Kitabı oku: «Geist & Leben 2/2020», sayfa 2

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Ich ahne, dass diese dunkle Seite die Geschichte aller asketischen und mystischen Spiritualität, jedenfalls im Christentum, begleitet. Sie entspringt gerade der utopischen Kraft, etwas von Erlösung realisieren, erfahren zu wollen, etwas vom „engelgleichen Leben“ schon auf die Erde zu holen. Doch andererseits: Wäre ein Glaube ohne solche utopische Kraft nicht erstarrt zu einem reinen Bewusstseinsinhalt, einem „glauben, dass“ und „glauben an“?

Positiv gewendet: Bezieht der christliche Erlösungs-Komplex seine Kraft nicht gerade aus der Verbindung des utopischen mit dem eschatologischen Moment, d.h. aus der Verbindung der tätigen Sehnsucht nach Erfahrbarkeit und dem Glauben, ja Wissen um das Jenseits aller Erfahrung? Ausgerechnet von jenem Abbas Hesaias, den wir gerade in seiner Todesangst erlebt haben, ist auch dieses umfassende Wort überliefert: „Die Liebe ist das Flüstern zu Gott verbunden mit unablässigen Danksagungen. Gott freut sich über die Dankbarkeit. Sie ist ein Zeichen der Ruhe.“ (III 70)


1 So der Untertitel des Buches von Hans C. Zander über die Wüstenväter (ders., Als die Religion noch nicht langweilig war. Die Geschichte der Wüstenväter. Köln 2004).

2 Ich bin kein Philologe und kein Spezialist für die Alte Kirche, sondern systematischer Theologe mit einem systematischen Frageinteresse. Dankenswerterweise bietet die dreibändige Ausgabe der Apophtegmata Patrum von Erich Schweitzer in der deutschen Übersetzung stets den Hinweis auf den griechischen Originalbegriff bei uneindeutigen Zentral-Worten. So kam ich den hier entwickelten Thesen auf die Spur. Vgl. E. Schweitzer (Hrsg.), Apophtegmata Patrum. Teil I: Das Alphabetikon – Die alphabetisch-anonyme Reihe. Beuron 2012; ders., Apophtegmata Patrum. Teil II: Die Anonyma. Beuron 2012; ders., Apophtegmata Patrum. Teil III: Aus frühen Sammlungen. Beuron 2013. Zitiert werden die Apophtegmata stets aus dieser Ausgabe mit Band- und Seitenangabe.

3 Erich Schweitzer übersetzt es immer so, mitunter mit einem näher erklärenden Adjektiv. Wo im Folgenden das Wort „Ruhe“ auftaucht, ist es stets die Übersetzung von Anapausis; nur wo im Griechischen ein anderes Wort steht, wird dies vermerkt.

4 Vgl. G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch. Zugänge zur Welt des frühen Mönchtums in Ägypten. Göttingen 2010, 132.

5 R. Roux, „ Vita Antonii“ des Athanasius aus der Perspektive des Resilienz-Begriffes, in: C. Sedmak / M. Bogaczyk-Vormayr (Hrsg.), Patristik und Resilienz. Frühchristliche Einsichten in die Seelenkraft. Berlin 2012, 31–52, hier: 48.

6 H. Holze, Anapausis im anachoretischen Mönchtum und in der Gnosis. Überlegungen zur Geschichte der frühen Christenheit Ägyptens, in: ZKG 106 (1995), 1–17, hier: 1.

7 Die spirituelle Ruhe wird in der Literatur meist mit dem Wort Hesychia verbunden – weil dies in der späteren byzantinischen Theologie in der Tradition des Herzensgebetes bei den „Hesychasten“ Karriere machte. In den Apophtegmata ist Hesychia jedoch keineswegs theologisch „aufgeladener“ als Anapausis gebraucht (was ich hier aus Raumgründen nicht näher nachweisen kann).

8 So M. Bogaczyk-Vormayr, in: C. Sedmak / dies. (Hrsg.), Patristik und Resilienz, 189 f. [s. Anm. 5].

9 So die schöne Erklärung bei Schweitzer II, 471.

10 H. Holze, Anapausis, 5 [s. Anm. 6].

11 Vgl. G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 164–168 [s. Anm. 4].

12 Nicht zufällig kann anapauein mitunter auch als „befreien“ übersetzt werden; so Schweitzer in III, 52: David befreite (anapauo) Saul vom bösen Geist.

13 G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 296 f. [s. Anm. 4].

14 So H. Holze, Anapausis, 4 [s. Anm. 6].

15 G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 148 [s. Anm. 4].

16 G. Agamben, Herrschaft und Herrlichkeit. Frankfurt/M. 2010, 293. Den Bezug zum Tier greift Agamben an anderer Stelle wieder auf, wenn er vom „Sabbat sowohl des Tieres als auch des Menschen“ spricht, zu dem auch die Versöhnung des Menschen mit seiner eigenen Animalität gehört (ders., Das Offene. Der Mensch und das Tier. Frankfurt/M. 2003, 100). Dies respondiert genau auf die vielen Wüstenvätergeschichten, in denen die Mönche einvernehmlich mit wilden Tieren zusammen leben. S. dazu mein Wüstenväter-Kapitel Nackt unter Antilopen, in: S. Horstmann / T. Ruster / G. Taxacher, Alles was atmet. Eine Theologie der Tiere. Regensburg 2018, 168–183.

17 G. Agamben, Herrschaft, 297 [s. Anm. 16].

18 Ebd., 299.


Jules Monchanin

Die Mission des Katholischen und die Begegnung mit Indien

1958 wird Angelo Roncalli zum Papst gewählt und kündigt im Januar des folgenden Jahres die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils an, mit dem die katholische Kirche sich für die „Welt von heute“ öffnen und das u.a. auch ihr Verhältnis zu den anderen Weltreligionen in den Blick nehmen sollte. In der diesbezüglichen Erklärung Nostra Aetate ist über den Hinduismus folgendes niedergelegt: „So erforschen im Hinduismus die Menschen das göttliche Mysterium und drücken es in einer unerschöpflichen Fruchtbarkeit an Mythen und durch scharfsinnige Versuche der Philosophie aus, und sie suchen Befreiung aus der Beschränktheit unserer Bedingung durch aszetische Lebensformen, durch tiefe Meditation oder durch die Zuflucht zu Gott mit Liebe und Vertrauen.“ (NA 2) Schnell sind wir wohl geneigt, in diesen allgemein gehaltenen Sätzen auch nicht mehr als eine ebenso allgemein gehaltene Anerkennung des Anderen, hier des Hinduismus, seitens der Kirche zu vermuten. Das hieße jedoch unterschlagen, dass es bis zu diesem Zeitpunkt bereits tiefe spirituelle Begegnungen zwischen katholischen Christ(inn)en und Hindus gegeben hat – und dass es auch diese Erfahrungen sind, vor denen die Aussagen des Konzils zum Hinduismus gelesen werden müssen. Einer der Wegbereiter der katholischhinduistischen Begegnung war ein Jahr vor der Wahl Johannes XXIII. verstor-ben – am 10.10.1957. In seiner Wahlheimat Indien nannte er sich Swāmi Paramārūbyānandam („Wonne des höchsten gestaltlosen Einen“). Die Entscheidung von Jules Monchanin, so sein christlicher und bürgerlicher Name, im Jahr 1939 nach Indien aufzubrechen und einen Aschram (der allerdings erst 1948 entstand) zu gründen, kann leicht dazu führen, das Leben vor dieser Entscheidung zu verdecken oder zumindest als ein allein auf diesen Punkt ausgerichtetes darzustellen. Dabei ist das im Falle Monchanins keinesfalls so, sondern es ist – und das ist das Leitmotiv dieses Beitrags – die folgerichtige Suche nach der Mission des Katholischen in der Welt von heute.

Kindheit, Jugend und Studium1

Jules Monchanin wird am 10. April 1895, einem Aschermittwoch, in Fleurie (Département Rhône) in der bekannten Weingegend Beaujolais geboren. Die Familie ist wohlhabend, der Vater arbeitet als Weinhändler und ist viel unterwegs, so dass Jules und seine ältere Schwester vor allem bei der Mutter und den Großeltern aufwachsen. Der Junge ist von schwacher Gesundheit und wird Zeit seines Lebens an Asthma leiden, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass er nicht der normalen Schullaufbahn folgt, sondern Privatunterricht bekommt. Während dieser Zeit liest er schon eine Legende über das Leben Buddhas und sein besonderes Interesse für Indien erwacht. Nach zwei Jahren im kleinen Seminar von Lyon tritt er 1913 in das Lyonaiser Priesterseminar in Francheville ein. Großes Interesse und Begabung für Philosophie markieren diesen ersten Studienabschnitt, zugleich wendet er sich der Mystik und besonders Johannes vom Kreuz zu. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges muss er das Studium jedoch unterbrechen und anstelle der einberufenen Lehrer an kirchlichen Schulen unterrichten. Während dieser Zeit erarbeitet er sich einen weitgefächerten eigenen Wissenshorizont und vertieft besonders seine Kenntnisse bezüglich der Kulturen Indiens. Gleichzeitig nimmt er auch kritisch Stellung hinsichtlich aktueller Entwicklungen (z.B. in Bezug auf die teilweise ablehnende Haltung innerhalb des französischen Episkopats hinsichtlich der Friedensinitiative Benedikts XV. zur Beendigung des Krieges). Die Weite und Gründlichkeit dieses Erkenntnisgewinns führen nach der Wiederaufnahme der theologischen Studien dazu, dass er deren funktionale Engführung kritisiert und ihre „Katholizität“ gerade in der Begegnung mit allen humanistischen Werten sucht.2 Er nimmt dabei auch die zeitgenössischen Bewegungen wie z.B. den Ökumenismus, den Surrealismus, den Kommunismus, den Anti-Kolonialismus und den Zionismus in den Blick.

Priester in Lyon

Am 29. Juni 1922 wird J. Monchanin zum Priester geweiht und ist aufgrund seiner theologischen Begabung ausersehen, an der Theologischen Fakultät Lyon (Fourvière) ein Lizentiatsstudium aufzunehmen. Auf die Frage seines Direktors, was er davon erwarte, antwortet der Neugeweihte: „mich eins werden zu lassen.“3 Besondere Aufmerksamkeit legt er nun auf das Studium der Trinitätstheologie. Nach zwei Studienjahren verzichtet er jedoch zur Überraschung seiner Oberen auf ein weiterführendes Doktoratsstudium. Er beginnt seinen Dienst als Vikar in der Arbeiter-Pfarrei La Ricamarie, die in der Nähe von Saint-Étienne liegt. Nach einigen Monaten wird er dann zuerst in die Pfarrei Saint-Maurice de Montplaisir und wenig später in die Pfarrei Saint-Vincent, beide in Lyon, versetzt. Monchanin erkrankt lebensbedrohlich an einer doppelten Rippenfellentzündung und legt das Gelübde ab, sich ganz der Missionierung Indiens zu widmen, wenn er wieder gesund wird. Einige Jahre später wird er dieses Ereignis in einem Brief an eine Ordensschwester, die er begleitet, folgendermaßen beschreiben: „Vor sieben Jahren, am Passionssonntag, empfing ich die letzte Ölung und bot meinen Tod oder mein Leben für Indien an – und litt vor allem daran, in Europa zu sterben. Gott ist gut: An diesem Morgen ruft mich Indien.“4 Danach wird er Seelsorger im Waisenhaus von Balmont und etwas später Seelsorger im „Collège“ der Lazaristen. Er frequentiert das intellektuelle Leben Lyons, wird in die hiesige Gesellschaft für Philosophie aufgenommen (sein erster Vortrag handelt über komparative Mystik), zum Berater einer bioethischen Forschungsgruppe der Zeitschrift Chronique sociale bestellt und zu Treffen mit evangelischen Pastoren eingeladen. In besonderer Weise widmet er sich der Begleitung von Menschen, die ihre Berufung in der Begegnung mit anderen Kulturen sehen.5 In dieser Zeit unternimmt er zwei Reisen nach Nordafrika (Rabat/Marokko u. Bou Saada/Algerien), womit auch seine Beschäftigung mit dem Islam einhergeht. Zudem organisiert er in den Jahren 1937–38 vertrauliche Zusammenkünfte zwischen Juden und Katholiken, die in Paris stattfinden.

Indien

Trotz dieses breiten Engagements verdichtet sich seine Berufung jedoch in eine Richtung, die ihn aus dem westlich-christlichen Kontext hinausführt: Er möchte sich ganz in eine nichtchristliche Kultur hineingeben, um dort einen nichteuropäischen Ausdruck des Christentums aufkeimen zu lassen. Seine Wahl fällt – aus seinem bisherigen Interesse wohl verständlich – auf Indien und er besucht Sanskrit-Vorlesungen an der Universität Lyon. 1935 eröffnet er seinem Bischof Kardinal Maurin den Entschluss, dem Ruf nach Indien zu folgen, worauf dieser ihn jedoch erst einmal vertröstet. Erst 1938, unter Maurins Nachfolger Gerlier, kann er in die von Vincent Lebbe und André Boland gegründete „Gesellschaft der Missionshelfer“ („Société des Auxiliaires des Missions“, SAM) eintreten, um die Entsendung in eine indische Diözese zu erhalten. Zur Vorbereitung auf seine Aufgabe geht er an die Universität Louvain. Schließlich bekommt er die Zusage des Bischofs von Tiruchirappalli im Bundesstaat Tamil Nadu, James Mendonça (1892–1978). Im Mai 1939 bricht er per Schiff auf, lernt zunächst Tamilisch und ist während der nächsten zehn Jahre als Priester in der normalen Seelsorge (1940–41: Vikar in Panneipatti, 1941–42: Vikar in Kulittalai, 1943–1944: Vikar in Panjampatti, 1945–1950: Pfarrer in Kulittalai, wo er auch für eine Einsiedelei [Bhakti Aschram – Einsiedelei der Liebe] zuständig ist) der Diözese im Südosten Indiens tätig. Am 15. August 1947 wird ihm mitgeteilt, dass es noch jemanden gibt, der einen Aschram in Indien gründen möchte, „um dort das monastische Leben im Geiste des heiligen Benedikt und auf indische Art und Weise einzuführen“6: der französische Benediktiner Henri Le Saux (1910–1973), der den Diözesanbischof gebeten hat, in seiner Diözese „in einer Einsiedelei sein kontemplatives Leben zu führen, in der Absolutheit der frühen Tradition des christlichen Mönchtums und in größtmöglicher Übereinstimmung mit den Traditionen der indischen Sannyâsa“7. Ein Jahr später, am Mariä-Himmelfahrtstag 1948, der zugleich der Unabhängigkeitstag Indiens sein sollte, kommt der Mönch aus dem bretonischen Kloster Kergonan in Kulittalai an, wo Monchanin im Seelsorgeeinsatz ist. Le Saux, um einiges jünger und in seiner theologischen Ausbildung eher traditionell geprägt, und Monchanin, eher nonkonformistisch und in seiner Theologie weitgefächert, müssen zueinander finden, was nicht immer konfliktfrei geschieht. Anfang 1950 verlassen sie das Pfarrhaus und richten sich am Ufer des Kavery-Flusses (dem „Ganges des Südens“) in „Zellen“ aus Bambus und Stroh inmitten eines kleinen Wäldchens ein, das später Shāntivanam (Wald des Friedens) genannt werden wird, ein.

Der Aschram von Saccidānanda

Am 21. März 1950, dem Todestag des hl. Benedikt, wird die offizielle Gründung des Aschrams mit einer feierlichen Messe begangen. Dieser Schritt ist umso bedeutsamer, da er in die Spätphase des Pontifikats Papst Pius’ XII. fällt, welche durch die Verdächtigung und Suspendierung der Nouvelle Théologie (Enzyklika Humani Generis, DH 3875–3899), die auch für Monchanins Denken grundlegend ist und deren Vertreter (z.B. Henri de Lubac) weitgehend seine Weggefährten sind, geprägt ist. Wenig erfreulich ist die Situation des Aschrams: Er hat keinen Zulauf. Doch ist Monchanin ein gefragter Gesprächspartner und spiritueller Begleiter – und nimmt auch eine Einladung nach Pakistan, das sich gerade von Indien getrennt hatte, an. Auf der Rückreise sucht er die heiligen Stätten des Buddhismus und Hinduismus auf: Acht Tage verbringt er 1952 in der den Hindus heiligen Stadt Benares am Ganges. Monchanin und Le Saux nehmen nicht nur indische Namen (Le Saux: Swāmi Abishiktananda – „Der, der seine Freude in den Gesalbten setzt“) an, sondern tragen als Gewand anstatt der Soutane oder des Habits den Kāvi, das Gewand der indischen Sannyāsī. Doch gibt es trotz häufiger Besucher – mehr als einen können sie allerdings für Tage der Einkehr nicht aufnehmen – keinen Zuwachs (auch aus Frankreich kann niemand nachkommen, da aufgrund der politischen Situation keine Visa ausgestellt werden) und die Spannungen zwischen beiden bleiben bestehen – ganz abgesehen von den Spannungen mit der Kirche vor Ort, in der viele den Aschram als zu exotisch empfinden. Monchanin zieht es vor, allein zu leben, während Le Saux zwischen Anachoreten- und Zönobitentum schwankt. Letzterer zieht sich für einige Zeit an den Arunachala, den heiligen Berg der Hindus in Tamil Nadu, und den Ort Tirunvannamalai zurück, wo er während seiner Anfangszeit in Indien einige Monate bei dem Guru Rāmana Mahārshi (1879–1950) verbracht hatte. Monchanin besucht ihn dort für zwei Monate im Frühling 1954, auch um sich ein Bild von diesem Ort zu machen, den er jedoch als „zu rein“ empfindet.8

Nachdem Frankreich auf seine Besitzansprüche in Indien verzichtet (Oktober 1954), gibt es neue Möglichkeiten und Initiativen auf kulturellem Gebiet, u.a. wird ein Institut français de l’indologie in der ehemaligen Hauptstadt Französisch-Indiens, Pondicherry, eingerichtet, mit dem Monchanin in intensivem Austausch steht. Die theologischen Kontakte erweitern sich nun um die Jesuiten Raimon Panikkar (1918–2010), Josef Neuner (1908–2009), Pierre Fallon (1912– 1985), den Franziskaner Gerwin van Leeuwen (geb. 1936) sowie den Benediktiner Bede Griffiths (1906–1993). In den beiden darauffolgenden Jahren erscheinen zwei Bücher Monchanins: Ermites de Saccidananda (Tournai 1956, zusammen mit Henri Le Saux verfasst, Preis für das beste religiöse Buch des Jahres 1956) und De l’esthétique à la mystique (Aufzeichnungen, hrsg. von seinem Freund Edouard Duperray, Paris 1955), die ihm eine gewisse Bekanntheit einbringen. Ein belgischer Zisterzienser, Francis Mathieu, ein tamilischer Priester, Dharmanathar, und ein junger Engländer, Harold Rose, bilden mit Le Saux und Monchanin für eine Zeitlang so etwas wie ein Kloster. Das Offizium, das sie gemeinsam beten, nimmt Teile hinduistischer Spiritualität auf: Eröffnet wird es mit dem Om Purnam, welches die göttliche Fülle feiert. Dann folgen die Verse des Asato ma („Geleite mich vom Nicht-Sein zum Sein“). Das Ganze wird mit der dreifachen Anrufung Jesu als „Jesus Bhagava, Jesus Isvara, Jesus Brahma“ (in etwa: „Jesus der Selige, Jesus der Herr, Jesus der Göttliche“) abgeschlossen. Die Hymnen enthalten einige Passagen der Upanischaden, die nach traditionellen Weisen gesungen werden, die Robert Antoine, ein Jesuit aus Kalkutta, komponiert hat. Die Psalmodien werden durch Prostrationen, sog. Anjalis, das Auflegen von Weihrauch und das Erheben der fünfflammigen Lampe unterbrochen.9 Ende Mai 1957 verschlechtert sich Monchanins ohnehin angegriffener Gesundheitszustand, was einen Krankenhausaufenthalt in Pondicherry und am 10. September seinen Flug von Bombay nach Frankreich nötig macht. Einen Monat später, am späten Vormittag des 10. Oktober 1957, stirbt Jules Monchanin im Krankenhaus Saint-Antoine in Paris. Auf seinem Grab auf dem Friedhof von Bièvres (Diözese Evry) findet sich das in Sanskrit wiedergegebene Phonem „Om“ (geschrieben in der Devanāgari-Schrift) zusammen mit einer indischen Raute (Ruota) und dem Benediktskreuz: „Für die Experten ist dieses Phonem die Synthese der Veden. Es ist auch die nasale Resonanz, die sich fühlen lässt, in Indien, am Beginn und am Ende einer Meditationszeit.“10 Später wird hier auch noch Monchanins Freund Edouard Duperray beigesetzt. Nach Jules Monchanins Tod lebt Henri Le Saux noch einige Zeit allein im Aschram, bevor er als Einsiedler nach Gyansu/Uttakashi im Himalaya geht. Den Aschram, der bis heute besteht, übernimmt 1968 eine Gruppe von Mönchen um den aus England stammenden Benediktiner Bede Griffiths (1906–1993).11

Das missionarische Anliegen Monchanins

Auch wenn sich Jules Monchanin dafür entscheidet, nach Indien zu gehen und sich besonders dem Hinduismus zu widmen, so sind seine Aufenthalte in Nordafrika und sein Engagement im jüdisch-christlichen Gespräch ebenfalls auf seine vollkommen „katholische“ (im Sinne von „universell“) Hoffnung zurückzuführen, dass alle Zivilisationen und Kulturen in Christus, in seinem mystischen Leib, wieder aufgebaut werden. Dies beschreibt er eindrücklich in Ein persönliches Itinerarium und ein missionarischer Plan, wo er alle Zivilisationen berücksichtigt: „Es gibt eine Berufung der Völker: Der Islam – Er ist das Schwert des Cherubim, der den Schutzwall der Transzendenz bewacht. Israel – vereinigt sich für die Sammlung der Völker in Hinsicht auf die eschatologische Vollendung. Die Schwarzen – das ist die Evangelisierung des Unterbewusstseins (welches der Primitive bewohnt) bis in seine abgründigen Tiefen hinein. Wie der Fischer, der in Meerestiefen hinabsteigt, um den Seestern heraufzubringen. Und dann wird der Primitive auch als Induktionsfaden dienen, um die Frohe Botschaft den Menschen der Vorgeschichte zu verkünden. Das Gebet geht den Lauf der Zeit zurück, der Augenblick durchdringt die Ewigkeit. China – das wird die Inkarnation sein: Es wird die ganze Harmonie der Inkarnation enthüllen. Indien – das wird die trinitarische Vollendung sein, das Eintauchen in das trinitarische Mysterium. Indien hat immer einen Durst nach Gott verspürt, nicht nach dem Herrn in seinen Beziehungen mit den Menschen, sondern nach Gott allein, dem modalitätslosen Gott der Brahmanen. Es scheint, dass Indien als Letztes umkehrt, kurz vor Israel. Vereint Euer Flehen, damit es eines Tages ein heiliges Indien gibt, welches die Ordnung der Trinität hervorruft. Betet vor allem, dass wir immer diese Liebe, diese ‚geologische Geduld‘, diesen Geist, diese eschatologische Hoffnung für den Islam, für Israel, für China, für die Schwarzen, für Indien bewahren. Wenn wir besondere Berufungen haben, dann um der Kirche willen, in Christus. Warum sind wir Missionare? Für Christus, um Christus zu vollenden, damit seine Inkarnation vollständig sei, damit Christus sich eines Tages ganz dem Vater übergibt.“12 Auch wenn Monchanin in manchen der Aussagen als Kind seiner (kolonialistisch geprägten) Zeit erscheint (z.B. in Bezug auf die Berufung Afrikas), so tritt doch hier ganz deutlich hervor, dass die Völker, Kulturen und Religionen der Kirche etwas in Bezug auf die Mysterien der Transzendenz, Inkarnation und Trinität zu sagen haben. Nicht nur die Kirche hat eine Mission in Bezug auf Völker, Kulturen und Religionen, auch diese haben eine Mission in Bezug auf die Kirche. Aus dieser dialogischen Anlage des Missionsbegriffs können Monchanin und Le Saux in Bezug auf ihre Mission in Indien schreiben: „Der Eremit von Saccidânanda wird viel weniger ein christlicher Mönch sein, der Sannyâsi geworden ist, als ein Sannyâsi, der Christ geworden ist, ein Sannyâsi, der am Ende seines langen symbolischen Umherwanderns an einer Wegbiegung oder am Rand eines Dorfes Christus begegnet ist. Entscheidende Stunde: ihre Blicke kreuzten sich, ihre Augen tauchten ineinander; ihre Seelen berühren einander. Was geschieht nun dem Sannyâsi? Wesenhaft war dies ein unverhofftes Aufdecken seines eigenen ‚Grundes‘, denn durch das Erkennen seines Selbst in dem Selbst Jesu eröffneten sich die bis dahin ungeahnten Abgründe seines eigenen Ursprungs im Schoße des Vaters, in der Einheit und in der Gnade dessen, der von Natur Sohn ist.“13 Wichtig und unumgänglich: Der Sannyāsi erkennt Christus aus sich heraus, er muss seiner Kultur nicht völlig abschwören und ein anderer werden, da Christus schon in ihm ist.

Indien – die trinitarische Vollendung

Der Name des Aschrams „Saccidānanda“ setzt sich aus den drei grundlegenden Attributen des Brahman Sat (Sein), Cit (Bewusstsein) und Ananda (Seligkeit) zusammen, dem „Mantra der Mantras“, das hier jedoch die christliche Trinität bezeichnet und in einer Art Überbietung der indischen Tradition gebraucht wird: „Mit größerer Inbrunst und mit mehr Recht als sein Sannyāsi-Bruder darf der christliche Mönch SAT sprechen, wenn seine Betrachtung sich dem Vater zuwendet, dem ‚Ursprung ohne Ursprung‘, der Quelle und dem Ziel des Ausströmens und der ‚Sammlung‘ des göttlichen Lebens; CIT, wenn er über den Logos meditiert, das dem Seienden konsubstantielle Erkenntnisbild; ANANDA, wenn er den Paraklet betrachtet, der den Vater und Sein Wort in der Freude der absoluten Liebe vereint.“14 An diesem Zitat kann einiges verdeutlicht werden. Religionstheologisch sehen Monchanin und Le Saux die Beziehung zwischen Hinduismus und Christentum im Verhältnis von Verheißung und Erfüllung: In den Attributen des Brahman ist die Trinität zwar schon angelegt, ihre wirkliche Bedeutung erhalten sie aber erst durch die Offenbarung von Wort und Geist. Der zweite Aspekt betrifft diejenigen, von denen hier die Rede ist: Christlicher Mönch und hinduistischer Sannyāsi sind diejenigen, die in ihrer spirituellen Praxis verglichen werden. Die religionstheologische Verhältnisbestimmung ist so gesehen eigentlich erst der zweite Schritt: Zunächst einmal geht es nämlich darum, die Erfahrung des hinduistisch-mönchischen „Bruders“ zu teilen, bevor diese in Beziehung zum zentralen trinitarischen Glaubensgeheimnis des Christentums in Beziehung gesetzt wird.

In der Verheißung Indiens liegt zugleich die universelle Berufung Indiens: Indien ist für Monchanin und Le Saux das mystische Land schlechthin, und damit auch das monastische Land schlechthin, da das Mönchtum eine institutionalisierte Form der mystischen Kontemplation darstellt.15 Es sei ein „tragisches Missverständnis“16, dass das Christentum in Indien nicht kontemplativ wahrgenommen worden sei: „Indien ist Christus noch nicht wahrhaft begegnet.“17 Um dieses Missverständnis und Versäumnis zu beheben, sei der „intermonastische Dialog“ notwendig.

Die besondere Herausforderung Indiens für das Christentum besteht nicht darin, dass sich die Menschwerdung Jesu nicht vermitteln ließe – dafür bietet der Hinduismus durchaus viele Anknüpfungspunkte. Allerdings stellt die Vielzahl der Inkarnationen eine Erschwernis für den Anspruch dar, dass Christus die absolute ist.18 Damit die wahrhaftige Begegnung mit Christus geschehen kann, bedarf es der Vermittlung der dritten göttlichen Person, des Heiligen Geistes, der „nur durch fluide Formen hindurch erscheint – den Atem, das Wasser, den Flug, das Feuer, die Verwandlungen. Nicht jemand, der, wie der Logos, durch das Sichtbare wahrgenommen wird, sondern durch die spirituellen Phänomene, die Charismen und das größte von allen, die Agapé (…). Er ist Derjenige, den Indien erwartet. Von Ihm aus wird es zum Logos der Herrlichkeit kommen, zum vom Glanz der Welt umgebenen Auferstandenen, dann zum Logos des Schmerzes, der alle Leiden annimmt, um sie in österliche Freude zu verwandeln, zum Logos in seinem irdischen Leben, das nicht mehr illusorisch ist wie das des Avatars, sondern realisierende Wirklichkeit, in der jede Sache, die Welt und unsere Personen selbst Konsistenz haben. Indien wird sich schließlich im Urgrund des Vaters vollenden, der nicht manifestierten Person, welche die beiden anderen im Ewigen durch die Zeugung des Sohnes und den Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Logos manifestieren (…).“19 Durch die mystagogische Vermittlung des Heiligen Geistes wird „Indien“ in sämtliche Aspekte eingeführt, die den inkarnierten Christus betreffen, im Ausgang vom Vertrauteren hin zum Unvertrauteren: vom „Logos der Herrlichkeit“ zum „Logos des Schmerzes“, die ungetrennt sind. Das ist das Vermächtnis Jules Monchanins: Eine Heranführung an das Mysterium der Inkarnation Jesu Christi, die sich vollkommen auf den Kontext Indiens einlässt.

1 Für die Darstellung des Lebens J. Monchanins stütze ich mich auf die beiden folgenden Texte: E. Duperray, Esquisse biographique, in: J. Monchanin, Théologie et spiritualité missionaires. Vowort v. E. Duperray u. Nachwort v. J. Gadille. Paris 1985, 9–24; F. Jacquin, Jules Monchanin prêtre. 1895–1957. Paris 1996.

2 Vgl. F. Jacquin, Monchanin, 55 [s. Anm. 1].

3 Zit. n. ebd., 47.

4 E. Duperray, Esquisse, 16 [s. Anm. 1].

5 Ebd., 18.

6 Ebd., 23. Aschram hat zwei Bedeutungen: Es ist zum einen ein Ort, wo Mönche leben, zum anderen die Bezeichnung (Ashrama) der vier Lebensstadien der Brahmanen.

7 L’Inde et la vie contemplative, in: Dieu vivant. Perspectives religieuses et philosophiques 3 (1945), zit. n. J. Monchanin / H. Le Saux, Die Eremiten von Saccidânanda. Ein Versuch zur christlichen Integration der monastischen Überlieferung Indiens. Salzburg 1962, 6 (Einleitung v. M. Vereno). Als Sannyāsi bezeichnet man denjenigen, der das vierte Stadium – dasjenige des Verzichts – des Lebens eines Brahmanen erreicht hat (samnyāsa) bzw. zu führen gewählt hat (vgl. ebd., 285).

8 Abbé Monchanin, Lettres au Père Le Saux. Hrsg. u. kommentiert v. F. Jacquin. Vorwort v. J. Gadille. Paris 1995, 18.

9 Vgl. F. Jacquin, Monchanin, 299 [s. Anm. 1]. Jacquin verweist darauf, dass das Gebet Asato ma auch von Papst Paul VI. während seines Besuchs in Bombay 1964 rezitiert wurde.

10 M. Delahoutre, Prefazione, in: M. Giani, Un ponte tra cultura europea e cultura indiana. L’itinerario di Jules Monchanin (1895–1957). Mailand 2000, 11–13, hier: 11.

11 Vgl. URL: https://saccidanandaashramshantivanam.000webhostapp.com/ (Stand: 06.02.2020).

12 J. Monchanin, Un itinéraire personnel et un dessein missionnaire, in: ders., Theologie etspiritualité missionnaires. Paris 1985, 27–38, hier: 38.

13 J. Monchanin / H. Le Saux, Eremiten, 77 [s. Anm. 6].

14 Ebd., 266. Vgl. auch ebd., 75.

15 „Das Mönchtum ist für Indien wesenhaft“ (ebd., 39).

16 Ebd., 53.

17 Ebd., 45.

18 Vgl. ebd., 46.

19 J. Monchanin, Mystique de linde, mystère chrétien. Paris 1974, 35.

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