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Kitabı oku: «Friedrich Nietzsche in seinen Werken», sayfa 8

Andreas-Salomé Lou
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Erst am Eingang zu Nietzsches letzter Philosophie wird daher völlig klar, bis zu welchem Grade es der religiöse Grundtrieb ist, der sein Wesen und Erkennen stets beherrschte. Seine verschiedenen Philosophien sind ihm ebensoviele Gott-Surrogate, die ihm helfen sollen, ein mystisches Gott-Ideal ausser seiner selbst entbehren zu können. Seine letzten Lehren enthalten nun das Eingeständniss, dass er dies nicht vermag. Und gerade deshalb stossen wir in seinen letzten Werken wieder auf eine so leidenschaftliche Bekämpfung der Religion, des Gottesglaubens und des Erlösungsbedürfnisses, weil er sich ihnen so gefährlich nähert. Hier spricht aus ihm ein Hass der Angst und der Liebe, mit dem er sich seine eigene Gottesstärke einreden, seine menschliche Hilflosigkeit ausreden möchte. Denn wir werden sehen, kraft welcher Selbsttäuschung und geheimen List Nietzsche endlich den tragischen Conflict seines Lebens löst, – den Conflict, des Gottes zu bedürfen und dennoch den Gott leugnen zu müssen. Zuerst gestaltet er mit sehnsuchtstrunkener Phantasie, in Träumen und Verzückungen, visionengleich, das mystische Uebermenschen-Ideal, und dann, um sich vor sich selbst zu retten, sucht er, mit einem ungeheuren Sprung, sich mit demselben zu identificiren. So wird er zuletzt zu einer Doppelgestalt, halb kranker, leidender Mensch, halb erlöster, lachender Uebermensch. Das Eine ist er als Geschöpf, das Andere als Schöpfer, das Eine als Wirklichkeit, das Andere als mystisch gedachte Ueberwirklichkeit. Oft aber, während man seinen Reden darüber zuhört, empfindet man mit Grauen, dass er als Gegenstand der Anbetung hinstellt, was in Wahrheit auch für ihn nicht vorhanden ist, und man gedenkt seines Wortes… wer weiss, ob sich nicht bisher in allen grossen Fällen eben das Gleiche begab: dass die Menge einen Gott anbetete, – und dass der »Gott« nur ein armes Opferthier war!« (Jenseits von Gut und Böse 269.)

»Das Opferthier als Gott« ist wahrlich ein Titel, der über der letzten Philosophie Nietzsches stehen könnte und am deutlichsten den inneren Widerspruch enthüllt, der in ihr liegt, – jene Exaltation von Schmerz und Wonne, in der beide ununterscheidbar in einander fliessen. Wir haben vorher gesehen, inwiefern es eine Feststimmung war, in der Nietzsche in seine letzte Geisteswandlung hinüberglitt, – eine Feierstimmung träumenden Rausches und Ueberflusses: wir sehen jetzt den Punkt, an welchem die Gewalt der inneren Erregung in den Schmerz überschlägt. Er war in jener ganzen Zeit, selbst in seinem Alltagsleben, erfüllt von einer Stimmung äusserster seelischer Ueberwältigung, in der man sogar der Ausgelassenheit fähig ist, aber nur weil alle Nerven beben, in der man leicht bis zum Scherzen und Lachen gelangt, aber nur mit zitternden Lippen. Bedurfte es doch jedesmal für Nietzsche einer solchen Verschlingung von Wonne und Weh, von Begeisterung und Leiden, um ihn einer geistigen Wiedergeburt entgegenzuführen. Sein Glück musste erst zum »Ueberglück«, und in diesem Uebermass zum eigenen Gegner und Gegensatz geworden sein; Frieden und Heimatgefühl, wo er sie einmal innerhalb eines gewonnenen Erkenntnissgebietes mühsam errungen hatte, mussten ihn erst zu Selbstverwundung und Selbstvertreibung gereizt haben, damit sein Geist in sich selber schwelgen und sich in neuen Schöpfungen entlasten konnte.

Es ist dafür bezeichnend, dass er sein Werk, im Jauchzen seines Herzens, die frohe Botschaft, »Die fröhliche Wissenschaft« nannte, zugleich aber über den Schluss-Aphorismus desselben die düsteren Räthselworte setzte: »Incipit tragoedia!«

Dieser Verbindung von tiefer Erschütterung und spielendem Uebermuth, von Tragik und Heiterkeit, welche für die ganze Gruppe der letzten Werke charakteristisch ist, entspricht es auch, dass die »Fröhliche Wissenschaft«, im schärfsten Gegensatz zu dem dunkeln Geheimniss der Schlussworte, ein »Vorspiel« in Versen besitzt: »Scherz, List und Rache.« Hier begegnen uns zum ersten Mal Verse in Nietzsches Schriften, – sie mehren sich aber in dem Maasse, als er seinem persönlichen Untergang zuzuschreiten glaubt. In Gesängen klingt sein Geist aus. Die Verse sind überraschend verschieden an Werth, zum Theil vollendet: Gedanken, die an ihrer eigenen Schönheit und Fülle sich zu Gedichten wandelten; – zum Theil von einer so wunderlichen Unvollkommenheit, wie sie nur die Laune des Muthwillens vom Zaune bricht. Ueber ihnen allen aber ruht etwas seltsam Ergreifendes: Sind es doch Blumen, die sich ein Einsamer auf den Leidensweg streut, der seiner harrt, um den Schein zu erwecken, dass es ein Freudenweg sei. Frisch gebrochenen Rosen gleichen sie, auf die sein Fuss treten will, während er schon beschäftigt ist, in seinen leidvollsten Erkenntnissen seinem Haupte die Dornenkrone zu flechten.

Sie klingen wie ein Präludium zu dem erschütternden Schauspiel seiner höchsten Erhebung und seines Unterganges. Von diesem Schauspiel hebt auch die Philosophie Nietzsches den Vorhang nicht ganz. Was sie uns zeigt, ist nur, gleich einem Bilde auf diesem Vorhang, ein buntes Blumengewinde, aus dem, halb versteckt, die Worte gross und traurig hervorleuchten:

»Incipit tragoedia!«

III. ABSCHNITT.
DAS "SYSTEM NIETZSCHE"

 
MOTTO:
»Schaffen wollt ihr noch die Welt,
vor der ihr knien könnt.«
(Also sprach Zarathustra II. 47).
 

Geist? Was ist mir Geist! Was ist mir Erkenntniss! Ich schätze nichts als Antriebe, – und ich möchte schwören, dass wir darin unser Gemeinsames haben. Sehen Sie doch durch diese Phase hindurch, in der ich seit einigen Jahren gelebt habe, – sehen Sie dahinter! Lassen Sie sich nicht über mich täuschen – glauben doch nicht, dass »der Freigeist« mein Ideal ist!! Ich bin… Verzeihung! Liebste Lou!

F. N.

In dieser geheimnissvollen Weise bricht der vorstehende Brief Nietzsches ab, den er in der Zeit zwischen der Veröffentlichung der »Fröhlichen Wissenschaft« und derjenigen seiner mystischen Dichtung »Also sprach Zarathustra« geschrieben hat. In den wenigen Zeilen sind bereits die wesentlichsten Züge der letzten Philosophie Nietzsches angedeutet: auf dem Gebiet der Logik die principielle Abkehr von dem bisherigen reinlogischen Erkenntnissideal, von der theoretischen Strenge der verstandesmassigen »Freigeisterei«; auf dem Gebiet der Ethik, anstatt der bisherigen negirenden Kritik, die Verlegung der Wahrheitsbegründung in die Welt der seelischen Antriebe, als der Quelle einer neuen Werthung und Abschätzung aller Dinge; ferner eine Art von Rückkehr zu Nietzsches erster philosophischer Entwicklungsphase, die vor seinem positivistischen Freigeisterthum liegt, – nämlich zur Metaphysik der Wagner-Schopenhauerischen Aesthetik und ihrer Lehre vom übermenschlichen Genie. Und hierauf endlich gründet sich, als auf den Kempunkt der neuen Zukunftsphilosophie, das Mysterium einer ungeheuren Selbst-Apotheose, das er in dem zögernden Wort »Ich bin« – sich noch scheut auszusprechen.

Nietzsches letzte Geistesperiode umfasst fünf Werke: Die vierbändige Dichtung »Also sprach Zarathustra« (I und II 1883; III 1884, Chemnitz, Ernst Schmeitzner; IV 1891, Leipzig, C. G. Naumann); Jenseits von Gut und Böse, Vorspiel einer Philosophie der Zukunft (1886, Leipzig, C. G. Naumann; 2. Auflage 1891); Zur Genealogie der Moral, eine Streitschrift (1887, Leipzig, C. G. Naumann); Der Fall Wagner, ein Musikanten-Problem (1888, Leipzig, C. G. Naumann); endlich die kleine Aphorismen-Sammlung Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt (1889, Leipzig, C. G. Naumann). Wir können hier aber nicht dem Gange seines philosophischen Denkens Schritt für Schritt an der Hand jener Werke folgen, da sie nicht, wie die der vorhergehenden Periode, ebensoviele Entwicklungsstufen seines Gedankens darstellen, sondern zum ersten Mal alle dazu bestimmt sind, der Darlegung eines Systems zu dienen, wenn auch nur eines Systems, das mehr auf ihrer Gesammtstimmung als auf der klaren Einheitlichkeit begrifflicher Deduction beruht. Der aphoristische Charakter, den seine Bücher auch hier bewahren, erscheint daher in diesem Fall als ein unleugbarer Mangel der Form seiner Darstellung, nicht, wie bisher, als ein eigenthümlicher Vorzug derselben. Was Nietzsche durch seine vollendete Meisterschaft in der aphoristischen Form gelang: einen jeden Gedanken in seiner seelischen Bedeutsamkeit voll auszuschöpfen und mit allen seinen feinen inneren Nebenbeziehungen wiederzugeben, das reicht nicht aus für die systematische Begründung eigener Theorien, sondern löst sie hier und da in ein geistreiches Spiel mit blendenden Hypothesen auf. Nietzsche wurde sowohl durch sein Augenleiden als auch durch seine Gewöhnung an sprunghaftes Denken dazu gezwungen, im Allgemeinen an seiner alten Schreibweise festzuhalten, aber immer wieder macht er, – sowohl in Jenseits von Gut und Böse, als auch in der Genealogie der Moral, – den Versuch, über das Rein – Aphoristische hinauszukommen, seine Gedanken systematisch zu ordnen und vorzutragen, weil das, was ihm vorschwebt, ein einheitliches Ganzes geworden ist.

Daher finden wir auch hier zum ersten Mal bei ihm eine Art von Erkenntnisstheorie, einen Ansatz dazu, sich mit den erkenntnisstheoretischen Problemen auseinanderzusetzen, nachdem er ihnen bisher immer aus dem Wege gegangen war, wie er überhaupt gern jedes Problem mied, dem sich nur auf rein begrifflichem Wege beikommen lässt. Jetzt erst bleibt er nicht mehr ohne Weiteres bei der praktischen Philosophie stehen, sondern hält es für nothwendig, auf die Mittel hinzuweisen, mit denen er sich das erkenntnisstheoretische Pförtchen aufgebrochen habe, durch das er zu seinen Hypothesen gelangt. Ziemlich ausführliche Bemerkungen darüber finden sich an den verschiedensten Stellen seiner Werke zerstreut. Es erscheint aber höchst charakteristisch, dass sie sich erst jetzt finden, wo er der Welt des Abstrakt-Logischen principielle Feindschaft erklärt und fest entschlossen ist, alle schwierigen Begriffsknoten, auf die er stossen könnte, mit einem Schwerthieb zu zerhauen: er befasst sich mit der Erkenntnisstheorie eben nur, um sie über den Haufen zu werfen.

Zur Zeit seines Wagnerthums war Nietzsche als Jünger Schopenhauers diesem seinem Meister in der bekannten Interpretirung und Modificirung Kants gefolgt, laut welcher die Fragen nach den höchsten und letzten Dingen ihre Beantwortung finden, zwar nicht durch den Verstand, sondern durch die höchsten Eingebungen und Erleuchtungen des Willenslebens. Später stimmte Nietzsche, unter heftigem Protest gegen diese Annahme der Schopenhauerischen Metaphysik, der strengen Selbstbescheidung der Erfahrungswissenschaft zu, welche sich mit dem Verstandeserkennen auf den ihm zugänglichen Gebieten begnügt. Aber Nietzsche hielt diese Zustimmung nur so lange aufrecht, als er mit Hilfe eines fanatischen Intellektualismus sich aus dem bescheidenen Verstandeserkennen ein ihn begeisterndes Wahrheitsideal zu schaffen vermochte, dem sich sein Wille und Seelenleben blind unterwarf. Sobald sein Fanatismus sich erschöpft hatte, sobald seine Begeisterung die intellektuellen Ziele und Werthe nicht mehr in so über-schwänglich-idealer Beleuchtung sah, wurde er derselben überhaupt überdrüssig und verlangte nach neuen Idealen. In diesem Verlangen ging ihm nun innerhalb des Positivismus eine Einsicht auf, die er bisher nicht beachtet hatte: nämlich die Einsicht in die Relativität alles Denkens, die Zurückführung alles Verstandeserkennens auf die rein praktische Grundlage des menschlichen Trieblebens, dem es entstammt und von dem es dauernd abhängig ist.

Diesem Wege, der ihm von seinen eigenen philosophischen Genossen vorgezeichnet war, brauchte er nur mit gewohnter Exaltation zu folgen, um schliesslich zu seiner ursprünglichen Schätzung der Affekte zürückzugelangen. Denn was für die Andern nur eine natürliche Consequenz war, welche die moderne Erkenntnisstheorie zieht, und welche die Methode und die Resultate der Erfahrungswissenschaft als solche gar nicht berührt, daraus entnahm Nietzsche den Anstoss zu einem völligen Gesinnungswechsel. Mit derselben äussersten Uebertreibung und demselben Fanatismus, mit denen er das streng begriffliche Denken als höchstes Wahrheitsideal angebetet hatte, verhöhnt er es jetzt als etwas Geringes und Niedriges gegenüber den Trieben, die es in Wahrheit regieren.

Was sich inzwischen verändert hat, ist zwar nur seine Stimmung, nur seine Gefühlsauffassung der Sachlage, aber eben dies besagt für Nietzsche Alles: es veisst ihn allmählich fort zu immer weitergehenden Folgerungen und wird so schliesslich zum Ausgangspunkt für eine neue Weltanschauung.

Dieser Verlauf ist typisch für die Entstehung aller Grundgedanken in Nietzsches »Zukunftsphifosophie-«; ihm werden wir in seiner Erkenntnisstheorie wie in seiner Morallehre, in seiner Äesthetik wie in seiner letzten Mystik wieder begegnen und stets dieselben drei Entwicklungsstufen daran wahrnehmen: zuerst das Anknüpfen an einzelne letzte Consequenzen der modernen Erfahrungswissenschaft, dann ein Umschlagen seiner Gemüthsstimmung in der Auffassung solcher Ergebnisse, ihre Zuspitzung und Uebertreibung bis aufs Aeusserste, und endlich, daraus fliessend, seine eigenen, neuen Theorien.

Hinsichtlich dieser sind aber zwei Seiten zu unterscheiden, einestheils ihr thatsächlicher philosophischer Gehalt, anderntheils Nietzsches rein seelische Wieder-Spiegelung in ihnen, indem er sich in seinen Gedanken den Ausdruck für sein tiefstes Wesen schafft. Diese Selbstwiederspiegelung führt uns zu dem Bilde Nietzsches zurück, wie es im ersten Theile dieser Arbeit entworfen ist. Der Gedankengehalt aber der neuen Lehre erweist sich als eine kunstvolle Verbindung der beiden philosophischen Phasen in Nietzsches Geistesentwicklung, – als ein Muster von zwei verschiedenen mit genialer Hand ineinandergeflochtenen Geweben: der Schopenhauerischen Willenslehre und der Entwicklungslehre der Positivistem

Für Nietzsches Erkenntnisstheorie, mit ihrer Bekämpfung der Bedeutung des Logischen und ihrer Zurückführung desselben auf das schlechthin Unlogische, kommt am meisten in Betracht sein Buch »Jenseits von Gut und Böse«, das in einzelnen Abschnitten ebensogut heissen könnte: »Jenseits von Wahr und Falsch«. Denn hier erörtert er am ausführlichsten die Unberechtigung der Werthgegensätze »wahr und unwahr«, die mit der Einsicht in ihren Ursprung nicht minder hinfällig werden, wie die Werthgegensätze »gut und böse«. »Das Problem vom Werthe der Wahrheit trat vor uns hin… Was in uns will eigentlich »»zur Wahrheit««?.. Gesetzt, wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit?..« (1.) »Ja, was zwingt uns überhaupt zur Annahme, dass es einen wesenhaften Gegensatz von »wahr« und »falsch« giebt? Genügt es nicht, Stufen der Scheinbark eit anzunehmen…?« (34.) »In welcher seltsamen Vereinfachung und Fälschung lebt der Mensch!.. erst auf diesem nunmehr festen und granitnen Grunde von Unwissenheit durfte sich – die Wissenschaft erheben, der Wille zum Wissen auf dem Grunde eines viel gewaltigeren Willens, des Willens zum Nicht-wissen, zum Ungewissen, zum Unwahren! Nicht als sein Gegensatz, sondern – als seine Verfeinerung«! (24.) Das »Bewusstsein« ist nicht »in irgend einem entscheidenden Sinne dem Instinktiven entgegengesetzt, – das meiste bewusste Denken eines Philosophen ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen gezwungen.« (3.) Alle Logik ist letzten Endes nichts anderes als eine blosse »Zeichen-Convention« (Götzen-Dämmerung III 3), alles Denken eine Art von »Zeichensprache der Affekte«, da »wir zu keiner anderen »Realität« hinab oder hinauf können als gerade zur Realität unserer Triebe – denn Denken ist nur ein Verhalten dieser Triebe zu einander.« (Jenseits von Gut und Böse 36). Und daraus folgt denn schon: »… je mehr Affekte wir über eine Sache zu Worte kommen lassen, je mehr Augen, verschiedne Augen wir uns für dieselbe Sache einzusetzen wissen, um so vollständiger wird unser »Begriff« dieser Sache, unsre »Objektivität« sein. Den Willen aber überhaupt eliminiren, die Affekte sammt und sonders aushängen, gesetzt, dass wir dies vermöchten: wie? hiesse das nicht den Intellekt castriren?.. (Zur Genealogie der Moral III 12).

Hier ist der Punkt, an welchem Nietzsches Auffassung plötzlich von seiner ehemaligen abweicht und ihn zu der entgegengesetzten führt. Hat er früher davor gewarnt, irgend einem Affekt zu trauen, weil derselbe doch nur das »Enkelkind« alter vergessener und wahrscheinlich irrthümlicher Urtheilsschlüsse sei, so beruft er sich jetzt auf die uralte Gefühlsgrundlage, der alle Urtheilsschlüsse entstammen, und degradirt diese so zu unselbständigen, abhängigen »Enkelkindern« des Gefühls. Für beide Auffassungen findet er die gesuchte Begründung noch in der positivistischen Weltanschauung, aber was dort friedlich neben einander besteht, – die Relativität des Denkens und diejenige des Affektlebens… das trennt sich für ihn in zwei unversöhnliche Gegensätze: auf der einen Seite steht der bis auf die Spitze getriebene Intellektualismus, dem er sich bis dahin hingegeben, und durch den er alles Leben dem Denken, alles Gemüth dem Verstände unterthan machen wollte, – auf der anderen Seite eine ebenfalls auf das Höchste gesteigerte Gefühlsexaltation, die sich für ihre lange Unterdrückung rächt und in ihrem Lebensüberschwang sich nur genug thun kann in einem fanatischen: »fiat vita, pereat veritas!«

Darum heisst es weiter: »Die Falschheit eines Urtheils ist uns noch kein Einwand gegen ein Urtheil;… Die Frage ist, wie weit es lebenfördernd, lebenerhaltend … ist;… Verzichtleisten auf falsche Urtheile (wäre) ein Verzichtleisten auf Leben, eine Verneinung des Lebens.« (Jenseits von Gut und Böse 4.) »Bei allem Werthe, der dem Wahren, dem Wahrhaftigen… zukommen mag: es wäre möglich, dass dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Werth zugeschrieben werden müsste. Es wäre sogar noch möglich, dass, was den Werth jener guten und verehrten Dinge ausmacht, gerade darin bestünde, mit jenen schlimmen, scheinbar entgegengesetzten Dingen auf verfängliche Weise verwandt, verknüpft, verhäkelt, vielleicht gar wesensgleich zu sein.« (Jenseits von Gut und Böse 2.) »… wir sind von Grund aus, von Alters her – ans Lügen gewöhnt. Oder, um es tugendhafter und heuchlerischer, kurz angenehmer auszudrücken: man ist viel mehr Künstler als man weiss.« (Ebendaselbst 192.) Und das Lebenerhaltendere der Lüge ist es, das den Künstler hoch über den wissenschaftlichen Menschen und dessen Wahrheitsforschung stellt. » – die Kunst, in der gerade die Lüge sich heiligt, der Wille zur Täuschung das gute Gewissen zur Seite hat,« (Zur Genealogie der Moral III 25), ist es auch, um derentwillen jetzt plötzlich wieder die ehemals so geschmähten Metaphysiker weit vornehmer und schätzenswerther erscheinen, als die »Wirklichkeits-Philosophaster«, mit ihrer Genügsamkeit und »Lappenhaftigkeit«. (Jenseits von Gut und Böse 10.)

An dieser erneuten Verherrlichung des Künstlerthums und selbst der Metaphysik erkennt man, wie weit Nietzsche schon zu einem neuen, entgegengesetzten Typus des Erkennenden durchgedrungen ist, und wie weit er sich bereits von den positivistischen »Wirklichkeits-Philosophastern« entfernt hat. Denn was diese als eine unvermeidliche Zugabe zum erkennenden Denken betrachten und im Erkenntnissakt nach Möglichkeit zu reduciren suchen: die Abhängig-keitdes Denkens vom menschlichen Triebleben, – das gerade bedarf, nach Nietzsche der höchstmöglichen Steigerung. Die Einsicht in die Relativität alles Denkens, in die engen Grenzen, die der Wahrheitserkenntniss gezogen sind, dien! ihm ausschliesslich zur Proklamirung einer neuen Grenzenlosigkeit des Erkennens, die demselben den absoluten Charakter wiedergeben soll. Weil Nietzsche der absoluten Ideale bedurfte, um sie anbeten und an ihnen seine Hingebung ausleben zu können, suchte er, sobald sein logisches Wahrheitsideal allzu bescheiden zusammenschrumpfte, Abhilfe in dessen Gegensatz, im Maasslosen des gesteigerten Affektlebens. Ist er vorher davon ausgegangen, das Wahrheitsstreben von einer letzten Illusion zu befreien, indem er es als relativ auffasste, so öffnet er sich nun einen neuen Zugang zu neuen Illusionen: durch Verlegung des Erkenntnissgebietes in das der Gefühlserregungen und Willenseingebungen. Damit sind alle zurückhaltenden, einschränkenden Dämme niedergerissen und rückhaltlos darf das Affektleben darüber hinfluthen. Nirgends Gewissheit oder überall Gewissheit, das kommt hier beinahe auf dasselbe hinaus; wo der Gedanke alle selbständigen Erkenntnissrechte eingebüsst hat, da schweift er, als Spielzeug und Werkzeug der ihn regierenden verborgenen Triebe bis in die fernsten Fernen, bis in die tiefsten Tiefen. Ist Nietzsche ursprünglich aus dem geheimnissvoll schimmernden Zaubergarten der Metaphysik in die nüchterne Verstandeswelt empirischer Forschung eingetreten, so verliert er sich jetzt in den Irrgarten einer Wildniss, die, ungelichtet und undurchdringlich, diese Verstandeswelt umgiebt. Gerade der Umstand, dass in ihr noch keine Wege gebahnt sind, dem Denken noch keine Richtung gewiesen ist, – dass Alles in ihr noch herrenlos und gesetzlos ist, und der Willensmachtspruch Raum hat für jegliches Schaffen, – gerade dies Abenteuerlich-Gefährliche ist ihm Bürgschaft für den richtigen Weg, denn es erscheint als die Richtung mitten ins Innere des Lebens, mitten in seine Urkräfte hinein. »Räthsel-Trunkene, Zwielicht-Frohe« nennt daher Zarathustra seine Jünger, »deren Seele mit Flöten zu jedem Irr-Schlunde gelockt wird: – denn nicht wollt ihr mit feiger Hand einem Faden nachtasten; und, wo ihr errathen könnt, da hasst ihr es, zu erschliessen.« (Also sprach Zarathustra III 6 f.) »Auch im Erkennen fühle ich nur meines Willens Zunge und Werde-Lust (Ebendaselbst II 8); »Werk- und Spielzeuge sind Sinn und Geist!« (Ebendaselbst I 43), denn das Leben spricht: »Auch du, Erkennender, bist nur ein Pfad und Fusstapfen meines Willens: wahrlich, mein Wille zur Macht wandelt auch auf den Füssen deines Willens zur Wahrheit!« (Ebendaselbst II 50)

Nietzsche, der so lange Zeit hindurch, zur Beschwichtigung und Zügelung seyier tieferregten Innerlichkeit und ihres Affektlebens, eine kalte und nüchterne Denkweise benutzt hatte, erfuhr nun an sich selber, was er früher einmal vorahnend und warnend, in »Menschliches, Allzumenschliches (II 275), geschildert: »Hat man seinen Geist verwendet, um über die Maasslosigkeit der Affekte Herr zu werden, so geschieht es vielleicht mit dem leidigen Erfolge, dass man die Maasslosigkeit auf den Geist überträgt und fürderhin im Denken und Erkennenwollen ausschweift.27 In einem solchen Verlangen wild auszuschweifen, schafft er sich einen neuen Wahlspruch:»Nichts ist wahr, Alles ist erlaubt!« (Zur Genealogie der Moral III. 24.) und preist den Werth der Täuschung, der willkürlichen Fiktion, des Unlogischen und »Unwahren«, als der im Grunde lebenfördernden, willensteigernden Mächte. In der Vorstellung, dass ja in dem gesammten Weltbilde, so wie wir es um uns aufgebaut haben, wir selbst als die Schöpfer mit unserer psychischen Eigenart drinstecken, und dass unser Erkennen letzten Endes doch nichts ist als eine »Anmenschlichung der Dinge«, schwelgt er so lange, bis das Weltganze sich ihm zu einem Traumbilde verflüchtigt, das sich der Einzelne willkürlich ersonnen hat. »Warum dürfte die Welt, die uns etwas angeht – , nicht eine Fiktion sein?« fragt er sich (Jenseits von Gut und Böse 34), mit dem Hintergedanken: und also durch einen Gewaltakt umzuschaffen sein?

Hierauf bezieht sich ein kurzes interessantes Kapitel in der »Götzen-Dämmerung« (IV), dessen Absicht aber nur im Zusammenhang mit den übrigen zerstreuten Bemerkungen Nietzsches über diesen Gegenstand ganz verständlich wird. Es ist überschrieben: »Wie die »wahre Welt« endlich zur Fabel wurde. Geschichte eines Irrthums.« und enthält eine Skizzirung des philosophischen Entwicklungsganges von den Alten bis zu uns. Die alte Philosophie fasste schon, wenn auch erst in naiver Weise, den Erkennenden und sein Weltbild, die Person und die Wahrheit, als identisch; sie gipfelte in der Umschreibung des Satzes: »ich, Plato, bin die Wahrheit.« »Die wahre Welt«, im Gegensatz zur unwahren, scheinbaren, in der die Unweisen leben, ist, »erreichbar für den Weisen, – lebt in ihr, er ist sie.« Im Christenthum trennt sich die Idee der »wahren Welt« fortschreitend von der Persönlichkeit, indem sie sich entmenschlicht und sublimirt, als Zukunftsverheissung, als Versprechen über den Menschen auffliegt. Endlich, durch eine Reihe von metaphysischen Systemen hindurch, verblasst sie bei Kant zu einem blossen Schatten, »unerreichbar, unbeweisbar, unversprechbar,« – bis sie sich, mit der endgiltigen Abkehr von aller Metaphysik, völlig zu Nichts verflüchtigt: »Grauer Morgen. Erstes Gähnen der Vernunft. Hahnenschrei des Positivismus.« Damit steigt die bisher, als scheinbar und unwahr gescholtene Welt im Preise, weil sie die einzig übrigbleibende ist: »Heller Tag; Frühstück; Rückkehr des bon sens und der Heiterkeit; Schamröthe Plato's; Teufelslärm aller freien Geister.« Aber mit der Einsicht in die Entstehung der Fabel von der »wahren Welt« haben wir zugleich die Entstehungsweise des Weltbildes unserer Erkenntniss überhaupt eingesehen. Jetzt, wo der Glaube an eine mystische »wahre« Welt hinter der scheinbaren, durch Täuschung und Irrthum entstandenen, uns nicht mehr tröstet, was bleibt uns noch übrig? »Mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft,« die ja nur als deren Gegensatz möglich war. Wieder ist der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen als auf den Selbstschöpfer aller Dinge. Wieder ist die alte Fassung: »Ich, Plato, bin die Welt,« möglich geworden und steht als letzte Weisheit am Anfang aller Philosophie, nun aber nicht mehr in der naiven, noch ungebrochenen Identificirung von Person und Wahrheit, von Subjekt und Objekt, sondern als klar bewusste und gewollte Schöpferthat Dessen, der sich selbst als den Weltenträger erkannt hat. »Ich, Nietzsche-Zarathustra, bin die Welt, sie ist, weil ich bin, sie ist, wie ich will.« Dieses Ergebniss wird nur angedeutet in den geheimnissvollen Schlussworten: »Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrthums. Höhepunkt der Menschheit; Incipit Zarathustra.«

Hier lässt es sich schon deutlich verfolgen, wie sich neue und ins Mystische überschlagende Gedanken Nietzsches mit Elementen mischen und verknüpfen, die er noch der modernen Erkenntnisstheorie entnimmt. Und damit ist bereits der Punkt erreicht, von dem aus sich seine neue Lehre aufbaut, und bei dem es sich nicht mehr um eine blosse Gefühlsübertreibung gewisser allgemeingiltiger Einsichten handelt. Denn aus der Thatsache der Begrenztheit und Relativität alles menschlichen Erkennens, und aus der der Priorität des menschlichen Trieblebens gegenüber demselben formt sich ihm unvermerkt der neue Typus des Philosophen: das überlebensgrosse Bild eines Einzelnen, dessen Gewaltwille über wahr und unahr entscheidet, und in dessen Hand das Verstandeserkennen der Menschen ein blosses Spielzeug ist. Man könnte sagen: dasjenige, was den Geist zu strenger Selbstbescheidung zwingt, was ihn von allen Seiten bedingt und beeinflusst, das personificirt sich Nietzsche unter dem Bilde einer zügellosen Allmacht, die er auf einen übermenschlichen Einzelnen überträgt. Ja, in ihm sollen alle Triebe und Kräfte alles Menschenthums dermaassen entfesselt und gesteigert gedacht werden, dass die Quintessenz des Lebens, der Kraft-Extract des Ganzen, in ihm gleichsam Person geworden ist, sodass er auch die Erkenntnissnormen umzuprägen und zu verrücken im Stande wäre. Doch geschieht dies nicht in einem Act der Contemplation, sondern in einer schöpferischen That, als Handlung und Befehl, der an die Welt ergeht. » – Die eigentlichen Philosophen aber sind Befehlende und Gesetzgeber: sie sagen »so soll es sein!« sie bestimmen erst das Wohin? und Wozu? des Menschen… ... sie greifen mit schöpferischer Hand nach der Zukunft… Ihr »Erkennen« ist Schaffen, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, ihr Wille zur Wahrheit ist – Wille zur Macht.« (Jenseits von Gut und Böse 211.) Ihre Philosophie »schafft immer die Welt nach ihrem Bilde, sie kann nicht anders; Philosophie ist dieser tyrannische Trieb selbst, der geistigste Wille zur Macht, zur »Schaffung der Welt«, zur causa prima« (Ebendaselbst 9). Die »cäsarischen Züchter und Gewaltmenschen der Cultur« (Ebendaselbst 207) sind es, mit deren Erläuterung und Beschreibung sich Nietzsches ganze Zukunftsphilosophie beschäftigt, ja, in deren Bilde ihr gesammter Inhalt besteht. In seiner Erkenntnisstheorie wird ihnen nur der Boden bereitet, in seiner Ethik und Aesthetik wachsen sie aus diesem Boden immer höher hinauf in eine religiöse Mystik, in der Gott, Welt und Mensch zu einem einzigen ungeheuren Ueberwesen verschmelzen.

Es ist leicht zu sehen, inwiefern sich Nietzsche mit dem Bilde dieses Schöpfer-Philosophen seinen ehemaligen metaphysischen Anschauungen nähert, wie er aber dieselben zugleich durch seine späteren wissenschaftlichen Theorien zu modificiren sucht. Die »idealen« Wahrheiten der Metaphysik mit ihren erhebenden und tröstenden Deutungen des Welträthsels nimmt er nicht wieder auf, aber indem er überhaupt mit der Möglichkeit einer »Wahrheit« aufräumt, indem er die Skepsis in das Gebiet des Erkennens hineinträgt und sich auf den Standpunkt »Alles ist unwahr« stellt, schafft er sich Raum, um einen Ersatz für jene verlorenen idealen Wahrheiten und Trostgründe herzustellen. Durch einen Machtspruch, durch einen Willensakt wird in die Dinge die Bedeutung hineingelegt, die sie an sich selbst nicht haben; aus dem Wahrheits-Entdecker, als welcher der Philosoph bisher galt, ist er gewissermassen zum Wahrheits-Erfinder geworden, zu einem »Überreichen des Willens« (Jenseits von Gut und Böse 212), der zwar Unwahrheiten und Täuschungen ausspricht, aber dessen schöpferischer Wille sie wahr, d. h. zu überzeugenden Wirklichkeiten, zu machen weiss. »Wer seinen Willen nicht in die Dinge zu legen weiss, der legt wenigstens einen Sinn noch hinein« (Götzen-Dämmerung, Sprüche und Pfeile 18). Damit kehrt er sich gegen die Metaphysiker, aber wie sie nimmt er sich das Recht zu einer Umdeutung und Umschaffung der Dinge auf Grund der über die blosse Verstandeskraft hinausgehenden Eingebungen des Gemüths.

27.Vergl. hierzu die folgenden Aeusserungen Nietzsches in den Werken seiner vorhergehenden Periode:
  »Zwischen den sorgsam erschlossenen Wahrheiten und solchen »geahnten« Dingen bleibt unüberbrückbar die Kluft, dass jene dem Intellekt, diese dem Bedürfniss verdankt werden… man hat nur den inneren Wunsch, dass es so sein möge, – also dass das Beseligende auch das Wahre sei. Dieser Wunsch verleitet uns, schlechte Gründe als gute einzukaufen« (Menschliches, Allzumenschliches I 131). Sich davon verleiten lassen oder nicht, – das bestimmte damals für ihn geradezu die Rangordnung der Menschen. »Was ist mir … Feinheit und Genie, wenn der Mensch … schlaffe Gefühle im Glauben und Urtheilen bei sich duldet, wenn das Verlangen nach Gewissheit ihm nicht als die innerste Begierde und tiefste Noth gilt, – als Das, was die höheren Menschen von den niederen scheidet!« (Die Fröhliche Wissenschaft 2). Und in der Morgenröthe (497) rühmt er noch als Kennzeichen der wahren Grösse des Denkers, im Gegensatz zu der temperamentvollen Genialität, »das reine, reinmachende Auge, das nicht aus ihrem Temperament und Charakter gewachsen scheint,« sondern unbeeinflusst von diesen die Dinge widerspiegelt. »Hätte es nicht allezeit eine Ueberzahl von Menschen gegeben, welche die Zucht ihres Kopfes – ihre »Vernünftigkeit« – als ihren Stolz, ihre Verpflichtung, ihre Tugend fühlten, welche durch alles Phantasiren und Ausschweifen des Denkens beleidigt oder beschämt wurden…: so wäre die Menschheit längst zu Grunde gegangen! Ueber ihr schwebte und schwebt fortwährend als ihre grösste Gefahr der ausbrechende Irrsinn – das heisst eben das Ausbrechen des Beliebens im Empfinden, Sehen und Hören, der Genuss in der Zuchtlosigkeit des Kopfes, die Freude am Menschen-Unverstande. Nicht die Wahrheit und Gewissheit ist der Gegensatz der Welt des Irrsinnigen, sondern die Allgemeinheit und Allverbindlichkeit eines Glaubens, kurz das Nicht-Beliebige im Urtheilen. Und die grösste Arbeit der Menschen bisher war die, über sehr viele Dinge mit einander übereinzustimmen und sich ein Gesetz der Uebereinstimmung aufzulegen… schon das langsame Tempo, welches er (der Allerweltsglaube) … verlangt… macht Künstler und Dichter zu Ueberläufern: – diese ungeduldigen Geister sind es, in denen eine förmliche Lust am Irrsinn ausbricht, weil der Irrsinn ein so fröhliches Tempo hat!« (Die Fröhliche Wissenschaft 76). Und man meint, er richte sich gegen sein eigenes späteres Selbst, wenn er den Künstlern und Frauen jene Unwissenschaftlichkeit des Geistes vorwirft, die sich von allen Hypothesen fanatisiren lasse, welche »den Eindruck des Geistreichen, Hinreissenden, Belebenden, Kräftigenden machen.« Gleich ihnen wollen die Meisten »stark fortgerissen werden, um dadurch selber einen Kraftzuwachs zu erlangen«, nur wenige »haben jenes sachliche Interesse, das von persönlichen Vortheilen, auch von dem des erwähnten Kraftzuwachses absieht. Auf jene bei Weitem überwiegende Classe wird überall dort gerechnet, wo der Denker sich als Genie benimmt und bezeichnet, also wüe ein höheres Wesen dreinschaut, welchem Autorität zukommt. Insofern das Genie jener Art die Glut der Ueberzeugungen unterhält und Misstrauen gegen den vorsichtigen und bescheidenen Sinn der Wissenschaft weckt, ist es ein Feind der Wahrheit, – wenn es sich auch noch so sehr für deren Freier halten sollte.« (Menschliches, Allzumenschliches I 635.)
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 mayıs 2017
Hacim:
280 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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