Kitabı oku: «Psychologie», sayfa 7
8. Empirische Modellgültigkeit testen (Zeitreihen des Modells werden mit solchen des abgebildeten Systems verglichen, Eingaben von bekannten, realistischen Szenarien müssen erwartete Ergebnisse liefern)
(In Anlehnung an Bossel, 1992)
3.8 | | Forschungsablauf |
Hinsichtlich der Entwicklung eines Forschungsprojekts werden grob drei Phasen unterschieden (Friedrichs, 1990; Atteslander, 2003):
(1) Die Phase des „Entdeckungszusammenhangs“ kennzeichnet, in welcher Weise der Zugang zur Thematik gefunden wurde und welche Gründe für das Aufgreifen der Fragestellung maßgeblich waren.
(2) In der Phase des „Begründungszusammenhanges“ sollen die in der Fragestellung angesprochenen Gesetzmäßigkeiten einer empirischen Untermauerung zugeführt werden. Dabei geht man von bereits bewährten psychologischen Theorien - und Gesetzmäßigkeiten aus, um für die Fragestellung ein solides theoretisches Konzept zu entwerfen, welches widerspruchsfrei (konsistent), empirisch prüfbar (verifizierbar- oder falsifizierbar) und sparsam in der Erklärung (effizient) zu sein hat. Aufgrund fachwissenschaftlicher Erfahrungswerte über die Zweckentsprechung spezieller wissenschaftlicher Forschungsansätze und Forschungsmethoden wird sodann für die Fragestellung ein Forschungsdesign entworfen, welches die Hypothesenformulierung, die Wahl der Untersuchungsmethode, die Ausarbeitung der Operationalisierungen - und die Stichprobenselektion inkludiert. Nachdem das Forschungsdesign in Voruntersuchungen auf seine Eignung getestet wurde, kommt es zur Durchführung der Untersuchung und zur (meist statistischen) Auswertung der gewonnenen Daten, wobei insbesondere auf Verteilung - und Skalenqualität der Variablen zu achten ist. Nach der Interpretation der Auswertungsergebnisse sowie nach deren theoriebezogener Diskussion (z.B. über Widersprüche zu Annahmen, Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse, Gefahr von Artefakten) werden die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Untersuchung in theoretisch-abstrakter Form zusammengefasst.
(3) Die Phase des „Verwertungs- oder Wirkungszusammenhangs“ schließlich bezieht sich auf die verschiedenartigen Nutzungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse, wie etwa auf deren Beitrag zur Verbesserung theoretischer Positionen, deren Verbreitung über Publikationen und Vorträge sowie deren Umsetzung im gesellschaftlichen Bereich.
| Abb 3.11
Der Forschungsablauf empirischer Untersuchungen lässt sich in verschiedene Stadien gliedern: Den Ausgangspunkt liefert die Fragestellung, die theoretisch oder praktisch begründet sein kann. Für die ausgewählte Thematik wird der bisherige wissenschaftliche Erkenntnisstand festgestellt und eine theoretische Basis in Form relevanter psychologischer Gesetze oder Theorien gesucht. Danach wird ein Forschungsdesign entworfen (dunkles Feld), indem für die theoretisch untermauerte Fragestellung empirisch überprüfbare Hypothesen, eine geeignete Untersuchungsform, konzeptspezifische Operationalisierungen, eine sinnvolle Fallstichprobe sowie eine datenadäquate Datenauswertungsmethode gefunden werden. In einem Vortest wird das Forschungsdesign auf Tauglichkeit überprüft und danach zumeist einer Revision unterzogen. Nun erst erfolgen die Durchführung der Untersuchung, die Datensammlung, die Datenauswertung, die Diskussion und die Interpretation der Ergebnisse. Den Abschluss bildet die zusammenfassende Präsentation der Forschungsresultate in einer prägnanten und theoriebezogenen Form.
Was die wissenschaftliche Qualität von Veröffentlichungen betrifft, so ergeben sich die Kriterien dafür zunächst aus den bisher beschriebenen formalen und inhaltlichen Anforderungen des Forschungsablaufs. In den letzten Jahrzehnten orientiert man sich bei der Bewertung von Publikationen – wie übrigens in den Naturwissenschaften auch – am fachlichen Image des Publikationsorgans. Besonders hoch bewertet werden dabei solche Zeitschriften, deren Artikel in der Fachwelt (scientific community) stark beachtet, d.h. häufig zitiert werden. Diese Betonung des Wahrheitskriteriums Konsensus drückt sich im sogenannten Impact Factor einer Zeitschrift aus. Dieser gibt an, wie oft die Artikel einer bestimmten Zeitschrift der letzten beiden Jahrgänge im nachfolgenden Jahr in anderen Zeitschriften zitiert werden. Für eine solche statistische Analyse bedient man sich spezifischer Datenbanken, in denen nicht nur die Titel und die Autorenschaften von periodischen Veröffentlichungen gespeichert sind, sondern auch die in ihnen vorkommenden Verweise auf andere Publikationen („Social Sciences Citation Index“ – SCI; „Science Citation Index“ – SSI; „Web of Science“). Wenn Veröffentlichungen in Zeitschriften mit hohem Impact Factor erscheinen, haben sie eine größere Chance, zitiert zu werden und bei wissenschaftlichen Leistungsbeurteilungen zu punkten. Jene psychologischen Zeitschriften mit dem höchsten Impact Factor sind „Annual Review of Psychology“, „Psychological Bulletin“, „Psychological Methods“.
Zusammenfassung
Die wissenschaftliche Beschreibung und Erklärung menschlicher Erlebnisse, Bewusstseinsabläufe und Verhaltensweisen kann ganz allgemein als Versuch der Abbildung eines empirischen, konkreten Systems in ein theoretisches, abstraktes System verstanden werden. Die Überbrückungsfunktion leistet ein Korrespondenzsystem (Forschungsmethoden), mittels dessen ein Bezug zwischen den empirischen Tatsachen und den sie erklärenden psychologischen Gesetzen und Theorien hergestellt wird.
Ebenso wie in anderen empirischen Wissenschaften werden auch in der Psychologie Gesetzmäßigkeiten vorerst an Stichproben gewonnen und überprüft, um sie danach für die Grundgesamtheit von Sachverhalten (Population) verallgemeinern zu können. Gesetze werden statistisch als Relationen zwischen unabhängigen und abhängigen Variabeln formuliert, wobei diese Relationen oft durch Moderatorvariablen beeinflusst und durch Störvariablen verfälscht sind. Die vielfältigen Vernetzungen von Wirkungsbeziehungen im psychologischen Forschungsbereich können durch direkte oder durch indirekte Kausalbeziehungen erklärt werden, die beobachteten Effekte lassen sich zumeist auf mehrere Ursachen (Multikausalität) und/oder auf bedingt wirksame Ursachen zurückführen. Aufgrund der vielfältigen Effekt- und Fehlerüberlagerungen hat man es in der Regel mit multivariaten Wahrscheinlichkeitsgesetzen zu tun.
Die Deskriptivstatistik liefert statistische Kennwerte für die Verteilung von Variablenausprägungen und transformiert Variablen – zur besseren Vergleichbarkeit – in Standardvariablen mit gleichem Mittelwert und gleicher Streuung. Die statistischen Relationen zwischen Variablen können, in Abhängigkeit von ihrer quantitativen Interpretierbarkeit, mithilfe von Vektoren als grafische Darstellungen von Korrelationsbeziehungen charakterisiert werden. Bei Bedarf lassen sich komplexe Variablensysteme, etwa mittels Faktorenanalyse, auch in einfachere Strukturen überführen.
Um festzustellen, ob die anhand einer Stichprobe gewonnenen Variablenrelationen als Gesetze verallgemeinert werden können, benötigt man die Inferenzstatistik, welche unter Heranziehung von Wahrscheinlichkeits- oder Zufallsmodellen die statistische Signifikanz (Bedeutsamkeit) von Untersuchungsergebnissen feststellt. Die Inferenzstatistik wird also dafür eingesetzt, den Grad der allgemeinen Gültigkeit von Hypothesen anhand von Stichproben zu prüfen.
Die wichtigsten Forschungsmethoden sind das Experiment, das Quasiexperiment, die Feldforschung, Testverfahren, Ratings, die Beobachtung, die Befragung, die Textanalyse und die Computersimulation. Allen Datenerhebungsinstrumenten der Psychologie ist gemeinsam, dass sie wissenschaftlichen Gütekriterien genügen müssen (Objektivität, Reliabilität, Validität usw.).
Ein typisches Forschungsprojekt beginnt mit einer Fragestellung, für die thematisch angrenzende Theorien und Erklärungsansätze aus der Fachliteratur zu recherchieren sind. Für die Fragestellung wird jenes Forschungsdesign ausgewählt, das am ehesten eine empirische Evaluation der Fragestellung erlaubt. Vor- und Hauptuntersuchungen werden durchgeführt, die Daten statistisch ausgewertet, die Ergebnisse interpretiert, analysiert, diskutiert und schließlich in ihrer theoretischen und praktischen Bedeutung zusammenfassend dargestellt.
Fragen
1. Welche allgemeinen Kriterien für Wissenschaftlichkeit werden von Wissenschaftstheoretikerinnen und -theoretikern vorgeschlagen?
2. Welche Schritte und Konzepte kennzeichnen in der empirischen Sozialforschung die wissenschaftliche „Abbildung“ von Empirie in einer Theorie?
3. Was versteht man unter Konstrukten und unter Operationalisierungen?
4. Erklären Sie die Funktion von Stichproben in der Forschung und das Problem ihrer Repräsentativität!
5. Welche wichtigen Variablentypen gibt es in den empirischen Sozialwissenschaften?
6. Schildern Sie verschiedene Arten von Kausalbeziehungen und die INUS-Analyse!
7. Weshalb können die meisten psychologischen Gesetze nur wahrscheinlichkeitstheoretisch beschrieben werden?
8. Welche Schlüsse können aus dem Skalenniveau von Variablen gezogen werden?
9. Welche Bedeutung haben statistische Kennwerte von Variablen und Standardvariablen?
10. Wie lassen sich Variablen räumlich darstellen?
11. Erklären Sie die Korrelation als statistisches Zusammenhangsmaß und ihre Nutzanwendungen!
12. Worauf zielen inferenzstatistische Verfahren ab?
13. Erläutern Sie wichtige Forschungsmethoden der Psychologie!
14. Was versteht man unter Randomisierung?
15. Welche drei Hauptgütekriterien sollten allgemein in Datenerhebungsverfahren der Psychologie beachtet werden?
16. Was ist ein psychologischer Test und welchen Anforderungen sollte er genügen?
17. Welche wissenschaftlichen Ziele werden in der Psychologie mit Computersimulationen verfolgt?
18. Welche wichtigen Stadien weist der empiriewissenschaftliche Forschungsablauf auf?
Literatur
Bischof, N. (2014). Psychologie – Ein Grundkurs für Anspruchsvolle. Stuttgart.
Bischof, N. (2016). Struktur und Bedeutung. Göttingen
Bortz, J. & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin
Bühner, M. (2011). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. München
Erdfelder, E., Mausfeld, R., Meiser, T. & Rudinger, G. (1996). Handbuch Quantitative Methoden. Weinheim
Flick, U., Kardorff, E., Keupp, H., Rosenstiel, L. & Wolff, S. (Ed.) (1995). Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. München
Holling, H. & Schmitz, B. (Hrsg.) (2010). Handbuch Statistik, Methoden und Evaluation. Göttingen.
Kubinger, K. D. & Jäger, R. S. (Ed.) (2003). Schlüsselbegriffe der Psychologischen Diagnostik. Weinheim
Lamnek, S. (1995). Qualitative Sozialforschung. Bd. 1: Methodologie. Weinheim Maderthaner, R. (in Vorbereitung). Relationsanalyse (RELAN) – Systematik und Programm zur logischen und statistischen Analyse von Hypothesen und Daten in statistisch-empirischen Wissenschaften.
Rost, D. H. (2005). Interpretation und Bewertung pädagogisch-psychologischer Studien. Weinheim
Schnell, R., Hill, P.B. & Esser, E. (2005). Methoden der empirischen Sozialforschung. München
Steyer, R. (2003). Wahrscheinlichkeit und Regression. Berlin
Westermann, R. (2000). Wissenschaftstheorie und Experimentalmethodik. Göttingen
Psyche und Bewusstsein | 4
Inhalt
4.1 Menschliche Informationsverarbeitung
4.2 Bewusstseinszustände
Bewusstseinslage
Biologischer Rhythmus, Schlaf und Traum Spezielle Bewusstseinszustände
Hypnose, Meditation und Trance
4.3 Besondere Aspekte des Bewusstseins Psychische Selbstregulation Selbstreflexivität (Ich-Bewusstsein)
Menschliche Informationsverarbeitung | | 4.1 |
Die Psyche ist in ihrer Komplexität nicht beschreibbar. Sie lässt sich bestenfalls als die Gesamtheit aller zu einem Zeitpunkt ablaufenden Regelungsvorgänge im Zentralnervensystem interpretieren (s. 2.1). Welche allgemeine Grundstruktur diese Prozesse haben, kann bis heute nur vermutet werden. Nach psychologischen und neurophysiologischen Erkenntnissen ist die psychische Informationsverarbeitung durch vielfältige Kreisprozesse und Rückkoppelungen charakterisiert, sodass ein integratives kybernetisches Modell mit verschiedenen Hierarchieebenen als Erklärungsansatz passend erscheint (Abb. 4.1).
Das Bewusstsein hat innerhalb der Psyche die besondere Funktion, den Output aus verschiedenen Systemen zu integrieren, den Transfer in Langzeitspeichersysteme zu bewirken und Informationen an psychische „Filterprozessoren“ (z.B. Aufmerksamkeit) oder „Servomechanismen“ (z.B. Sprachzentren) als modulare Informationsverarbeitungssysteme weiterzugeben. Als eine der wichtigsten Funktionen fällt dem Bewusstsein nach Mandler (1979, 78) „die Prüfung potenzieller Handlungsmöglichkeiten und die Bewertung der situativen Gegebenheiten“ zu. Nach Solso (2005, 150) scheint das Bewusstsein „der hauptsächliche Prozess zu sein, mit dessen Hilfe sich das Nervensystem an neuartige, herausfordernde und informative Ereignisse in der Welt anpasst“.
| Abb 4.1
Die Psyche kann als zentralnervöses kybernetisches Regulationssystem angesehen werden. Das zu regelnde System ist die innere und die äußere Realität (Organismus und Umwelt), über deren Zustand die Sinnesorgane Informationen sammeln (Wahrnehmung, Interpretation), welche mit phylo- oder ontogenetischen Zielvorgaben verglichen werden (Bewertung, Bedürfnisse, Antriebe) und situationsbezogene Reaktionen auslösen (Planung, Verhalten).
Merksatz
Die Psyche kann als kybernetisches, neuronales Informationsverarbeitungssystem verstanden werden, dessen aufmerksamkeitsbesetzte Prozesse sich als Bewusst - seinsinhalte manifestieren.
Hinsichtlich des alltäglichen Sprachgebrauchs stellt Graumann (1968) nicht weniger als neun – einander teilweise überlappende – Bedeutungsinterpretationen von „bewusst“ zusammen: belebt, beseelt, wach, empfindend, unterscheidend, mittelbar, bemerkend, vorsätzlich und wissend. In der deutschen Sprache existiert das Adjektiv „bewusst“ etwa seit dem 16. Jahrhundert, eigentlich als Partizip von „bewissen“, was „sich zurechtfinden“ hieß, und von „beweten“, was „auf etwas sinnen“ oder „um etwas wissen“ bedeutete (Duden, 1963, 64). In der Psychologie werden oft jene Prozesse, auf die sich die Aufmerksamkeit richtet, als bewusst und alle anderen als neben-, unter- oder unbewusst charakterisiert (Box 4.1).
Formen des Bewusstseins | Box 4.1
Hilgard (1980) definiert in seinem Werk „Consciousness in Contemporary Psychology“ Bewusstsein als Aufmerksamkeitsmechanismus und versucht auch andere häufig gebrauchte Bewusstseinsbegriffe auf diese Art zu präzisieren:
• Bewusstes = Erlebnisinhalte, auf die Aufmerksamkeit gerichtet ist
• Nebenbewusstes = nicht mit Aufmerksamkeit bedachte Inhalte
• Unterbewusstes = unter bestimmten Umständen abrufbare Inhalte (z.B. unter Hypnose)
• Unbewusstes = Inhalte, die interpretativ erschlossen werden müssen (z.B. durch Trauminterpretation)
• Nichtbewusstes = im psychischen System nicht vorhandene Inhalte
Aus evolutionärer Sicht erklärt man sich die Entwicklung des Bewusstseins als Ergebnis der immer größer werdenden Komplexität kognitiver Funktionen, der Intensivierung sprachlicher Kommunikation sowie des Einbezuges von Sprache in Denkprozesse (Kiefer, 2002). Anatomisch ging diese Entwicklung mit einer Zunahme des Vorderlappens des Gehirns einher, dem heute von der Hirnforschung eine tragende Rolle bei der Aufmerksamkeitssteuerung und der Kontrolle des Verhaltens zugeschriebenen wird (Hoffrage & Vitouch, 2002). Solcherart kann Bewusstsein neuropsychologisch als Spezialfunktion des Gehirns erklärt werden, welche die Verteilung der Aufmerksamkeit (selektive Aufmerksamkeit), den Abruf von Gedächtnisinformationen (Langzeitgedächtnis) und die aktuelle Informationsverarbeitung (Arbeitsgedächtnis) an gegenwärtige psychische Ziele anpasst (Abb. 4.2). Die evolutionäre Entwicklung des Bewusstseins ermöglichte somit dem Menschen, in schwierigen Problemsituationen auf automatisierte, starre Reaktionen zunehmend zu verzichten und stattdessen situationsangepasste, flexible Verhaltensweisen einzusetzen.
| Abb 4.2
Das Modell des globalen Arbeitsraumes (Baars, 1989) gibt die heutige Sicht des Gehirns als Gruppierung stark vernetzter, miteinander simultan interagierender Neuronensysteme wieder. Teile des Netzwerkes (Module) erfüllen Spezialleistungen (Wahrnehmung, Erinnerung, Bewertung, Aufmerksamkeit, Verhalten) und werden durch ein Verbindungsnetzwerk („global neuronal workspace“) in ihren Aktivitäten gesteuert (Dehaene, Kerszberg & Changeeux, 1998). Der globale Arbeitsraum ist nach neuer Sicht für die bewusste externe Informationsverarbeitung zuständig und wird durch ein zweites Netzwerk ergänzt („default mode network“), welchem die Steuerung bewusster intern orientierter Informationsverarbeitung obliegt (z.B. autobiografische Erinnerungen, Fantasien, selbstbezogene Gedanken, Gefühle; Song & Tang, 2008; Bruckner et al., 2008). Die jeweils durch die Verbindungsnetzwerke simultan mobilisierten Informationsanteile der verschiedenartigen Module kortikaler Informationsverarbeitung werden als Inhalte des subjektiv erlebten Bewusstseins postuliert (Zimmer, 2007).
Merksatz
Das Bewusstsein als evolutionäre „Hilfsfunktion“ psychischer Informationsverarbeitung ermöglicht eine differenzierte Analyse, Speicherung und Kontrolle der aufgenommenen, verarbeiteten und abzugebenden Information.
Die Erforschung des Bewusstseins war seit jeher mit dem Problem konfrontiert, dass es dafür sowohl eine „Innenbetrachtung“ als auch eine „Außenbetrachtung“ gibt. Gewissermaßen von innen her erschließen wir das Bewusstsein introspektiv bzw. „phänomenalistisch“, von außen her dagegen behavioristisch bzw. „physikalistisch“. Gadenne (1996, 5) sieht aus heutiger Sicht sogar drei
„Perspektiven bzw. Herangehensweisen für das Thema Bewusstsein“: die „innere Erfahrung und Erlebnisbeschreibung“, den „Zugang von den Neurowissenschaften“ und die „Perspektive der Kognitiven Psychologie“. Das jahrhundertealte Leib-Seele-Problem der Philosophie, die Frage nach der Beziehung zwischen Gehirn und Bewusstsein (s. 2.3.1), wird aus Sicht der naturwissenschaftlichen Psychologie pragmatisch gelöst, indem angenommen wird, dass physiologisch registrierbare Gehirnzustände kognitive Verarbeitungsprozesse bewirken und sich partiell im bewussten Erleben manifestieren (Gadenne, 1996, Abb. 4.3).
Eine Erklärung für das Zustandekommen der Aufeinanderfolge von Bewusstseinsinhalten liefert das sogenannte ACT-Modell („Adaptive Control of Thought“) von Anderson (1983a, b), wonach der menschliche Informationsspeicher als umfangreiches semantisches Netzwerk gedacht wird (Knoten = Begriffe; Kanten = Assoziationen), dessen Einheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt verschieden stark aktiviert sein können. Je nach Art der geistigen Anforderung sind nämlich immer nur jene Netzwerkelemente aktiviert, die zur Bewältigung des momentanen Problems einen Beitrag leisten. Diese sich ständig verändernde „Erregungskonstellation“ im Nervennetzwerk kann als kognitiver Arbeitsspeicher (Arbeitsgedächtnis) aufgefasst werden (s. oben), dessen wechselnde Inhalte (ähnlich wie bei der Konzeption des globalen Arbeitsraumes) introspektiv als Bewusstseinsstrom erfahren werden. Die Menge an Erlebnisinhalten, auf die man sich gleichzeitig konzentrieren kann, die sogenannte Aufmerksamkeitsspanne, kann auch als „Weite des Bewusstseins“ verstanden werden.
| Abb 4.3
Die Verbindung dreier Perspektiven der Bewusstseinsbetrachtung: Nervöse und physiologische Prozesse im Gehirn (G) sind die Grundlage für die psychische Informationsverarbeitung (I), deren Ergebnisse sich teilweise im bewussten Erleben (B) widerspiegeln (Gadenne, 1996).
4.2 | | Bewusstseinszustände |
4.2.1 | | Bewusstseinslage |
Nach Keidel (1963) kann der Leistungszustand des Gehirns als „Kanalkapazität“eines informationsverarbeitenden Systems interpretiert werden. Bei Lebewesen ist diese umso größer, je besser sie in der Lage sind, Informationen über die innere und äußere Realität richtig aufzunehmen, richtig zu interpretieren und schließlich danach optimal zu handeln. Die Bewusstseinslage ist umso höher, je mehr Information innerhalb eines bestimmten Zeitraums korrekt bewusst verarbeitet werden kann. Demnach ist sie bei Tätigkeiten, die hohe Konzentration erfordern, am höchsten (z.B. Simultanübersetzen, Schachspielen), bei automatisierten Verhaltensweisen entsprechend niedriger (z.B. Autofahren, Arbeitsroutine) und bei zerstreuenden Aktivitäten (z.B. Fernsehen, Lesen einer Illustrierten) sehr niedrig. Der Übergang zu noch tieferen Bewusstseinslagen ist fließend und führt von besonders entspannten Zuständen über das Tagträumen zum Schlaf, zur Ohnmacht und zum Koma (s. auch Selbstreflexivität, 4.3.2).
Merksatz
Mit Bewusstseinslage umschreibt man den Grad an bewusster Kontrolle psychischer Abläufe, der bei äußerster Konzentration im Wachzustand sein Maximum und im Tiefschlaf sein Minimum erreicht.
Als für die Bewusstseinslage hauptverantwortliche Gehirnstrukturen werden in der Hirnforschung der Hirnstamm (speziell die Formatio retikularis), der Thalamus (das „Tor zum Bewusstsein“) und das Stirnhirn genannt, also jene Strukturen, die zahlreiche Verbindungen zu anderen Gehirnarealen aufweisen und somit deren Aktivität auch breit gestreut beeinflussen (Pritzel, Brand & Markowitsch, 2003). Da von der Bewusstseinslage entscheidend die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit des Menschen abhängt, kommt einemsinnvollen „Aktivierungsmanagement“ für den Alltag große Bedeutung zu (Box 4.2; vgl. auch Coping, 12.6).
„Aktivierungsmanagement“ | Maßnahmen gegen Müdigkeit | Box 4.2
Stark wirksam:
1. Koffeinhältige Genussmittel (Kaffee, Tee, Softdrinks, Schokolade, Wirkung von 15 Minuten bis 5 Stunden)
2. Kurzschlafphasen („Schläfchen“, die 10–15 Minuten, maximal aber 45 Minuten dauern sollten)
3. Kernschlaf (mindestens 4 Stunden Schlaf stabilisiert den Biorhythmus und fördert die geistige und körperliche Regeneration)
Begrenzt wirksam:
1. Nikotin (schnelle Aktivierungswirkung, je nach Dosis eventuell bis 30 Minuten; reduziert Schlafqualität)
2. Temperaturreduktion und Ventilation (nur bei Sauerstoffmangel effektiv)
3. Bewegungsübungen (maximal 30 Minuten wirksam)
4. Hintergrundmusik, Konversation u.Ä. (reduziert kurzfristig vorhandene Monotonie)
(Ergebnisse einer Untersuchung des U.S. Department of Transportation an Beschäftigen im Transportwesen; McCallum et al., 2003)
Biologischer Rhythmus, Schlaf und Traum | | 4.2.2 |
Viele Lebensprozesse werden vom Tag-Nacht-Rhythmus beeinflusst, sodass sich im Laufe der Evolution auch beim Menschen eine Art „innere Uhr“ herausgebildet hat. Dieser zirkadiane Rhythmus (Biorhythmus) reguliert die Wachheit des Organismus in Phasen von
„zirka“ einem Tag (lat. dies: Tag), genauer 24–25 Stunden („Chronobiologie“). Die kleinen individuellen Abweichungen des Biorhythmus vom realen 24-Stunden-Tagesrhythmus werden durch die verantwortlichen Steuerungszentren im Gehirn (suprachiasmatische Kerne, Hypothalamus, Zirbeldrüse) aufgrund von Lichtwahrneh-
| 4.2.2 mungen und Tagesrhythmus (z.B. Essintervalle) korrigiert (Birbaumer & Schmidt, 2006). Bei regulärem Biorhythmus sinken in der Nacht die Körpertemperatur, die Atemfrequenz, die Herzrate, die Sauerstoffaufnahme und der Appetit, hingegen nehmen die Ausschüttung von Wachstumshormonen, die Schmerzempfindlichkeit, die Reaktionszeit und die Fehleranfälligkeit des Verhaltens zu (Abb. 4.4).
| Abb 4.4
Wach-Schlaf-Rhythmus einer Person, die bei gleichbleibender Beleuchtung jeweils um 7 Uhr geweckt und um 23 Uhr zum Schlafen aufgefordert wurde, illustriert anhand zweier physiologischer und zweier psychologischer Messgrößen.
Merksatz
Kurzfristiger Schlafmangel manifestiert sich in Müdigkeit, Ablenkbarkeit und geringerer Leistungsbereitschaft, während langfristiger Schlafmangel (oder Schlafstörungen) nicht nur psychische, sondern auch physiologische Beeinträchtigungen und sogar körperliche Erkrankungen nach sich ziehen kann.
In der Schlafforschung unterscheidet man zwischen dem Kernschlaf (core sleep, anchor sleep), der beim Erwachsenen etwa die ersten vier Stunden umfasst und als wichtig für die Regeneration des Gehirns angesehen wird, sowie dem Optionalschlaf (optional sleep), der eher der allgemeinen Erholung dient.
Die durchschnittliche (ungestörte) Schlafdauer beträgt bei Neugeborenen und Kleinkindern 14–16 Stunden, bei Jugendlichen 8–9 Stunden und bei Erwachsenen 6–8 Stunden pro Tag. Nach Gallup-Umfragen (Myers 2005, 291) schlafen 16 % (9 %) der amerikanischen (deutschen) Erwachsenenbevölkerung nicht mehr als 5 Stunden, 27 % (23 %) zwischen 5 und 6 Stunden, 28 % (36 %) zwischen 6 und 7 Stunden und 28 % (32 %) 8 Stunden und mehr. Die durchschnittliche Schlafdauer in Industriegesellschaften hat sich von 7,6 Stunden im Jahre 1942 auf nur mehr 6,7 Stunden im Jahre 2001 verringert, vielleicht mit der Konsequenz, dass in heutigen Meinungsumfragen oft mehr als die Hälfte der Befragten über Schlafmangel klagen (s. auch Roenneberg et al., 2003; Lischewski, 2016).
Perseveration: Verweilen bei einem Gedanken Schlafdeprivation: teilweiser oder gänzlicher Schlafentzug
Die psychischen, immunologischen und physiologischen Effekte von Schlafmangel werden oft unterschätzt: Bei kurzfristigem Schlafmangel zeigt sich häufig Reizbarkeit, Irritierbarkeit, Ablenkbarkeit, Perseveration, Unschlüssigkeit, geringeres Arbeitstempo, schlechtere Merkleistungen, verminderte Konzentration, Kreativitätsmangel, Ungeduld, Risikofreudigkeit, kindischer Humor, Motivationsverlust sowie eine Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit (s. Myers, 2005; Harrison & Horne, 2000; Foster & Wulff, 2005). Eine längere Schlafdeprivation (zum Beispiel eine durchwachte Nacht) senkt die Aktivität der natürlichen Killerzellen, reduziert Antikörperreaktionen und erhöht den die Immunabwehr beeinträchtigenden Cortisolspiegel (um fast 50 %; Heyde, Kiehn & Oster, 2018). Zu beachten ist auch, dass die Verursachung von Verkehrsunfällen aufgrund von Schlafmangel („Mikroschlaf“) auf etwa 20- bis 30 % geschätzt wird (Myers 2005, 293) und dass 27-stündiges Wachsein eine ähnliche kognitive Beeinträchtigung mit sich bringt wie 0,85 Promille Alkohol im Blut (Lamond & Dawson, 1999; zit. nach Foster & Wolff, 2005). Der wahrscheinlich längste künstlich herbeigeführte Schlafentzug betrug etwa 11 Tage, wobei die Versuchsperson ab dem dritten Tag unter Illusionen, Halluzinationen und später auch Wahnideen litt, ohne dass allerdings danach dauerhafte körperliche oder geistige Schäden bekannt geworden wären (Birbaumer & Schmidt, 1991).
Merksatz
Der biologische Rhythmus (Biorhythmus) reguliert die vegetativen Funktionen des Wach-Schlaf-Zyklus des Menschen in Phasen von 24–25 Stunden. Weicht der TagNacht-Rhythmus mehrere Stunden davon ab, ist vorübergehend mit psychischen und physiologischen Beeinträchtigungen zu rechnen.
Verschiebt sich der Biorhythmus im Vergleich zum Tagesrhythmus um mehrere Stunden, wie etwa bei Schichtarbeit- oder beim Jetlag nach längeren Flugreisen, dann ist untertags mit Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Verdauungsproblemen, Schwächung des Immunsystems, Unfallgefährdung und in Schlafzeiten mit Schlafstörungen zu rechnen (Abb. 4.5; „social jetlag“, Wittmann et al., 2006; Kahn et al., 2020). Einige Studien zeigen (Klein & Wegmann, 1974; Lavie, 2001), dass solche biorhythmischen Verschiebungen besser verkraftet werden, wenn längere Anpassungszeiten gegeben sind (z.B. Nachtschichten anstatt Schichtwechsel). Beim Jetlag ist die benötigte Erholungszeit übrigens kürzer, wenn ein Tag gedehnt wird (z.B. bei einem Flug nach Westen: 2–4 Tage), als wenn es zu einer Tagesstauchung kommt (z.B. bei einem Flug nach Osten: 6–9 Tage), weil man eher länger aufbleiben als zu früh schlafen gehen kann.
| Abb 4.5
In einer Befragung von Kogi (1985, zit. nach Passer & Smith, 2004) wurden mehr als 2000 deutsche und mehr als 3000 japanische Schichtarbeiter gebeten, über ihre Bettgehzeit und ihre Schlafdauer Buch zu führen. Die Grafik zeigt, dass Schlafversuche am Nachmittag mit einer sehr geringen Schlafdauer verbunden waren.
Merksatz
Schlafstörungen, die seelisch, körperlich und umweltbedingt sein können, beeinträchtigen massiv die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit im Wachzustand.
Obwohl die im Produktionsprozess auch heute weiter fortschreitende Einführung der Schichtarbeit – gemeinsam mit anderen Faktoren – eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ermöglichte, scheint bisher eine flexible, auf den Arbeitsprozess abgestimmte Anpassung des Biorhythmus nicht gelungen zu sein. Dabei machen weitere Untersuchungen die gravierenden Langzeitfolgen von Schichtarbeit deutlich: chronische Ermüdung, erhöhtes Unfallrisiko (z.B. Reaktorunfälle Tschernobyl und Tree Mile Island am frühen Morgen), Magengeschwürbildungen, Herz-Kreislauf-Erkankungen, Einschlafschwierigkeiten, Depressionen, Missbrauch von Suchtmitteln, soziale Isolation und familiäre Entwurzelung (Barton, 1994). Die Vor- und Nachteile der eingeführten Schichtmodelle sind leider noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht (Foster & Wulff, 2005). Die biologische Umstellung auf Schichtarbeitszeiten, die nicht mit dem Tag-Nacht-Rhythmus übereinstimmen, könnte aber zumindest durch eine intensivere (tageslichtähnliche) Beleuchtung der Arbeitsplätze erleichtert werden.
Teufelskreis: Schlaf- und Aufputschmittel | Box 4.3
In einer neurowissenschaftlichen Studie zeigen Foster und Wulff (2005) jene physiologischen Probleme auf, die mit der Einführung künstlicher Beleuchtung und den daraus entstehenden Verschiebungen der Arbeitszeit verbunden sind. Forderungen nach Verfügbarkeit rund um die Uhr, Überstunden, Schichtarbeit und Abendvergnügungen kollidieren zumeist mit dem biologischen Rhythmus, sodass zu erzwungenen Wachzeiten aufputschende Mittel (z.B. Kaffee, Nikotin) und zu verbleibenden Schlafenszeiten dämpfende Substanzen (z.B. Alkohol, Schlafmittel) genommen werden (Wittmann et al., 2006), aus deren Wechselwirkung oft ein Teufelskreis entsteht. Einschlaf- oder Durchschlafstörungen sind in der Bevölkerung relativ weit verbreitet (ca. 20 %).
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