen gibt es vielfältige erlebnispädagogische Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Erlebnispädagogische Programme (…) beziehen die natürliche Umwelt mit ein und verfolgen damit meist zugleich einen ökologischen Bildungsanspruch.17
IV. Definition nach Torsten Fischer und Jens Lehmann:
Die Erlebnispädagogik versteht sich als Alternative und Ergänzung tradierter und etablierter Erziehungs- und Bildungseinrichtungen. Sie ist in der Reformpädagogik verwurzelt (…) und gewinnt in dem Maße neuerlich an Bedeutung, je mehr sich Schul- und Sozialpädagogik kreativer Problemlösungsansätze verschließen. Als Alternative sucht die Erlebnispädagogik neue Wege außerhalb bestehender Institutionen, als Ergänzung wird das Bemühen erkennbar, neue Ansätze innerhalb alter Strukturzusammenhänge zu finden.18
V. Definition nach Mark Ostenrieder und Michael Weiß:
Erlebnispädagogik kann einerseits als Zusatzangebot die rezeptiven Lernmethoden verstärken, indem sie den einzelnen als ganze Person fordert. Andererseits braucht die Erlebnispädagogik keine traditionellen Ansätze, um ihr Ziel, die Vermittlung außerfachlicher Qualifikationen, zu erreichen. Durch die Auseinandersetzung mit sich selbst, den anderen Kursteilnehmern und der gegebenen Umwelt erlebt der Teilnehmer die Konsequenzen seines Handelns und muss unmittelbar reagieren. (…) Während der erlebnispädagogischen Maßnahme werden die Teilnehmer in Situationen versetzt, in denen sie individuelle, gruppen- und tourenspezifische Entscheidungen treffen müssen. Da diese Situationen in ihrer Besonderheit immer unterschiedlich sind, werden die Teilnehmer von den neuen Gegebenheiten überrascht, zugleich aber auch herausgefordert, diese gemeinsam zu überwinden. Die Erlebnispädagogik schafft also Situationen, die überraschen und herausfordern und somit zu Erlebnissen führen. Dadurch werden letztendlich völlig neue Erfahrungen möglich.19
VI. Definition nach Annette Reiners:
In Anlehnung an Kurt Hahn setzte man anfangs die Erlebnispädagogik gleich mit einer handlungsorientierten Methode, in der Natur, Erlebnis und Gemeinschaft pädagogisch zielgerichtet miteinander verbunden werden.20
VII. Definition nach Hans-Peter Hufenus:
Erlebnispädagogik ist eine Methode, die Personen und Gruppen zum Handeln bringt mit allen Implikationen und Konsequenzen bei möglichst hoher Echtheit von Aufgabe und Situation in einem Umfeld, das experimentierendes Handeln erlaubt, sicher ist und den notwendigen Ernstcharakter besitzt.21
VIII. Definition nach Bernd Heckmair und Werner Michl:
Wir sprechen dann von der Methode Erlebnispädagogik, wenn die Elemente Natur, Erlebnis und Gemeinschaft im Rahmen von Natursportarten pädagogisch zielgerichtet miteinander verbunden werden. Die Anregung zu dieser Definition entnehmen wir dem historischen Werdegang dieses Begriffs und sehen sie als notwendige Abgrenzung zu erlebnisorientierten Methoden und Formen der außerschulischen Bildungsarbeit (Theaterspielen, kreative Methoden, Selbsterfahrung u.v.a.m.), in denen das Erlebnis ebenfalls von großer Bedeutung ist.22
IX. Definition nach Bernd Heckmair und Werner Michl:
Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode und will durch exemplarische Lernprozesse, in denen junge Menschen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen gestellt werden, diese in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und dazu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten.23
X. Definition nach Bernd Heckmair und Werner Michl:
Unter Erlebnispädagogik verstehen wir eine handlungsorientierte Methode, in der durch Gemeinschaft und Erlebnisse in naturnahen oder pädagogisch unerschlossenen Räumen neue Raum- und Zeitperspektiven erschlossen werden, die einem pädagogischen Zwecke dienen.24
XI. Definition nach Annette Reiners:
Erlebnispädagogische Maßnahmen sind also verkürzt gesagt dadurch gekennzeichnet, dass der Einzelne mit sich und/oder in der Gruppe intensive Erlebnisse erfährt, die den Kern seiner Persönlichkeit treffen und mit denen er sich zuerst handelnd und dann reflexiv auseinandersetzt25.
XII. Definition nach den Richtlinien des Landes Oberösterreich:
Erlebnispädagogik im Bereich der Sozialpädagogik ist dementsprechend ein handlungsorientierter Ansatz, der die Elemente Erlebnis (persönlich bedeutsame Natur-, Gruppen-, und Ich-Erlebnisse), Gruppe (Interaktionserfahrungen mit der Gruppe, soziales Lernen) und Natur (heilende Kraft der Natur) in einem Konzept pädagogisch zielgerichtet verbindet. Durch einen förderlichen Rahmen, begründbare Inhalte und entsprechende Methoden werden ganzheitliche (emotionale, motorische, und kognitive) Lernprozesse mit situationsübergreifender Wirkung (Transfer) angestrebt, die je nach Zielformulierung und Konzeption schwerpunktmäßig einen erkennbaren präventiven, sozialpädagogischen und/oder therapeutischen Einfluss auf die Persönlichkeitsentfaltung haben. Rahmen, Inhalte und Methoden müssen auf die Zielgruppe und die Ziele abgestimmt werden.26
XIII. Definition nach Günter Amesberger:
Unter Outdoor-Aktivitäten verstehen wir bewegungs- und sportbezogene Aktivitäten in einer möglichst wenig beeinträchtigten Natur. Diese Aktivitäten finden in einem sozial und räumlich anderen – für die Teilnehmer herausfordernden, anregenden, aber auch ungewöhnlichen – Bereich statt, in einem Bereich, der für die Teilnehmer im Wesentlichen neu ist, das heißt, sie werden aus ihrem sozialen Umfeld „herausgeholt“.(…) Folgende weitere Aspekte sind für Outdoor-Aktivitäten fundamental:
Es werden Aufgaben gestellt, die von der Gruppe in Kooperation zu bewältigen sind.
Die Gruppe bleibt stets zusammen und führt nur Aktivitäten durch, die für alle zumutbar sind. Es gibt auch Aufgabenstellungen, die an die Einzelperson gerichtet, aber im Rahmen der Gruppe zu lösen sind, wobei diese unterstützende Funktion hat.
Die Gruppe ist im Laufe der Aktivitäten zunehmend auf ihre eigenen Fähigkeiten angewiesen. Gleichermaßen wird die Unterstützung seitens der Leiter abgebaut.
Outdoor-Aktivitäten sind nicht als Selbstzweck, sondern als Chance (Medium, Metapher) zur Auseinandersetzung mit sich und der Gruppe zu verstehen.
Für diese Auseinandersetzung werden systematisch (konsequent) Methoden der Sozialarbeit und/oder der Psychotherapie eingesetzt. Es wird also die Wirkung von Aufgaben, Natur und Gruppe nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt unterstützt.27
XIV. Definition nach Hans Georg Renner:
Outdoorseminare sind ganzheitliche, handlungs- und erlebnisorientierte Seminare in der Natur, bei denen die Teilnehmer als Einzelne oder als Gruppe bestimmte Aufgaben mit Ernstcharakter lösen (…), die zwar allesamt ungewohnte Anforderungen stellen jedoch auch für Ungeübte zu bewältigen sind. Grundsätzlich gilt bei allen Übungen das Prinzip „Challenge choice“: Jeder bestimmt bei jeder Aufgabe seine individuelle Grenze, wie viel er sich zutraut, wie weit er mitmachen will28.
XV. Definition nach Wolfgang Müller:
Unter der Bezeichnung Outdoor Training sollen innerhalb dieser Analyse alle naturbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen verstanden werden, die personale und individuelle Erlebnisse als zentrale pädagogische Mittel des Lernens einsetzen und betriebliche Qualifikationsziele anstreben.
Der Aspekt „naturbezogen“ soll bedeuten, dass im Umfeld Natur durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen betrachtet werden, die natursportliche Aktivitäten wie beispielsweise Bergsteigen, Schlauchbootfahren oder Segeln beinhalten.
Der Aspekt „personale und individuelle Erlebnisse als zentrale pädagogische Mittel des Lernens“ soll bedeuten, dass diejenigen naturbezogenen Maßnahmen betrachtet werden, die sich explizit des „Erlebnisses“ als pädagogisches Lernmittel bedienen.
Der Aspekt „betriebliche Qualifikationsziele anstreben“ soll bedeuten, dass diejenigen naturbezogenen und erlebnisorientierten Maßnahmen betrachtet werden, die explizit betriebliche Qualifikationsziele zum Inhalt haben und somit betrieblichen Zwecken dienen sollen. Unter einem Qualifikationsziel soll eine Beschreibung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Eigenschaften verstanden werden, die betrieblich relevant sind, d.h. denen entsprechende Arbeitsplatzanforderungen gegenüberstehen.29
XVI. Definition nach Andrea und Stefan König:
Bei einem Outdoor-Training für Teams handelt es sich demnach um eine außer Haus stattfindende Schulung oder Ausbildung, in der es möglich ist etwas auszuprobieren und zu trainieren. Ziel des Ausprobierens und Übens kann sein, ein Team zu entwickeln. Dazu fördert und fordert ein Outdoor-Training Persönlichkeits-, Handlungs- und Teamkompetenz. Outdoors stellen eine Form der Weiterbildung dar, bei der die Teilnehmer aufgefordert sind dem Seminarraum zu „entfliehen“. Um außergewöhnliche Resultate zu erzielen, werden ungewöhnliche Methoden eingesetzt. Diese sind, wie gesagt, handlungsorientiert und finden zum Großteil im Freien statt. Eingesetzt werden Outdoor-Trainings vor allem zur Unterstützung von Organisationsentwicklungsprozessen. Charakteristisch für die hierfür angewandten Methoden ist es, dass die Trainingsteilnehmer durch eigene Handlung und Erfahrung lernen. Dazu haben Trainingssituationen immer einen Ernstcharakter, dies wird z.B. beim Klettern oder Wildwasserpaddeln besonders deutlich. Ausbildungen mit diesem Charakter bedeuten für den Trainingsteilnehmer, dass er nicht nur kognitiv gefordert und gefördert wird, sondern auch körperlich und emotional. Dieser ganzheitliche Lernansatz begünstigt ein besonders intensives und nachhaltiges Lernen.30