Kitabı oku: «Bild und Text», sayfa 2
Methodische Konsequenzen aus den bildlichen Befunden
An dieser Stelle hat eine methodische Reflexion einzusetzen, die sich am ägyptischen Befund im Rahmen einer Mediengeschichte (zwischen Text und Bild) abarbeiten muss.1 Texte und Bilder sind, wie oben erwähnt, integraler Bestandteil der medialen Äußerungen der antiken Kulturen. Aus diesem Grund können methodische Einsichten der Text- oder der Bildinterpretation gegenseitig mit Ertrag aufeinander bezogen werden.2 Im skizzierten Beispiel (s.o. Abb. 1) wird deutlich: In einer bildlichen Darstellung, die in sich selbst keine substantielle Diachronie aufweist, können unterschiedliche Blickpunkte – so zum Beispiel auch Aufsicht (Vogelperspektive) und Ansicht (von der Seite) miteinander verbunden werden. Das bekannteste Beispiel einer solchen aspektiven Darstellung ist der mit Satteltaschen bepackte Esel (Abb. 2). Hier wird (grob gesprochen) die Seitenansicht des Tierkörpers mit der Vogelperspektive auf die Satteltaschen (von oben) kombiniert. Dreidimensional betrachtet ragen die Taschen nicht über den Rücken hinaus, sondern hängen an der Rückseite herab: Nicht-Sichtbares wird konzeptionell sichtbar gemacht. Dies wird in der Antike keinesfalls als Kohärenzstörung3 empfunden – jedes ägyptische Bildnis und viele orientalische Abbildungen verwenden diese Konvention ganz selbstverständlich. Vollkommen anders stellt sich die Sachlage in der Exegese biblischer Texte im 20. und 21. Jahrhundert dar. Hier werden Veränderungen der Perspektiven, Kombinationen unterschiedlicher Ansichten und Wechsel (von Personen, Standpunkten und Themen) als hochrelevante Kohärenzstörungssignale gedeutet.4 Sie zeigen angeblich an, dass ein diachrones Wachstum vorliegt und eigenständige, separate Teilstücke in einem Redaktionsprozess zusammengefügt würden. Mit welchem Recht wird so verfahren? Grundlage einer solchen Folgerung ist ein anachronistisches Verständnis des Textbegriffes, der mitunter deutlich von den antiken mediengeschichtlichen Grundlagen abweicht. Gerade die Kombination mehrerer Ansichten birgt einen Mehrwert, der planvoll schon auf synchroner Ebene Anwendung findet. Auch im Zweistromland – schon vor 4500 Jahren – war die aspektive Darstellungsweise verbreitet (Abb. 3): Seitendarstellung ist für die Köpfe und Beinpartien erkennbar, Augen und Brust-/Schulterbereich sind frontal dargestellt. Dass diese Einsicht auch für die biblische Literatur in Anschlag zu bringen ist, legt eine genaue Untersuchung der einzelnen Kapitel und Buchfolgen in der Hebräischen Bibel nahe.5 Schon zu Beginn des Kanons wird ein erster Schöpfungsbericht mit einem zweiten weitergeführt. Diese beiden lassen sich in inhaltlicher Hinsicht nicht perspektivisch in Einklang bringen.6 Vielmehr sind die vorgestellten Konzepte auf den ersten Blick zu unterschiedlich, als dass sie ein kohärentes Ganzes ergeben könnten. Wie müsste aber mit diesem Befund umgegangen werden, wenn nach ägyptisch-altorientalischem Vorbild das vorliegende Bauprinzip die Aspektive wäre? Entsprechend könnte eine Version des Schöpfungsberichts als Aufsicht, die andere möglicherweise als Ansicht charakterisiert werden. Mit einem Abgleich im Rahmen der antiken Medienbefunde schwindet die Schärfe des bisherigen Kriteriums zum Nachweis einer Kohärenzstörung. Mit anderen Worten: Es ist nicht zwingend nötig, die Beiträge zur Schöpfungstheologie, die Gen 1 und 2 darstellen, relativ-chronologisch weit auseinanderzuschieben, nur weil die beschriebenen Ansichtsschilderungen voneinander abweichen.7 Näher am Befund von Gen 1f. wäre eine Charakterisierung als ‚aspektive Annäherung‘ an ein Phänomen/Ereignis, das hinreichend komplex betrachtet werden muss, um ihm literarisch-künstlerisch (bzw. medial) gerecht zu werden. Ähnliche Situationen lassen sich für die Fluterzählung der Urgeschichte (Gen 6–8), das mehrfache Aufgreifen des Schilfmeer-Stoffes (Ex 13–15) und der Debora-Erzählung (Ri 4f.) attestieren. Einen neutestamentlichen Ankerpunkt findet die Idee von einer additiv holistischen Annäherung in der Überlieferungssituation der vier Evangelien.8 Mit guten Gründen kann behauptet werden, dass hier unterschiedliche Perspektiven auf ein wesentliches Ereignis im Hintergrund stehen: das Leben, Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesu von Nazareth, der sich als der Christus erweist. Gerade um diesem komplexen Gegenstand literarisch Ausdruck zu verleihen, bedurfte es möglicherweise mehrerer Perspektiven, die nicht unmittelbar ineinander überführbar sind (Tatians Diatessaron und die apokryphe Evangelienliteratur liefern eindrückliche Beispiele für das Ringen um eine verlässliche theologische Position). Es ist folglich von großer Bedeutung, neben einer Wahrnehmung diachroner Indizien stets die methodische Rückfrage nach der Darstellungsweise und den zu Grunde liegenden Parametern in Text und Bild zu stellen. Unterbleibt dies, können diachrone Fehlinterpretationen den Blick auf eine facettenreiche künstlerische Kompositionstätigkeit9 verstellen. Der Exeget, der sich in erster Linie als Anwalt des Textes zu verstehen hat, kann solcher Art basale Fundamente der medialen Äußerung nicht einfach außer Acht lassen. Geschieht dies trotzdem, sind methodische Schieflagen vorprogrammiert (Florian Lippke).
Abb. 3:
Umzeichnung einer Reliefplatte aus Girsu (Tellō, Tell K), H 40; B 47, Paris, Louvre, AO 2344, Datierung: FD III/Ur I-Zeit (≈2500a), © Stiftung BIBEL+ORIENT Fribourg
Bilder verstehen heißt, Bilder in ihrer spezifischen Ausprägung zu sehen
Die Bildwelt, die der ägyptisch-orientalischen Kultur entspringt, ist aufgrund der unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten und Traditionen sehr breit. Mit Bildern vermittelten ihre Produzenten mehr als das, was auf den ersten Blick zu sehen ist. So erfordert eine Deutung von Bildern eine genaue Beschreibung aller Aspekte, die mit der Bildproduktion und seiner Rezeption verbunden sind. Dies geht über die derzeit geläufige „vornehmlich deskriptiv-analytische Erforschung von Bildern und Bildkunst“1, die Gegenstand einer altorientalischen Ikonographie ist, hinaus. In Fortführung der Ikonographie fragt die Ikonologie nach Bildern als Symbolen einer Kultur. Sie untersucht die Bedeutung des einzelnen Bildes in seinem weiteren kulturellen Kontext. Neben einer ikonographischen Analyse setzt eine ikonologische Interpretation daher die „synthetische Intuition (Vertrautheit mit den wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes)“2 voraus. Der symbolische Wert des Bildes wird als ein häufig unterbewusst in das Werk einfließender Faktor gewertet, der innerhalb der ikonologischen Analyse aufgezeigt und gedeutet wird. Erst durch diesen Prozess wird der eigentliche Gehalt des Bildes erkennbar.3 Dieser Ansatz basiert auf einer bewussten oder unbewussten Prägung des Künstlers durch seine Kultur, die in der ikonologischen Analyse aufgewiesen wird (Dokumentsinn4). Die Ikonologie basiert folglich auf der Vorstellung eines sich innerhalb einer Kultur erhaltenden Symbolsystems, das unter wechselnden historischen Bedingungen jeweils spezifische Ausformungen annimmt. Der ikonologische Ansatz ist also eine gattungskritische Beschreibung von Bildern, in der zuvorderst die jeweilige kulturelle Prägung des Künstlers untersucht wird.5 Damit ergibt sich zwischen Ikonographie und Ikonologie ein Spannungsfeld, das formkritisch beschrieben werden kann.
Im Spannungsfeld zwischen Ikonographie und Ikonologie wird die Wirkung des einzelnen Bildes und damit seine Funktion innerhalb des kulturellen Prozesses untersucht. Dieser formkritische Ansatz basiert auf der Annahme, dass der Künstler eine Wechselwirkung zwischen Bild und Betrachter im Bild bewusst anlegt. Eine solche Formkritik hat neben der Ausprägung des Bildes weitere Aspekte zu bedenken. Diese erweiterte Analyse setzt beim Motiv an. Dabei ist zunächst nicht die singuläre Ausprägung des Motivs entscheidend, sondern die dargestellte Szene (Konstellation). Die aus dem antiken Vorderen Orient überlieferten Bilder sind dahingehend unterschiedlicher Art, dass sowohl Bilder bekannt sind, die alltägliche Szenen und damit die menschliche Sphäre abbilden, als auch Bilder, durch die die göttliche Sphäre sichtbar wird. „Wie andere kulturelle Symbolsysteme kennen die Religionen nebst handlungspraktischen (rituellen, moralischen), auditiven, olfaktorischen und sprachlichen Kodierungsformen auch Bilder als Medien, um ihre spezifischen Gegenstände (Gott bzw. Gottheiten, Mythen, Riten, Frömmigkeitsmuster u.ä.) visuell gegenwärtig zu setzen oder darzustellen.“6 Mit der Sichtbarmachung einer anderen Sphäre geht das Bild über seine Funktion als Symbol hinaus. Durch das Bild wird eine Sphäre kosmischer Realität abgebildet, die für den Menschen ohne das Bild nicht sichtbar ist, auch wenn sie dauerhaft präsent ist.7 Das Bild dient also der Sichtbarmachung dieser Sphäre für einen Betrachter. Solche Bilder korrelieren mit vornehmlich prophetischen Texten, in denen Menschen von einem Einblick in die göttliche Sphäre berichten (Visionsberichte). Im Bild wird nun für jeden Betrachter das sichtbar, was Propheten/Seher in einzelnen Momenten erblicken konnten8 und was erst durch die Verschriftung zu einem dauerhaft präsenten Geschehen wird.9 Dementsprechend ist formkritisch zwischen einer Abbildung von Szenen der menschlichen Sphäre, zu denen auch prototypische Darstellungen geschichtlicher Ereignisse zählen, und einer Sichtbarwerdung der göttlichen Welt zu unterscheiden. Auf diese Weise erhalten Bilder eine kosmische Dimension, indem durch sie Aspekte des Kosmos sichtbar gemacht werden können, die menschlicher Wahrnehmung ansonsten verborgen sind.
Visualisierungen erfolgten auf unterschiedliche Weise, was wiederum eng mit der Funktion des jeweiligen Bildes für den Kommunikationsprozess verbunden ist. Die Wirkung des Bildes auf den Betrachter wird zunächst durch ihre Größe, Gestaltung und den jeweiligen Rezeptionsraum bestimmt. Während monumentale Bilder für einen festgelegten Raum und damit immer im Kontext einer über die einzelne Abbildung hinausgehenden Bilderwelt geschaffen sind,10 ist die Wirkung kleinerer Artefakte nur dann zwingend an einen räumlichen Kontext gebunden, wenn die Objekte für bestimmte Performanzformen verwendet werden. Die Wirkung eines Bildes ist zudem von seiner Dimensionalität bestimmt. Während flächige Abbildungen i.d.R. aspektivisch und damit bezogen auf die Funktion des abgebildeten Gegenstandes hin geschaffen sind, lassen räumliche Darstellungen perspektivische Wahrnehmung zu. Diese können auf besondere Konstellationen der Installation von dreidimensionalen Bildern hinweisen.11 Besonders Lichtquellen (seien es natürliche oder künstliche) können Einfluss auf die Wirkung eines Bildes nehmen, wenn zwischen dem Objekt und der Lichtquelle eine Wechselwirkung durch eine spezifische Installation bewirkt werden soll. Um diese vollständig beschreiben zu können, ist nicht nur das Bild und seine Form, sondern auch der Bildträger, d.h. die materielle Basis des Bildes zu betrachten (Bild-Bildträger-Relation). Sie bestimmt, wie das Bild dem Betrachter unter jeweils spezifischen Bedingungen entgegentritt, sofern die Wahl des Materials auf einen singulären Kontext ausgelegt ist. Da die wenigsten Bild tragenden Objekte an ihren ursprünglichen Einsatzorten aufgefunden wurden, ist aufgrund des verwendeten Materials und der Form des Bildes nach Situationen zu fragen, in denen das Bild seine Wirkung vollumfänglich erzielen konnte.
Von derartigen Beobachtungen ausgehend, lassen sich Aussagen zur Bild-Text-Relation treffen. Form und Inhalt von Bild, Trägerobjekt und Text sind für die Deutung der Bild-Text-Beziehung entscheidend. Dabei ist eine zweifache Wechselwirkung zu beobachten: Zum einen sind Texte implizit von zeitgenössischer Bildkunst geprägt; zum anderen sind Bilder von älteren oder zeitgenössischen Texten beeinflusst.12 Dabei können größere zeitliche oder räumliche Distanzen auftreten. Je weiter Bild- und Textüberlieferung auseinanderfallen, desto schwieriger wird es, in der Rekonstruktion einen Bezug herzustellen. Es ist sicherlich der einfachste Fall, wenn Bild und Text gemeinsam, d.h. auf einem Trägerobjekt überliefert werden. Wenn die Überlieferung von Bild und Text jedoch auseinanderfällt, dann sind neben motivischen Überschnitten auch zwingend formkritische zu bedenken. Treten im Bild und im Text jeweils dieselben Motive auf, dann ist jeweils nach der Wirkung bzw. der Funktion von Bild und Text zu fragen, um die Bild-Text-Relation beschreiben zu können (Thomas Wagner).
Solche Bilder werden jedoch nicht nur am äußeren Objekt wahrgenommen. Sie entstehen auch in den Köpfen der Rezipienten und werden dann als Sprachbilder sichtbar.
Bilder in Texten verstehen heißt, sie im Kopf zu sehen
Georg Lakoff entwickelte als Vertreter der kognitiven Linguistik in Auseinandersetzung mit seinem Lehrer Noam Chomsky sein Verständnis von Sprache als semantischer Repräsentation. Zusammen mit Mark Johnson führt Lakoff aus, wie scheinbar abstraktes Denken in Metaphern geschieht. Es liegt im Wesen einer Metapher, eine Sache in der Terminologie einer anderen zu verstehen und zu erfahren. So werden die verwendeten Metaphern maßgeblich für die Vorstellung.1 Lakoff führt des Weiteren aus, wie Denken und Urteilen in Kategorien des menschlichen Körpers erfolgen und sich somit auf eine einfache Basis2 zurückführen lassen.
Das konzeptuelle Wissensgebiet (DOMAIN), durch welches wir ein anderes Wissensgebiet verstehen, wird SOURCE DOMAIN genannt, und dasjenige, welches dadurch im Verständnis erschlossen wird, heißt TARGET DOMAIN. Im Verstehensprozess kommt es zu Korrespondenzen zwischen beiden DOMAINS und zwar dort, wo die konstituierenden Elemente der SOURCE DOMAIN mit der TARGET DOMAIN übereinstimmen. Dieses Erstellen von Übereinstimmungen wird als MAPPING bezeichnet.3 Wenn die Kategorien des Körpers als Metaphern für etwas Anderes erfasst werden, so entsteht vor dem geistigen Auge eine mentale Landkarte (MENTAL MAPPING). Dieses bildet eine kognitive Erklärung für die Wirkung der Metapher in der Zahl ihrer assoziativen Übereinstimmungen und ihrer Intensität.4 Wenn ‚GOTT‘ zur TARGET DOMAIN wird, so bewegt sich das Gottesverständnis innerhalb solch einer mentalen Landkarte. Bei der Rede über Gott erhält diese dort eine besondere Relevanz, wo durch das Bilderverbot des Dekalogs die Anfertigung eines materialen Bildes, einer Stele oder einer Rundplastik verboten und eine göttliche Repräsentanz im Bild abgelehnt wird. Ein bilderloser Kult mag der Verehrung von fremden Göttern entgegenstehen,5 aber auch dieser Kult muss eine Sprachfähigkeit erlangen, um von Gott zu reden. Dieses geschieht in Metaphern menschlicher Wahrnehmung.
Bei diesem MENTAL MAPPING wird der Bildempfänger, die TARGET DOMAIN ‚GOTT‘, mit unterschiedlichen SOURCE DOMAINS in Verbindung gebracht, so besonders mit ‚NATURGEWALTEN‘. Es kommt zwischen beiden zu einer Interaktion, indem Inhalte der SOURCE DOMAIN auf die TARGET DOMAIN übertragen werden. Die Methode des MENTAL MAPPINGS wurde im CONCEPTUAL BLENDING weiterentwickelt. Hierbei werden nicht nur einzelne Bildmotive, sondern auch komplexe Vorstellungen im BLENDED SPACE miteinander in Beziehung gesetzt.6 (Stefan Fischer)
Wie aber konkretisieren sich nun die aufgezeigten Konzepte im Kontext der Analyse der ägyptisch-orientalisch geprägten Welt des antiken Israels?
Teil 2: Bild-Text-Relationen der biblischen Welt
Bilder in Israel/Juda
Ganz grundsätzlich ist festzuhalten, dass Othmar Keels fundamentale Eingebung vom Stellenwert der Bilder für die Bibel (vor gut 50 Jahren)1 und Silvia Schroers programmatische Schrift In Israel gab es Bilder2 nach wie vor in Geltung sind. Bildmedien in Palästina/Israel sind von überragender Bedeutung für das Verständnis der antiken Lebenswelt und der Weltdeutung. Auch auf Stempelsiegeln aus der südlichen Levante (s.u. Abb. 4) zeigen sich die zuvor erwähnten Konventionen. Anthropomorphe Figuren sind aspektiv dargestellt: Beine und Schultern (einmal auch die Augenpartie) sind nicht einer einzigen Ansicht unterworfen.
Bis zum heutigen Tag wurden mehr als 10.000 Stempelsiegel aus kontrollierten Ausgrabungen geborgen.3 Beinahe 600 Zylindersiegel aus diesem Bereich stehen der Forschung für Untersuchungen zur Verfügung.4 Gemeinsam mit den zahlreichen anderen Amuletten und auch Belegen anderer Bildgattungen ergibt sich numerisch ein bemerkenswertes Szenario: Es existieren aus Palästina/Israel beinahe so viele bildtragende Einzelobjekte wie das Alte Testament Verse aufweist. Und die Anzahl der Objektfunde ist bei knapp 300 Ausgrabungen pro Jahr in Palästina/Israel weiter steigend.5
Abb. 4:
Umzeichnungen von Bodengravuren der Stempelsiegel Geser 154, Halif 13, Geser 19 und Hazor 97 (Keel, CSAPI IV: 236f./ 536f./ 174f./626f.): a. Ovale Platte, Typ I, Enstatit, 21 x 13,4 x 7 mm, MB IIB (1650–1500), London, Palestine Exploration Fund, Inventarnr. 5871; Cast No. 372; b. Sk, Enstatit, 17 x 12 x 10 mm, MB IIB (1650–1500), Mischmar HaNegev, Regional Museum IAA, Inventarnr. 71.5207; c. Konoid, Typ V, dunkelblaues Glas, Ø 16,3 x 15,8, Höhe 18,8 mm, frühe persische Zeit (ca. 530–400), Jerusalem, Rockefeller Museum, Inventarnr. J. 491; London, Palestine Exploration Fund, Cast No. 319; d. Sk, G1/I/Seite glatt, Skaraboids vom Typ II, 16 x 12,2 x 8,3 mm, EZ IIA (980–830), Jerusalem, Hebrew University, Institute of Archaeology, alle © Stiftung BIBEL+ORIENT Fribourg
Die Bildmedien, die in manchen Fällen sogar massenmedialen Charakter aufwiesen, sind für die biblischen Epochen gerade wegen ihrer Transkulturalität von besonderer Bedeutung. Ein Wort, in einer spezifischen Sprache geäußert, kann unter Umständen in einer anderen Sprache schon nicht mehr gut verstanden werden. Bilder sind transkultureller: Das Bild eines Vogels oder eines Stiers wird in einem viel größeren geographischen Raum verstanden, als dies für das Lexem Stier/Taurus/šor vorauszusetzen ist.6 Im Verbund mit einer weiteren Einsicht entwickeln die Bilder ihre kommunikative Sprengkraft. Denn die frühen biblischen Epochen sind nicht durch einen hohen Alphabetisierungsstandard gekennzeichnet. Es ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen: Schreiben und Lesen lag in der Hand einer kleinen, privilegierten Elite.7 Diese Schreiberelite, zu der nicht einmal der König regulär dazu gehörte, verwaltete den Staatsapparat und transformierte Kommunikation zwischen mündlicher und schriftlicher Form. Numerisch muss hier von wenigen Prozenten der Bevölkerung ausgegangen werden (1–3 %). Hieraus folgt, dass schriftliche Quellen nicht das zentrale religiöse Kommunikationsmittel außerhalb elitärer Kreise darstellten. Theologie wurde in den frühen Zeiten zwar auch schriftlich festgehalten, aber in weitere Kreise wirkte die Theologie vor allem durch Bildwerke. Die Theologie der Bilder, wie sie Angelika Berlejung8 im Detail diskutierte, wird heute noch von bildkritischen oder gar ikonoklastisch eingestellten Gruppen unterschätzt; auch reformiert-theologische Kreise halten sich bezüglich dieser Thematik vorsichtig bedeckt. Diese Zurückhaltung kann aber unter Umständen in eine Fehleinschätzung münden: Die Abwertung der Bilder und ihrer Theologie hat zur Folge, dass die antiken Zusammenhänge und damit auch sehr einfach ein Großteil der theologisch relevanten Quellen außer Acht gelassen werden. Auch kann an dieser Stelle die Balance der Interpretation verloren gehen.
Die künstlerische Welt in Israel und Juda ist gerade im Vergleich zur imperialen Hochkulturkunst durch zwei charakteristische Eigenheiten bestimmt: Einerseits liegen in der Mehrzahl der Fälle sehr einfache, reduzierte Ausführungen vor. Dies muss für den Interpretationsprozess immer berücksichtigt werden.9 Zum anderen liegt auch häufig eine Elementarisierung der Formen, Symbole und Konstellationen vor.10 In dieser Hinsicht ist bei dieser Form der ikonographischen Kunst von einer doppelten ‚Think-Simple‘–Regel auszugehen: Einfachheit in der Ausführung und elementarisierte Konstellation gehen Hand in Hand und verleihen der Bildkunst der südlichen Levante eine effiziente Einfachheit bei gleichzeitiger Wahrung wesentlicher theologischer Zusammenhänge.11 Besonders gut können auch Akzentuierungen und Aktualisierungen wahrgenommen werden. Nicht selten begegnet eine jahrtausendealte Konstellation im neuen Gewand einer aktuellen Epoche.12 In dieser Hinsicht haben schon viele alte Ikonen ein Update in der Form erhalten. Zugleich lassen sich aber die einzelnen Belege über Epochen hinweg in eine histoire de la moyenne durée (Fernand Braudel)13 einordnen.
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