Kitabı oku: «Die Doors, Jim Morrison und ich»

Yazı tipi:

Ray Manzarek

Die Doors,

Jim Morrison

und ich

Aus dem Amerikanischen von Kirsten Borchardt


www.hannibal-verlag.de

Impressum

Titel der Originalausgabe:

Light My Fire – My Life With The Doors

© Ray Manzarek; Erstausgabe erschienen bei G. P. Putnam’s Sons, a Member of

Penguin Putnam Inc, New York (1998)

© 1999 der deutschen Ausgabe

Robert Azderball, Hannibal Verlag, A-3423 St. Andrä/Wördern

www.hannibal-verlag.de

Coverfoto: © Contrast/Gamma Liaison

Lektorat: Matthias Inhoffen

E-Book: www.buchsatz.com

Fotos: mit freundlicher Genehmigung der Putnam Publishing Group

ISBN 978-3-85445-451-9

Auch als Printversion erhältlich: ISBN 978-3-85445-165-5

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Das gilt

insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und ­die Einspeicherung

und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Autor dankt für die Genehmigung, aus den folgenden Texten zu zitieren:

„Rock Me“, Muddy Waters

© 1957, 1984, Watertoons Music (BMI) / Verwaltet von Bug Music.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

„I’m Your Hoochie Coochie Man“, Willie Dixon

© 1957, 1964, 1985, Hoochie Coochie Music (BMI) / Verwaltet von Bug Music. Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

„I’m Ready“, Willie Dixon

© 1954, 1982, Hoochie Coochie Music (BMI) / Verwaltet von Bug Music.

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

„Back Door Man“, Willie Dixon

© 1961, 1989, Hoochie Coochie Music (BMI) / Verwaltet von Bug Music.

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

„American Prayer“ (40zeiliges Gedicht) aus „The American Night“ von Jim Morrison.

Copyright © 1990 Wilderness Publications. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von ­Random House Inc.

„Snakeskin Jacket“. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Simon & Schuster aus

„The Lords And The New Creatures“ von Jim Morrison. Copyright © 1969, 1970 Jim Morrison.

„Alabama Song“, Kurt Weill und Bertolt Brecht

© 1928 (erneuert) Universal Edition

Erneuerte Rechte bei der Kurt Weill Foundation For Music und Bertolt Brecht.

Alle Rechte unter Verwaltung der WB Music Corp. (ASCAP).

Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Warner Bros. Publications U.S. Inc. Miami, FL. 33014

Auszug aus der Elektra-Biographie der Doors von James Douglas Morrison.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Doors Music Publishing c/o Wixen Music.

Widmungen

Für Fiona Matthews, Maureen und Eric Lasher, Nancy Neiman-Legette, Eric Degans, Harvey ­Kubernick, Rick Schmidlin, Danny Sugerman, Rick Valentine, Michael McClure und Todd Gray. Eure Hilfe und Eure Unterstützung waren von ­unschätzbarem Wert.

Für Dorothy, in Liebe

Inhalt

Erstes Kapitel: Jim Morrisons Tod

Zweites Kapitel: Die South Side von Chicago

Drittes Kapitel: Filmstudien

Bildstrecke 1

Viertes Kapitel: Der Strand, die Trips

Fünftes Kapitel: Die Doors nehmen Gestalt an

Sechstes Kapitel: Klinkenputzen

Siebtes Kapitel: Das Haus am Strand

Achtes Kapitel: Sunset Strip

Neuntes Kapitel: Sunset Sound Studio

Zehntes Kapitel: N.Y.C. – Im Bauch der Bestie

Elftes Kapitel: The Doors – das erste Album

Zwölftes Kapitel: San Francisco

Dreizehntes Kapitel: Wiedersehen mit der Bestie

Bildstrecke 2

Vierzehntes Kapitel: Strange Days

Fünfzehntes Kapitel: Waiting For The Sun

Sechzehntes Kapitel: Europa und The Soft Parade

Siebzehntes Kapitel: Miami

Achtzehntes Kapitel: Nachspiel

Neunzehntes Kapitel: Letzte Lebenszeichen

Epilog: Jim und ich

Diskographie

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Zitate

Take the highway to the end of the night.

Take a journey to the bright midnight

Jim Morrison

Auf gewisse Weise hatte er einen großen Sieg errungen, er war in eine Welt gelangt, in der er endlich leben konnte. Sein Leben war ein langes, ­angespanntes Drama des Widerstands und der Auflehnung gegen jede Art von Zwang gewesen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, hatte er die ­Widerstände überwunden und verschwand frei und gelöst in der Nacht.

D. H. Lawrence

Erstes Kapitel

Jim Morrisons Tod

Wir wissen nicht, was mit Jim Morrison in Paris geschah. Und ehrlich gesagt, ich glaube nicht, daß wir es jemals erfahren werden. Die Wahrheit wird verdeckt durch Gerüchte, Anspielungen, eigennützige Lügen, durch Projektionen zum Schutz ­eigener Unzulänglichkeien und Seelennöte – und durch schlichte Dummheit. Es gibt einfach zu viele widersprüchliche Theorien. Er ging ins Kino (wie Oswald). Nein, er ging nicht ins Kino, er ging in eine Bar namens Rock & Roll Circus. Offensichtlich ein verrufener französischer Schuppen, Van Goghs „Nachtcafé“ nicht unähnlich … „Es war einer dieser Orte, an denen ein Mann wahnsinnig werden oder ein Verbrechen begehen konnte.“

We could plan a murder, or start a religion.

Er ging nicht in den Rock & Roll Circus – er war mit Pam zu Hause. Nein, er wurde von drei französischen Lebemännern nach Hause gebracht. Im Koma. Er hatte Heroin genommen. (Soweit ich weiß, hat Jim niemals Heroin probiert. In den Staaten jedenfalls garantiert nicht. Pam allerdings schon. Und ihr gefiel es. Aber den meisten Leuten, die es probieren, gefällt es nun mal … ist das nicht ganz ­normal?) Nein, er war betrunken. Sie hatten ihn ins Bett gebracht. Nein, er war überhaupt nicht weggegangen, er war krank. Er war am Tag zuvor bei einem Arzt gewesen. Eine böse Erkältung. Pam wollte für die beiden abends kochen. Nein, sie gingen zum Essen aus und verbrachten dann den Rest des Abends in irgend­welchen Clubs. Nein, er ging früh ins Bett und wachte dann um Mitternacht auf, er fühlte sich nicht gut und brauchte ein Bad, um sich aufzuwärmen – was das Wasser angeht, werden sich alle einig. Das flüssige Element. Die Wasser des Unbewußten. Der Mutterleib. Eintauchen. Taufe. Reinigung. Die wunderbare letzte Ruhe in den Wassern der Mutter. Pam war nicht einmal da. Sie war weggegangen, um sich mit dem Grafen zu treffen. Man nannte ihn stets nur „den Grafen“. Er war ein Adliger. Pam umgab sich gern mit Blaublütigen. Seinen Namen konnte man nicht aussprechen. Wir konnten kein Wort Französisch. Wir waren Amerikaner. Über die Kunst, die Musik, die Literatur und die Filme wußten wir Bescheid, aber die Sprache verstanden wir nicht. Wie dieser Graf hieß, weiß ich bis heute nicht. Ich weiß, daß er Jims Rivale bei Cinnamon Pam war. Aber er ist mittlerweile auch tot. Das Heroin hat ihn auf dem Gewissen.

Nein, Pam war mit Jim im Bett. Sie wäre nicht weggegangen, wenn er sich nicht gut fühlte. Nein, er war im Bad. Er rief ihr die letzten Worte aus der Wanne zu. Sie hörte ihn durch die Tür hindurch.

(Ich sah sie ein Jahr später, in einem Restaurant in Marin an der Küste, über die Bay, auf der anderen Seite der Brücke von San Francisco. Sie war völlig am Ende. Fertig. Ich konnte sie nur in den Arm nehmen und versuchen, sie zu trösten. Es war unmöglich, die notwendige Frage zu stellen: „Was war ihm passiert?“ Sie weinte. Sie brachte nur heraus, wie sehr sie ihn liebte. Wie sehr sie ihn brauchte. Wie sehr sie ihn vermißte und wie blaß die Welt ohne ihn war. Aber dann sagte sie: „Weißt du, was seine letzten Worte waren?“ Ich dachte: „Mehr Licht“. Oder vielleicht: „Heureka“. Oder, am wahrscheinlichsten: „Eins“.

„Nein, Pam“, antwortete ich, „was hat er gesagt?“

Sie sah mich an, zerbrechlich, zerstört, Tränen liefen ihr über die Wangen … „,Pam, bist du noch da?‘“, schluchzte sie. Und dann wiederholte sie es noch ­einmal. Ganz weich, in ihrer Kleinmädchen-Stimme, wie zu sich selbst … „,Pam, bist du noch da?‘“

Ich versuchte, dieses verwirrte kleine Mädchen zu beruhigen: „Das ist wunderschön. Seine letzten Gedanken galten dir.“ Und sie begann wieder zu weinen.)

Sie schlief dann wohl wieder ein, wahrscheinlich glücklich und zufrieden. Ihr Geliebter war bei ihr. Sie war in Paris. Sie war jung und schön. Er war ein berühmter Künstler, und er würde wieder schreiben. Und sie würde seine Muse sein. Aber dann wurde sie mit einem Schlag wach. Ein oder zwei Stunden später. Allein, Jim war nicht bei ihr … voller Angst eilte sie ins Bad.

Now run to the mirror in the bathroom. Look!

Und ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich. Er war tot … und in ihrem Kopf geriet alles durcheinander. Überlastung. Gefühle außer ­Kontrolle. Worte überfluteten ihre Seele. „Allein! Nie wieder! Leer! Halt mich fest! Meine Schuld! Er wird mich nie wieder festhalten! Meine Schuld! Ich bin verloren! Und habe Angst! Oh Gott, warum?! Warum?! Jim!“

In ihrer Panik rief sie den Grafen an. (An wen hätte sie sich sonst wenden können?) Und er kam in ihre Wohnung im Marais. Aber – und das war seltsam – er brachte Marianne Faithfull mit. (Pams Rivalin?) Nein, er kam ohne sie. Marianne Faithfull sagt, sie sei nie dagewesen. Aber wer war es dann? War der Graf überhaupt da? Nein, sie hatte den Grafen nicht angerufen. Sie hatte sich an Alain Ronay gewandt, einen Kumpel von der Universität in L. A., und an Agnes Varda, eine ­befreundete Filmemacherin. Sie kümmerten sich um alles. Benachrichtigten die Polizei. Die Flics kamen um neun Uhr früh. Nein, sie kamen um fünf. Wer weiß es?

Später wurde berichtet, Jim habe ein Lächeln auf den Lippen gehabt. Diese Vorstellung gefällt mir sehr. Was auch immer mit ihm geschah – er grinste, als er den Abgang machte.

Death, old friend.

Sagt man nicht: Süß ist der Tod? Nun, er verdiente ein süßes Ende. Bei all dem Druck, der auf ihm lastete, dem Schmerz, den Prüfungen, den dunklen Nächten, denen die Seele dieses viel zu jungen Mannes ausgesetzt war, hatte er es verdient, daß er den großen Sprung tat, während das lüsterne Grinsen eines Satyrs seine jetzt so weichen und üppigen Lippen umspielte.

Nein. Er ist überhaupt nicht tot. Er hat seinen eigenen Tod inszeniert. Hatte nicht Agnes Varda Recherchen bezüglich der Geschichte eines französischen ­Aristokraten angestellt, der in den Zwanzigern seinen eigenen Tod vorgetäuscht hatte und dann in den Marquesas verschwunden war? Mit hundertfünfzig Pfund Ziegelsteinen in einem Sarg und einem gefälschten Totenschein, dann noch ein gekaufter algerischer Arzt, der vielleicht 5000 Dollar erhielt; das war 1971 eine ganz hübsche Summe. Ein oder zwei Freunde als Komplizen – französische ­Freunde, vielleicht auch aus der Filmbranche, die alles Notwendige veranlassen konnten. In Paris ist doch alles möglich!

Wie lautet also die Geschichte? Werden wir jemals die Wahrheit erfahren? Wollen wir das überhaupt? Ist die Wahrheit für uns wichtig? Und warum? Ich meine, was macht es für einen Unterschied, wie er starb, solange es nicht Mord war? Es ist doch völlig egal, wie ein Künstler diese Erde verläßt. Es geht um die KUNST … sie ist wichtig. Nichts anderes zählt, außer der Kunst. Es geht darum, was wir tun, verdammt noch mal. Jim war ein Künstler. Er will, daß man seinen Worten zuhört. Daß man die Worte tief in sich aufnimmt, bis ins Innerste vordringen läßt, an die geheimsten Orte der Seele. Dorthin, wo das verletzliche Kind lebt. Das Angst hat. Das den Schrecken spürt. Das zart ist. Und süß und zerbrechlich und sanft. Wir sitzen alle im selben Boot. In unserem Inneren sind wir alle gleich. Und wir alle haben Angst.

Aber die Kunst kann uns erlösen. Wir werden zu Schöpfern. Wir werden zu Erfindern. Und das Glücksgefühl, das Entkommen und der große Sprung aus uns selbst heraus – aus dem geschlossenen Kreis, in dem wir uns ständig bewegen –, aus dem Schneckenhaus und dem Panzer unseres Egos, hinein in ein „klareres, reineres Reich“, wie Jim einmal sagte … das ist unsere wahre Bestimmung. ­Erleuchtete Schöpfer zu werden. Zu wissen, daß alle Dinge eins sind. Das göttliche und ewige Einssein. („Tat tvam asi“ – „Du bist das“, wie man in Indien sagt.) Und es dann zu wagen, aus diesem Einssein eine Dualität herauszuarbeiten. Sich dafür zu entscheiden, etwas zu erschaffen. Die Wahl einer Existenz zu treffen. Wir alle sind Schöpfer. Und diese Existenz ist unsere Schöpfung. Sie gehört uns, und wir sind es, die für diese ganze verdammte Sache verantwortlich sind!

Das ist Kunst. Für mich ist es auch das, was dem Musikmachen zugrunde liegt. Die Noten aus dem Nichts zu ziehen. Für Jim ging es darum, Worte aus dem Äther zu holen. Sie dann phantasievoll gegeneinanderzustellen. Bilder, tiefgründig und durchdringend. Bekenntnisse. Manchmal profan, oft durchdacht. Und nie ohne Bedeutung. Meist gab es sogar mehrere Bedeutungsschichten. Ich liebte es, seinen Worten zuzuhören. Was für eine Tiefe, was für ein Spiel mit Wendungen. Ein Mann des Wortes, fürwahr.

O great creator of being, grant us one more hour

to perform our art and perfect our lives.

Das wollte ich für seinen Grabstein.

Coda queen, be my bride.

Rage in darkness by my side.

Seize the summer in your pride.

Let’s ride!

Das war für Pam.

Wild child, natural child.

Not your mother’s or your father’s child;

you’re our child, screaming wild.

Das war für Danny.

Well, she’s fashionably lean,

And she’s fashionably late.

She’ll never rank a scene,

She’ll never break a date.

But she’s no drag,

Just watch the way she walks,

She’s a twentieth-century fox.

Das war für Dorothy.

Persian night, babe.

See the light, babe.

Jesus!

Save us!

Das war für ihn.

I love the friends I have gathered together on this thin raft.

We have constructed pyramids in honor of our escaping.

Das war für John und Robby.

Lost in a Roman wilderness of pain.

And all the children are insane,

Waiting for the summer rain.

Das war für uns alle.

Seine Worte. Sie hatten stets etwas Magisches. Sie boten Zuflucht vor dem irren Geheul der Nacht. Ich wußte, daß wir Menschen waren, stark, gut und göttlich, wenn ich seine Verse las. Ich wußte, daß wir alle dem Schrecken etwas entgegen­zusetzen hatten. Seine Worte zeugten von der Macht unserer Schöpfung. Sie bewiesen, daß wir den Willen hatten, durch Kunst etwas zu erschaffen. Sie zeigten, daß wir fähig waren, uns in höhere Gefilde zu bewegen, aus dem Schlamm empor­zusteigen, bis zu dem großen goldenen Gestirn, das uns wärmt und schützt. Bis zur Sonne – dieser glühenden Scheibe, dieser Manifestation unserer Erschaffung, als wir kraft unseres Willens Leben aus Leben entstehen ließen. Diese Energie, göttlich und menschlich. Von uns, uns allen. Und Jims Worte. Für uns, für uns alle.

In that year we had an intense visitation of energy.

Jenes Jahr, in dem wir die intensive Energie derart spürten, begann im Sommer 1965 und endete am 3. Juli 1971.

***

Ich sah Jim Morrison zum letztenmal im Frühjahr 1971, im Aufnahmestudio in Los Angeles, 8512 Santa Monica Boulevard, an der Kreuzung von La Cienega und Santa Monica. Wir hatten das Büro und den Proberaum der Doors für die „L. A. Woman“-Sessions zum Studio umgebaut. Wir kannten den Sound in diesem Raum. Wir fühlten uns dort wohl. Die Vibrations waren durch jahrelanges gemeinsames Proben, Lachen, Philosophieren, Trinken und Kiffen bestens getunt. Das war ein Zuhause für uns. Und dieses Mal würden wir auch selbst produzieren.

Paul Rothchild hatte sich von dem Projekt zurückgezogen. Er hatte es sehr geschickt angefangen, uns zu motivieren. Paul war eine echte Spielernatur. „Ihr langweilt mich“, sagte er. „Wenn ihr nichts Besseres zuwege bringt, haue ich ab. Dann könnt ihr das selber machen.“ Und dann stand er mitten in einer ziemlich schlappen Probe auf und ging. Ach du liebe Zeit! Wir – selbst produzieren? Tja … warum eigentlich nicht! Klar können wir das. Das geht schon. Mit Bruce Botnick als Koproduzent. Der hat natürlich auch keine Ahnung, aber er kennt unseren Sound. Er weiß, was wir wollen. Seit unserem ersten Album ist er als Toningenieur dabeigewesen. Er hat unseren Sound mit kreiert, und jetzt ist er eben Koproduzent.

Also taten wir diesen wichtigen Sprung ins kalte Wasser gemeinsam – John, Robby, Jim, Ray und Bruce Botnick. Und wie es bei einem mutigen Schritt gewöhnlich so ist, landeten auch wir auf den Füßen. Sowohl von der Kritikerresonanz wie auch aus ästhetischer Sicht war „L. A. Woman“ ein erfolgreiches Unterfangen. Die Energie war auf unserer Seite.

Bruce rollte eine Achtspurmaschine aus dem Elektra-Studio einfach über den La Cienega Boulevard hinunter bis zu uns. Dann schleppte er Mikros, Kabel, Schalldämmung, Verstärker an … was man eben so braucht. Und ein altes Röhrenmischpult aus dem Sunset Sound, wo wir mit den ersten beiden Alben, „The Doors“ und „Strange Days“, unser erstes Lehrgeld gezahlt hatten. Kein Mensch ­benutzte noch diese Röhrenmischpulte. Sie waren total veraltet, aber Mann, sie hatten einen warmen Klang. Was hatten die für einen satten, vollen Sound! Dieses Ding sah aus, als sei es von einer Big-Band-Veranstaltung mit Gene Krupa übriggeblieben, wie das Armaturenbrett in Flash Gordons Raumschiff. Große schwarze Bakelitknöpfe. Keine Schieberegler, sondern Drehknöpfe. Da konnte ein Mann so richtig die Hände drauflegen. Sie hatten etwas Solides an sich, sie gaben ein vertrauenerweckendes, gutes Gefühl. Wie wenn man sich in einer Kontinuität mit den Künstlern vergangener Tage befindet; aufnahmetechnisch mit der Zeit gehen, aber sich einen Sinn für die Tradition bewahren. Das Ding war ganz in Silber und Schwarz gehalten und hatte beleuchtete Pegelanzeigen, deren Nadeln wir ständig ins rote Feld jagten. Wir trieben dieses Pult mit seinem betörenden Sound bis an seine Grenzen. Und es ließ uns nie im Stich.

Wir bauten die Instrumente im Untergeschoß auf, stellten zur Schallisolierung ein paar Dämmwände hin, plazierten die Mikrofone vor den Verstärkern und installierten ein Gesangsmikrofon in Jims Tonkabine, dem unteren Badezimmer. Dann verlegten wir die Kabel zur Hintertür hinaus und die Feuertreppe hoch, ­stellten das Pult und die Achtspurmaschine ins Büro, stöpselten die Kabel ein – und voilà! Ein Aufnahmestudio im Workshop der Doors. Wir hatten uns zu Hause eingerichtet und konnten loslegen.

Are you a lucky little lady in the city of light …

Or just another lost angel …

City of night.

City of night.

City of night.

City of night!!

Und wir brachten diesen kleinen Raum so richtig zum Beben. Preßten die Songs in Form. Rangen mit der Kreativität wie Jakob mit dem Engel und erhaschten die Muse. Alles lief toll, und die Ziellinie kam in Sicht. Jim hatte seine Vocals fertig. Er mußte nur noch den geflüsterten Text bei „Riders On The Storm“ singen – direkt nach diesem letzten Vers:

Riders on the storm

Riders on the storm

Into this house we’re born

Into this world we’re thrown

Like a dog without a bone

An actor out on loan

Riders on the storm

Danach setzte Jim mit geisterhafter, unheimlicher Flüsterstimme ein:

Riders on the storm

Riders on the storm

Und es war absolut unheimlich. Ich hätte damals wissen sollen, daß es ein böses Omen war. Wir beendeten die Aufnahme, und er kam in das zum Control Room umfunktionierte Büro. Wir alle fanden seinen Gesang großartig. Er war mit seiner Leistung sehr zufrieden.

„Es wirkt genau richtig“, sagte er. „Gute Idee, Ray.“

Dann meldete sich Robby zu Wort. „Wißt ihr, bei dem Song fühle ich mich, als ob ich draußen in der Wüste wäre. Ich kann am Horizont Gewitterwolken aufziehen sehen, so richtig große. Warum legen wir nicht noch Donner und vielleicht ein bißchen Regen drüber? Führen den Hörer auch dorthin …“

„Ich kann jede Menge Soundeffekte besorgen“, meinte Botnick. „Laßt mich mal sehen, was ich finde.“

Jim stand einfach da, er summte die Melodie vor sich hin … und lächelte. Die Doors waren zusammen, sie waren im Studio, sie machten Musik. So sollte es sein. Wir gaben alle unser Bestes, und die Arbeit lief gut. Wir alle wußten es, und wir lächelten in uns hinein. Genau wie Jim.

Und dann ließ er die Bombe platzen.

„Ich gehe nach Paris“, sagte er.

Schweigen. Innerlich begannen sich Räderwerke zu drehen. Zweifel, Vor­ahnungen, Ängste machten sich im Raum breit. Ein dunkles grünes Ding um­klammerte meine Wirbelsäule. Bruce und Robby standen eine Sekunde lang wie erstarrt da. John hüstelte nervös, weil er die Spannung nicht ertrug.

„Wir sind hier fast fertig“, fuhr Jim fort. „Die meisten Mixe sind im Kasten. Es klingt doch alles toll. Warum macht ihr nicht weiter und schließt das Ganze ab? Ich fahre in zwei Tagen nach Paris. Pam ist schon da, sie hat eine kleine Wohnung gefunden … sie hat schon alles organisiert. Ich fahre zu ihr rüber.“

Und das war’s. Eine einfache, kleine Bemerkung, so unschuldig dahingesagt, und das Schicksal der Band entschied sich in einem Augenblick. Aber wir wußten es nicht. Niemand wußte es. Jetzt noch nicht. Nicht inmitten dieser ungeheuren Kreativität. Dieses Gemeinschaftsgefühls. Dieser Kunst. Ich wußte nur, daß das grüne Ding einen Tentakel bis zu meinem Magen ausstreckte und ihn ein wenig zusammenzog. Hier stimmte etwas nicht.

Something’s wrong, something’s not quite right.

Jim war sonst immer da, wenn die Songs fertig abgemischt wurden. Das war der Moment, in dem das Schöpferische und die harte Arbeit verschmolzen. In dem das Feintuning stattfand. Die Lautstärke der einzelnen Instrumente, die EQ-Einstellungen, die Anordnung der Instrumente im Klangspektrum, sogar die Schnitte – alles mußte genau eingepegelt und für die Endabmischung auf nur zwei Spuren vorbereitet werden. Dieser Mix kam schließlich auf die Platte. Dieser Mix war es, den die Leute zu Hause hören würden. Unser Baby.

Es war der Moment, in dem das Baby geboren wurde. Nach monatelanger Schwangerschaft. Von der allerersten Inspiration über die Proben. Über die Augenblicke, wenn die Muse eines jeden Stücks verführt werden wollte und die wahre Natur dieses Songs nervortrat. Über die ersten Bandmitschnitte. Über nächtelange Aufnahmesessions, in denen man die Muse noch einmal beschwor, zurückzukommen, sich noch einmal mit uns zu vereinen, während die Recorder liefen (oh, sie ist launisch und verlangt völlige Unterwerfung, und man kann ihr Erscheinen nicht erzwingen oder herbeireden). Über Gesangsaufnahmen bis zu Overdubs mit Klimperklavier und Bottleneck-Gitarren.

Und Jim wollte wegfahren: bevor er das Endergebnis gehört hatte; bevor er wußte, welche Gestalt diese wochen-, diese monatelange Arbeit letztlich annehmen würde?

Ich hätte es wissen müssen. Da war etwas faul. Ich wußte nicht was, aber es paßte irgendwie nicht. Trotzdem versuchte ich, es optimistisch zu betrachten. Hauptsächlich, weil ich diese Reise tief in meinem Innern für eine gute Idee hielt.

„Paris“, sagte ich. „Das klingt echt spannend, Mann. Das ist bestimmt eine gute Stadt, um mal von allem ein bißchen Abstand zu gewinnen.“

„Ja, das glaube ich auch“, bekräftigte er.

„Wie lange … äh, wie lange willst du denn bleiben?“

„Weißt du, Ray, ich hab keine Ahnung“, entgegnete Jim, und seine Augen schienen in weite Ferne zu blicken. Ganz weit weg. Ohne voll da zu sein, sahen sie alles. Besonders die Tragödie, die Zerbrechlichkeit des Lebens.

All my life’s a torn curtain.

All my mind come tumbling down.

„Ich habe noch keine Pläne“, erklärte er. „Ich brauche eine Pause. Ein bißchen Zeit für mich. Ein paar Monate, ein halbes Jahr. Vielleicht ein Jahr. Wer weiß, Mann. Ich habe keine Ahnung.“

„Da kannst du bestimmt deine Notizen aus Miami weiter ausarbeiten“, ­stachelte ich ihn an. „Ich möchte das Buch gern lesen.“ Es sollte „Observations On America, While On Trial For Obscenity“ heißen – „Beobachtungen über Amerika von einem der Obszönität Angeklagten“.

Er lächelte. „Denen werde ich ganz schön einheizen. Jetzt bin ich mal dran.“

„Ein neuer de Tocqueville“, machte ich ihm Mut. „Wir brauchen einen für das 20. Jahrhundert.“

Er verzog den Mund zu seinem verlegenen Kleine-Jungen-Lächeln und winkte ab. „Oh Mann.“

„Hey, du kannst das. Wer sonst?“

***

Auf seltsame Weise machte seine Abreise aber auch Sinn. „L. A. Woman“ war ­fertig, unser sechstes Studioalbum in vier Jahren; „Absolutely Live“ hinzugerechnet, ergaben sich sieben LPs. Sieben, die Zahl der Stufen, die in den Himmel führen. Die Zahl der Chakras, der Energiezentren in der Yoga-Lehre, die sich vom Steißbein bis zur Oberseite des Gehirns verteilen. Es war auch die Zahl der Alben, die wir in unserem nachverhandelten Deal für Elektra abliefern mußten. Jetzt war dieser Vertrag erfüllt. Wir waren frei und offen für alles. Wir konnten wieder unterschreiben, wir konnten zu Atlantic Records gehen (Atlantic-Präsident Ahmet Ertegun hatte sich sehr um uns bemüht), wir konnten gar keinen neuen Vertrag abschließen, die Band auflösen, zusammenbleiben, Filme machen, Bücher schreiben, malen, tanzen, egal was. Wir waren frei und konnten tun, was wir wollten. Oder überhaupt nichts machen. Eine lange Pause einlegen und über Gott, die Menschen und das Leben nachdenken.

Ich hoffte, ehrlich gesagt, daß Jim die Pause nutzen würde, um sich von ­seinen Saufkumpanen zu lösen; um von den Schmarotzern loszukommen, die sich wie Kletten an ihn hängten und ihn in viel zu viele Bars, Kneipen, Gin-Höhlen und sonstwohin schleppten. Speichellecker. Blutsauger, wie John, Robby und ich sie nannten. Seine „Freunde“, wie sie später bezeichnet wurden. Und die Abende gingen natürlich immer auf Jims Kosten. Jim zahlte. Auf die eine oder andere Weise. Er bewirtete seine nichtsnutzigen Kumpels, sie zogen seine ganze Energie ab und ließen dem Dichter in ihm keinen Raum.

Er saß mit ihnen in einer Bar, und seine ganze Energie ging fürs Reden drauf. Alkohol verführt dazu. Genau wie Typen, die zu laut über deine Witze ­lachen. Elvis hatte die auch. Die Memphis-Mafia. Und Jim hatte sie. Wir nannten sie die Santa-Monica-Mafia.

Sie lachten, rissen Witze, blödelten herum und trieben allerlei Unfug, und er schrieb keine Gedichte. Er war nicht schöpferisch. Anstatt große Reden zu schwingen und frühmorgens zu Pam zurückzutorkeln, hätte er großartige neue Verse schmieden sollen. Wieviel hervorragende Lyrik ging in dieser sinnlosen Flut von besoffenem Aktionismus verloren? Wie viele großartige Gedichte fielen diesen schlechten Angewohnheiten zum Opfer, wurden verschwendet an betrunkene, gleichgültige Ohren, die ihn nur gewähren ließen, bis sie herausgefunden hatten, wie sie den nächsten Drink oder die nächste Droge von ihm schnorren konnten?

Für Pam Courson, Jims Lebensgefährtin und Seelenverwandte, waren sie ein rotes Tuch. Pam war sauer, weil Jim dauernd unterwegs war und sich mit ­seinen Freunden betrank. Ständig verschwand er mit ihnen für ein paar Tage, um dann plötzlich wieder bei ihr aufzutauchen, als sei nichts geschehen. Man könnte ihre Beziehung als „stürmisch“ bezeichnen. „Instabil, bis an den Rand des Selbstzerstörerischen“ kommt der Wahrheit allerdings noch näher.

… and our love becomes a funeral pyre.

Es war ein Versöhnungsversuch, daß er auf ihren Vorschlag hin mit ihr nach Paris ging.

Verdammt, es war eine wirklich gute Idee; zumindest schien es zu jener Zeit so. Paris war die Stadt des Lichts, seine „City Of Light“ – und eine ordentliche Dosis Helligkeit konnte er in seiner Schattenwelt gut gebrauchen. Paris war die Stadt der Künstler. Er hätte ein Prototyp der nächsten Bohemien-Generation werden können, ein Amerikaner in Paris. All die Schriftsteller, die wir bewunderten, waren nach Paris gegangen. Warum also nicht auch Jim? Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Henry Miller, Jim Morrison – das klang gut in meinen Ohren. Gute Gesellschaft.

Dann gab es da die Inspiration dieser faszinierenden Stadt. Ich wollte, daß er nach Paris ging und wieder zu schreiben begann. Daß er den Rockstar vergaß. Es war Zeit, daß Jim Morrison wieder zum Künstler wurde. Wie ganz zu Anfang. Wie im Sommer 1965, als wir jung und idealistisch waren, voller Energie und ­bereit, die ganze Welt herauszufordern. Ich wünschte mir den Typen von damals zurück. Den sensiblen, aufmerksamen, spaßigen Menschen, mit dem ich sechs Jahre zuvor am Strand von Venice Beach gesessen hatte. Denjenigen, mit dem ich die Doors gegründet hatte. Den ich für einen der besten Dichter hielt, die ich je ­gelesen hatte. (Der legendäre Beat-Poet Michael McClure hat Jim als den „besten Dichter seiner Generation“ bezeichnet.) Dieser Typ war ein Künstler. Und er war mein Freund.

„Okay, wir sehen uns, Bruder“, sagte Jim und verfiel dabei kurzzeitig in eine Art Südstaatenakzent, ein sehr charmantes Überbleibsel seiner Kindheit in Florida. Das passierte nur selten, wenn er beispielsweise unter Streß stand oder überaus glücklich war. Oder, und das kam in letzter Zeit häufiger vor, wenn eine Flasche Wild Turkey von Jim Morrison Besitz ergriff und ihn in einen Menschen verwandelte, den ich nicht kannte. Und weg war er. Verließ die Session, haute einfach ab. John, Robby und ich sahen uns wie paralysiert an. Wir konnten nur die Achseln zucken.

„Ich halte es für eine gute Idee“, bemerkte Robby.

„Ich auch“, nickte ich. „Paris zieht Schriftsteller an, das ist einfach so.“

„Vielleicht findet er die Muse wieder“, äußerte Robby voller Hoffnung.

„Aber wenn er nicht aufhört zu trinken? Dann wird er nie wieder etwas Gutes schreiben“, warf John ein, pessimistisch wie immer.

„Mach dir keine Sorgen, John“, versuchte ich seine Bedenken zu zerstreuen. „Der Dichter steckt in ihm drin, in Paris kommt er wieder heraus.“