Kitabı oku: «Empörung, Revolte, Emotion», sayfa 6
Aufforderungen im Infinitiv
Diese Formen haben im Deutschen eine besonders breite Palette von möglichen Anwendungen – von dem emotionslosen Vorschriftendeutsch bis zum emotionsgeladenen „Alarm-Infinitiv“. Aufforderungen im Infinitiv richten sich formal nicht an eine spezifische Person oder Gruppe und haben damit den Vorteil, dass sie sich grundsätzlich an alle wenden, die mit ihnen, sei es mündlich oder schriftlich, in Berührung kommen. Deshalb sind sie insbesondere in schriftlichen Kontexten mit längerer Gültigkeitsdauer besonders geeignet, um Vorschriften bzw. Anweisungen zum Ausdruck zu bringen: „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“. „Bitte Ladefläche freihalten“.
Im Deutschen sind solche Konstruktionen aber auch in der mündlichen Kommunikation üblich, unter anderem, wenn es darum geht, jemanden vor einer akuten Gefahr zu warnen: Der Ausruf „Nicht essen!“ kann z.B. erfolgen, „wenn man an der Unterseite des Löffels beim Nachbarn am Tisch eine Wespe bemerkt“ (Albertsen 1970: 116). Der Auslöser der Aufforderung ist hier eindeutig die Angst vor dem lebensgefährlichen Stich im Mund oder Rachen. Im Gegensatz zum emotionslosen „Vorschriften-Infinitiv“, steht der „Alarm-Infinitiv“ ziemlich hoch auf der Emotionsskala. Bemerkenswerterweise ist diese Aufforderungsvariante im Französischen zwar im Schriftlichen bei Vorschriften auch üblich, aber nicht im Mündlichen und nicht bei konkreten, mehr oder weniger „akuten“ Situationen. So wäre z.B. die von den selbsternannten „Querdenkern“ geäußerte Forderung „Corona-Diktatur stoppen“ ins Französische nicht mit einer Infinitivform übersetzbar. Mögliche Äquivalente wären etwa: Stop / Non à la dictature du Coronavirus1.
Verblose Aufforderungen
Obwohl sie eine Handlung intendieren, brauchen Aufforderungen nicht unbedingt ein Verb, um als solche gedeutet zu werden. Sie können z.B. auf eine Nominalgruppe reduziert werden (mit oder ohne das Wort „bitte“ als Höflichkeitsmarker und Zeichen der Aufforderungsintention): „Einbau von Luftfiltern!“, „Flexible Prüfungsmodalitäten!“, „Pauschalverlängerung bei Prüfungsfristen!“ lauten z.B. Forderungen der Studierendenschaft der Universität Heidelberg vor dem Hintergrund der Corona-Krise.1 Diese kurz gefassten Aufforderungen reflektieren die große Unzufriedenheit der Studierenden in Anbetracht ihrer prekären Lage und sind ein dringender Appell an die Universitätsleitung – die sich vielleicht einen milderen Ton gewünscht hätte. Reduzierte Aufforderungen dieser Art können, je nachdem ob sie ritualisiert sind oder nicht, „als adäquat und nicht unhöflich angesehen werden (z.B. ‚Salat!‘ bei der Essensausgabe in der Mensa) – während dieselbe Konstruktion in einer weniger schematisierten Situation als unhöflich gelten würde“ (Graf/Schweizer 2003: 435). Der Umgang mit solchen Konstruktionen erfordert also ein gewisses Sprachgefühl und sollte von Nichtmuttersprachlern entsprechend geübt werden.
Bei verblosen Aufforderungen ist auch das Muster „Verbpartikel + Präpositionalgruppe“ besonders gut vertreten: „Ab ins Bett!“, „Raus aus dem Alltag!“, „Her mit dem Geld!“. Das Muster „Nominalgruppe + Verbpartikel“ scheint auch ziemlich produktiv zu sein: „Geld her!, Ausländer raus!“, „Bauch weg!“ (Bertrand 2019: 42). Diese knappen Wendungen sind für erfahrene Sprachbenutzerinnen und -benutzer leicht verständlich, da die Verbpartikeln einen wichtigen Hinweis auf die intendierte Handlung geben, sie lassen sich leicht einprägen und sind in vielen Kontexten aufzufinden, unter anderem in der Werbesprache: „Alltag raus, Österreich rein!“2. Die Dynamik und die Knappheit der Formulierung lassen keinen Platz für Zweifel, der zur Schau gestellte Enthusiasmus soll geradezu ansteckend wirken. Ob diese etwas reißerische Art, das Publikum anzuwerben, immer von Erfolg gekrönt ist, sei allerdings dahingestellt.
Im Rahmen des DaF-Unterrichts können diese reduzierten Formen allerdings Schwierigkeiten bereiten, insbesondere bei der Produktion, da sie eine sichere Kenntnis von trennbaren Verben und Verbpartikeln voraussetzen. Im frankophonen Kontext stellt sich außerdem die Frage der französischen Äquivalente für solche Sätze. Da das Französische im Unterschied zum Deutschen keine trennbaren Verbpartikeln besitzt, und erst recht keine, die auch ohne Verb auftreten könnten, gibt es für diese Wendungen keine direkte Entsprechung. Bei der Übersetzung ins Französische muss also eine Lösung von Fall zu Fall gefunden werden: „Hände weg!“/„Bas les pattes!“; „Her mit dem Geld!“/„Par ici la monnaie“, „Ab ins Bett“/„Au lit!“ (cf. Bertrand 2019: 51). Bei der Übersetzung ins Deutsche treten andere Schwierigkeiten auf: Mit dem Ausruf „La porte!“ kann nämlich sowohl „Tür auf!“ als auch „Tür zu!“ gemeint sein. Hier muss der Kontext herangezogen werden, um die Bedeutung zu klären. Fest steht, dass mit dem Gebrauch dieser Wendung eine gewisse Gereiztheit mitschwingt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die verblosen Aufforderungsvarianten in ihrer Knappheit besonders gut geeignet sind, um starke Emotionen auszudrücken, die aus dem Sprechenden herauszubrechen scheinen. Ob dieser Emotionsausbruch spontan oder intentional geschieht, ist nicht immer leicht zu erkennen. Dabei können sich sowohl positive Emotionen wie Enthusiasmus, Begeisterung, Tatendrang als auch negative Emotionen wie Gereiztheit, Ärger, Wut manifestieren und die Intensität des direktiven Sprechakts verstärken.
4 Überlegungen zu einer Didaktik der Aufforderung
Wie wir aus pragmatischer Perspektive gesehen haben, sind Aufforderungen mehr als nur Imperativsätze und haben zahlreiche Realisierungsmöglichkeiten, wobei die Wahl der Formulierung zum Teil auf den emotionalen Zustand der Kommunikationsbeteiligten zurückzuführen ist. In ihrer Formvielfalt sind sie in der alltäglichen Kommunikation allgegenwärtig und in vielen Textsorten vertreten. Wie können die Lernenden das erkennen? Welche authentischen Materialien sind zu Unterrichtszwecken relevant? Wie kann dieser wichtige Sprechakt im Rahmen eines aufgabenorientierten Unterrichts behandelt werden?
Das Grammatikthema „Aufforderung“ wird im folgenden Unterrichtsvorschlag im kommunikativen Zusammenhang erarbeitet und gemäß einem realitätsbezogenen, handlungsorientierten Unterricht anhand authentischer Materialien in den Blick genommen. Im Sinne eines aufgabenorientierten Fremdsprachenunterrichts sollen neben der Inhaltsdimension die Bedeutung und Funktion der Sprache im Zentrum stehen und die Lernenden als Sprachanwender und potenzielle Diskursteilnehmer gesehen werden. Aufgrund ihres Weltwissens, ihrer bisherigen Sprach- und Lebenserfahrungen verfügen viele Lerner über die Fähigkeit, hintergründige Sprech- und Redeabsichten zu entschlüsseln, und diese Fähigkeit sollte in einem modernen, auf Kommunikation angelegten Fremdsprachenunterricht genutzt und weiterentwickelt werden: Denn Kompetenz in einer (Fremd-)Sprache heißt nicht nur, das Gesagte zu verstehen, sondern auch, das Gemeinte zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren (cf. Nieweler 2006: 167–168). Dabei gilt zu bedenken, dass nicht nur Kalkül, sondern auch (nicht rationale, weniger bewusste, spontane usw.) Emotionen in der Kommunikation eine entscheidende Rolle spielen. Schließlich ist für Emotionen ihr „gefühlter“ Kern charakteristisch – Emotionen spürt man, sie sind keine reinen Gedankeninhalte, es braucht affektives Erleben (cf. Frenzel/Stephens 2017: 20). Hierfür sollten die Lernenden sensibilisiert werden, etwa, indem sie ihre eigenen emotionalen Reaktionen auf bestimmte Äußerungen formulieren (siehe hierzu auch Punkt (2) im Unterrichtsvorschlag).1
Die Tatsache, dass es keine Eins-zu-eins-Zuordnung von Sprechabsichten zu korrespondierenden Redemitteln gibt, stellt eine potenzielle Schwierigkeit dar, sodass im Unterricht thematisiert werden sollte, dass ein Sprechakt wie die Aufforderung mit mehreren Redemitteln (in unterschiedlicher grammatikalischer Form, z.B. als Aussage, Frage, Imperativ, Infinitiv) wiedergegeben werden kann. Die Lernenden werden so dafür sensibilisiert, dass die Wahl der Redemittel von den Begleitumständen der Äußerung (Kommunikationssituation, sprechende Person, Ort, Zeit, Medium) abhängig ist.2 Mit Blick auf die Lernermotivation sind dabei von Anfang an Zweck und kommunikativer Nutzen der grammatischen Strukturen transparent zu machen – schließlich sollen diese nicht um ihrer selbst willen erlernt werden, sondern einem besseren Verständnis von Diskursen in der Fremdsprache und der Befähigung zu eigenen intentionalen Sprechhandlungen dienen.
Spracharbeit im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht
In der Fremdsprachendidaktik herrscht heute fachübergreifend Konsens, dass im Zeitalter der Kompetenzorientierung grammatikintegrierende Konzepte gefragt sind, die ein kommunikationsorientiertes, funktionales und anwendungsbezogenes, ganzheitliches Lernen fokussieren.1 Der Lehrperson kommt bei der Konzeption entsprechender Einheiten die Aufgabe zu, einen Schwerpunkt auf die für Lernende interessanten Themen und Kommunikationszusammenhänge mit lebensweltlichem Bezug zu legen, denen Redemittel und Grammatikphänomene zugeordnet werden.
Hieran besonders anschlussfähig ist das ‚task based language learning‘-Konzept, das v.a. darauf abzielt, den konkreten und persönlichen Lebensbezug beim Fremdsprachenlernen durch authentische Aufgaben herzustellen, bei denen Lernende als sie selbst agieren. Obschon kein detaillierter Konsens über die Lernaufgabe besteht, gibt es etliche Übereinstimmungen hinsichtlich ihrer Charakteristika, die hier zusammenfassend genannt werden sollen: lebensweltlicher Bezug, Handlungsorientierung, Komplexität, Outcomeorientierung, Transparenz, Inhaltsorientierung (bei gleichzeitiger Berücksichtigung formaler Aspekte der Sprache), Problemorientierung, Lernerorientierung und Offenheit (cf. Fäcke 2010: 82). Damit unterscheidet sich dieses Aufgabenverständnis deutlich von herkömmlichen Übungsaufgaben (z.B. Einsetzübungen von Verben) im Fremdsprachenunterricht. Authentische Lernaufgaben so zu strukturieren, dass sie adäquat fordern, ist besonders anspruchsvoll, wenn die außerunterrichtliche Realität in ihrer inhaltlichen Komplexität von den Lernern erfasst wird, aber nicht ohne Arbeitseinsatz bzw. unterstützende Unterrichtsarrangements in der Fremdsprache bearbeitet werden kann (Scaffolding).2 Lehrende müssen also für ihre Lerngruppen zielführende Phasen der Einübung grammatischer Strukturen mitdenken, da sie wichtig sind, um sprachliche Merkmale zu üben und zu reflektieren, aber jede Einübung sollte zu einer Anwendung, d.h. zu einer möglichst freien Aufgabe hinführen (cf. Brinitzer et al. 2016: 112). Bei der Konzeption grammatikintegrierender Lernarrangements im aufgaben- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterricht können die in Teil 3 erwähnten onomasiologischen Grammatiken eine gute Hilfe für die Unterrichtsvorbereitung sein (cf. Engel/Tertel 1993: 64–74, Buscha et al. 1998: 239–294).
5 Emotionen, (Auf-)Forderungen und Studierende in der Corona-Krise
Emotionen und Aufforderungen begegnen Lernenden häufig in ihrem analogen Alltag wie auch in der digitalen Welt, in der sie sich heute selbstverständlich bewegen. In akuten Krisenzeiten wie der globalen Corona-Pandemie erfahren sie diese verstärkt auf einer neuen und persönlich bedeutsamen Ebene. Unser aller Leben wird seit Beginn der Pandemie von medial vermittelten Diskursen verschiedenster (politischer, gesellschaftlicher …) Institutionen und Akteure geprägt und es gilt z.B. diversen Forderungen zum Einhalten von Hygienevorschriften Folge zu leisten („Hände waschen“, „Abstand halten“, „Maske tragen“ etc.). Gleichzeitig verbinden sich Aufforderungen, Sozialkontakte zu vermeiden, mit Appellen an den Gemeinsinn; auf Twitter lagen die Hashtags #BleibtZuhause und #SocialDistancingNow im Trend (cf. Pahl 2020: 27). Daneben brechen sich andere Emotionen und Forderungen in Form von Corona-Protesten Bahn, bei denen Menschen ihre Empörung darüber zum Ausdruck bringen wollen, dass die demokratischen Verfahren aus ihrer Perspektive keinen Ort für kritische Stimmen haben.1
Neben anderen Gesellschaftsgruppen sind es nicht zuletzt Lernende und Studierende selbst, die in der Corona-Krise ihre Stimme erheben und z.B. ihre Forderungen für Bildungsgerechtigkeit und angemessene Lernbedingungen artikulieren. Anfang 2021 gingen in Frankreich zahlreiche Studierende auf die Straße, um die Lehrbedingungen unter Corona anzuprangern und um für eine Gleichbehandlung von Schulen und Hochschulen zu demonstrieren. Sie klagten über psychische und finanzielle Probleme und forderten u.a. die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Universitäten.2 Auch in deutschen Universitätsstädten gab es Demonstrationen für Hilfen von der Politik. Die immer wieder in der Gesellschaft, aber auch in einzelnen Kursen kundgetane Aussage von Studierenden, dass ihre Lage in der aktuellen Corona-Pandemie nicht ausreichend wahrgenommen werde, bildet den Ausgangspunkt für die nachfolgend skizzierten Lernaufgaben. Sie stellen Ideen vor, um ein zentrales und reales Bedürfnis aus der Lebenswelt der Lernenden, nämlich gehört zu werden und Forderungen zu artikulieren, in den Unterricht hineinzutragen und darauf aufbauend landeskundliches und interkulturelles Lernen rund um den aktuellen Corona-Diskurs mit grammatischem Lernen zu verbinden.
Forderungen im Diskurs: Ein kompetenzorientierter Unterrichtsvorschlag
Diesem Lernarrangement für Fortgeschrittene liegt eine Aufgabenprogression zugrunde, bei der die Lernenden sich zunächst mit dem inhaltlich-situativen und sprachlich-kommunikativen Kontext rund um den Corona-Diskurs vertraut machen, bevor sie sprachliche Merkmale emotionaler (Auf-)Forderungen rezipieren, analysieren und schließlich selbst kreativ anwenden.
Die nachfolgend skizzierte Unterrichtssequenz wurde für Deutschlernende an der Universität entworfen und in allgemeinsprachlichen Kursen mit vorrangig inhaltlichem bzw. landeskundlichem Schwerpunkt durchgeführt.1 Germanistikstudierende belegen daneben oft auch explizit sprachbezogene Grammatikkurse. Ihre Situation unterscheidet sich also vom insgesamt eher integrativ ausgerichteten DaF-Unterricht für Lernende an weiterführenden Schulen in Frankreich.
(1) Textlektüre + Bildimpuls zum „Unwort“ des Jahres 2020 („Corona-Diktatur“)
→ Fokus: Lesen + Sprechen (Erarbeitung des Kontextwissens – Sprachkritik)
Ausgehend von einem Brainstorming (Was ist ein „Unwort“? Was könnte das „Unwort des Jahres 2020“ sein?) lesen die Studierenden den Text „Gleich zwei Begriffe zum ‚Unwort des Jahres 2020‘ gekürt“2, recherchieren unbekannte Vokabeln und erschließen den Themenwortschatz (z.B. „systemrelevant“, „Querdenker“ etc.).
Im Anschluss erklären sie mit ihren Worten, was mit dem Wort „Corona-Diktatur“ gemeint ist und reflektieren, ob es ein vergleichbares Konzept für das „Unwort des Jahres“ oder ein Äquivalent für „Corona-Diktatur“ in ihrer Sprache gibt.3 Der textbegleitende Bildimpuls (Protestierende halten ein Transparent mit den Worten „Diktatur im Deckmantel der Gesundheit – wacht auf“ in die Höhe) konfrontiert sie zugleich implizit mit dem Empörungsmotiv und einer emotionalen Aufforderung.
(2) Aufgabe zur Untersuchung von Aufforderungen und Emotionen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie
→ Fokus: Recherche + Schreiben (Zitate-Collage – Forderungen im Diskurs)
Die Lernenden recherchieren Quellen, die auf Sender-Seite (Auf-)Forderungen enthalten – und die auf Empfänger-Seite emotionale Reaktionen bewirken können.4 Sie beschreiben, was die Äußerungen bei ihnen hervorrufen und wie man darauf reagieren könnte. Gerade die Aufforderungen im Infinitiv und die verblose Variante, die auf Transparenten bei Demonstrationen äußerst beliebt sind, eignen sich sehr gut, um das emotionale Potenzial von Aufforderungen zu beleuchten (siehe hierzu auch die ausführliche Beschreibung dieser Varianten im theoretischen Teil 3 dieses Beitrags).
(3) Aufgabe zur Systematisierung von Grammatik und Wortschatz
→ Fokus: Förderung der Sprachbewusstheit + Einübung sprachlicher Mittel
Anhand der recherchierten Beispiele ist nun zu analysieren, wie Aufforderungen sprachlich realisiert werden und mit welchen Emotionen sie verbunden sind. Im Sinne des konstruktivistischen und kooperativen Lernens kann diese individuell vorbereitete Aktivität gut als Partner-/Gruppenarbeit fortgeführt werden. Um die Lernenden mit grundlegenden Überlegungen aus der Kommunikationstheorie vertraut zu machen, bietet es sich an, vorab das „Sender-Empfänger-Modell“ zu thematisieren;5 außerdem sollte die Analyse von Sprechakten im gemeinsamen Unterrichtsgespräch modellhaft eingeübt werden. Zusätzlich können unterstützende Lernangebote (Scaffolding) bereitgestellt werden, z.B. ein Arbeitsblatt zur Pragmatik der Aufforderung mit dem Analyseraster eines konkreten Beispiels, das die sprachliche Realisierung der Sprechhandlung und den paraverbalen Kontext einschließt oder eine tabellarische Übersicht über die Hauptvarianten von Aufforderungen (siehe hierzu auch die Tabelle in Teil 3 dieses Beitrags „Einblick in einige Aufforderungsvarianten“).
(4) Aufgabe zur Integration der einzeln bearbeiteten Kompetenzaspekte
→ Fokus: Sprechen + Schreiben (kreative Textarbeit)
Die Lernenden formulieren selbst (Auf-)Forderungen aus ihrer Sicht als junge Menschen bzw. Studierende, mit denen sie ihre Wünsche und Bedürfnisse in der Corona-Pandemie ausdrücken. Adressierung und sprachliche Realisierungsformen sind frei wählbar; wichtig ist aber, klare Forderungen zu stellen. Als Impuls (interkulturelles Lernmoment, Perspektivenwechsel) ist es interessant, die Situation von Studierenden im deutschsprachigen Raum vergleichend einzubeziehen.6 Ziel der Aufgabe ist es, in Gruppenarbeit einen studentischen Forderungskatalog (z.B. als Plakat)7 zu erarbeiten und zu präsentieren. Dazu diskutieren die Studierenden ihre Forderungen, versprachlichen diese mithilfe der kennengelernten grammatischen Strukturen und üben, diese überzeugend vorzutragen.8 In der Präsentationsphase können einzelne Forderungen hinterfragt bzw. zur Abstimmung gestellt werden. So forderte eine Arbeitsgruppe im konkreten Unterrichtsversuch, die sich selbst „Die empörten und überzeugenden Studenten“ nannte, nachdrücklich in Slogan-Form: „Die UB wieder aufmachen!“, „Präsenzunterricht zurück!“, „Finanzielle Hilfe!“, „Besseres Internet für alle!“ Weitere eifrig diskutierte Forderungen waren z.B.: „Jetzt werden kostenlose Mahlzeiten verteilt!“, „Mehr sozialen Kontakt mit anderen Studenten!“, „Haben Sie mehr Verständnis!“, „Etablieren Sie bitte psychologische Hilfe mit Hotlines und Sensibilisierung!“, „Kommunikation zwischen den Lehrern!“, „Rücksicht auf neue Studis: Erstsemester oder Erasmus-Studierende, die noch kein Netz haben“ etc.
(5) Weiterführende kreative Anschlussaufgaben (Textproduktion)
→ Fokus: Schreiben + individuelle Reflexion, eventuell Leistungskontrolle
Als Abschluss der Unterrichtseinheit und Transfer bieten sich Aufgaben zur kreativen Textproduktion an, diese sind mit unterschiedlichen Akzentuierungen denkbar, z.B. Schreiben Sie einen Brief … an den Universitätspräsidenten, in dem Sie Ihre Studiensituation schildern und Ihre aktuellen Forderungen artikulieren / … an eine/n Freund/in, der/die an einer Hochschule in Deutschland studiert und vergleichen Sie die Studiensituation/studentischen Forderungen in beiden Ländern etc.
6 Fazit und Ausblick
Ein Anliegen dieses Artikels war es, die besondere und bislang kaum eingehend beleuchtete emotionale Komponente von Aufforderungen herauszuarbeiten. Der praktische unterrichtsbezogene Teil machte zudem deutlich, dass dieses Thema für Lernende besonders motivierend ist, wenn sie auf Basis ihrer Lebenserfahrungen eigene (emotionale) Forderungen selbst formulieren können.
Von Anfang an stand bei der Unterrichtseinheit das Bewusstsein, dass das Thema „(Auf-)Forderungen in der Corona-Krise“ besonders viel Sensibilität seitens der Lehrperson, aber auch der Lernenden untereinander verlangt: unterschiedliche Dispositionen, Emotionen, eventuell auch schwierige persönliche Situationen und psychische Probleme sind bei einem Unterricht zu diesem Thema mitzudenken. Der Unterrichtsgegenstand sollte daher mit besonderem Augenmaß in einem angemessenen zeitlichen Rahmen behandelt werden, je nach Voraussetzungen und Bedürfnissen der Lernenden.
In der Unterrichtseinheit wurde deutlich, dass der Ansatz der Aufgabenorientierung besonders für fortgeschrittene Fremdsprachennutzer weiterführendes inhaltliches und sprachliches Lernpotential bietet. Bei der Erschließung der grammatischen Inhalte in den skizzierten komplexen Lernaufgaben zeigte sich einmal mehr, wie wichtig der sinnvolle Wechsel von kooperativen Lernformen und individuellen Lernarrangements für eine abwechslungsreiche und motivierende Unterrichtsgestaltung ist. Gerade bei diesem emotionalen Thema, das die Lernenden auch in ihrem täglichen Leben beschäftigt, erwies sich eine angstfreie, produktive Arbeitsatmosphäre in der Lerngruppe als entscheidend für die Aufrechterhaltung der Lernermotivation.
Grammatische Übungen zu gestalten, ist für gut ausgebildete, erfahrene Lehrerinnen und Lehrer eine relativ leichte Angelegenheit – wenn irgendetwas bei der Unterrichtspraxis als „leicht“ angesehen werden darf. Ausgehend von einer kommunikativen Unterrichtssequenz, die aktuelle Themen (z.B. Corona-Pandemie1) behandelt, zu einer interaktiven Sprachreflexion überzugehen, ohne dabei den thematischen Faden – und die Motivation der Gruppe – zu verlieren, sodass am Ende die gesamte Sequenz eine in sich kohärente „runde Sache“ zur Zufriedenheit aller Beteiligten ergibt, ja, das ist eine ganz andere Angelegenheit.
Diese Herausforderung stellt sich umso mehr, wenn man bedenkt, dass unsere Studierenden es nicht gewohnt sind, auch wenn sie ein relativ gutes Sprachniveau erreicht haben und sich auf Deutsch schon gut verständigen (cf. Schnitzer 2020). Die Unterrichtssequenz hat gezeigt, dass die Sensibilisierung für verschiedene sprachliche Aufforderungsvarianten durchaus sinnvoll ist, solange sie nicht als „theoretische Trockenübung“ in Lehrbuchmanier vermittelt wird, sondern an echte, lebensnahe Diskurse der Lerner anknüpft. Dann kann das Thema gerade für fortgeschrittene Fremdsprachenlerner einen Beitrag dazu leisten, einen souveränen Umgang mit Sprache zu erlernen – und damit zugleich ihr Sprachbewusstsein zu schärfen.