Kitabı oku: «Gottes Sehnsucht in der Stadt», sayfa 3

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Aufbruch zu einer neuen Kultur des Kircheseins

Aber je tiefer wir gemeinsam den neuen Formen und fresh expressions nachforschten, desto deutlicher wurde auch, dass es gemeinsame Wasserzeichen dieser Kirchenbildungen gibt. Sie beinhalten eine Umkehrvision der Kirchenentwicklung und sind doch zugleich Konkretisierungen und Rezeption jener prophetischen Intuitionen des II. Vatikanums und einem kerygmatischen Kirchenverständnis, das davon ausgeht, dass Gott durch das Wort Glauben wirkt wo und wann er will. Gemeinsam ist allen Neuaufbrüchen, dass sie nicht „geplant“ sind: sie sind charismatischer Aufbruch und sie entstammen alle den Visionen von Christen, die selbst aus einer tiefen Spiritualität leben. Die zeigt sich dort besonders, wo Christen gemeinsam das Wort Gottes hören, und wo sie ihre Glaubenserfahrungen teilen: wo Christen gemeinsam aus diesen Quellen schöpfen, da wächst Kirche. Damit ist auch ein zweiter Akzent mitbenannt: in allen Aufbrüchen lässt sich eine Neuentdeckung des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen konstatieren. Die eigene Berufung zum Christsein, die Sensibilität für das eigene Charisma: das ist einer der großen Reichtümer der neuen geistlichen Bewegungen und kirchlichen Aufbrüche weltweit: Christsein ist heute nicht mehr gegebenes Erbe, sondern jeder und jede, die sich auf das Christsein einlassen, lebt aus einer Berufung, einer Begabung, einem Charisma. Christsein leben ist heute eine existenzielle Entscheidung, eine Antwort auf einen persönlichen Ruf und eine Sendung mit einer persönlichen Gabe. Diese biblische Wahrheit neu zu entdecken, dazu werden wir heute vom Geist geführt.

Zu dieser neuen Kultur gehört zweifellos auch der Mut zu Experimenten. Und das impliziert ein starkes Vertrauen in Gott und seinen Geist. Und mit hohem Mut, hoher Risikobereitschaft lassen sich Gemeinschaften von Christen auf die Menschen, mit denen sie leben, ein. Vielleicht ist das eine der beeindruckendsten Erfahrungen in den Begegnungen und Gesprächen und Besuchen: Neue Aufbrüche des Kircheseins realisieren sich dort, wo Menschen aus der Leidenschaft für Christus und das Evangelium sich auf die Lebenswelt einlassen, die sie mit ihren Zeitgenossen teilen. Diese Weise der Evangelisierung nimmt Maß an Paulus: „allen bin ich alles geworden“ (1 Kor 9). Um es einprägsam mit einem anglikanischen Pionier der „fresh expressions“- Bewegung zu sagen: „Früher haben wir immer gedacht, die Leute müssten zu unserer Kirche kommen. Als sie das nicht mehr taten, da haben wir gesagt: wir gehen zu ihnen hin, holen sie dort ab, wo sie stehen, damit sie dann zur Kirche kommen. Und auch das funktionierte nicht. Da haben wir verstanden: es geht darum, zu den Menschen zu gehen und mit ihnen dort, wo sie sind, Kirche zu sein …“

Gottes Sehnsucht in der Stadt

Nachdem durch die Studientage im Kontext der Exposurereise nach England zu den „fresh expressions of church“ deutlich wurde, dass das Interesse sich weitet und im katholischen Bereich kein Ort gemeinsamen Nachdenkens über dieses Thema existiert, nachdem wir dann im ökumenischen Miteinander in Soul Side Linden mit hoher Resonanz das spirituelle Projekt „Zeit des Meisters“ durchgeführt hatten, wuchs der Wunsch, den Suchenden hier wie dort mit dem Kongress „Gottes Sehnsucht in der Stadt“ eine Plattform zu geben. Die Erfahrungen dieses Kongresses, die vorgestellten Projekte und die theologischen Reflexionen sind in diesem Buch dokumentiert.

Aber damit wird kein Schlusspunkt gesetzt, sondern ein Meilenstein der Vernetzung. Die ökumenische Weggemeinschaft beginnt erst, fruchtbar zu werden: Netzwerke wachsen, Projekte werden weiterentwickelt – und vor allem geht es darum, die Entdeckung eines weiteren Kirchenverständnisses weiter zu reflektieren und ins Spiel der kirchlichen Reformprozesse zu geben.

Dabei spielt die Kirchenentwicklung in der Stadt eine (mindestens) hermeneutische Schlüsselrolle: schon ein kurzer Blick auf die kirchliche Situation in der Stadt macht deutlich, dass sich die beschriebenen Prozesse schon abspielen und zeigen: Neben den gemeindlichen Formen der Kirche bilden sich neue Gestalten kirchlicher Wirklichkeiten: Orte unterschiedlicher liturgischer Prägung, Chöre und Selbsthilfegruppen, Jugendkirchen und muttersprachliche Kirchorte, Familienbildungsstätten und Studentengemeinden finden sich in engster Nähe – und es entstehen neue Formen, wie sie exemplarisch deutlich werden in Kirchbildungen wie Soul Side Linden, dem Motoki-Kollektiv, E/motion oder aber Jugendgemeinden wie „kafarna:um“ in Aachen. Diesen neuen und geistgewirkten Erfahrungen nachzugehen, dazu soll mit diesem Buch eingeladen werden.

Kreativität und Abenteuerlust zu weiteren Experimenten und Erfahrungen wachsen weiter. Und es ist klar, dass dies nur in der ökumenischen und geistlichen Tiefe gelingen wird. Und deswegen ist der Dank groß an die Brüder und Schwestern auf diesem Weg – und die Sehnsucht, auf diesem Weg gemeinsam weiterzugehen. Ein weites Feld liegt vor uns, offene Fragen und Baustellen, theologisch wie praktisch: wie entwickelt sich Kirche auf dem Land? Wie können wir das Wachsen und Blühen neuer kirchlicher Formen fördern? Wie lassen sich diese Aufbrüche theologisch und praktisch einbinden?

Mit den Worten aus dem Projektbericht einer charmanten deutschen „fresh expressions of church“ lässt sich unser zukünftiger und abenteuerlicher Suchweg gut skizzieren: „Die Gestalt einer Gemeinde, die in erster Linie Gemeinde für konfessionslose und konfessionsvergessene Menschen sein will, ist daher nicht einfach die bekannte und bereits verfasste Kirche, sondern eine Kirche, die ihre Form erst bei den Menschen entdeckt, eine Kirche, deren konkrete Form als Akt der immer neuen Inkarnation unseres Gottes entsteht. … Diese Kirche ist zärtlich und manchmal ängstlich und einsam, aber sie hat die Erfahrung des Evangeliums nicht nur geschichtlich hinter sich, sondern immer neu auch als reale Erfahrung auf ihrem Weg vor sich.“3

1. Vgl. dazu etwa: C. Hennecke (Hg.), Kleine Christliche Gemeinschaften verstehen, Würzburg 22009. C. Hennecke/M. Samson Ohlendorf, Die Rückkehr der Verantwortung, Würzburg 2011.

2. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. Rede zur Eröffnung der EKD-Zukunftswerkstatt, epd-Dokumentation 46/2009, Hannover 2009, 10.

3. Johannes Weth, Gemeinde pflanzen für konfessionslose und konfessionsvergessene Menschen. Das Sommerhotel Habicht in Düsseldorf, in: Ulrich Laepple, Volker Roschke (Hg.), Die so genannten Konfessionslosen und die Mission der Kirche, Neukirchen 2007, 230.

Michael Herbst
Dem „Englischen Patienten“ geht es besser1
Was können wir von der Anglikanischen Kirche lernen?
1. Fremd und nah: Eine alte Volkskirche in der Krise

Wer eine „Good-Practice-Orientierung“ anstrebt, tut gut daran, nicht nur in Deutschland zu suchen, sondern auch in anderen kirchlichen Landschaften nach positiven Beispielen zu forschen, wie sich christliche Gemeinden in kritischen Situationen neu aufstellen konnten. Das Reizvolle an der „Church of England“ ist dabei das Fremde und zugleich Nahe dieser Kirche: Natürlich ist vieles anders, bedingt durch die konfessionellen Besonderheiten des Anglikanismus und die kulturellen Differenzen eines anderen Landes. Zugleich ist vieles aber auch ähnlich: Die „Church of England“ ist wie die evangelischen Landeskirchen in Deutschland eine sehr alte, parochial organisierte Mehrheitskirche, die sich in den letzten Jahrzehnten vor einen erheblichen krisenbedingten Anpassungsdruck gestellt sah. Ähnliches ließe sich auch von den kleineren Kirchen in England zeigen.2

Callum Brown geht in der Diagnose dieser Krise vielleicht am weitesten: Er spricht von „The Death of Christian Britain“.3 Seine Zustandsanalyse des Christentums in England beruft sich zunächst auf den Rückgang im Gottesdienstbesuch, auf die schwächere Inanspruchnahme von Amtshandlungen und auf den Mitgliederverlust. Die Engländer haben weithin aufgehört, ihr Leben christlich zu gestalten: „We in Britain are in midst of secularization.“4 Vor allem aber thematisiert Brown den Abbruch in der Weitergabe des Glaubens von einer Generation zur nächsten: „The cycle of inter-generational renewal of Christian affiliation, a cycle which for so many centuries had tied the people however closely or loosely to the churches and to Christian moral benchmarks, was permanently disrupted in the ‚swinging sixties‘. Since then, a formerly religious people have entirely forsaken organised Christianity in a sudden plunge into a truly secular condition.“5 Callum Browns Schlussfolgerung am Ende seines Buchs ist so ernüchternd wie nur denkbar: „Britain is showing the world how religion as we have known it can die.“6

In der Tat zeigen auch andere religionssoziologische Studien ein alles andere als rosarotes Bild der Anglikanischen Kirche: Nach dem Census von 2001 bezeichnen sich zwar 71,6% der Bevölkerung als christlich, nur 5,2% zählen sich zu einer anderen Religion und 15,5% nennen sich selbst „religionslos“ (7,3% ohne Angabe).7 Aufschlussreich ist dabei eine Besonderheit, nämlich das differenzierte Mitgliedschaftsrecht der Anglikanischen Kirche, das sich sehr von unserem deutschen Mitgliedschaftsrecht unterscheidet. Zur „Anglican community“, also zur anglikanisch getauften Population gehören zwar 28,3 Millionen Menschen im Vereinigten Königreich (= 67,5% aller christlichen Denominationen), aber nur knapp 1,7 Millionen getaufte Anglikaner sind auch konfirmierte und eingetragene „Church Members“ – damit ist die Anglikanische Kirche zahlenmäßig schwächer als die römisch-katholische Kirche im Vereinigten Königreich!8

Philip Richter und Leslie Francis9 zeigen noch deutlicher, wie sich die Engländer zu ihrer Volkskirche verhalten. Kriterien dieser Untersuchung aus dem Jahr 1996 waren der Gottesdienstbesuch, das Engagement für die Gemeinde und die Art der Verbundenheit mit der „Church of England“10: Nur etwa 20% der Engländer besuchen demnach in relativer Regelmäßigkeit den Gottesdienst, wobei Wochen-, Monats- und Jahreszyklus addiert werden. 80% der Engländer können getrost als kirchendistanziert bezeichnet werden, wobei die Unterschiede gewichtig sind: Je 20% sind „open de-churched“ und „closed de-churched“. Dabei geht es um Menschen mit einer kirchlichen Sozialisation, mit einer wie auch immer gearteten Gemeindebiographie. Freilich sind die einen erreichbar, die anderen hingegen reserviert. Ist den ersteren der Kontakt zur Gemeinde einfach nur abhanden gekommen, so sehen letztere auf Grund ihrer Erfahrungen zu wenige Gründe, um den Kontakt zur Gemeinde zu erneuern. Noch schwieriger aber dürfte die Kontaktaufnahme zu den letzten 40% werden: Sie werden als „non-churched“ bezeichnet, sind also nicht kirchendistanziert, sondern unkirchlich. Ihnen fehlt überhaupt eine relevante Begegnung mit der christlichen Gemeinde im Laufe ihrer Biographie.


In diesen Kontext gehören auch die besorgniserregenden Zahlen der Arbeit mit Kindern in der Anglikanischen Kirche: Nur noch ein Bruchteil der Kinder wird von den kirchlichen Angeboten (z. B. der Sonntagsschule) erreicht. Waren es 1970 noch 14%, so waren es 2000 gerade noch 4% der Kinder.11 Nicht zuletzt wirkte sich der Niedergang auch finanziell massiv aus (auch wenn die Gemeinden erstaunlich erfolgreich waren, die Defizite kreativ durch „fund raising“ und eifriges Spenden zu kompensieren).12 Der finanzielle Druck beschleunigte das Reformtempo erheblich, so dass Bischof John Finney es so ausdrücken konnte: „Money talks!“13

Natürlich gibt es auch in England Tendenzen zu einer Re-Spiritualisierung. In den urbanen Milieus Englands ist Religion durchaus wieder im Trend, aber eben nicht als christliche, kirchlich organisierte Religion. „Religion ist giving way to spirituality“, meinen etwa Paul Heelas und Linda Woodhead in ihrer Studie „The Spiritual Revolution“.14 Das religionssoziologische Projekt in der englischen Kleinstadt Kendal (Cumbria, 2000–2002) zeigte, wie sich der „subjective turn“ (Charles Taylor) im Umgang mit dem Heiligen auswirkt: „The key value for the mode of subjective life is authentic connection with the inner depths of one’s unique life-in-relation.“15 Übersetzt auf den religiösen Sektor bedeutet das: „Religion“ (verstanden als organisierte Einordnung des einzelnen in ein System des Glaubens und Handelns mit dem Anspruch auf eine externe Wahrheit und moralische Autorität) schwindet, während „Spiritualität“ boomt (hier sehr spezifisch verstanden16 als eine Sakralisierung des subjektiven Lebens, eine Bestärkung der Suche nach Quellen heiligen Lebens im eigenen Selbst, vor allem in so genannten„ holistischen Milieus“). Kirchengemeinden sind aber bei aller Verschiedenheit im Einzelnen insgesamt eher Vertreter von „Religion“ als von „Spiritualität“.17 Fragt man also nach Gewinnern und Verlierern auf dem gegenwärtigen spirituellen Marktplatz, so sind die Kirchengemeinden in der Regel die Verlierer und die „holistischen Milieus“ die Gewinner. „We can say that we have found robust evidence of a pattern: a correlation between subjective-life spirituality and growth on the one hand, and between life-as religion18 and decline on the other.“ Warum aber sind die Vertreter von „Spiritualität“ so erfolgreich? „They succeed because they ‚bring the sacred to life‘, enabling participants to remain true to themselves and their most significant relationships, and making little or no distinction between personal and spiritual growth.“19

Als Zwischenergebnis können wir festhalten: Auch England ist demnach nicht das Paradies für Kirchengemeinden! Wer dabei seine Hoffnung auf ein „believing without belonging“20 (Grace Davie) setzt, also sagt, dass die Menschen ja immer noch glauben, verkennt, wie weit sich diese „Spiritualität“ tatsächlich von christlichen Vorstellungen entfernt hat. „Meanwhile the reality of traditional church decline in the West is perhaps the judgement we need in order to discover what is lacking, to redirect our thinking and resources, and to engage in some bold experimentation.“21

So reagierte die Anglikanische Kirche mit Unterstützung durch ihre Bischöfe (freilich auch bei einigem Widerstand), z. B. durch die Dekade der Evangelisation 1991–2000 oder durch die evangelistischen Initiativen der beiden Erzbischöfe wie z. B. „Springboard“. Wer nach England schaut, sieht: Dem „Englischen Patienten“ geht es gewiss nicht sehr gut, aber doch deutlich besser.22

Das Spannende am Beispiel der Church of England ist eine sehr viel breiter als bei uns verankerte Bereitschaft, die nüchterne Analyse der kirchlichen Lage (Kapitel 2) mit einer neuen Wahrnehmung des missionarischen Auftrags (Kapitel 3) und einer hohen Bereitschaft zum Wagnis hinsichtlich kirchlicher Organisationsformen (Kapitel 4) zu verbinden. Das ist meine These und mein Versuch, auf die mir gestellte Frage zu antworten: „Was können wir von der Anglikanischen Kirche lernen?“

2. Bereitschaft zur nüchternen Analyse der kirchlichen Lage – Hope for the Church?

Ein für deutsche Beobachter auffälliger Aspekt ist die intensive empirische Forschung, die in England in Sachen Gemeindeentwicklung stattfindet. Während der Fokus deutscher Forschung an dieser Stelle eher dem religiösen Individuum gilt und seiner Haltung gegenüber Glauben und Kirche oder aber die Stabilität der Kirche insgesamt ins Auge fasst und damit eher großflächig angelegt ist, beachtet die anglikanische Religionssoziologie Themen, die die Gesundheit von Gemeinden zum Gegenstand der Forschung macht. Freilich bedeutet das nicht, dass das Individuum aus dem Blick gerät; aber auch hier ist die Fragestellung etwas verlagert – sie ist schlicht gesagt missionsorientiert: Welche Faktoren führen zu einer Verlebendigung sowohl des individuellen Glaubens als auch der Gemeinde als ganzer? Einige Beispiele für solche Forschungen sollen hier erwähnt werden:

2.1 Finding Faith Today

Während deutsche Untersuchungen sich eher darauf beschränken, den „religiösen Aggregatzustand“ festzustellen und nach der Verbundenheit mit der Kirche zu fragen, hat John Finney23 1992 eine Untersuchung vorgelegt, die danach fragt, welche Prozesse neu aufblühende Glaubensbiographien bei Erwachsenen begründen: Finding Faith Today.24 Auch aus dieser Untersuchung ergaben sich weitreichende kybernetische Folgerungen. Zunächst aber demonstriert „Finding Faith Today“ das hohe Interesse an der Empirie im Dienste einer missionarischen Neuausrichtung des kirchlichen Lebens: „Evangelization needs to be founded upon fact rather than fantasy.“25

Befragt wurden mehrere Hundert Personen über 16 Jahren aus unterschiedlichen Denominationen (40% Anglikaner), die im Laufe des vorhergehenden Jahres ein öffentliches Glaubensbekenntnis abgelegt hatten („a public confession of faith“), d. h. als Erwachsene z. B. getauft, konfirmiert oder wieder in die Kirche aufgenommen wurden.26 Dabei waren Gemeinden aus nahezu allen theologischen Traditionen vertreten.27 In unserem Zusammenhang ist nur ein kurzer Hinweis auf die Ergebnisse von Bedeutung.

Aufschlussreich war zunächst die Entdeckung, dass kleinere Gemeinden erfolgreicher als große Gemeinden die Glaubensbiographien Erwachsener fördern können. Gemeinden mit weniger als 50 Gemeindegliedern kamen auf 7,7 Konversionen (hochgerechnet auf je 100 Gemeindeglieder), Gemeinden mit 50–100 Gemeindegliedern auf 6,2, Gemeinden mit 100–200 Gemeindegliedern auf 4,7 und Gemeinden mit > 200 Gemeindegliedern nur noch auf 2,1 Konversionen.28 Ähnlich auffällig war die Verteilung auf soziale Milieus: In eher sozial schwachen Kontexten kam es zu deutlich mehr Konversionen als in wohlhabenden Gegenden.29 Hinsichtlich unterschiedlicher Gemeindetypen war auffällig, dass sich besonders viele Konversionen in Hausgemeinden ereigneten (knapp dreimal so viele wie in anglikanischen Parochien).30

Im Übrigen wurden durch die Studie viele Ergebnisse bestätigt und manche Vermutung hinsichtlich missionarischer Strategien enttäuscht:

1. Bestätigt wurde z. B. die Bedeutung der primären (familiären) Sozialisation sowie der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit. Viele der Konvertiten konnten sich an prägende religiös-kirchliche Erfahrungen in Kindheit und Jugend erinnern, an die sie anknüpfen konnten, auch wenn sie zwischenzeitlich (unter Umständen für eine lange Zeit) den Kontakt verloren hatten.31 76% der Konvertiten berichteten von kirchlichen Kontakten in Kindheit und Jugend. Umso bedrohlicher waren darum die Ergebnisse der Studie „All God’s Children?“ von 1990, die feststellte, dass 1990 nur noch 14% der Kinder in England irgendeinen Kontakt zur christlichen Kirche hatten.32

2. Andere Faktoren blieben weit hinter den Erwartungen zurück – bezogen auf die subjektiv wahrgenommene Bedeutung für die eigene spirituelle Entwicklung: Befragt nach den primären und sekundären Hauptfaktoren,33 die die Neuentdeckung des Glaubens förderten, produzierten die Teilnehmer des Projekts Enttäuschung: Veranstaltungen und Medien, evangelistische Events und kirchliche Angebote, Theater und Musik wurden eher selten genannt (zwischen 0 und 10%). Alle „Spitzenwerte“ hingegen fielen auf die „Beziehungsfaktoren“. Das bedeutet: Christliche Freunde, ehrenamtliche Mitarbeiter und Pfarrer, aber auch Ehepartner und Familienangehörige spielten in der Wahrnehmung der Konvertiten die entscheidende Rolle beim Christwerden. Die Anlässe zur Beschäftigung mit dem Glauben hingegen waren oft mit Lebenswenden und Lebenskrisen verbunden.34

3. Beziehungen scheinen in der Anglikanischen Kirche überhaupt den Ausschlag zu geben:35 Die Konvertiten beschrieben auch den neu entdeckten Glauben weniger mit propositionellen Aussagen als in Beziehungskategorien. Der christliche Glaube ist für sie weniger ein Glaube an etwas als eine gesunde und wohltuende Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und sich selbst.36 Beziehungen stehen darum auch am Anfang der geistlichen Reise: „belonging before believing“ (Robin Gill)!37

4. Mit dem Bild der Reise ist auch schon der letzte hier bedeutsame Aspekt der Studie benannt: Fast alle Teilnehmer der Befragung (96%) konnten von sich sagen, sie seien Christen. 54% konnten dabei auch ein „davor“ benennen, also eine Zeit, in der sie nicht oder nicht mehr Christen waren.38 Entscheidend für eine missionarische Gemeinde ist aber die Einsicht, dass Konversionen seltener datierbare, eher spontane Ereignisse (31%) als vielmehr längere, von hüben nach drüben führende Prozesse (69%) sind. Darauf beruht das Emmaus-Projekt (s. u.).39 Selbst in evangelikalen Gemeinden, in denen man vielleicht mehr Damaskus-Ereignisse erwartet, berichten die Konvertiten, dass ihr Weg zum Glauben eine jahrelange, begleitete spirituelle Reise gewesen sei.40

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