Kitabı oku: «Die Idee des lebendigen Gottes»
Ralph Poirel
Die Idee des lebendigen Gottes
BONNER
DOGMATISCHE
STUDIEN
Herausgegeben von
Karl-Heinz Menke
Ralph Poirel
Die Idee
des lebendigen Gottes
Franz Xaver Dieringers (1811–1876) christozentrische Offenbarungstheologie
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de Druck und Bindung: Difo-Druck GmbH, Bamberg ISSN 0935-0756 ISBN 978-3-429-03435-1 (Print) ISBN 978-3-429-04614-9 (PDF) ISBN 978-3-429-06029-9 (Epub)
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für eine Veröffentlichung wurde sie leicht überarbeitet und um das Register ergänzt.
Das erste Wort des Dankes gilt an dieser Stelle Prof. Dr. Karl-Heinz Menke, der mir im Jahr 2005 den Anstoß zu dieser Arbeit gegeben hat und mich beim Erstellen derselben stets ermutigend und hilfreich begleitet hat. Ohne seine pädagogische Fähigkeit, mich zu fordern und mir zugleich die nötige akademische Freiheit zu lassen, wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Daneben danke ich Prof. Dr. Dr. Claude Ozankom für das von ihm erstellte Zweitgutachten sowie dem Echter-Verlag für die Aufnahme dieser Untersuchung in die vorliegende Reihe. Nicht vergessen zu danken möchte ich zudem der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich als Stipendiat während meiner gesamten Studienzeit sowie zu Beginn meines Promotionsprojektes unterstütz hat.
Danach aber gebührt mein Dank vor allem meiner Ehefrau Dr. Vera Kallage, die mir den nötigen familiären Rückhalt und zeitlichen Freiraum geschaffen hat zur Erstellung dieser Arbeit. Ihr ist diese Doktorarbeit gewidmet. Daneben danke ich vor allem meiner Schwiegermutter Veronika Kallage für die Korrektur der Rechtschreibung und dafür, dass sie viele Tage unsere Töchter Franziska und Theresa betreut hat, damit ich mich meinem Dissertationsprojekt widmen konnte. Ein besonderes Wort des Dankes gilt zudem meinen Kollegen Petra Kostka und Dr. Hartmut Köß, die mir zahlreiche Hinweise und Hilfestellungen bei der Gliederung und Formatierung der Arbeit gegeben haben. In diesem Zusammenhang darf auch Frau Felicitas Schuck nicht unerwähnt bleiben, die dankenswerter Weise das Register der Arbeit erstellt hat. Nicht zuletzt möchte ich P. Dr. Manfred Entrich OP dafür Dank sagen, dass er mich über die Jahre hinweg mit väterlicher Fürsorge daran erinnert hat, meine Doktorarbeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Mein Dank an ihn gilt stellvertretend allen, die mich mit Nachfrage und Ermutigung zum Weitermachen motiviert haben. Für seine treue Begleitung im Gebet danke ich zudem Fr. M. Stephan Hild OSB.
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung zu Person und Werk
1.1 Hinführung zum Thema der Arbeit
1.2 Der akademische Werdegang von Franz Xaver Dieringer – eine biographische Skizze
1.2.1 Herkunft und Schulzeit
1.2.1.1 Das familiäre Umfeld in Rangendingen
1.2.1.1 Die Schulzeit in Konstanz
1.2.2 Studium in Tübingen und Repetent in Freiburg
1.2.2.1 Der Kontakt zur Katholischen Tübinger Schule
1.2.2.2 Repetent in Freiburg und der Kontakt zu F. A. Staudenmaier
1.2.3 Professor in Speyer
1.2.3.1 Die Freundschaft zu Johannes von Geissel
1.2.3.2 Chefredakteur der Mainzer Zeitschrift „Katholik“
1.2.4 Professor und Domkapitular im Erzbistum Köln
1.2.4.1 Die Restrukturierung der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät
1.2.4.2 Herausgeber der Katholischen Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst und Gründungsmitglied des Borromäusvereins
1.2.4.3 Gründer des homiletisch-katechetischen Seminars
1.2.4.4 Theologischer Autor und Berater Geissels
1.2.4.5 Das Theologische Literaturblatt und die Streitigkeiten um das I. Vatikanische Konzil
1.2.5 Pfarrer in Veringendorf
1.3 Dieringers theologisches Konzept – die positive Theologie
1.3.1 Dogmatik als Rekonstruktion des kirchlichen Offenbarungsbegriffs
1.3.2 Die Stellung der Spekulation in der positiven Theologie – Spekulation als Durchdringung des Rekonstruierten
2. Das theologische Profil Franz Xaver Dieringers
2.1 Was ist Offenbarung? - das Offenbarungsverständnis F. X. Dieringers
2.1.1 Die Theorie der Offenbarung in „Ueber die Offenbarung“
2.1.1.1 Form der Offenbarung
2.1.1.2 Inhalt der Offenbarung
2.1.2 „Die göttliche That“ – Offenbarung und Wunder
2.1.3 Das Verhältnis der Offenbarung zum Wesen Gottes – die Offenbarung als Selbstsetzung Gottes
2.1.4 Das Verhältnis der Offenbarung zum Wesen des Menschen als Erhöhung des Menschen zur Selbstverherrlichung Gottes
2.1.4.1 Erkennbarkeit der Offenbarung aufgrund der natürlichen Empfänglichkeit des Menschen
2.1.4.2 Merkmale wahrer Offenbarung
2.2 Wer ist Jesus Christus? – Die Christologie F. X. Dieringers
2.2.1 „Christus ein Lehrer der Menschheit“
2.2.1.1 Die Lehre Christi - Inhalte der Offenbarung in Christus
2.2.1.2 Der Messias Jesus und die Juden
2.2.2 Christus der Gottmensch
2.2.2.1 Die Mutter des Erlösers – Mariologische Aussagen bei Dieringer
2.2.2.2 Das Erlösungswerk des Gottmenschen Jesus Christus
2.2.2.3 „Bedeutung der Menschwerdung für das christliche Leben“ – Das ethische Prinzip der Inkarnation
2.3 Wozu dient die Kirche? – die Ekklesiologie F. X. Dieringers
2.3.1 Die Kirche als die gottmenschliche Stellvertretung Christi
2.3.2 Die Kirche als universaler Heilsweg
2.3.3 Die Kirche im Dienst an der Wahrheit – das Lehramt als Ausgangspunkt aller Beschreibungen des Amtes
2.3.3.1 Dieringers „Offenes Sendschreiben“ an J. B. Hirscher – die Debatte um die Synoden als Frage nach der Stellung der Laien in der Kirche
2.3.3.2 Die Unfehlbarkeit der Kirche
2.3.3.3 Die Mitarbeit im Theologischen Literaturblatt und die Frage der Unfehlbarkeit des Papstes
2.3.4 Kirche als göttlich eingesetzte Heilsmittlerin – die Sakramentalität der Kirche
2.3.5 Die Theologie F. X. Dieringers – eine Zusammenfassung
3. Die Theologie Franz Xaver Dieringers im Kontext der theologischen Strömungen seiner Zeit
3.1 Dieringer und die Volksaufklärung – Der Einfluss des Wessenbergerianismus auf F. X. Dieringer
3.1.1 Das Bistum Konstanz unter Heinrich Ignaz Freiherr von Wessenberg
3.1.2 Das Kirchenbild Wessenbergs
3.1.3 Die Verbindung von Liturgie und Pädagogik bei Wessenberg
3.1.4 Dieringers Eingreifen in den Freiburger Ritual-Streit als praktischer Ausdruck seiner positiven Theologie
3.2 Die Tübinger Schule und der Einfluss von Franz Anton Staudenmaier auf Dieringers theologisches Werk
3.2.1 Die Mentalität der Katholische Tübinger Schule – ein Zuordnung
3.2.2 Die Differenz zwischen KTS und Neu-Scholastik
3.2.3 Das Proprium der Katholischen Tübinger Schule als Kernmoment der Theologie Dieringers
3.2.4 Das an F. A. Staudenmaier und J. S. v. Drey orientierte Offenbarungsverständnis Dieringers
3.2.5 Von der Idee zur Person – Dieringers christozentrische Fortschreibung des Offenbarungsverständnisses der KTS
3.2.6 Die an L. Scheffczyk orientierte Anfrage an Dieringers Offenbarungstheologie
3.2.7 Die durch F. A. Staudenmaier beeinflusste Christologie Dieringers
3.2.8 Kirche als Stellvertretung – Dieringers Ekklesiologie als sein eigenständiger Beitrag zur Theologie des 19. Jahrhunderts
3.2.9 Franz Xaver Dieringer als Vertreter der KTS
3.3 Die Theologie F. X. Dieringers im Kontext der theologischen Richtungsstreitigkeiten seiner Zeit – Abgrenzung und Nähe zu Neu-Scholastik und Güntherianismus
3.3.1 Die Verhältnisbestimmung von Offenbarung und Vernunft als die zentrale Differenz zum Güntherianismus
3.3.2 Von der Repräsentation des Menschengeschlechts zur gottmenschlichen Stellvertretung – die Weiterentwicklung des güntherschen Stellvertretungsgedanken bei Dieringer
3.3.3 Die Nähe in der Orthodoxie und die Differenz in der Methode – die Auseinandersetzung mit J. Kleutgen und der Neu-Scholastik
3.3.4 Franz Xaver Dieringer und die „Römische Schule“ – die durch D. Petavius begründete positive Theologie
3.3.5 Schlussbetrachtung: Die systematische Theologie Franz Xaver Dieringers
Literaturverzeichnis
Personenregister
1. Hinführung zu Person und Werk
1.1 Hinführung zum Thema der Arbeit
„Was ist die Idee der Gottheit, wenn nicht die Idee des lebendigen Gottes?“,1 so schreibt Franz Xaver Dieringer 1845 in einer Rezension der Dogmatik F. A. Staudenmaiers. Es ist gleichsam die Kernfrage des theologischen Denken Dieringers und dessen Antwort. Für Dieringer gibt es in der Theologie kein abstraktes Reden über Gott, das sinnvoll ist. Alles theologische Arbeiten muss rückgebunden sein an die Offenbarung. Vielmehr noch muss es seinen Anfang beim Handeln Gottes nehmen, beim positiven geschichtlichen Offenbarungsgeschehen. Theologie als positive Wissenschaft verdankt sich überhaupt nur dem Handeln des lebendigen Gottes, aus dem sie dessen Idee zu rekonstruieren hat. Mit dieser entschiedenen Hinwendung zu einem geschichtlichen Offenbarungsverständnis und einer positiven Theologie stellt Dieringer zugleich Jesus Christus in den Mittelpunkt, der Gottes Selbstoffenbarung und damit die eigentliche Idee des lebendigen Gottes ist. Diese Christozentrik ermöglicht ihm die Treue zur kirchlichen Lehre ebenso wie eine zeitgemäße Antwort auf die Gedankenwelt des deutschen Idealismus und das erwachende historische Bewusstsein. In diesem Zusammenhang steht auch Dieringers Ekklesiologie, die vom Gedanken der personalen Stellvertretung Christi in Amt und Heiligem Geist geprägt ist.
Dieringer steht mit seiner Theologie im Spannungsfeld der theologischen und philosophischen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Sein christozentrisches Offenbarungsverständnis hebt sich ab von den idealistischen und rationalistischen Interpretationen des Christentums, ohne deren Anliegen jedoch gänzlich zu ignorieren. Ebenso streitet Dieringer mit den theologischen Richtungen seiner Zeit und versucht mit seiner positiven Theologie ein Gegengewicht bzw. einen Brückenschlag zu von der Aufklärung oder der Scholastik geprägten Theologien zu bilden. Diese theologischen Flügelkämpfe eingebettet in die kirchenpolitischen Entwicklungen und die Spannungen im Staatskirchenverhältnis des 19. Jahrhunderts prägen Dieringers akademischen Werdegang. Seine Theologie ist ein wesentliches Mittel zum Verständnis seiner Biographie, was vielleicht am deutlichsten am Ende seiner Laufbahn hervortritt. Dieringer nämlich verzichtet als einziger deutscher katholischer Theologe auf seine Professur nach dem I. Vatikanischen Konzil. Zugleich unterzeichnet er gegenüber dem Kölner Erzbischof die Anerkennung der Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes. Dieringers Verhalten ist nicht nur für die Bonner Fakultät von besonderer Bedeutung, sondern stellt auch einen Sonderfall für die gesamte deutsche theologische Landschaft im Umfeld des I. Vatikanums dar. Dieses scheinbar widersprüchliche Vorgehen, nämlich das neue Dogma nicht in der Lehre vertreten zu wollen oder zu können, es aber dennoch persönlich anzuerkennen, erklärt sich jedoch durch Dieringers Verständnis der Dogmatik als positiv-theologischer Wissenschaft in der Kirche einerseits und seinem daraus resultierenden Kirchenverständnis anderseits.
Die vorliegende Arbeit unternimmt daher den Versuch, das theologische Profil des Bonner Dogmatikers vor dem Hintergrund dessen Biographie zu erheben. Zu diesem Zweck ist der Arbeit zunächst eine biographische Skizze vorangestellt, die die wesentlichen Lebensdaten und insbesondere die akademische Laufbahn Dieringers nachzeichnet. In einem zweiten Schritt erfolgt ferner eine kurze Darstellung seines methodischen Ansatzes. Beide Aspekte – Biographie und theologische Grundhaltung der Person Franz Xaver Dieringer – bilden somit den Einstieg in das Werk des Bonner Dogmatikers. Im zweiten Kapitel werden dann anhand der von Dieringer in seinen Werken selbst gesetzten Schwerpunkten seiner Systematik dessen Offenbarungstheologie, Christologie und Ekklesiologie erarbeitet, um diese in einem abschließenden dritten Kapitel in den theologischen Kontext seiner Zeit einzuordnen. Die Arbeit versteht sich im Wesentlichen als ein Beitrag zur Geschichte der Dogmatik im 19. Jahrhundert und näherhin als ein Beitrag zur Geschichte der systematischdogmatischen Lehre an der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät, deren Mitglied Franz Xaver Dieringer 28 Jahre lang war. Sein ebenfalls umfangreiches homiletisches Werk sowie seine vielfältiges publizistisches Eingreifen in die Tages- und Kirchenpolitik werden in dieser Arbeit nur am Rande behandelt. Gleichwohl wird die Darstellung des systematischen Theologie Franz Xaver Dieringers der Ausgangspunkt aller weiteren Befassung mit dessen Gesamtwerk sein müssen. So bildet diese Promotionsschrift sicher auch eine wesentliche Grundlage für eine bisher noch ausstehende umfassende Biographie des Kölner Domkapitulars, der zur „Elite des rheinischen Katholizismus“2 gehörte. Obgleich Dieringer aufgrund seines politischen und theologischen Engagements als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des rheinischen Katholizismus im 19. Jahrhundert bezeichnet werden kann3, liegt bis zum heutigen Tag keine ausführliche Biographie Dieringers vor. Ebenso ist diese Arbeit die erste Darstellung und Monographie der theologischen Leistungen Dieringers. Selbst in Überblickswerken zur Theologie des 19. Jahrhunderts oder zur Katholischen Tübinger Schule findet Dieringer wenn überhaupt nur eine kurze Erwähnung. Die vorliegende Arbeit will somit auch eine Forschungslücke schließen, um einem zu seiner Zeit im deutschsprachigen Raum höchst angesehenen Theologen der Bonner Fakultät Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Arbeit fokussiert dabei vornehmlich auf den Dogmatiker Franz Xaver Dieringer. Die Arbeiten Dieringers im Bereich der Homiletik, Katechetik, Journalistik oder auch seine Schriften zum Staatskirchenverhältnis kommen nur am Rande in den Blick der Betrachtungen. Gleichwohl versteht sich diese Dissertation als wesentlichen Beitrag und Ausgangspunkt aller weiteren theologischen und geschichtswissenschaftlichen Forschungen zu Leben und Werk Franz Xaver Dieringers.
Die Befassung mit der Theologie Franz Xaver Dieringers hat mein eigenes theologisches Denken bereichert und geschärft. Vor allem aber hat es mir vor Augen geführt, dass viele Fragen der damaligen Zeit auch heute noch zur Beantwortung anstehen. Mit Dieringer bin ich dabei der Auffassung, dass weder ein reines Zurückgehen auf die Theologie der Vorzeit noch ein Aufgehen der Theologie in Fragen der Jetztzeit die Antwort auf die Krisenmomente unserer Kirche sind. Vielmehr wird es darum gehen, in einen an der Offenbarung und an Christus orientierten Dialog mit der heutigen Zeit zu treten. Die Idee des lebendigen Gottes bewahrt und getragen durch die Gemeinschaft der Kirche sind dabei die Leitschnur und das Maß unseres wissenschaftlichen Handelns. Genau dazu können das theologische Profil und das theologischmethodische Vorgehen Franz Xaver Dieringers auch heute wichtige Hinweise geben.
1.2 Der akademische Werdegang von Franz Xaver Dieringer – eine biographische Skizze
Anhand einer kurzen biographischen Skizze, die die bisher nur vereinzelt vorliegenden Beiträge zum Leben Dieringers in einem Überblich zusammenführt, soll ein Einblick in Herkunft und Prägung, in Ausbildung und Werdegang gegeben werden, um gleichsam den Lebenskontext der Theologie Dieringers zu erschließen.
1.2.1 Herkunft und Schulzeit
Der erste Blick gilt dabei zunächst dem familiären Umfeld und der heimatlichen Schulzeit in Rangendingen und Konstanz.
1.2.1.1 Das familiäre Umfeld in Rangendingen
Franz Xaver Dieringer wurde am 22. August 1811 in Rangendingen in Hohenzollern geboren.1 Sein Vater, Jakob Dieringer (14.12.1786 – 10.02.1814), war Küster in seinem Heimatort und verstarb - kaum 28 Jahre alt - als sein Sohn gerade zweieinhalb Jahre alt war. Dass Jakob Dieringer eine prägende Gestalt in Dieringers Kindheit und Jugend gewesen ist, kann daher wohl kaum angenommen werden. Anders wird es sich bei seiner Mutter verhalten haben, die den Sohn zunächst allein erziehen musste. Johanna Dieringer (geb. Schenk) wurde am 06. Mai 1790 geboren und starb am 05. Juni 1847.2 Sie konnte somit den akademischen Aufstieg ihres einzigen Sohnes noch lange Jahre miterleben. Beide Eltern stammten zwar aus reichen Bauernfamilien, waren aber selbst keine Hoferben3. Herkunft und familiäres Schicksal legten also zunächst nicht nahe, dass Franz Xaver Dieringer eine Hochschulkarriere machen und gar zu einer prägenden Größe des deutschen Katholizismus des 19. Jahrhunderts werden würde. Die Mutter heiratete jedoch ein zweites Mal und Dieringers Stiefvater förderte die Talente seines Ziehsohnes, sandte ihn aufs Gymnasium und finanzierte ihm später das Studium4. Dieringers einzige Schwester Franziska wurde am 02. Januar 1813 geboren.5 Der Chronist der Familie Dieringer, Pfarrer Andreas Dieringer, beschreibt die Erziehung des jungen Franz Xavers als christlich geprägt und seine priesterliche Berufung fördernd.6 Dies deckt sich mit den meisten Beschreibungen der religiösen Situation in der Region um Rangendingen zu dieser Zeit. Das bäuerliche Umfeld des fast geschlossen katholischen Fürstentums Hohenzollern-Hechingen war von der „Aufklärung unberührt geblieben“7 und lebte noch in einer Welt der barocken Volksfrömmigkeit mit einem lebendigen religiösen Brauchtum8. Die Kindheit Dieringers wird daher sowohl ein ausgeprägtes Wallfahrtswesen und vielfältige Segnungsriten als auch fast abergläubische Praktiken und Auffassungen gekannt haben, in denen Teufel, Hexen und Dämonen ihren Platz hatten.9
1.2.1.1 Die Schulzeit in Konstanz
Erst der spätere Schulbesuch in Konstanz brachte Dieringer in Kontakt mit einem anderen, aufgeklärten Denken, nämlich dem eines Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg. Die ersten Jahre der Gymnasialbildung verbrachte er jedoch noch im heimatlichen Hedingen-Sigmaringen10 auf dem erst 1819 vom Fürsten Anton Alois von Hohenzollern-Sigmaringen gegründeten Gymnasium. In dieser Gründungszeit des Gymnasiums (bis 1839) verlief der Unterricht nur bis zur vierten Gymnasialklasse, so dass ein Wechsel zum weiterführenden Gymnasium nach Konstanz für Dieringer unumgänglich war, um das Abitur zu erreichen.11 Mit dem Wechsel nach Konstanz, wo er im Jahr 1831 sein Abitur mit der Note „sehr gut“ absolvierte12, kam er mit siebzehn Jahren zum ersten Mal aus der dörflichen Umgebung Hohenzollerns heraus in ein städtisches Milieu. Der bereits erwähnte Kontakt mit dem sogenannten Wessenbergianismus wird in ihm Widerstände ausgelöst haben, wie sie allgemein in Hohenzollern im Gegensatz von Stadt und Land zu Tage traten.13 Seine dörfliche, barocke Prägung wird ihn mit Verwunderung und sicherlich auch mit Verwirrung auf den Geist der Aufklärung und des Josephinismus, den er in Konstanz vorfand, reagieren lassen haben. Dennoch wäre es verkürzt, Dieringers spätere theologische bzw. kirchpolitische Opposition gegen I. H. Wessenberg, J. B. Hirscher oder A. Günther14 allein in dieser Jugenderfahrung begründen zu wollen. Vielmehr scheint sich hier bereits anzubahnen, was später für Dieringers theologisches Denken kennzeichnend sein wird, nämlich seine Fähigkeit zur Synthese verschiedener Ansätze und Richtungen. So werden sich in seinen Schriften und in seiner gesellschaftspolitischen Arbeit durchaus volkspädagogische Ansätze wessenbergischer Prägung finden, aber auch deutliche Abgrenzungen von dessen Überzeugungen, die zu Dieringers Schulzeit das beherrschende Kirchenverständnis darstellten.15 Wenn man hier etwas aus jugendlicher Opposition heraus erklären will, so muss man mindestens zugestehen, dass es sich um eine reflektierte und wohl begründete Opposition handelte, die Dieringer vorantrieb.