Kitabı oku: «Das Gold der Träume», sayfa 2

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Krisengeld gegen Krypto-Gold

Gold ist ein ganz realer Stoff, sichtbar, betastbar, eher geschmacklos, sicher geruchlos. Das ist natürlich ironisch gemeint, denn in einer Epoche der digitalen Kryptowährungen scheint die Bemerkung nicht überflüssig. Von ihren Adepten werden sie als »digitales Gold« bezeichnet, was wohl eher eine Majestätsbeleidigung für das göttliche Metall sein dürfte. Auch sprachlich ist es eine Flunkerei. Aber ist nicht auch die Bezeichnung »Betongold« für Immobilienbesitz ein irres Paradox? Beton ist Beton. Doch Gold scheint sich auch als patent gebräuchliche Metapher in diversen Bereichen anzubieten. Schwarzes Gold (Erdöl, Kaviar, Trüffel), weißes Gold (Salz, Lithium, Porzellan), grünes Gold (Olivenöl), blaues Gold (Solarzellen), rotes Gold (Safran) usw.

Die Verächter der Kryptowährungen betrachten sie als bloßes Spielgeld ohne inneren Wert oder Wertbeständigkeit, ungedeckt und schwindsüchtig. Als einen aus dem Nichts geschaffenen, puren Wahn. Von hoher Volatilität, bei der immerzu der endgültige Absturz drohe. Die kopflose »Krypto-Vergottung«, sagen sie, werde in die Hölle alias den Totalverlust führen. Tatsächlich scheint ihnen nicht einmal religiöses Vokabular abwegig. Ein bloßer Spuk, der vorbeigehen werde. Sie seien kein Wertaufbewahrungsmittel, kein Wertspeicher wie das gute alte Gold. Als »Rattengift hoch zwei« bezeichnet der amerikanische Großinvestor Warren Buffett die Kryptowährungen. Das neue Phänomen scheint auch die Metaphernprägungen zu beflügeln.

Ist das der neue Goldrausch, der Goldrausch unserer Zeit? Ein neues Kalifornien, ein neuer Klondike? Oder wird es am Ende des Spuks auch hier nur sterbende Sonnen geben? Es sind unvorstellbare Mengen von künstlich geschaffenem »elektronischem Geld« weltweit in der Luft. Die Loopings der Kryptowährungen bedeuten eine neue Etappe nach den sogenannten Fiatwährungen, den deckungsfreien Papierwährungen, die ein als Tauschmittel eingesetztes Objekt ohne inneren Substanzwert bezeichnen. »Nur Gold ist Geld. Alles andere ist Kredit!«, verkündete der amerikanische Bankier John Pierpont Morgan im Jahr 1912. Es bleibt bis heute das Credo der Gold-Verehrer in der von Kryptowährungen betörten, zuweilen sturmgepeitschten Finanzwelt.

Am 15. August 1971 stoppte der damalige US-Präsident Richard Nixon die im Jahr 1944 mit dem Bretton-Woods-Abkommen festgelegte Goldbindung des Dollars. Eine kapitale historische Wende. Der »Nixon-Schock« erschütterte die Welt – Amerika brauchte viel neues Geld für den Vietnamkrieg. Im Jahr 1972 empfahl der Internationale Währungsfonds seinen Mitgliedern die Aufhebung der Golddeckung der Währungen, der »Goldstandard« wurde abgeschafft. Währungen und Wechselkurse waren gleichsam von der Leine gelassen, seither erfüllt das Geräusch der Notenpresse die Luft eines zitternden Systems.

Gold ist das Gegenteil von Fiatgeld, es hat neben dem äußeren Tauschwert auch einen unbestreitbaren inneren Wert. Und das seit Jahrtausenden. Aber auch der Wert des Goldes beruht auf Konvention. Es hat immer nur den Wert, den die Menschen ihm zu geben bereit sind, und er ist keine absolute Größe.

Als arabische Karawanen im Mittelalter von Nordafrika aus mit ihren Kamelen die Sahara durchquerten und über dreitausend Kilometer zurücklegten, um das begehrte Metall aus den westafrikanischen Minen einzuhandeln, waren sie schwer bepackt mit einem lebensnotwendigen Gut, das dort so geschätzt wurde, dass die Einwohner Guineas bereit waren, es mit Gold aufzuwiegen: Salz, das »weiße Gold«. Der als »Goldküste« bekannte Landstrich, der heute zu Ghana gehört, hatte jedoch noch ein anderes Tauschmittel anzubieten. Die Kamelkarawanen brachten auch das zurück, was unter dem zynischen Ausdruck »schwarzes Gold« bekannt wurde: Sklaven. Eine verstörende Assoziation von Mensch und Metall – der Mensch als bloße Ware, die anderen Menschen Gold einbringen soll. Weißes Gold gegen schwarzes Gold, und immer ist als abgründige Metapher das glänzende Metall im Spiel.

Als holländische Händler Ende des 15. Jahrhunderts in den Häfen große Säcke ausluden, wollten sie auch dieses wertvolle Gut zeitweise nur gegen das Gewicht in Gold aufwiegen: Pfefferkörner. So ändert sich die Skala der Wertzuschreibungen durch die Zeiten. Uns mutet es sonderbar an, dass Salz und Pfeffer, die wir heutzutage im Supermarkt für ein paar lächerliche Cents einkaufen, in gewissen Momenten und an bestimmten Orten des Erdballs nur gegen Gold aufgewogen werden wollten. Salz und Pfeffer!

Gold gaukelt Wertbeständigkeit und solide Wertaufbewahrung vor und ist doch den Hochs und Tiefs des Unzenpreises unterworfen. Und es gibt auch heute eingefleischte Gold-Skeptiker. In den Gazetten diverser Länder ebben die Diskussionen um das »Krisengeld« Gold in Zeiten wirtschaftlicher Rückschläge und erhöhter Inflation nicht ab. Der Streit zwischen Goldadepten und Goldverächtern scheint unversöhnlich, die Spekulationen um den angeblich manipulierten Goldpreis nähren wirtschaftspolitische Verschwörungstheorien. Die Schlagzeilen haben eine verblüffende Spannweite: »Die einzige echte Währung: Gold« bis zu »Vermögensvernichtung mit Gold«. Ist Gold noch immer das altbewährte »Krisengeld« oder ein trügerischer Notgroschen? Das seltene Metall ist noch nie in der Geschichte so kontrovers diskutiert worden. Es zeigt die Verhaltensweisen der Menschen zwischen Angst und Euphorie.

Geopolitische Konflikte und Krisenherde, ob sie Syrien, Iran oder Nordkorea heißen, schüren die Nachfrage nach Gold. Inflationsängste beflügeln Preisphantasien. Jeder neue Atomtest Nordkoreas, mit dem der Machthaber Kim Jong-Un die Welt provozierte, ließ den Preis für das gelbe Metall steigen. Aber auch Ängste sind instabil, beruhigen sich zuweilen rasch. Das ist so menschlich … Rasche Erregung, Angstreaktion und allmähliche Beruhigung durch den Anschein wiederhergestellter Ordnung.

Gold gilt als »sicherer Hafen« in turbulenten Zeiten und als Schutz gegen Inflation. Nicht nur Individuen steuern ihn an, auch Staatslenker haben Reflexe. Wenn die Währungen ihrer Länder rapide an Wert verlieren, flüchten sie sich gerne ins edle Metall, um den Absturz abzufedern. Im November 2017 titelte eine deutsche Tageszeitung: »Putin und Erdogan im Goldrausch«. Als Rubel und Lira stark abwerteten, waren die Notenbanken Russlands und der Türkei die größten Goldkäufer unter den Staaten der Welt. Von Allmacht träumende verspätete Sultane und neue Zaren flüchten ins Goldrefugium, nehmen beim traditionellen Krisengeld Zuflucht.

Dass sich die Nachfrage nach Gold seit dem Jahrhundertwendejahr 2000 verzehnfacht hat, deutet scheinbar auf große Begehrtheit. Doch immer wieder gibt es Einbrüche, Rückschläge. Seit dem Rekordhoch im Jahr 2011 befand sich das Metall im Abwärtstrend oder dann ab 2016 auf einem holprigen Seitwärtskurs. Obwohl es eigentlich genug Krisen gegeben hätte. Nicht einmal auf die Krisen war Verlass.

Aber dann kamen der Juni 2019 und weltweite Rezessionsängste, befeuert von Trumps Handelskrieg mit China, Irankrise, Brexit, zermürbenden Null- und Negativzinsen oder sogar Furcht vor einem Kollaps des Finanzsystems. Der Goldpreis brach nach oben aus und hielt sich, zusammen mit Goldminenaktien, bis zum Jahresende in aussichtsreichen Höhenlagen. Dann säte das weltweit auftretende Coronavirus und eine unheimliche Lungenkrankheit Panik und Börsen-Albträume und ließ Gold zeitweilig noch begehrter werden. Selbst Viren also können die Wertschätzung des Goldes beeinflussen. Aber: Höhenrausch und Absturzängste sind oft die beiden Seiten derselben (Gold-)Medaille. Hinauf, hinunter. Das edle Metall nimmt es gelassen hin. Gold ist schwindelfrei.

Gewinnen, verlieren, gewinnen, verlieren – der ewige Rhythmus ist vorgegeben, aber seine Ausschläge sind unvorhersehbar. Das symbolische Gemälde Fortuna und der Bettler (1836) des russischen Malers Alexej Markow auf unserem Buchumschlag zeigt die Schicksalsgöttin mit einem Füllhorn, das sich in den zerschlissenen Beutel eines Bettlers ergießt. Den überraschten Empfänger trifft es unverhofft, doch durch ein Loch entweichen die Goldmünzen auch schon wieder. In zahlreichen Abbildungen wird die unstete Fortuna mit verbundenen Augen auf einem Rad oder einer Kugel balancierend dargestellt. Die blinde Göttin teilt aus und nimmt gern rasch wieder weg.

Gold war und ist aber gar nicht unbedingt das seltenste, teuerste, wertvollste Metall. Momentan können in der Geschichte ganz andere Prioritäten entstehen. Durch erhöhte Nachfrage aus der Autoindustrie waren im Moment der Niederschrift dieses Buches die Edelmetalle Rhodium und Palladium heiß begehrt, weil sie in Autokatalysatoren zur Reduktion von Stickstoffmonoxid zum Einsatz kommen. Der Aufschwung ist auch dem Diesel-Skandal geschuldet. Aber schon 2008 kostete eine Feinunze Rhodium – oft »das edelste der Edelmetalle« genannt – zehnmal so viel wie eine Feinunze Gold, mehr als 10.000 Dollar, so viel wie nie zuvor. Mit der Verschärfung von Abgasvorschriften in vielen Ländern steigt die Nachfrage nach wirksamen Katalysatoren. Das Klima gibt den Ausschlag.

Das Beispiel soll nur zeigen: Der Wert des Goldes ist ein relativer, kein absoluter. Mal sind Salz und Pfeffer, mal Rhodium und Palladium die Vergleichsstoffe und Wertmesser. Aber keines der erwähnten seltenen Edelmetalle hat auch nur annähernd die kulturelle Aura von Gold, die seit Jahrtausenden im Menschheitsgedächtnis gespeichert ist. Es ist schlicht das magischste und attraktivste der Edelmetalle.

Keine Angst, die vorliegenden Seiten sind keine Anlageberatung, sie folgen nicht der Fieberkurve oder dem Puls des Tages, sondern erkunden ein kulturelles Fundament – das seinerseits von einer gewissen Dramatik nicht verschont bleibt. Der ökonomisch-pragmatische Zugang erhellt nicht den »mythischen« Hintergrund des Metalls. Ist Kultur nicht die beste Anlage und das ultimative Kapital, auf dem auch unsere Gegenwart ruht? Die jahrtausendealte Faszination des »ewigen«, unzerstörbaren Metalls ist eine anthropologische Konstante. In nahezu jedem Abschnitt der Menschheitsgeschichte wurde Gold begehrt und verehrt, gesucht und bewahrt, gehortet und zu Kunstwerken verarbeitet.

Die Reduktion seiner Bedeutung auf das bloße »Krisengeld« ist eine irreführende Verengung. Die Unversehrbarkeit durch Rost, durch die zerstörerische Macht des Sauerstoffs, die allen Dingen zusetzt, bleibt ein gewichtiger Teil des Faszinosums. Denn das Menschenleben ist vielfachen Gefährdungen ausgesetzt und von entmutigender Kürze, das verführerische »weiche« Metall Gold jedoch scheint Dauer und Ewigkeit zu gewähren.

Dass das glänzende Metall eine beträchtliche mythische Aura aufweist, dass es in der Kulturgeschichte der Menschheit eine ungeheure Ausstrahlung zeigt, ist schwer zu bezweifeln. Es ist Symbol für Macht, Reichtum und Ansehen, aber auch Ansporn zu höchster Veredelung, zu reichen Mythen, religiösen Riten, magischen Praktiken und tiefgründigen Geschichten voller Weisheit, zu kunsthandwerklichen Spitzenleistungen, hervorragenden Kunstwerken.

Gold strahlt in Mythen und Märchen, Gold blitzt im Schatz der Sprichwörter vieler Völker. Gold ist »in aller Munde«. Vielleicht hat gerade der deutsche Volksmund eine geheime Vorliebe für das blendende Metall, es gibt Dutzende von Sprichwörtern, in denen Gold vorkommt. Für eingefleischte Frühaufsteher, die anderen mögen dieses Sprichwort wirklich nicht: »Morgenstund’ hat Gold im Mund.« Nicht erbaulich für ungebremste Plaudertaschen: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Für Geistesarbeiter gelinde gesagt demoralisierend: »Handwerk hat goldenen Boden.« Gold ist im Sprichwort immer positiv besetzt, aber auch in simplen Redensarten, die hervorragende Qualitäten im Menschen bedeuten wollen. »Sie hat ein Herz aus Gold« – das Gegenteil von hartherziger Mitleidlosigkeit. Wer hat noch Neil Youngs größten Hit von 1971 im Ohr: Heart of Gold? »I’ve been a miner for a heart of gold« … Gerade den Ohrwurm nochmals auf YouTube angehört.

»Gold ist warm und hat ein Wesen wie die Sonne«, schrieb Hildegard von Bingen (1098 bis 1179). Es ist warmer Glanz schöner Gegenstände und kaltes Objekt des zählbaren, stapelbaren Reichtums. Im Umgang mit ihm zeigt sich der Mensch mit seinen Widersprüchen, seinen erstaunlichen Fähigkeiten und Fehlern, seinen geistigen Höchstleistungen und Träumen – und den Abgründen zerstörerischer Leidenschaften.

Gold scheint das Metall der Extreme zu sein. Aber es wurde in der Kulturgeschichte auch mit Maß und Mittelweg assoziiert. Aristoteles preist in seiner Nikomachischen Ethik die »Mitte« (mesotes), die sich gegen »Übermaß« und »Mangel« behaupten muss. Das Gute wie auch das Glück liegen für ihn zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig. Erst der römische Dichter Horaz (65 bis 8 v. Chr.) verpasste der Mitte jedoch das Eigenschaftswort »golden«: aurea mediocritas (Oden II, 10,5). Wer den goldenen Mittelweg wähle, komme am ehesten ans Ziel: Gold ist also nicht nur das Metall der Extreme, golden ist auch die Ferne von den Extremen, golden sind Maß und Ausgeglichenheit.

In der Geschichte der Verehrung und der Verdammung des Goldes gibt es immer einen unerklärlichen Rest, es gibt Paradoxe und Widersprüche, die über das ökonomische Tagesgeschäft weit hinausreichen. Gold leuchtet in den Kulten und Religionen, in der Kunst, in der Literatur. Es ist mit Mythos, Macht und Magie verbunden. Es ist Lichtquelle und dunkler Abgrund.

Götterhaut oder: Tanzen für die Einzige

Eine Menschheit ohne Sorgen und Nöte. Es gibt Nahrung genug für alle, Milch und Honig fließen. Keinerlei Anlass zu Streit und Krieg, keine Feindschaft, keine Gewalt. Es gibt kein Alter, keine Gebrechlichkeit, keine Krankheit. Den utopischen Traum von der sorgenfreien Menschheit haben mehrere Autoren der Antike geträumt, der erste, der ihn festhielt, ist der um 700 v. Chr. in Böotien geborene Ackerbauer und Dichter Hesiod. In seinem Lehrgedicht Werke und Tage schildert er das bäuerliche Alltagsleben, Ethik und Moral, die sich daraus ableiten lassen. Es ist eine an seinen liederlichen Bruder Perses gerichtete Ermahnung, der sein Erbteil verprasst hat und nun auch die andere Hälfte, Hesiods Anteil, für sich haben will. Hesiod ruft ihn zur Besinnung, preist redliche Arbeit und ehrliche Anstrengung, warnt vor Falschheit und Anmaßung im »Eisernen Zeitalter« der Gegenwart, das von Rücksichtslosigkeit und Verrohung geprägt sei. Als notwendige Kontrastfolie braucht er jenes heitere »Goldene Menschengeschlecht«, das er begeistert schildert: »Golden war zuerst das Geschlecht der sprechenden Menschen«, so beginnt er die goldene Story. »Sie lebten wie Götter«, »das Herz ohne Kummer«, »sie freuten sich am üppigen Mahl und kannten kein Unheil.« Als Sinnbild für alles Positive, Helle, Angst- und Sorgenfreie bot sich kein besseres Metall an als das Gold.

Hesiods berühmter römischer Nachfahr Ovid (43 v. Chr. bis 17 n. Chr.) schildert das mythische Goldene Zeitalter im ersten Buch seiner Verwandlungsgeschichten, der Metamorphosen, einem außerordentlich einflussreichen Werk der abendländischen Literatur. »Als erstes entstand das Goldene Zeitalter«, verkündet er triumphierend in seinem Bericht vom Anfang der Welt. Es ist alles in bester, paradiesischer Ordnung: »In behaglicher Muße vergingen, ohne Krieger zu brauchen, die Tage sicher den Völkern.« Gold im Zusammenklang mit Zeitbegriffen verweist immer auf ideale Zustände, auf eine kulturelle Blütezeit oder auf einen besonders aufregenden Zeitabschnitt voller Intensität. Goldenes Zeitalter, Goldenes Jahrhundert (Spaniens Siglo de Oro), die Golden Twenties.

Als Hesiod und Ovid von ihrem Goldenen Zeitalter schwärmten, hatten ältere Völker längst ihre Verehrung und Vergöttlichung des edelsten Metalls gepflegt. Zum Beispiel Mesopotamien: Es brachte die ersten städtischen Hochkulturen hervor, schenkte uns die Erfindung der Schrift, weitreichendes astronomisches, mathematisches und medizinisches Wissen, wichtige Anregungen für Zahlensystem und Zeitteilung, erste Rechtssammlungen. Da ist nur ein Problem: Mesopotamien, das außerordentlich fruchtbare Schwemmland zwischen Euphrat und Tigris, jedoch ohne Gebirge, die Erze hätten spenden können, kannte keinen eigenen Goldabbau.

Ein Café in der Altstadt von Heidelberg, wo ich heute lebe. Ich treffe einen der renommiertesten Assyriologen der Welt zum Gespräch, den hier an der Universität lehrenden Professor Stefan Maul, der nicht nur das Gilgamesch-Epos glanzvoll ins Deutsche übersetzt, sondern auch ein Standardwerk über die Wahrsagekunst im Alten Orient verfasst hat. Geduldig und freundlich beantwortet er meine Fragen nach der Bedeutung des Goldes für die mesopotamische Kultur.

Gold kam nur über den Handel ins Land – oder über die zahlreichen Kriegs- und Beutezüge, für die die Assyrer bei den Völkern berüchtigt waren. Das fehlende eigene Gold machte das glänzende fremde Metall für die Könige Mesopotamiens noch begehrter. Einer uralten Überlieferung zufolge wurde das Gold, das ins Zweistromland gelangte, in einem fernen sagenhaften Gebirge im iranischen Osten gefunden, das den Namen Arallu trug, der auch die Unterwelt bezeichnete. Gold aus dem Jenseits also? Der Bezug des göttlichen Metalls zum Totenreich wird in der Kulturgeschichte des Goldes keine geringe Rolle spielen. Hauptumschlagplatz für Gold war Ägypten. Babylonier und Assyrer hatten kostbare Textilien anzubieten, Pferde, den aus den afghanischen Gebirgen stammenden Lapislazuli, nach dem die Ägypter begierig waren.

Natürlich interessiert mich das berühmte, erst Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckte Epos von Gilgamesch, dem sumerischen König von Uruk. Es ist das älteste literarische Zeugnis der Welt: die in die altbabylonische Zeit (1800 bis 1595 v. Chr.) zurückreichende, auf elf Tontafeln in Keilschrift festgehaltene, von vielen Wechselfällen geprägte Geschichte einer Suche nach der Unsterblichkeit, die Gilgamesch, nach dem schmerzlichen Tod seines Gefährten Enkidu, erlangen möchte. Die achte Tafel, die allerdings nicht vollständig überliefert ist in diesem mesopotamischen Puzzle-Spiel der Tonscherben: Der um Enkidu trauernde Gilgamesch ruft laut nach Steinschneider, Kupfer- und Goldschmied, damit sie das »Bild«, die Statue seines Freundes, herstellen können. »Die Gliedmaßen meines Freundes sind aus Silber, die Augenbrauen aus Lapislazuli, deine Brust ist aus Gold, dein Körper ist aus Zedernholz.«

Gilgamesch erbricht das Siegel seines Schatzhauses, entnimmt Schmuck und legt ihn zum aufgebahrten Enkidu. Natürlich und immer wieder: Gold. Schmuckstücke »in dreißig Minen Gold gefasst«, einen Köcher, »ein ganzes Talent Gold der zugehörige Griff«, und viele andere Gaben, die aber nicht nur zur Ausstattung des toten Freundes bestimmt waren, sondern auch ein Mitbringsel für die Götter der Unterwelt darstellten. Es war eine Art glorreiche Bestechung oder Umwerbung jedes einzelnen der dortigen Götter, die das glänzende Metall lieben. Durch die Gaben aus Gold besänftigt, sollten sie das neue Mitglied des Totenreiches freundlich aufnehmen, »an seiner Seite gehen«.

Natürlich schmückten die mesopotamischen Könige auch im Diesseits ihre Tempel, die ein Abbild des Kosmos sein sollten, über und über mit Gold. Davon berichtet der assyrische König Assurbanipal (668 bis 631 v. Chr.): »Das Haus des Gottes Assur, meines Herrn, vollendete ich. Ich verkleidete seine Wände mit Gold und Silber. Den Assur ließ ich in sein Haus ›Großer Berg‹ einziehen und ein ewiges Heiligtum beziehen.« Könige und Götterstatuen trugen eine goldene Tiara. Gold stimmte die Götter freundlich, machte ihre Gesichter leuchten.

Die Babylonier waren berühmt für ihre Wahrsagekunst und deshalb auch bei ausländischen Königen und Fürsten sehr begehrt. Ihr Exportartikel: das Orakel. Der römische Naturforscher Plinius der Ältere (23 bis 79 n. Chr.) weiß zu berichten, dass die Athener dem Berossos, einem babylonischen Marduk-Priester, der im 3. Jahrhundert v. Chr. auf der griechischen Insel Kos eine Sterndeuterschule aufgebaut hatte, auf Staatskosten ein Denkmal errichteten. Zum Zeichen ihrer dankbaren Erinnerung an die Präzision und Zuverlässigkeit seiner Vorhersagen hatten sie das Standbild mit einer vergoldeten Zunge versehen. Nicht nur Morgenstund’ hat Gold im Mund, sondern auch die Propheten und Sterndeuter mit ihrer Wahrsagerzunge.

Inmitten klappernder Tassen und summenden Café-Geplauders schreibt Stefan Maul zum Abschluss mit flinker Hand in Keilschrift das Wort für »Gold« auf ein weißes Karteikärtchen, ku-si auf Sumerisch, und auf Akkadisch (Babylonisch / Assyrisch): hurasu. Das kleine Kärtchen habe ich gleichsam als Amulett sorgsam aufbewahrt: Wenn es nicht aus Gold ist, so ist es doch von Bedeutung. Eine Visitenkarte aus Babylonien. Mesopotamisches Keilschriftgold.

Ägypten also war der Hauptbezugsort für das kostbare Metall. Auch die gottgleichen Pharaonen waren schon im Alten Reich des 3. Jahrtausends v. Chr. versessen auf das Metall der Göttlichkeit, das »Fleisch der Götter«, wie sie es nannten. Es sollte im Diesseits wie im Jenseits leuchten, als blitzender unzerstörbarer Beweis höchster Macht, Würde und Gottgleichheit. Der Bezug zur strahlenden Sonne, zum alles nährenden Sonnenlicht, war schon visuell gegeben. Sonnengleicher Glanz war das Attribut der Göttlichkeit. In den Kulttexten sagt der Sonnengott Ra von sich: »Meine Haut ist aus reinem Gold.« Auch die vergoldeten Statuen und Kultgegenstände hatten folglich »Götterhaut«, aus Gold bestand die göttliche Haut-Hülle.

Die Pharaonen hatten erheblichen Goldbedarf, also wollten sie ihr Herrschaftsgebiet auf jene Landstriche ausdehnen, in denen der begehrte Stoff abgebaut werden konnte. Die Hieroglyphe für »Gold« lautete nub, doch die Ägypter hatten eine Vielzahl von Zeichen, die Gold nach Färbung, Reinheitsgrad oder geographischer Herkunft differenzierten. Das wichtigste Vorkommen gab es in Nubien, das die Ägypter das Goldland Kusch nannten. Heute ist das der nördliche Sudan. In diversen Beutezügen und Expeditionen wurde das kostbare Metall herbeigeschafft, in bestimmten Epochen jedoch, ab der 18. Dynastie, konnte Nubien dem ägyptischen Herrschaftsbereich einverleibt, konnten die Goldminen zu eigener Ausbeutung genutzt werden.

Eine legendäre Gold- und Weihrauch-Expedition – zwei unabdingbare Stoffe für den Götterkult – fiel in das neunte Regierungsjahr des weiblichen Pharaos Hatschepsut, die von 1479 bis 1458 v. Chr. für ihren noch minderjährigen Stiefsohn Thutmosis III. regierte. Es ist das glorreichste Ereignis ihrer Karriere: die Expedition in das sagenhafte Land Punt – vermutet wird ein Landstrich am Horn von Afrika, im heutigen Somalia. In ihrem weitläufigen Totentempel in Deir El-Bahari, ihrem »Haus der Millionen von Jahren« auf dem Westufer des Nils nördlich von Theben, ist die famose »Expedition nach Punt« in einer eigenen Halle auf zweiundzwanzig Pfeilern und in Wandreliefs verewigt. Eine bilderreiche Reportage über einen Goldtransport. Vor Jahren stand ich davor, noch nicht ahnend, dass ich einmal in einer bescheidenen Expedition schreibend ein Goldland erkunden würde. Gleich daneben die Hathor-Kapelle, gewidmet der Göttin Hathor, deren auffälligstes Merkmal die Kuhohren sind. Sie ist die Göttin der Liebe, der Schönheit, der Musik, des Tanzes – gleichsam die weiblichste aller Göttinnen, sowohl göttliche »Mutter« als auch Identifikationsfigur der Pharaonin Hatschepsut.

Hathor wird in Hymnen und Huldigungen als die »Einzige« und die »Goldene« bezeichnet. So wird sie in den Liebesgedichten des Neuen Reiches angerufen, etwa in den Sprüchen der großen Herzensfreude des im British Museum in London aufbewahrten Papyrus Chester Beatty I, einer wichtigen Quelle aus der Ramessidenzeit (um 1300 bis 1100 v. Chr.): »Einzig ist die Geliebte, ohnegleichen, / schöner als jede Frau. / Strahlend ist sie, wie der aufgehende Stern, / der dem guten Jahr voranzieht. […] Sieht man sie hinausgehen, / gleicht sie jener Göttin (Hathor), der Einzigen. / […] Ich bete die ›Goldene‹ an und preise ihre Majestät, / ich rühme die Herrin des Himmels, / […] Die ›Goldene‹ ist voller Freude, / hell wird die Erde durch ihre Schönheit« (deutsch von Erik Hornung).

Ihre Assoziation mit dem göttlichen und gleichsam ewigen Metall gewinnt eine besondere Symbolik. Es ist das Gold der Anmut und der dauerhaften Liebe, das die Göttin Hathor verkörpert und ausstrahlt. Jeder Liebende, jede Liebende tanzt für die goldene »Einzige«, für die graziöse Göttin mit den Kuhohren.

Die Faszination des Goldes prägt die Werke der ältesten bekannten Dichter. Gilgameschs Gold war das erste. Die ägyptischen Hathor-Gesänge und Liebesgedichte der 18. Dynastie um 1300 v. Chr. strahlten vom Gold der »Einzigen«. Homer im 8. Jahrhundert v. Chr. streut schon im ersten Gesang der Ilias ein Gold-Aroma, wenn er das griechische Wort für Gold, chrysos, in den Eigennamen aufblitzen lässt: im Apollon-Priester Chryses (»Goldmann«) mit seinem »goldenen Stab«, in dessen Tochter Chryseis (»Goldmädchen«) und in Chrysa, der »goldenen« Stadt an der Küste, nicht weit von Troja. Doch alles Gold läuft auf die eine Göttin zu: die »goldene Aphrodite« und ihre »Gaben« im 3. Gesang der Ilias (Vers 64), die erotischen Reiz oder geradezu sexuelle Anziehungskraft verkörpernde Liebesgöttin.

Sie versprach bei einem Schönheitswettbewerb Paris, dem Sohn des Trojanerkönigs Priamos, die schönste Frau der Welt, wenn er ihr den goldenen Apfel mit der Aufschrift »Der Schönsten« zugestehen würde. Die schönste Sterbliche aber, Helena, war mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet, Paris muss sie entführen – und Aphrodite hatte im Vorbeigehen mit ihren Machenschaften den verheerenden Trojanischen Krieg ausgelöst. Nur vordergründig geht es um Krieg, im Untergrund wütet die erotische Leidenschaft. Und die »goldene Aphrodite« zieht die Fäden. Sie begünstigt selbstherrlich den Ehebruch und den kriegerischen Konflikt. In den nur wenig später, im 6. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Homerischen Götterhymnen ist Aphrodite, »die das Lächeln liebt«, immerzu von Goldattributen gekennzeichnet, trägt einen goldenen Kranz, Ohrschmuck aus Gold, Armreifen, Halsketten aus selbstverständlich demselben, erotisch aufgeladenen Material.

Von der Dichterin Sappho (um 630 bis 570 v. Chr.), die auf der Insel Lesbos lebte, ist nur ein zarter Scherbenhaufen von Fragmenten erhalten geblieben, selten genug ein Gedicht, dort ein paar Verse, hier ein paar Wörter, auf eine Tonscherbe eingekritzt, auf einem fragilen Papyrusstreifen fixiert. Sappho spiegelt sich gerne in der Liebesgöttin und ihrem unbezwingbaren erotischen Reiz. Aphrodite, die das »goldene Haus des Vaters verlassen« hat, ist »goldbekränzt«, schenkt aus »goldglänzenden Schalen« zum Trinken und Feiern großzügig Nektar aus. Die Göttin der Morgenröte, Eos, trägt »goldene Sandalen«, ist sozusagen golden beschuht. Das Fragment stammt vielleicht aus Sapphos Hochzeitsliedern. Und dann ein anderes, das einen sogenannten »Supra-Superlativ« vorführt: »… Selbst noch den Harfenklang süß überklingend, / goldener noch als Gold …« Gold ist also das erotische Edelmetall, das die Macht in sich hat, noch sich selbst zu übertreffen.

Der Dichter Pindar (520 bis 446 v. Chr.), der in »gottgegebenen Gesängen« Preislieder auf die Sieger in sportlichen Wettkämpfen schuf – Olympische, Pythische, Nemeische, Isthmische Oden, je nach dem Austragungsort der Spiele –, geht besonders freigebig mit dem Beiwort »golden« um, um das ewig glänzende Metall der Göttlichkeit auch in seinen Lobes-Oden aufleuchten zu lassen, um auch ihnen Glanz zu verleihen. Bei Pindar meint »golden« immer auch »auf das Göttliche verweisend«, das Edelmetall schlägt eine Brücke zwischen der Sphäre der Götter und jener der Sterblichen.

Was ist nicht alles »golden« bei ihm, unmöglich, alles aufzuzählen: goldene Olive, goldene Stuten, goldene Wagen, goldgekrönte Musen, goldgelockter Apoll, goldene Siegesgöttin Nike, goldene Spindel, und – besonders verblüffend, in der 7. Isthmischen Ode – »goldener Schnee«: »Als du um Mitternacht in goldenem Schnee empfingst den höchsten der Götter«. Angesprochen werden das »selige Theben« und die Episode, als Zeus die Frau des Amphitryon besuchte, Alkmene, um mit ihr Herakles zu zeugen. Der »goldene Schnee« bedeutet also Zeus’ göttlichen Samen.

In der ersten Olympischen Ode, für Hieron den Syrakuser, den Sieger beim Wettkampf mit dem Rennpferd, liefert Pindar gleich auch noch einen Werbespot für die Olympischen Spiele: »Am köstlichsten ist Wasser, und Gold sticht hervor / wie brennendes Feuer bei Nacht aus dem Reichtum, der Männer beflügelt; / wenn du aber Wettkämpfe besingen willst, mein Herz, / spähe nicht neben der Sonne nach einem anderen Gestirn, das wärmer leuchten / würde bei Tag durch den einsamen Äther – / einen herrlicheren Wettstreit als den von Olympia gibt es nicht zu preisen!«

Und was ist mit der olympischen Goldmedaille? Fehlanzeige, die war eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, sie besteht im Übrigen zu 92,5 Prozent aus Silber, hat einzig einen goldenen Überzug, der nur sechs Gramm Gold enthält. Aber die »goldene Aura« hat sie dennoch, auch wenn sie nur wenig von dem Stoff enthält. Pindars Olympiasieger erhielten als Preis einen Kranz aus Olivenzweigen um das Siegerhaupt und Amphoren voll kostbaren Olivenöls aus Athenas heiligen Hainen.

Gold war lange vor seiner »Vermünzung« zumeist tragbares Gold, das ein König oder Pharao auf oder an seinem Körper trug in Kronen, Armreifen, Halsketten, Fingerringen usw. Es hatte eine ursprüngliche Talisman-Funktion, sollte den Körper vor bösen Kräften schützen, und eine schmückende Funktion, die dem Träger Bedeutung und Würde, aber auch Schönheit und Anmut verleihen sollte. Ohne Gold keine gelassene Fahrt durch das Jenseits. Vielleicht sogar: kein Jenseits überhaupt.

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