Kitabı oku: «GegenStandpunkt 3-17»

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Inhaltsverzeichnis

Chronik (1) ‚Honesty first!‘: Trump renoviert die moralischen Standards demokratischer Herrschaft

I. Trumps erste vollständig besetzte Kabinettssitzung

II. Eine Pro-Trump-Kundgebung in Iowa

III. Fortschritte im Kampf um schärfere Immigrationsgesetze

IV. Der Kampf gegen die ‚mainstream media‘ geht weiter

V. Feier der französisch-amerikanischen Freundschaft

VI. Die ‚Russland-Affäre‘ geht weiter

VII. Die Einweihung des größten Flugzeugträgers der Welt

VIII. Die Reform des amerikanischen Gesundheitswesens scheitert

IX. Trump sortiert sein Personal neu

X. Aufmarsch und Anschlag der Rechten in Charlottesville

XI. Bannon gefeuert, Nation-Building in Afghanistan storniert

Chronik (2) Ein Blick in den Frühsommer des Superwahljahres: Völker tun das Richtige – geht doch!

1. People

2. Peuple

3. Народ

4. Bloß ‚il popolo‘ tanzt mal wieder aus der Reihe

Chronik (3) Das Betriebsrentenstärkungsgesetz: Ein Etappensieg im Kampf des Sozialstaats für ein Leben im Alter

Chronik (4) Das ‚Potsdamer Modell‘ der IG BCE und die Ausdehnungsvereinbarung der IG Metall in Sachen Zeitarbeit: Kleine aber feine Fortschritte deutscher Tarifpolitik

Das ‚Potsdamer Modell‘

Der Tarifvertrag der IG Metall zur Zeitarbeit

Chronik (5) Wahlkampf und Wahlwerbung: Eine Ansammlung von Argumenten gegen das Herzstück der Demokratie

„America first!“ in Aktion – und die ersten Wirkungen

(I) Trump sagt den Klimawandel ab Der neue Leitfaden für die globale Energiepolitik

1.

2.

(II) Trump macht sich an die Renovierung der europäischen Energieversorgung

1. Anti-deutsche Avancen Trumps an Polen

2. Nord Stream 2 – ein Kapitel deutscher Energie-Imperialismus

Fortschritte bei der Unterordnung Russlands unter die deutsch-europäische Energiepolitik

Der freundliche Umgang mit der Ukraine

Fortschritte bei der Instrumentalisierung der EU für deutsche Energieinteressen

3. Mit fairen Deals den europäischen Gasmarkt okkupieren, Deutschland und Russland schädigen, die EU zersetzen und neue pro-amerikanische Abhängigkeiten stiften

(III) Eine interessante Tagesordnung für den G20-Gipfel anno 2017 Europa ringt um seine Antworten auf Trumps Amerika

1. Kein Gipfel wie jeder andere

2. „Freihandel“ versus „Protektionismus“

3. Der Kampf der EU ums passende Klima für die Rettung des Klimas

(IV) Amerikanisch-polnische Völkerfreundschaft Die Eröffnung neuer Perspektiven für Polen dank Trump

Polen in der „Falle“ der EU

Freiheitskampf gegen Brüssel, Postkommunisten, vaterlandslose Eliten und Globalisierer

Der besondere deutsch-polnische Streitfall Nord Stream 2

Mit der Trump-Politik verschieben sich für Polen die Kräfteverhältnisse in Europa

Der Streit mit Europa um Rechtsstaatlichkeit

Wer verdient warum wie viel? Gegen den Moralismus in der Einkommensfrage Die Ideologie von den gerechten Einkommensunterschieden

Von wegen Leistung

Von wegen Fähigkeit

Von wegen Ausbildung

Von wegen ‚jedem das Seine!‘

Die Idee der Einkommensgerechtigkeit – alles andere als eine Einkommensquelle!

Zur (Un-)Gleichung zwischen Verdienst und Verdienst

a)

b)

c)

d)

e)

f)

Das System der freien Konkurrenz und sein Inhalt

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Die Konkurrenz der Kapitalisten – Übersicht

Die Konkurrenz der Kapitalisten Kapitel I Die elementaren Bestimmungen des kapitalistischen Geschäfts: Gesellschaftliche Produktion für privaten Gewinn§ 1 Die Tätigkeit des industriellen Kapitalisten1. Geldvermehrung als Zweck der Produktion – Lohnkosten als Schranke der Rentabilität, Arbeitsleistung als ihr Mittel

Zusatz

2. Außerökonomische Voraussetzungen des Geschäfts, das seine Notwendigkeit und seine Macht auf die Leistungen politischer Gewalt gründet

§ 2 Der Markt

1. Keine Wirtschaftsweise, sondern die Zirkulation des Kapitals

2. Konkurrenz um die Erzielung lohnender Preise

3. Angebot und Nachfrage: Vom freien Spiel der Kräfte und seinem Inhalt

4. Der „Arbeitsmarkt“

§ 3 Der bürgerliche Staat

Im Innern

1. Ein Gewaltmonopol für die freie Konkurrenz

2. Freiheit und Gleichheit: Der Schutz von Person und Eigentum

3. Ein Rechtsstaat für alle Klassen von Staatsbürgern

4. Die ökonomische Ausstattung der Macht

Nach außen

1. Souveränität nach außen: Territorialisierung des Geschäfts

2. Von der Unabhängigkeit des Volkes

3. Militär

§ 4 Der kommerzielle Kredit

1. Kontinuität und Effektivität produktiver Geldvermehrung als Liquiditätsproblem und dessen Lösung

2. Das Vertrauen auf kontinuierlichen Geschäftserfolg der Konkurrenten als Quelle benötigter Liquidität, also als Mittel zur Herbeiführung des antizipierten Geschäftserfolgs

Zusatz

3. Produktivkraft und Risiko des Vertrauens von Gläubigern wie Schuldnern auf die Geschäfte der ganzen Zunft

§ 5 Die staatliche Betreuung der Konkurrenz, die sich des Kredits bedient: Rechtsschutz für das Eigentum, das durch die Verwendung von Zahlungsversprechen als Geld gefährdet wird

§ 6 Notwendig falsches Bewusstsein über Geld, Gewinn, Eigentum, Markt und Staat; gewöhnlich sowie wissenschaftlich

1. Grundmuster der Würdigung, die die Einkommensquelle Kapital erfährt: Die Beschwörung von Leistungen, die mit dem Zweck nichts zu tun haben, ihn aber gutheißen

2. Die ‚Schattenseiten‘ als Problem: arm/reich, Verteilung, Knappheit/Maßlosigkeit

3. Die BWL: Marktwirtschaft als Inventar von Faktoren, mit denen resp. über die ein Unternehmen disponiert, also im Sinne seines „ökonomischen Prinzips“ Entscheidungen zu treffen hat

© 2017 GegenStandpunkt Verlag

Chronik (1)
‚Honesty first!‘
Trump renoviert die moralischen Standards demokratischer Herrschaft

Seit Anfang des Jahres hat die Supermacht einen neuen Chef. Seitdem setzt der Fakten, nicht nur weltpolitischer Art. Auch mit seinem ‚Politikstil‘ setzt er Maßstäbe; für die Art, wie demokratische Regierungsmacht ausgeübt wird, wie man sich als Herrscher an sein Volk und – wie es sich für eine Supermacht gehört, die eine ganze Weltordnung definiert – an die Völker der ganzen Welt wendet. Das tut im Grunde jeder amerikanische Präsident, man muss nur an Trumps unmittelbaren Vorgänger denken; doch Donald Trump ist schon etwas Besonderes. Für die Sitten, die er pflegt, und die politischen Anstandsregeln, die er prägt, halten die journalistischen Vertreter der Weltbevölkerung zwei eng verwandte Prädikate bereit: unanständig und undemokratisch. Die GegenStandpunkt-Redaktion will den neuen Bewohner des Weißen Hauses nicht anständiger machen, als er ist. Aber ein Blick auf seine Amtsführung im vergangenen Quartal zeigt recht deutlich: Un- oder gar anti-demokratisch ist an Trumps herrschaftlichem Stil nichts; und die Maßstäbe, die die Wächter des demokratischen Anstands gegen Trump in Anschlag bringen, sind um keinen Deut besser.

I.

Knapp fünf Monate nach seiner Amtseinführung hält Trump seine erste vollständig besetzte Kabinettssitzung ab; und weil auch Vertreter der Presse dabei sind und die Kameras laufen, ergreift er die Gelegenheit, den Bürgern zu erklären, warum seine bisherige Politik für sie so großartig ist. Dafür müssen die sich zunächst in seine Lage versetzen und die äußerst schwierigen Bedingungen zur Kenntnis nehmen, unter denen er ihre Lebensbedingungen neu zu bestimmen sucht. Er hat es nämlich mit lauter oppositionellen Demokraten zu tun, die ihm nur Steine in den Weg legen wollen: „Ich nenne sie ‚Quertreiber‘ (obstructionists) – traurig.“ Sie haben die Bestätigung seiner Kabinettsmitglieder in beispielloser Weise verschleppt, schenken ihm keine einzige Stimme bei der Reform des Gesundheitswesens und stellen überhaupt seine Großartigkeit als Präsident in Frage. Umso beeindruckender – so Trumps Botschaft an die Nation – ist sein Machtgebrauch bislang gewesen. Er listet seine vielen Versprechen auf, versichert den Zuschauern, bei der Abarbeitung der Liste trotz aller Hindernisse erstaunlich weit gekommen zu sein, und gelangt dann zur folgenden Bilanz:

„Ich würde sagen, es hat noch nie einen Präsidenten gegeben – mit wenigen Ausnahmen: Roosevelt hatte eine große Wirtschaftskrise zu bewältigen –, der mehr Gesetze beschlossen und überhaupt mehr getan hat in so kurzer Zeit... Ich denke, wir sind so aktiv wie irgend möglich gewesen, in beinahe rekordverdächtigem Tempo.“ (12.6.17)

Das ist toll: Mit seiner Agenda kommt Trump bestens voran – schneller als die vorangegangenen präsidentiellen Machthaber mit ihrer jeweiligen Agenda. Dieser Leistungsvergleich ist schon eigenartig. Immerhin ist dieser Präsident angetreten, das verhasste Establishment in Washington zu bekämpfen, dessen volksverratende Politik zu stornieren und mit der strikten Anwendung des Prinzips „America first!“ dem Recht des amerikanischen Volks endlich zu entsprechen. Doch in diesem selbstbeweihräuchernden Vergleich – den Trump übrigens nicht nur beim Auftakt seiner ersten Kabinettssitzung, sondern bei jeder Gelegenheit wiederholt, der also für ihn irgendwie der maßgebliche zu sein scheint – braucht vom Inhalt der Politik, die ihn von seinen Vorgängern abheben sollte, gar nicht mehr die Rede zu sein. Er drückt vielmehr auf die schiere Menge seines Machtgebrauchs, auf seine Tatkraft sans phrase. Genauso wenig braucht er den Inhalt der Einwände zu erwähnen, die die „Quertreiber“ in der Opposition gegen ihn richten; sie stehen gegen ihn, also für gar nichts. Als wollte er einmal möglichst deutlich auf den Begriff bringen, wie schlicht, brutal und auf immer und ewig gleichbleibend der Wille eines demokratisch mündigen Volkes verfasst ist, dem die politische Herrschaft zu dienen verspricht: Jenseits dessen, was die Mitglieder dieses Kollektivs von der Regierung für sich jeweils wollen, brauchen und sich versprechen, werden sie als Volk alle gleichermaßen dann und dadurch bedient, dass möglichst extensiv und intensiv regiert wird. Kurz: Volk braucht Herrschaft, Herrschaft muss liefern – diesen Grundsatz demokratischer Politik bringt Trump in seiner Selbstverherrlichung auf den Punkt.

Und als wollten Trumps politische Gegner und journalistische Kritiker ihm in diesem Grundsatz voll und ganz Recht geben, rechnen sie ihm mit beeindruckender Akribie vor, wie wenig er von seiner eigenen Agenda bislang abgearbeitet hat: kein Rekord, höchstens Mittelmaß, lächerlich im Verhältnis zu Menge und Qualität seiner eigenen Wahlversprechen. Auch das ist eine seltsame Abrechnung mit Trumps bisherigem Werk. Schließlich halten diese Kritiker von seinem Programm gar nichts und drücken ihm bei der Umsetzung gewiss nicht die Daumen. Ihre Kritik zeugt immerhin vom festen Platz der Heuchelei in der Demokratie: Ihre Parteinahme gegen den gewählten Präsidenten wollen sie dadurch ins Recht setzen, dass sie gegen ihn das garantiert überparteiliche Kriterium geltend machen, wonach die Qualität einer Regierung sich daran bemisst, wie viel Politik sie macht und inwieweit sie das Programm erfolgreich umsetzt, das sie sich vornimmt und der Gesellschaft aufherrscht. Ihre diesbezügliche Fehlanzeige unterstellt im Übrigen ebenso selbstverständlich wie das Selbstlob Trumps bei der Präsentation seines Kabinetts die Gleichung zwischen der Ausübung von Macht über die Leute und für die Leute. Die braucht Amerikas reifen demokratischen Bürgern gar nicht erklärt zu werden: Das Quantum Machtgebrauch ist das entscheidende Argument in der politischen Konkurrenz um Zustimmung oder Nicht-Zustimmung der Regierten zu ihrer Obrigkeit; davon gehen alle Seiten aus.

Für Aufregung sorgt Trumps erste Kabinettssitzung allerdings gar nicht wegen dieses einleitenden Selbstlobs des Präsidenten, sondern wegen der Fortsetzung, die das Treffen nimmt: Es hatte sich wohl auch im neuen Kabinett herumgesprochen, dass der neue Chef eine besondere Schwäche für öffentliche Lobpreisungen hat und dass man als Co-Machthaber gut daran tut, sich bei ihm rechtzeitig einzuschleimen. Also ergreifen Trumps Kabinettsmitglieder die Gelegenheit, Trump vor laufender Kamera in seinem Selbstlob ausgiebig Recht zu geben und jeweils auf ihre Art zu beteuern, welch große Ehre es sei, einem so hyperaktiven Präsidenten zu dienen. Eine echte historische Neuheit im demokratischen Politikbetrieb – könnte man jedenfalls meinen angesichts des Raunens und Gruselns in Redaktionsstuben auf beiden Seiten des Atlantiks nach diesem zwanzigfachen öffentlichen Kniefall. Sie hatten wohl erwartet, dass Trumps Mitarbeiter ihre nationale Pflicht anders, nämlich nach der Stellenbeschreibung der Trump-Kritiker wahrnehmen würden, indem sie reihum erläutern, wie sie ihren Boss im Namen der Demokratie und des Friedens ordentlich in Schach zu halten gedenken und dass sie nur unter dieser Bedingung und äußerst widerwillig ihre Posten antreten. Dass ein Präsident andererseits seine Mannschaft im Griff haben und aus ihr eine treue Gefolgschaft formen muss, die reibungslos funktioniert bzw. den glaubwürdigen Eindruck von Eintracht in der Regierungszentrale vermittelt: Darauf besteht die Presse, die bei dieser Gelegenheit ihrer Schadenfreude freien Lauf lässt: Hinter der Fassade der widerlichen Verehrung herrsche in Wahrheit beispiellose Zwietracht im Weißen Haus, sodass zum generellen „Versagen“ des Chefs bei der Machtausübung ein einziges „Chaos“ in der volksdienlichen Machtzentrale dazukommt – eine kritische Parteinahme für effektives Regieren, mit der die Profis der Öffentlichkeit ihre demokratische Reife bezeugen.

II.

Eine Woche später versammelt Trumps PR-Abteilung einige tausend Anhänger in einer großen Halle für eine Pro-Trump-Kundgebung in Iowa. Das positive Echo, das der Chef von seinen offiziellen Angestellten bekommt, ist ihm vielleicht doch zu schal, wiegt jedenfalls das negative Echo nicht auf, das ihm aus allen Ecken der Hauptstadt entgegenschallt. In diesem Sinne begrüßt er sein Publikum mit einem Statement direkt aus dem Herzen:

„Es ist immer schön, dem Sumpf in Washington entkommen zu können und mit den wirklich hart arbeitenden Menschen Zeit zu verbringen. Die nennen wir amerikanische Patrioten.“ (21.6.17)

Dass das Bad in der Menge Trump gut tut, ist verständlich, bekommt er damit doch die Großartigkeit seiner Politik unmittelbar und spürbar zurückgespiegelt: als Zustimmung bzw. fanatische Liebe zu seiner Person. Und so sehr die Demokratie als System auf die ‚checks and balances‘ Wert legt, die der Willkür von einzelnen Politikern eine enge Grenze ziehen, so sehr schätzen gerade Demokraten den Personenkult um den geliebten Führer. Nichts anderes organisiert eine Wahl, in der sich alles um die Großartigkeit von Führungspersönlichkeiten und welchen, die es werden wollen, dreht. Der Einheit zwischen dem obersten Regierungssubjekt und seinen Regierten ist es gewiss auch dienlich, wenn der Präsident sich mit seinem Publikum derart gemein macht, und zwar in der probaten Form einer ideellen Verbundenheit in der Feindschaft gegen einen gemeinsamen Gegner. Schon darin steckt freilich die kleine, aber entscheidende reelle Differenz: Für Trump ist Washington der Wohnort nicht bloß seiner Gegner, deren Amtswahrnehmung ihm nicht passt, sondern auch des Machtapparats, an dessen Spitze er selber steht. Die zelebrierte Einheit zwischen Trump und dem Publikum, das ihn umgibt, muss also ein wenig präzisiert werden: In den jubelnden Massen hat Trump eine von ihm mobilisierte und in Anspruch genommene Berufungsinstanz für den Machtgebrauch, den er ansagt. Und der besteht trotz aller Aggressivität seiner Rhetorik gar nicht darin, „den Sumpf“ in dem Sinne „trockenzulegen“, dass er den politischen Betrieb in Washington bekämpft, sondern darin, die dort beheimatete Staatsgewalt voll und ganz im eigenen Sinne zu verwenden. Mit seiner Beschimpfung des Politikbetriebs in Washington, mit dem seine Anhänger unzufriedener nicht sein könnten, hat Trump eine fix und fertige Erklärung für jegliche zukünftige Unzufriedenheit, zu der sie sich veranlasst sehen mögen: Mit Trump selbst und seiner Amtsführung hat das nichts zu tun; die Schwierigkeiten, die das Regieren ihnen bereitet, liegen vielmehr an den Schwierigkeiten, die ihm bereitet werden; er selbst gehört nicht zum Sumpf, er wohnt bzw. herrscht nur dort. Und umgekehrt: Alle Angriffe, mit denen Trump es zu tun bekommt, sind Angriffe auf seine Anhänger, das gute Volk.

Das ist, demokratisch gesehen, schon genial. Trump nimmt damit den Standpunkt der Herrschaft und der Betroffenen ein und pflegt die geheuchelten Argumentationsmuster von Regierung und Opposition zugleich. Als der regierende Machthaber wirbt er mit der puren Tatkraft seiner Herrschaft für sich; als Gegner und Opfer des Washingtoner Establishments ist er Mit-Opfer, also Verbündeter in jeder Unzufriedenheit mit der Herrschaft, der er vorsteht. Außerdem hat Trump seinen angereisten Patrioten zwei handfeste Argumente zu bieten, warum sie ihn zum Sumpf nicht dazurechnen sollten, er ihre frenetische Anerkennung vielmehr redlich verdient hat: Neben der Beschwörung seiner schieren Tatkraft, die auch an diesem Abend nicht zu kurz kommt, und der unfairen Hindernisse, mit denen er konfrontiert wird, ist da erstens die Menge der Anhänger zu erwähnen, die so gutwillig seine Selbstdarstellung aufnehmen: „Schaut euch die Größe dieser Menge an!“ Zweitens haben einige von ihm selbst geförderte Kandidaten Wahlsiege eingefahren – trotz des enormen Aufwands, den die oppositionellen Demokraten in diesen Wahlkämpfen betrieben haben, und trotz der Attacken, die sie täglich gegen Trump und seine Mannschaft richten:

„Sie veranstalten eine Hexenjagd gegen uns, sie haben alles Mögliche gegen uns laufen, aber wir siegen, siegen, siegen.“ (Ebd.)

Ein recht produktiver und schon wieder erzdemokratischer Zirkel: Erfolg bei der Einholung der Zustimmung des Volkes – bei solchen Kundgebungen und in echten Wahlen – berechtigt zu weiteren Erfolgen und zur Zustimmung zu den Maßnahmen, die es noch umzusetzen gilt. Das Regieren kann weitergehen, die Opfer stehen hinter ihm.

III.

In diesem Sinne fängt auch die nächste Woche gut an. Trump bekommt Recht, nicht nur von seinen Mitarbeitern und seinen Fans, sondern auch vom höchsten Gericht des Landes, in einem seiner zentralen Vorhaben: dem Kampf um schärfere Immigrationsgesetze. Die von Berufungsgerichten verordnete Aufhebung seines zeitweiligen Einreiseverbots für Menschen aus sechs mehrheitlich muslimischen Ländern wird rückgängig gemacht und das Gesetz in Kraft gesetzt, jedenfalls vorläufig und mit Einschränkungen: Wer eine ‚echte‘ – ‚bona fide‘ – Beziehung zu einem US-Bürger oder einer US-Institution nachweisen kann, darf nach wie vor einreisen; im Herbst wird dann endgültig über die Verfassungskonformität der Maßnahme befunden.

Das ist ein besonders süßer Sieg für Trump, der sich mit seinem Dekret nicht nur allerlei Empörung aus der Bevölkerung und – deutlich gewichtiger – aus entscheidenden Abteilungen der nationalen Wirtschaft eingehandelt hatte, sondern auch den handfesten Widerspruch der Judikative. Die Zurückweisung hat Trump sich keine Sekunde lang gefallen lassen; er hat dem betreffenden – „sogenannten“ – Richter die berufliche Eignung abgesprochen und sich dann entgegen den Ratschlägen seiner Berater geweigert, bei seiner Werbung für die Maßnahme das Wort „Verbot“ nicht in den Mund zu nehmen und seine Angriffe auf die „political correctness“ der Kritiker einzustellen, damit sein Vorhaben nicht endgültig als Fall von religiöser Diskriminierung abgewiesen wird. Er solle stattdessen eine „vorläufige Einreisepause“ beschließen und sie rein mit Verweis auf Notwendigkeiten der nationalen Sicherheit verteidigen, so die Empfehlung. Derlei opportunistische Spitzfindigkeiten sind Trump allerdings zuwider; ihm geht es erkennbar ums Prinzip: Wenn die nationale Sicherheit schon über alles geht, was auch keiner seiner Kritiker leugnen mag, dann gilt dieses Heiligtum eben absolut; dann ist die flächendeckende Ausgrenzung als gefährlich eingestufter Ausländer keine Maßnahme, die es gegen andere Rechts- und sonstige Güter abzuwägen gilt, sondern der unverrückbare Orientierungspunkt für alle sonstigen Erwägungen. Dieses Prinzip darf sich nicht an der bestehenden Rechtslage, an den Bedürfnissen des anderen nationalen Heiligtums namens ‚die Wirtschaft‘ und schon gar nicht an demokratischen Befindlichkeiten in puncto Diskriminierung relativieren. Im Gegenteil: Die Notwendigkeiten der nationalen Sicherheit sollten die Rechtslage definieren, die die Richter schlicht durchzusetzen haben; sie bestimmen den festen Rahmen, innerhalb dessen die Wirtschaft ihren Bedarf nach Arbeitskräften überhaupt entwickelt; und sie bilden schließlich die verbindliche Leitplanke für die nationale Sittlichkeit – für die Art, wie ein Amerikaner Ausländer zu bewerten und ideell zu sortieren hat, für wen man sein Herz öffnet, wen man in seiner Heimat willkommen heißt, bei wem man in Sachen Religion liberal bleibt – und bei wem eben nicht.

Das muss man Trump schon lassen: Mit seiner konsequenten Weigerung, auch nur ein Jota von seinem Vorhaben und seiner Werbung für dasselbe zurückzunehmen, sorgt er für Klarheit im Verhältnis zwischen der bürgerlichen Staatsgewalt und der Gesellschaft, über die sie herrscht. Die Unangefochtenheit der staatlichen Souveränität ist die Prämisse des nationalen Lebens; sie geht absolut vor, gilt vor den Regeln und der Sittlichkeit des Gemeinwesens, und muss gelegentlich auch gegen den nationalen ‚way of life‘ geltend gemacht werden. Die Gleichbehandlung aller Menschen als Konkurrenten um Geld, die sich nur daran scheiden sollen – daran allerdings umso gründlicher –, wie weit sie es in dieser Konkurrenz bringen, und die Freiheit aller Menschen, sich auf ihren Erfolg oder Misserfolg ihren privaten, öfters religiösen Reim zu machen, gelten nur so weit, wie die diese Konkurrenz ordnende Staatsgewalt ihre Souveränität unangefochten respektiert sieht; und darüber entscheidet noch allemal sie selbst, also ihr Chef, und der gemäß seinen Prioritäten. Damit handelt sich Trump den Vorwurf ein, gegen das ganze Wesen Amerikas zu verstoßen, das von hart arbeitenden Einwanderern aufgebaut wurde und das seinen einmaligen Erfolg ihrer harten Arbeit, ihrem Erfindungsreichtum und ihrem finanziellen Geschick verdankt; ihnen hat das Land seine Türe doch stets geöffnet und ihre privaten Fimmel stets erlaubt, und es erntet die Früchte bis heute. Dieser Beschönigung der äußerst produktiven amerikanischen Klassengesellschaft und ihres weltanschaulichen Liberalismus setzt Trump keinen Einspruch in dem Sinne, vielmehr eine ergänzende Klarstellung entgegen: Dieser Staat mag ein Land der Einwanderer regieren, aber er lässt sich in seiner Politik und in seinem Sicherheitsbedarf nicht von Leuten beeinflussen, die ihm zuströmen, sich auf seinem Gebiet niederlassen, reich werden wollen, irgendwie über die Runden kommen müssen, dabei ganze Kommunen bevölkern und ‚Communities‘ pflegen. Der Staat greift vielmehr ganz nach eigenem Kalkül auf die Leute zu, die er braucht und will, und schmeißt die andern raus.

In diesem Sinne sorgt Trump einige Wochen später für zusätzliche Klarheit mit seinem Vorhaben, erstens auch die legale Immigration in die USA erheblich einzuschränken und zweitens zu einer ‚merit-based‘ Einwanderungspolitik zu wechseln, die auf bestimmte, höhere Qualifikationen Wert legt. Der Staat – dies der politische Gehalt von Trumps Klarstellung – lässt die Menschen zur schönen Welt der Gleichheit der Konkurrenz nach eigenem Bedarf zu; und damit beharrt er auf der Diskriminierung, die jeder demokratische Staat tagein, tagaus vollzieht: zwischen denen, die Inländer sind, und denen, die es nur werden wollen. Und es ist offenbar die leichteste Übung, auch diese Scheidung als Tribut an das Gebot der Mitmenschlichkeit zu rechtfertigen, dessen Missachtung Trumps Kritiker ihm vorwerfen: Ihnen hält Trump die Erinnerung an die Mitmenschen entgegen, die schon hier sind und für die die armen Immigranten aus dem Süden ernstzunehmende Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt seien. Für keinen der Beteiligten an diesem erbaulichen Wertediskurs spricht dieser Hinweis gegen die staatlich geregelte Konkurrenz selbst oder gegen die Arbeitsplätze, bei denen das Elend lateinamerikanischer ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ glatt als Wettbewerbsvorteil gilt, der die Einheimischen bedroht. Im Gegenteil: Das spricht vielmehr für die Einbildung, der Zwang zur Beteiligung an dieser Konkurrenz wäre ein kostbares Privileg, an dessen Verteilung die Menschenfreundlichkeit der Politik hängt.

Trump ist da jedenfalls ganz entschieden: Die Menschen, an die er ‚first‘ denkt, sind die Amerikaner, denen er die Abhängigkeit von einem Arbeitsplatz im Dienste der Vermehrung echt amerikadienlichen Kapitals von ganzem Herzen gönnt und für deren ökonomische Existenz die anderen, die Konkurrenten von südlich der noch zu bauenden Mauer, eine Gefahr darstellen. Und in der Frage fährt Trump am gleichen Tag noch zwei Siege ein. Das Repräsentantenhaus billigt erstens härtere Strafen für kriminelle, illegal wieder eingereiste Immigranten und zweitens eine „Keine Zuflucht für Kriminelle“-Verordnung, die die Kommunen zu einem härteren Vorgehen gegen illegale Immigranten nötigen soll. Den Vorwurf, Trump habe sich damit endgültig als Rassist blamiert, der es auf Immigranten abgesehen hat, weiß Trump zu entkräften: Schon der Name für die Verschärfung des Umgangs mit straffällig gewordenen Ausländern – ‚Kate’s Law‘, nach dem Opfer eines solchen Ausländers benannt – beweist, dass es hier unmöglich um pauschale Verurteilungen gehen kann, sondern um einen pauschalen Dienst an echten Opfern von Verbrechen; und zwar von Missetaten, die sich – worin auch immer das einzelne Verbrechen jeweils besteht – vor allem dadurch auszeichnen, dass sie nicht von echten Amerikanern begangen werden. Sie sind insofern ein Beweis dafür, dass der Staat hier Angriffe aus der Fremde nicht abgewehrt hat, seine Souveränität also nicht intakt ist. Auf die Art organisiert Trump ein großes Quidproquo: Die Berufung auf die private Betroffenheit seiner Bürger für die Wiederherstellung seiner Souveränität erscheint als die Ertüchtigung der staatlichen Fähigkeit zur zukünftigen Abwehr ihrer Betroffenheit, als Dienst an unbescholtenen Bürgern, z.B. an der beautiful ‚Kate‘ und den vielen schönen amerikanischen Familien, für die die Präsenz von illegalen Immigranten eine nicht abgewehrte, obwohl hinlänglich bewiesene Lebensgefahr darstellt. Die Städte, die sich weigern, Immigranten pauschal zu verhaften und zurückzuschicken, machen sich also des Verbrechens schuldig, Verbrecher zu schützen. Verweise darauf, dass man durch die allgemeine Verfolgung aller Illegalen gerade die unschuldigen, hart arbeitenden, ihre Familien unterstützenden Illegalen jedem Verbrecher aussetzt, weil sich keiner von ihnen mehr traut, die Sicherheitsdienste der Polizei in Anspruch zu nehmen, sind so defensiv wie lächerlich. Denn genau so sind die neuen Gesetze gemeint: Die Sicherheit der Einheimischen braucht die flächendeckende Verunsicherung der Fremden – das ist keine Nebenwirkung, sondern Zweck der Sache. Eine echte legislative Errungenschaft also; die andere Kammer muss das Gesetz nur noch abnicken.

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