Kitabı oku: «An neuer Küste, mit alter Gesinnung», sayfa 2

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Wenn ich in meinen Schuhen gegangen bin und in mein Haus komme, dann ist es mir jedes Mal als müsste ich die Schuhe ausziehen, vor der Türe ein Fußbad finden und eine Bank zum Sitzen und ein Diener müsste kommen und mir die Füße waschen und ölen. Nichts von dem: an Plätzen, wo besondere Räume zum Warten eingerichtet sind, findet man Bücher zum Lesen und kann viele seltsame Dinge kaufen, die jeder Wanderer entbehren kann und ohne die Kitara noch heute auskommt. Doch ist keine Gelegenheit, in der Zeit des Wartens ein Fußbad zu nehmen. Es hat auch kein Eingeborener den Wunsch, das zu tun und so gehen sie denn vom Morgen bis zum Abend in denselben Kleidern und Schuhen und mit demselben Hut auf dem Kopfe und weil sie am nächsten Tage dieselben Kleider anziehen wollen, dürfen sie nicht allzu sehr schwitzen. Deshalb und um ihre Kleider zu schonen, müssen sie langsam gehen. Laufen ist nur den Kindern erlaubt. Die Erwachsenen laufen nie, weil sie aber immer Eile haben, gehen sie auch nicht, sie fahren. Durch den Mangel an Bewegung verändert sich ihr Körper so sehr, dass sie sich nackt nicht mehr zeigen könnten, selbst wenn es Sitte wäre ohne Kleider zu gehen und viele Männer sehen aus wie gemästete Hunde oder wie die Flusspferde von Ukonse.

Du fragst nach den Kriegern des Landes und nach den Frauen? Davon erzähle ich Dir später. Es sind große Entbehrungen, die ich ertrage, um meinen Auftrag zu erfüllen, dies Land zu erforschen. Die Sitten des Volkes bedrohen mich und meine Gesundheit. Was mein Körper von außen erfährt und auch, was ich gezwungen bin innen hineinzutun, während ich hier lebe, das schädigt mich.

Zwei Dinge nur begleiteten mich von der Heimat hierher: die Sonne, die meinen Rücken mit ihren Strahlen erwärmt, und jener große Vogel, der früher als ich nach Kitara zurückkehren und meinem Könige Grüße bringen wird von

seinem Diener

Lukanga Mukara.

2.3. Dritter Brief

Berlin, am 16. August 1912.

Kamerere Rugawa, Vater der Rinder!

Dies ist das dritte Mal, dass ich Dir schreibe, und Du wirst schon sagen: Lukanga soll doch heimkommen und soll uns erzählen, anstatt Boten zu senden mit dem beschriebenen Papier. Werde nicht ungeduldig! Komme ich bald, dann sah ich nicht viel, bleibe ich aber lange, dann kannst Du von mir erwarten, dass ich das Land der Wasungu genau kenne und so vieles in mich aufgenommen habe, dass ich jahrelang erzählen und Du jahrelang zuhören kannst.

Was nun gerade das Handwerk des Schreibens angeht, so ist es rein unbegreiflich, dass mir in diesem Lande kein Sungu begegnet, der nicht schreiben gelernt hätte. Auch die Kinder der Bauern wissen mit Farbsaft und Federspalt umzugehen und können die Zeichen anderer lesen. Und die, welche sie das Handwerk des Schreibens lehren, glauben, dass die Bauern dadurch längere Ähren ernten und mehr Vieh besitzen.

Es ist gewiss, dass einige Wasungu vom Schreiben und Lesen Nützen haben und sehr weise werden; manche im Volk aber verlieren auch durch dies Können, und sehr viele Zeichenkundige werden um nichts besser, denn sieh, es gibt in diesem Lande zwar Gesetze, die jedem gebieten, Schreiben und Lesen zu lernen, es gibt aber kein Gesetz, das verbietet, Schlechtes zu schreiben, Schlechtes zu lesen. Und so wird viel Schlechtes über ein Volk, das schreiben kann, hingeschrieben. Es kann kein Gesetz geben, das verbiete, Schlechtes zu schreiben. Denn wer will abmessen, wo die Grenze des Guten liege? Und gerade das Schlechte, das sich unter dem Schein des Guten verbirgt, ist den Menschen am gefährlichsten.

Die Wasungu haben Geschriebenes, das so gut ist und so rein wie die Luft in den Bergen von Bugoie in der Regenzeit. Aber wenige nur atmen diese reine Luft. Die meisten werden festgehalten im dumpfen Dunst der Sümpfe. Unter denen, die schreiben und Geschriebenes verkaufen, gibt es allzu viele, die nicht schreiben, um den Lesern Notwendiges zu sagen, sondern nur, um recht viel Geld zu bekommen. Deshalb schmeicheln und reizen sie die Leser und erzählen ihnen von einer Welt, in der auch der Dümmste und Faulste mit sich zufrieden sein muss, ohne dass ihm der Wille geweckt werde, zu Besserem hinaufzusteigen. Wie soll denn jemand Besseres wollen, wenn ihm Schlechtes als das Beste geschildert wird! So ist es mit dem, was geschrieben erzählt und weiter verbreitet wird unter Zeichenkundigen. Aber auch im täglichen Leben bringt das Geschriebene Gefahr.

Der Hutu in Kitara kann nicht schreiben und darf es nicht lernen. Er sieht sich den Mann an, der spricht, fragt nach seiner Herkunft und Vergangenheit und beurteilt danach den Wert seines Wortes. Missfällt ihm der Sprechende, dann beachtet er ihn nicht. Der Bauer in Deutschland hat es schwer, hinter dem Geschriebenen den Mann zu erkennen, dem er vertrauen soll.

Du fragst gewiss, wie denn der deutsche Bauer Früchte ernte, obwohl er schreiben und lesen kann? Mukama, wie er das kann, ist mir auf meiner Reise im Lande klar geworden. Der deutsche Bauer weiß sich einzurichten: er macht vom Schreiben und Lesen wenig Gebrauch, und oft vergisst er es recht bald. Wenn er dann jemandem etwas mitzuteilen hat, dann schreibt er nicht, sondern geht, gerade so wie der Hutu, fünf Stunden über Land. Er bringt dann die Antwort, die besser ist als eine geschriebene, gleich mit nach Hause. So kommt es, dass trotz den Gesetzen, welche das Schreiben gebieten, das deutsche Land vor jeder Ernte von hohem Getreide wogt und das Wiesengras über den Rücken der Riedböcke zusammenschlägt.

Ich erzählte dir schon, dass die Wasungu sich Menschen nennen, und ich weiß, weshalb sie es tun. Es ist ihnen von Riangombe, dem immer Wachen, eingegeben worden, sich als Menschen zu fühlen. Willst auch Du es begreifen, dann breite Du, Leuchtender, das Fell eines Otters am Hain Deiner göttlichen Ahnen aus, setze Dich dort ruhig hin und sieh den Termiten zu, die in ihrem Erdhause leben. Was bist Du diesen kleinen Geschöpfen? Dein Schatten streift sie, wie uns der Schatten einer geballten Wolke. Sie kümmern sich nicht um Dich. Nichts Größeres kennen sie unter der Sonne als sich. „Wir sind die Menschen,“ sagen sie, „sind die denkenden Geschöpfe, für deren Empfindung allein die Welt gemacht ist. Um uns dreht sich die ganze Welt.“ Die Wanderameisen und alle anderen Ameisen sind nach ihrem Begriff „Wilde“ und von den Raupen und Käfern, die sie in ihre Baue schleppen, sagen sie, es seien Geschöpfe niederer Art, ohne Gefühl, ohne Verstand, nur mit „Instinkten“ begabt. Sie sagen auch von sich, sie allein hätten die richtige Weltanschauung. So gab Riangorobe jedem Geschöpf ein, sich für den Mittelpunkt der Welt zu halten und die Erde zu seinen Füßen zu sehen. Es ist mit den Wasungu nicht anders. Auch sie glauben, die Erde sei um ihretwillen gemacht und halten sich für das Beste, was auf dieser Erde hervorgebracht worden ist.

Schimmerndes Haupt, hat es der Schöpfer nicht weise eingerichtet, dass jeder mit seinem Lose zufrieden sein kann? Zufrieden ist, wenn er das eine tut: wenn er sich selbst erfüllt. Sieh, auch der Arme kann zufrieden sein, und nur der Hunger verbittert die, welche zusehen müssen, wie andere Nahrung vergeuden. Wenn aber jemand allein ist, kann er sogar Hunger ertragen: wo nicht gerade der unerträglichste Hunger ist, da kann selbst der Bedrückte, kann sogar der Arme zufrieden sein. Denn wenn einer reicher ist und sich mit mehr Schauspiel umgibt als der Arme, dann denkt doch der Arme, der Reiche sei nur für ihn da, dass er ihn mit seinem Glanz und mit den vielen bunten Sachen, die er der Reihe nach anziehen muss, erfreue, und er bedauert den Reichen noch, dass er nicht den Genuss des Zuschauens haben kann, weil niemand reicher ist als er. Und der Reiche und Mächtige vergisst, dass er eigentlich nur ein Schauspieler ist, der sich pünktlich bekleiden und bemalen lassen muss und pünktlich, von rechts oder links, auftreten, damit die Armen etwas sehen. Er vergisst das, glaubt sogar, der Arme sei nur um seinetwillen da, den Zuschauer zu bilden, und bedauert den Armen.

Hier will ich Dir als Beispiel ein Erlebnis mitteilen, das ich hatte. Ein großer Feldherr des Landes wollte sich den versammelten Kriegern zeigen, um ihre Waffenlust in Friedenszeit anzuspornen. Er wollte sich auch dem gemeinen Volke zeigen, und das stand dicht gedrängt auf dem Platze und sah zu. Auch ich war unter dem niederen Volke als Zuschauer. Es war ein heißer Tag. Der Feldherr kam. Er saß auf einem schönen Pferde, hatte dichte und schwere Stoffe um den Leib geschnürt und war auf dem ganzen Körper mit bunten Metallblättchen und Ketten behangen. Auf dem Kopfe hatte er, wie alle seine Krieger, ein umgekehrtes Gefäß, daran waren die Schwänze von weißen Hühnern befestigt. Wo er vorbeikam, schrie das Volk, und der Feldherr musste dann mit dem rechten Arm seinen Kopf anfassen, wobei ihm sehr warm wurde. Viele bunt behangene Adlige folgten dem Feldherrn zu Pferde, und allen war sehr warm.

Da erkannte ich, dass der einfachste unter den Zuschauern auch diesen mühevollen Aufwand nur auf sich bezog und sich freier fühlen kann als selbst der bewunderte Feldherr und sein Gefolge. Neben mir sagte ein Mann zu einem anderen: „Du, Emel, komm, lass die mal alleene schwitzen, mir jehn pennen.“ Aus diesen Worten, die zugleich die Sprechweise einer bestimmten Gegend wiedergeben, wurde mir das bestätigt, was ich Dir heute schrieb: ein jeder sieht die Welt und seine eigene Stellung von der Mitte seines Kreises aus.

Und das ist auch der Grund, weshalb die Wasungu dazu kommen, sich Menschen zu nennen. Sie tun es ganz selbstbewusst, sie glauben wirklich, Menschen zu sein. Riangombe gab ihnen ein, sich als Menschen zu fühlen.

Gewiss, Mukama, sind die Wasungu keine Menschen; denn sie sind Heiden und wissen nichts von Riangombe und den Blumenopfern. Und dennoch sollten wir sie zu verstehen suchen und nicht glauben, allein erleuchtet zu sein. Riangombe schuf in jedem Geschöpf von sich ein anderes Bild und wollte auch, dass jedes seiner Geschöpfe auf seine eigene Weise groß sei. Gerade darin erkenne ich seine Größe und Erhabenheit. Und wenn ich Dir auch manches schildere, was mir an den Sitten und an dem Denken der Wasungu allzu unsinnig erscheint, so sehe ich doch schon jetzt, dass wir die Wasungu nicht bessern und nicht ändern könnten, selbst wenn wir es versuchten. Denn wenn wir ihnen irgendetwas bringen wollten, unsere Sprache, unsere Tänze oder gar unsere Sitten und unser Denken, so würden wir ihnen etwas Fremdes bringen, was nicht in ihnen entstand. Sie würden es annehmen, aber wenn sie dann auch etwas hätten, was bei uns gut ist, so wäre es doch bei ihnen nicht gut.

Ich spotte über sie; wenn aber gar nichts Gutes an ihnen wäre, dann würde es mich doch nicht locken, sie lange und gründlich zu betrachten. Mir fallen da die Worte ein, die Rugaba, der Weise von Sabinjo, oft sagte: „In allem Seienden ist Gott, und Alles, was ist, ist groß. Nur was Gott Dir nicht gab zu begreifen, das siehst Du als klein an in der Natur. Er will, dass Du es klein siehst; Du darfst es aber nicht ändern wollen: denn es ist ebenso groß wie Du.“

Dem Stamme der Wakintu gab Riangombe die Fähigkeit, in anderen Geschöpfen Vollkommenes zu sehen. Deshalb sind die Wakintu die Menschen; jener Weise von Sabinjo hat aber an Deinem Hofe oft die Geschichte von dem Hunde erzählt, der einen Sinn mehr hat als der Mensch: Du gehst mit dem Hunde und führst ihn an der Leine. Da drängt er vorwärts und schiebt sich mit Gewalt über eine Spur, die Dein Auge jetzt erst erkennt. Wie Du ein weißes Rind aus einer Herde herausfindest, so riecht der Hund die Fährte des einen Steppenbocks heraus, den er verfolgt. Und während Du im Bambusgehölz nicht drei Schritt’ weit siehst, sagt es dem Hunde der Wind, wo das Wild in der Nähe steht. Wie der Hund die Gabe hat, wahrzunehmen, was Du nicht erkennen kannst, so gibt es Geschöpfe, welche die Dinge mit anderen Verstandeskräften ansehen und erfassen als wir, und leichter ist es, zu sagen: „Ich rieche nichts, also ist nichts da“, als einzugestehen, dass unsere Gaben nur uns verbieten, alles zu erkennen.

Ich erzählte Dir schon, Mukama, von der Kleidung der Wasungu und will Dir nun auch von den Frauen erzählen. Schwer ist es da für mich, den Dingen auf den Grund zu gehen. Nur das eine weiß ich schon gewiss: die Frauen der Wasungu werden künstlich missgestaltet, und die entstandene Missgestalt wird durch Felle, Stoffe, Geflecht, Leder und Federn wilder Tiere so umkleidet, dass eine neue Gestalt entsteht, die mit der natürlichen, schönen Frauengestalt, wie wir sie bei den Wakintu kennen, nichts mehr gemein hat. Nackte Frauen und Mädchen sieht man nirgends, weder auf den Straßen noch bei der Feldarbeit. Auch baden sie nicht alle, und die, welche baden, sind mit Anzügen bekleidet, und es ist nicht erlaubt, sie aus der Nähe anzusehen. Nur abends, wenn die Wasungu gemeinsam essen und tanzen, sind die Mädchen so gut wie nackt, und nur ein Teil des Körpers ist von Kleidung bedeckt. Sie dürfen es nicht wagen, ganz ohne Kleider zu kommen, weil ihr Leib aus zwei Teilen besteht, die nur lose miteinander verbunden sind und durch ein äußeres, starres Gerüst zusammengehalten werden.

Dies Gerüst nun verdecken sie auch abends durch ein wenig Kleidung. Aber natürlich nicht mehr als unbedingt notwendig ist. Hätten die Frauen das Gerüst nicht, so würden sie zusammenklappen und könnten nicht aufrecht gehen. Das Gerüst ist wahrscheinlich eine uralte Erfindung der Männer. Sie haben es, um trotz Trägheit und schlechten Lebensgewohnheiten an Ausdauer und Gesundheit überlegen sein zu können, den Frauen aufgezwungen. Das Leibgerüst ist so eingerichtet, dass die Frau nicht vollständig atmen kann. Der Leib wird an der Stelle, wo er sich ausdehnen soll, fest zusammengehalten, und ein Teil der Lunge fault innen und stirbt, weil er gehindert wird, zu leben. Es fehlt ihr nämlich der tiefe Atem. In Folge dessen kann die Frau nicht laufen und keine Bewegung ausführen. Deshalb verkümmert das Fleisch unter dem Gerüst, und der Körper wird oben und unten furchtbar dick, was die Wasungu schön finden. Schon im jungfräulichen Alter wird der Leib der Mädchen eingeschnürt, weil man fürchtet, sie könnten zu lange gesund bleiben. Der beabsichtigte Erfolg tritt auch ein: Die meisten Frauen sind frühzeitig krank und hinfällig, und mit einer gewissen Schadenfreude sprechen die Männer dann von dem „schwachen Geschlecht“.

Die Frauen bewegen sich in ihren Leibgerüsten wie aufrecht gehende Schildkröten. Du kannst es Dir gar nicht vorstellen, wie es aussieht, wenn eine Frau auf der Straße geht und die Beine unter dem steifen Gerüst bewegt. Und wenn sie erst die bewegungslose Masse ihres Leibes auf einen Sitz schiebt, wenn die Glieder hinunter hängen und der Kopf hilflos hin und herbewegt wird, dann empfindet ein gebildeter Neger etwas wie Mitleid mit solch misshandeltem Geschöpf.

Ich denke oft an die biegsamen Gestalten der Mädchen von Kitara, wie sie sich über die Feldfrüchte neigen, wie sie mit bauchigen Tonkrügen auf dem Kopf einhergehen und wie ihr Leib die unruhige Last des wogenden Wassers im Gehen zur Ruhe bringt. Und auch an den Tanz am letzten Fest der Königslanze muss ich denken. Die Mädchen schritten im Kreise um die Wand der Speere und hielten weiße Blütenzweige hoch zwischen den erhobenen Armen. Der volle Mond färbt sie zu Gestalten aus Silber und Ebenholz. Die Gestalten aber lebten. Wie die saftigen Stängel der Maisstauden im Winde, neigten sie sich im Takte, bei Trommelschlag und Flötenton.

Das steht mir vor meiner Seele, wenn ich hier in diesem Lande den freundlichen Ton der Flöte höre. Gar oft ist es, denn, wenn die Wasungu auch als Geschöpfe tief unter den Wakintu stehen, so sind sie doch in einem über alle Begriffe groß: in ihrer Kunst, mit Klängen und Tönen die Welt zu schildern. Sie reiben mit Pferdehaar auf gedrehten Schafdärmen, die über hohles Holz gespannt sind; sie blasen auf Hohlflöten, die viel schöner sind als unsere Bambusrohre und in Kuduhörner und Muscheln, die aus Metall nachgemacht sind und viele verschiedene Töne geben; sie schlagen auf Eisen, Holz und gestraffte Felle und bringen einen Strom von Tönen hervor, der oft mein Herz erregt, vor Freude und Schmerz. Ich glaube dann am Strande von Ukerewe zu sitzen und sehe die Sonne hinter den Kurwibergen untergehen. Von Ukara her weht der Wind, die Welle brandet, und Ibise ziehen schreiend vorüber.

Ja, denke nur, Mukama, die Klänge der Wasungu sind aus meiner Jugend genommen! Wer brachte sie nur den Wasungu? Wer gab ihnen ein, in Tönen das Land zu schildern, in dem Lukanga zuerst geliebt und gelitten hat? Lukanga spricht die Sprache der Wasungu und bleibt ihrem Denken fremd; aber mit ihren Tönen sprechen die Wasungu eine Sprache, in der er sie tief versteht.

Diesen dritten Brief sende ich Dir, großer Mukama, aus Deutschlands großer Stadt, geschrieben mit meiner Hand.

Dein niedriger

Lukanga Mukara.

2.4. Vierter Brief

Berlin, den 6. September 1912.

Mukama!

Du fragst, wozu die Wasungu Wagen gebrauchen und weshalb sie ohne Unterschied hin und her fahren? So denke an den Weg von Niansa nach Rubengera. Jetzt geht dort ein Träger vier Tage, ein Bote zwei. Der Sungu würde einen Eisenbalkenweg bauen, damit dieser Bote in einem Tage hinkommt. Um den Weg zu bauen, müssen viele Tausende von Menschen dorthin gehen und arbeiten und zurückgehen. Andere müssen diesen Nahrung und Brennholz bringen. Die Arbeiter bekommen Lohn. Den wollen sie ausgeben. Deshalb muss ein Inder mit vielen Lasten Stoffen, Mützen, Perlen und Schnaps kommen. Dann ein Sungu, der dabei steht, schreit und aufschreibt. Dann Waren für den Sungu. Dann Träger, die Holz und Steine für ein Haus für die Waren des Sungu bringen. Dann ein Sungu, der diese Waren zählt und aufschreibt und eine Abgabe dafür einnimmt. Auch für den muss ein Haus gebaut werden und ein zweites für den, der aufpasst, dass der Geldeinnehmer das Geld nicht für sich behält.

So sind wir schon mitten in einem „gesunden“ Wirtschaftsleben oder in einer „gesunden wirtschaftlichen Entwicklung“. Es kommt dann schon ein Sungu, der von dem Betrieb Bilder macht und ein Buch darüber schreibt. Es wird ein Haus gebaut, in dem die Wagen der Eisenbahn repariert werden. In dem Hause arbeiten Menschen, die mit den Wagen geholt werden. Dazu braucht man Kohle und Holz, die holt man mit den Wagen und heizt die Maschine des Wagens mit Kohlen. Man baut also die Wagen, um Kohlen zu holen und holt Kohlen, um die Wagen zu bauen, Betrieb, Verkehr, Rauch, Lärm und Fortschritt, also das, was die Wasungu Kultur nennen, ist dann im Gange. Auch siedeln sich Kaufleute, Schnapsverkäufer und käufliche Mädchen an, um den Arbeitern das Geld wieder abzunehmen. Weil dann durch die Begehrlichkeit, die in den Arbeitern geweckt wurde, und durch den Schnaps Unordnung entsteht, müssen bewaffnete Aufseher mit den Wagen gebracht werden und andere Männer, die aufschreiben, welcher Art die Unordnung ist und wie das heißt, was die Arbeiter Unordentliches getan haben.

Für diese Schreiber aber muss wieder ein Haus gebaut werden, und damit die Arbeiter, die Unordentliches getan haben, nicht nach Hause gehen, bevor alles fertig aufgeschrieben ist, müssen Käfige gebaut werden, in die man die Arbeiter einsperrt, füttert und bewacht. Es muss aber wieder mit den Wagen Kohle und Eisen geholt werden, um die Gitterstäbe der Käfige zu machen. Dann muss Wasser in die Häuser bei Schreiber und Aufseher geleitet werden und künstliches Licht, damit auch nachts geschrieben werden kann, wenn die Natur es verbietet. Dann muss ein Haus gebaut werden für den Mann, der aufschreibt, welche von den Schreibern „Herr Ober“ heißen und ein anderes, in dem ausgedacht wird, wie viel jedes Haus bezahlen soll, um die Aufseher und die Schreiber zu bezahlen. Dieses alles nennen sie die „Regierung“.

So entsteht eine große Stadt, eine Kulturzentrale, wie die Wasungu sagen, und das alles nur, weil ein Bote den Weg von Niansa nach Rubengera schneller zurücklegen sollte. Diese Stadt vergrößert sich und dann müssen mehr Wagen fahren und immer mehr. Dann braucht man Häuser, in denen die Wagen untergestellt werden und wieder Menschen, die diese Häuser bauen, bewachen, zählen und darüber schreiben. Weil aber die Menschen in solcher Stadt und bei solcher Beschäftigung verrückt werden, muss man große Häuser außerhalb der Städte bauen, in die man die Verrückten einsperrt. Dadurch entsteht wieder Arbeit und neues wirtschaftliches Leben. Die aber, die noch nicht ganz verrückt sind, müssen, um nicht völlig verrückt zu werden, sehr oft aus der Stadt hinausfahren, um in der Steppe und im Urwald zu schreien, Blumen abzureißen, Tiere aufzuspießen oder zu verscheuchen. Deshalb fahren wieder sehr viele Wagen mit Menschen hin und her. Außerdem aber müssen in der Steppe und im Urwald Häuser gebaut werden, in denen diese Halb verrückten Schnaps und Rauchrollen kaufen können, und es müssen Kästen aufgestellt werden mit Maschinen, die Radau machen, was die Wasungu lieben. Sie machen dazu viel Rauch, gießen Flüssigkeit in ihren Hals und brüllen sich gegenseitig an. Dann lassen sie Bilder von sich machen mit Trinkgefäßen in der Hand.

Damit man aber in der Steppe weiß, wo die Schnapshäuser liegen, müssen an den Wegeecken Schilder aufgestellt werden, auf denen der Name der nächsten Schnapsstelle angeschrieben steht und wie weit es ist. Diese Schilder wieder müssen bewacht werden, damit sie keiner mitnimmt. Dazu werden bewaffnete Wächter angestellt. Für die werden wiederum Häuser gebaut. Weil die Schilder Geld kosten, wird der Weg durch einen Baum versperrt, der nur geöffnet wird, wenn der Wanderer Geld bezahlt. Es muss dann bei dem Baum ein Haus gebaut werden, worin der wohnt, der das Geld einsammelt, und in der Stadt ein zweites, worin der wohnt, der aufpasst, dass der, der das Geld einsammelt, es nicht für sich behält. Außerdem müssen Wächter aufpassen, dass niemand, anstatt zu bezahlen, um den Baum herumgeht, und wenn viele Halbverrückte kommen, dass sie auf der Seite des Weges gehen, wo die rechte Hand ist. Damit aber die Halbverrückten lesen können, was auf den Schildern steht und wie weit es zu der nächsten Schnapsbude ist, müssen Häuser gebaut werden, in denen ein Mann die Kinder haut, bis sie lesen und zählen können. Das dauert acht Jahre.

Auch für den Mann muss ein Haus gebaut werden und ein anderes für den, der aufpasst, wann dieser Mann soviel gehauen hat, dass er „Herr Ober“ heißen darf. Dann eins für den, der auf diejenigen aufpasst, die sich „Herr Ober“ nennen, ohne Erlaubnis zu haben oder Metallplättchen über der Brustwarze tragen, bevor sie das dazu gehörige Alter erreicht haben. Damit man aber weiß, wann jemand so alt ist, dass er Metallplättchen tragen darf, müssen die Lebensjahre gezählt werden und Bücher geschrieben, in denen man sehen kann, an welchem Tage jeder einzelne aus dem Leibe seiner Mutter gekommen ist. Deshalb müssen Häuser gebaut werden und müssen Wagen hin- und herfahren, bei Tage und bei Nacht.

Dies also ist, weshalb die Wasungu Wagen gebrauchen, Wege mit Eisenbalken bauen und fortwährend hin- und herfahren. Eins aber habe ich noch vergessen zu erwähnen, und es wird dich vollends in Abscheu oder Erstaunen setzen: das Briefschreiben der Wasungu. Dieser Tollheit kann ich in Worten schwer beikommen. Es gibt in Usungu kein Haus, wo nicht täglich ein Bote hinkommt, der Briefe bringt. Was schreiben aber die Wasungu? Was jeder von selbst weiß: „Ich bin hier und trinke.“ „Ich komme morgen“, „der Wagen fährt“, „das Essen schmeckt“. Oder sie schicken Bilder, wie sie ein Trinkgefäß vor sich halten und ein dummes Gesicht machen. Oder sie schreiben wegen Geld. Ich will so sagen: Alles, was sie tun und alles, was bewegt wird, schreiben sie noch mal. Deshalb fahren Boten mit Wagen hin und her und Häuser müssen gebaut werden, in denen die Briefe nachgesehen werden und andere, in denen die wohnen, die aufpassen, wann die, welche Briefe nachsehen, „Herr Ober“ heißen dürfen. Endlich müssen die Briefe gezählt werden und wie viel Personen hin und her fahren und wie viel Jahre die Briefboten länger leben als die, die den ganzen Tag Kleider nähen. Durch alle diese Dinge glauben die Wasungu klüger und besser zu werden, und wenn ein neues Haus gebaut wird, kommen sie zusammen, halten Reden und brüllen: „Ra! Ra! Ra!“, was der Ausdruck höchster Freude ist. Danach gießen sie Flüssigkeit in ihren Hals

Die Wasungu haben noch folgende Narrheit. Fragst Du in Kitara: Wer ist da? So ist die Antwort: Muntu, ein Mensch! Die Wasungu aber teilen die Menschen ein nach dem was sie tun. Sie wollen, dass jeder Mensch nur eine bestimmte Narrheit tue, damit Unterschiede entstehen und sie mehr zählen können. Der Zahlenkarl führte mich in ein Haus, in dem viele Männer Messer schliffen. Sie sahen sehr blass aus. Ich fragte, wo diese Menschen ihren Acker hätten, worauf mir geantwortet wurde, sie täten nie etwas anderes, als Messer schleifen; nur dadurch könne man mit Bestimmtheit sagen, dass Menschen, die jeden Tag Messer schliffen, schon mit dreißig Jahren sterben. Und sein Auge leuchtete vor Freude, als er mir mitteilte, dass ein ebenso kurzes Lebensalter die Menschen hätten, die jeden Tag nichts anderes täten, als den Schluckern in den Steinhöhlen Leichenteile, Pombe und Rauchrollen zu bringen. Als ich vor Schrecken über diese Verrücktheit den Kopf schüttelte, sagte Karl, ich könne nicht zweifeln, das sei wissenschaftlich einwandfrei festgestellt und man hoffe mit der Zeit noch genauere Zahlen zu bekommen. Als ich fragte, wozu denn diese Zahlen nötig seien, erzählte er mir eine Narrheit, die kein Mensch glauben wird.

Mukama, hilflos bin ich, Dir das zu erklären! Aber höre: Sie bezahlen jedes Jahr eine Summe Geld, das wird von Menschen, die dazu in einem Hause wohnen, gesammelt und aufgeschrieben und nach dem Tode den Verwandten bezahlt. Sie glauben, dadurch glücklicher zu sein. Da bezahlt nun ein Messerschleifer eine andere Summe als ein Landbauer, weil die Zahlenkarle wissen, dass die verschieden lange leben. Damit diese Rechnung stimmt, muss jeder bei seiner Arbeit bleiben und darf nie etwas anderes tun. Wegen dieser Narrheit müssen also wieder Häuser gebaut und Briefe geschrieben werden und Wagen fahren hin und her. Hast Du es verstanden?

So wirst Du jetzt wissen, was eigentlich diese Wasungu tun und weshalb sie immerfort etwas tun. Ich sage es Dir: sie sind fortgesetzt in Bewegung, um sich gegenseitig in der Ruhe zu stören, um dafür zu sorgen, dass alle Menschen fortwährend durcheinanderlaufen müssen und nicht zum Nachdenken kommen. Nun beschäftigen sie sich aber damit, in die Unruhe eine Ordnung zu bringen, auf die sie stolz sind. Sie vergessen dann, dass sie selbst erst die Unruhe gemacht haben, die gar nicht nötig war, und sprechen dann von der Ordnung.

Nein, Lieber, Du kannst es nicht verstehen. Du wirst an Kitara denken. Wozu Ordnung? Die Berge sind da und in den Tälern fließen die Bäche. Ist das Wasser angeschwollen, so wartet man, bis es sich verläuft. „Amri ya Mungu.“ Es ist Gottes Befehl, murmelt der Wanderer und fügt sich in Demut. Die Ordnung aber ist gegen Gottes Gebot und seine Strafe bleibt nicht aus. Ich werde später von der Strafe sprechen. Diese Strafe ist gerecht; denn es sind unnütze Dinge und eine selbstgewollte Unordnung, in die von unnützen Menschen Ordnung gebracht wird

Da wohne ich bei einem Manne, der Lenker ist auf einem Wagen, der auf Eisenbalken fährt. Ich begleitete ihn und ließ mir sagen, was die einzelnen Wasungu tun, die in dem Wagen fahren. Ein Mann fuhr mit, der baut Eisenteile für die Wagen. Daneben stand ein Mann mit einem Schwert und einer Metallspitze auf dem Kopf. Er hat aufzupassen, dass die Wagen auf der Straße keinen Sungu überfahren und aufzuschreiben, wenn einer getötet wird. Dann stieg ebenso ein Spitzkopf auf den Wagen, dessen Arbeit bestand darin, aufzupassen, dass der andere ihn ansah, die Beine zusammenklappte und die Arme an den Leib, was ein Gruß ist. Dann saß da eine Frau mit einem roten Kreuz auf dem Arm. Sie verbindet die Menschen, die überfahren werden. Dann ein Mann, der die Hunde fängt, die keine Münze am Halse tragen. Daneben saß ein Mann, der in einem Hause Rauchrollen machen lässt. Dann einer, der Pillen gegen die Krankheit verkauft, die durch Rauchstinken entstehen. Dann ein Zahlenkarl, der aufschreibt, welche Menschen Geld bezahlt haben für den Fall, dass sie überfahren werden. Wozu das ist, schreibe ich später. Dann einer, der die Kohlen verkauft, mit denen die Wagen getrieben werden und einer, der die Bücher macht, in denen geschrieben steht, wann die Wagen fahren. Jeder einzelne trägt einen Zeitzeiger auf seinem Bauche und sieht nach, sobald der Wagen hält und sobald er weiter fährt. Dann saß da ein Mann mit Glasstücken vor den Augen. Seine Arbeit war, darüber zu reden, wie es früher war und wie es jetzt ist. Er sagte mir, dieser geordnete Verkehr sei ein Zeichen der hohen Kultur der Wasungu. Es habe einmal eine Zeit gegeben, wo noch keine Eisenbalken auf dem Wege lagen, den wir entlang fuhren. Damals hätte jeder gesagt, es sei nicht nötig, dass hier Wagen fahren und es würde keiner mitfahren, und jetzt sähe man, welch gewaltigen Aufschwung der Verkehr durch den Bau der Wagen genommen habe.

Ich aber fand, dass alle diese Narren nur unterwegs waren, nicht um zu leben und Gutes zu arbeiten, sondern nur, damit die Wagen fahren können oder damit das wieder gutgemacht werde, was durch das Hinundherfahren an Schaden entsteht. Wenn alle diese Narren auf ihrem Acker blieben und bei ihren Kindern, dann brauchten keine Wagen auf Eisenbalken zu fahren und wenn keine Wagen fahren, könnten alle einen Acker haben und glücklich sein.

Deshalb hüte, Kigeri, Dein schönes Land vor der Ordnung der Wasungu, vor den Wagen und Eisenbalken und verbiete, dass Zeitzeiger in das Land gebracht werden, durch deren Anblick die Menschen auf Narrheiten gebracht werden. Menschen brauchen keine Zeitzeiger. Bei Tagesgrauen kräht der Hahn. Bei Tage ist es hell, bei Nacht dunkel. Morgens geht die Sonne auf, mittags steht sie ganz hoch und abends geht sie unter. Das Leben aber endet mit dem Tode. Nur dieses braucht ein Mensch zu wissen. Wo aber Wagen fahren, da müssen Zeitzeiger sein und wiederum Menschen, die diese Zeiger machen und in Ordnung halten und daraus entsteht all die andere närrische, ganz unnütze Arbeit, bei der alle Menschen krank und freudlos werden. Ich finde, dass diese Zeitnarren alle nur durcheinander laufen, damit die Wagen fahren und dass sie fahren, um durcheinander zu laufen und sich gegenseitig zu behindern.

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