Kitabı oku: «Grünröcke erzählen ...», sayfa 3
Von einer ganz anderen „Jägersorte“ erzählt die folgende Geschichte. Veröffentlicht wurde sie im Jahre 1924 in der Zeitschrift „Der Deutsche Jäger“. Ihr Titel lautet:
Die Wilddiebe
Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Walter Fiedler
„Schön ist unser Revier doch, Vater. Ich fühle mich immer so geborgen, so zufrieden, hier inmitten der rotstämmigen Kiefern, dass es mir immer recht schwer wird, wenn ich wieder abreisen muss. Aber das Brückenberger Revier hat auch seine Reize, doch an das unsrige reicht es lange nicht heran.“
„Du hast recht, mein Junge, auch ich hänge mit ganzer Seele an diesem herrlichen romantischen Fleckchen Erde. Mit Grauen sehe ich der Zeit entgegen, wo ich jüngeren Kollegen Platz machen und hier fortziehen muss. Leicht wird es mir gewiss nicht werden.“
Der Förster hielt einen Augenblick inne, stopfte sich von Neuem seine Halblange, gab auch seinem Jungen Tabak und fuhr dann fort:
„Ja, schön ist es hier, bloß es müsste nicht so viel gewilddiebt werden. Zwar leiden die angrenzenden Förstereien auch unter diesen bisher immer noch nicht entlarvten Halunken, doch kein Revier wird so in Mitleidenschaft gezogen wie gerade meines. In der vorigen Woche brachte mir der Briefträger einen Hasen, der neben dem Birkenweg gelegen hatte – er war voller Schrotkörner – und vor 14 Tagen fand ich nicht weniger als drei Schlingen aus Kupferdraht, alle natürlich fängisch gestellt. Man kann Tag und Nacht auf dem Posten sein, man scheut das größte Sauwetter nicht – und doch ist alles vergebens. Es wird immer schlimmer. Der Oberförster wird schon ungemütlich, aber nichts hilft, nirgends sind die Kerle zu fassen.“
Als Förster Heeder und sein zwanzigjähriger Sohn um die Ecke eines dichten Stangenholzes bogen, kam ihnen eine Frau mit einem Handwagen entgegen, auf dem ein mit Leseholz gefüllter großer Sack lag.
„Was soll denn das, Frau Schmidt?“ sprach der Förster sie an. „Sie wissen doch, dass Sie heute, am ersten Weihnachtstag, kein Holz sammeln dürfen, das geht doch nicht. Soll ich Sie denn schon wieder anzeigen?“
„Entschuldigen Sie, Herr Förster, aber ich hab keine Zeit nicht, Weihnachten zu feiern, ich muss Holz ranholen, damit wir nicht frieren, wir wollen auch mal am warmen Ofen sitzen. Anzeigen tun Sie mich mal nicht, bezahlen kann ich doch nicht“, antwortete die junge blonde Frau.
„Was ist denn außer dem Holz noch im Sack?“ fragte erregt der Förster, „es tropft ja Schweiß zur Erde!“
Die junge Taglöhnersfrau errötete fürchterlich, wurde verlegen, wollte antworten, aber schon war der Sack geöffnet, das Holz ausgeschüttet, und ein Damtier kam zum Vorschein. Aus dem dicht hinter dem Blatt sitzenden Einschuss tropfte heller Lungenschweiß. Er war durch den Sack gesickert und hatte verraten, dass sich nicht nur Holz darin befand.
„Das Reh habe ich im Busch gefunden, Herr Förster, es lag neben dem Knirck, und weil wir so arm sind, habe ich es mitgenommen. Dass ich das nicht durfte, wusste ich ja auch nicht. Zeigen Sie mich bloß nicht an, Herr Förster, sonst muss ich noch sitzen, ich hab noch nie was mit dem Gericht zu tun gehabt.“
Doch kein Bitten half, die junge Frau musste mit zum Gendarmen. Der Verdacht, irgendjemand habe das Damtier gewildert, jedoch keine Gelegenheit gehabt, es fortzuschaffen und daher der jungen Frau den Auftrag gegeben, es im Holzsack zu holen, lag doch zu nahe. Zwar hatte Förster Heeder nie Verdacht gehabt, dass Frieda Schmidt, die er schon als Kind kannte, oder deren Angehörige wilddieben würden, doch zu wissen war es ja nicht.
Gendarmeriewachtmeister Goldschmidt war gerade nach Hause gekommen und nahm in Gegenwart des Försters in der Schmidtschen Wohnung eine gründliche Durchsuchung vor. Resultat: Nichts! Sollte die junge Frau tatsächlich das Stück Damwild gefunden haben? Beide Beamten glaubten aber nicht recht daran. Der Gendarm verhieß, Anzeige zu erstatten und weitere eingehende Nachforschungen anzustellen. Er nahm sofort bei einigen Arbeitern im Dorf gleichfalls Hausdurchsuchungen vor, die jedoch ebenfalls erfolglos verliefen. Auf dem Heimweg grübelten Förster Heeder und sein Sohn vergeblich über diesen eigenartigen Fall nach – die Sache war und blieb ihnen aber ein Rätsel.
Am Nachmittag des zweiten Weihnachtstages traf auf der Försterei Techentin unverhofft Förster Günther aus Torgelow ein. Beide Kollegen begrüßten einander freundschaftlich und schütteten sich am Kaffeetisch ihr Herz aus.
„Weißt du“, sagte Förster Günther, „bei mir fangen die Kerls jetzt auch schon an zu wildern. Vorgestern fielen in meinem Revier in der Dämmerstunde kurz hintereinander zwei Schüsse. Trotz der gründlichsten Nachsuche habe ich weder Wilderer noch sonst was entdecken können. Natürlich ist diesen Halunken die Dunkelheit zustatten gekommen, sie waren wie weggeblasen. Anscheinend haben sie glücklicherweise fehl geschossen. Am seIben Abend rief mich Kollege Breuer in Wilmshagen telephonisch an, um dienstlich etwas zu erfragen, und teilte mir gleichzeitig mit, dass er vor kurzem eine Damtierdecke in seinem Revier gefunden habe. Also auch da ist’s nicht richtig, nicht bloß bei uns in Mecklenburg, sondern auch bei euch in Preußen.“
„Ist dies einmal möglich!“ Förster Heeder schlug auf den Tisch, dass die Tassen klirrten. „Jetzt knallt’s ja überall.“
Er erzählte seinem Kollegen sein Erlebnis vom gestrigen Tage, beide besprachen sämtliche Möglichkeiten der Täterschaft, konnten aber nicht den geringsten Verdacht schöpfen. Trotz des gemütlichen Skates, an dem sich auch Herbert Heeder beteiligte, kam keine rechte Stimmung in die sonst so frohen Jägersleute. Ihr Revier, ihr Wild, ihr Beruf lagen ihnen doch viel zu sehr am Herzen, um sich so bald darüber hinwegsetzen zu können. Selbst der hell erleuchtete hohe Christbaum mit seinem glitzernden und blinkenden Schmuck vermochte nicht das fort zu wischen, was die Gemüter der Forstbeamten niederdrückte.
Als Förster Günther sich verabschiedete, schneite es nach Herzenslust. Richtiges Weihnachtswetter. Die grünen Freunde nahmen sich vor, in den nächsten Tagen nachts gemeinschaftlich an der preußischen Grenze auf dem Posten zu sein, denn dort schien es nicht geheuer.
Aber auch das war völlig vergebens. Mehrere Nächte hatten sich beide schon um die Ohren geschlagen, hatten weder matschiges Tauwetter noch klirrend strengen Frost gescheut – nichts, nichts hatte sich hören oder sehen lassen.
In einem Abteil lII. Klasse des Berliner Personenzuges saßen zwei in schwere Pelze gehüllte Herren. Hinter der Haltestation Gülz erblickte der eine von ihnen, der Rentner Struck aus Berlin, rechts der Bahn im Altholz ein Rudel Damwild. Er machte seinen Begleiter darauf aufmerksam und flüsterte ihm zu:
„Hier ist es! Hier steht auf alle Fälle Wild. Von Pinnov aus haben wir nur zwei Stunden zu gehen. Das wird mal klappen.“
In Germendorf stiegen beide aus, gingen ein Stückchen die Chaussee entlang und hatten bald Pinnow erreicht. Die Besitzerin von Pinnow hatte ihre Jagd an Struck verpachtet und ihm ein Zimmer zu Verfügung gestellt, in dem er während seines Jagdaufenthaltes schalten und walten konnte. Am Vormittag gingen beide Herren in das von Struck gepachtete Revier und schossen jeder einen Hasen.
Die Gutsjagd grenzte an den preußischen Forst und an das mecklenburgische Revier Torgelow. Beide waren keine „böse Nachbarn“, die etwa alles von der Grenze abschießen. Demzufolge ließ sich im Pinnowschen Revier ein leidlicher Wildbestand halten, zumal Struck selten hier, sondern fast ausschließlich in den Staatsforsten jagte. – Natürlich unerlaubt.
„Wenn sie dich bloß nicht mal fassen, Albert“, sagte sein Begleiter, „dann bist du aber geliefert. Sieh dich bloß vor! Ich bin ja froh, wenn ich für mein Restaurant billig Wildbret kriegen kann, möchte aber auf keinen Fall abermals ins Kittchen wandern.“
„Bist du ein Angsthase! Glaubst du denn, dass irgendjemand auf den Gedanken kommt, dass ich der viel gesuchte Wilddieb bin? Ich habe ja doch selbst meine Jagd, hege sie sehr weidmännisch, bin stets gut Freund mit den Grünröcken und trete immer so auf, dass man in mir unmöglich einen Wilderer vermuten kann. Eigentlich ist es ja schade, dass ich trotz Schonzeit nehme, was mir vor die Büchse kommt, aber Geschäft ist Geschäft. Ich kriege gut bezahlt in Berlin, das ist die Hauptsache.“
Nachmittags um drei Uhr verabschiedeten sich die beiden Herren von der Gutsbesitzerin. – Es wäre schade, dass sie nun schon wieder fort müssten, doch sie wollten mit dem Vier-Uhr-Zug wieder nach Berlin zurückkehren.
Statt jedoch nach Berlin zurückzukehren, gingen sie bei Eintritt der Dunkelheit in die Försterei Gülz. Falsche Bärte wurden angelegt, die Jagdgewehre zusammengelegt, unter dem Gehpelz verstaut und Gummischuhe angezogen.
Struck kannte den Rummel schon und war äußerst ruhig und gelassen, sein Begleiter vermutete dagegen hinter jeder Kiefer einen Förster. Langsam wurde es dunkler, blutrot ging die Sonne unter. Einige Krähen strichen vom Felde ihren Schlafbäumen zu. Fern rollte ein Güterzug, und links des Wegs schreckte ein Reh. An einem Schonungsrand machten sie Halt. Struck kannte die Wechsel, die über das Stangenholz ins Feld führen. Hier hatte er schon öfter den Finger krumm gemacht.
„Pass auf, jetzt kommt bald etwas!“ raunte er seinem Freund zu. Und richtig! Ein Damtier trat aus dem Dickicht hervor, holte Wind ein, verhoffte längere Zeit und wechselte über den Holzweg. Jetzt noch eins, dann ein Spießer und schließlich ein guter Schaufler. Struck ließ fliegen und sein Begleiter gleichfalls kurz darauf. Die Schalldämpfer dämpften den Knall, beide traten aber trotzdem auf längere Zeit ins Dickicht zurück.
„Ich bin gut abgekommen“, flüsterte Struck, „du scheinst aber gefehlt zu haben. Der Schaufler ist uns sicher, den Spießer wirst du aber wohl bloß angekratzt, vielleicht sogar gefehlt haben.“
Struck hatte recht. Der Schaufler lag zehn Gänge tiefer im Stangenholz, doch der Spießer schien gefehlt oder angekratzt zu sein. Beide Rucksäcke wurden, nachdem der Schaufler an Ort und Stelle zerlegt worden war, voll gestopft. Was nicht mehr hinein ging, blieb liegen. Die Schaufeln wurden einzeln abgesägt. So ließen sie sich besser transportieren, und es merkte so leicht niemand etwas. Mit dem Abendzug fuhren beide von der nächsten Station aus nach Berlin zurück.
„Siehst du,“, sagte Struck auf dem Stettiner Bahnhof in Berlin, „es hat niemand etwas gemerkt. Und uns hat man sicherlich nicht in Verdacht.“
„Denken Sie bloß mal an, Herr Hegemeister, am Kunersdorfer Weg liegt ein Damschaufler, das heißt, bloß seine Decke und Geschlinge (Anmerkung: Herz, Lunge, Leber) und so weiter“, meldet der Forstarbeiter Kleinschmidt dem Hegemeister Warncke. „Das muss gestern Abend erst passiert sein, denn mein Mädel ist gestern Nachmittag von der Bahn gekommen, sie hat aber nichts davon gesehen.“
„Was, geht das schon wieder los?“ erwiderte der Hegemeister, „im vergangenen Jahr haben die Spitzbuben mir meinen besten Schaufler weggeknallt und jetzt wieder einen? Herr Bremer, da müssen wir gleich mal hin.“
Forstaufseher Bremer und der Hegemeister begaben sich unverzüglich an den Tatort, sahen das, was der Arbeiter ihnen berichtet hatte, und suchten die Umgebung trotz des Neuschnees, der über Nacht gefallen war, also obwohl es fast zwecklos war, ab. Nichts zu finden.
„Halt, da liegt ein Stück Wild. Herr Hegemeister, hier liegt ein Damschaufler.“
„Wahrhaftig! Himmelkreuzdonnerwetter noch mal“, fluchte Warncke, „da haben die Schweinehunde den Spießer angebleit, sich nicht darum gekümmert, und …! Ist das bloß möglich? Wir haben aber doch gar nichts gehört. Keinen Knall, nichts gehört, gar nichts! Und zu Hause waren wir doch auch alle beide. Bei Heeder und Günther knallen sie lustig drauf los, bei Altenhof soll es auch nicht geheuer sein, da muss doch endlich mal was geschehen! Will doch gleich mal den Oberförster anklingeln. Was meinen Sie wohl, was der wieder wettert?“
Jegliches Absuchen war erfolglos, der Schnee verdeckte alles.
Die gleiche Aufregung herrschte beim Förster Heeder. In der verflossenen Nacht, in der man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte, hatten hier andere Wilddiebe sich zu schaffen gemacht. Der Förster war mit seiner Tochter, die nach schwer überstandener Grippe erst seit wenigen Tagen das Bett verlassen hatte, ins Revier gegangen. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, die beiden Hunde liefen freudig voraus, der kleine braune Dackel machte in einem Kessel mehrere Karnickel hoch und machte einen Heidenlärm. Oben in den Kiefernkronen rätschten Eichelhäher, und links im Stangenholz piepten Goldhähnchen. An einer Tanne kletterte eine Kohlmeise kopfunter und kopfüber, hell leuchtete ihre gelbe Weste mit dem hübschen langen schwarzen Streifen.
Die weiße Schneedecke trug unzählige Fährten. Es fährteten sich nicht nur Reh-und Damwild, sondern auch Rotwild. Natürlich auch Hasen.
Förster Heeder ging, seine hübsche blonde Tochter zurücklassend, quer durch die langgestreckte zehnjährige Kiefernschonung, die unmittelbar an der Landstraße liegt, zu einem Fuchsbau, um zu sehen, ob er befahren war. Dicht neben dem großen Haselstrauch, in dessen Nähe er einst zwei auf Leben und Tod kämpfende Damschaufler beobachtet hatte, sah er zu seinem Schrecken ein verendetes Rottier, um dessen Hals eine Drahtschlinge hing. Tief hatte sie in den schlanken Hals eingeschnitten. Du lieber Himmel, schon wieder eine Schurkentat! Da anzunehmen war, dass die Schlinge am hellen Tag nicht nachgesehen wurde, nahm er das Rottier mit und entschloss sich, in der Dämmerstunde in der Nähe anzusitzen. Seine Tochter empfand diesen Schmerz ebenso bitter wie ihr pflichtbewusster, diensteifriger Vater. Auch seine Frau teilte seinen Schmerz und versuchte, ihrem Manne Mut zuzusprechen.
Langsam kroch der Tag dahin. Missgestimmt und entmutigt erledigte Förster Heeder seine überhand nehmenden schriftlichen Arbeiten; ihm schmeckte weder das Frühstück noch das Mittagessen. Immer wieder sah er das Rottier vor sich; die vielen Rehe und Damtiere, die den Wilderern zum Opfer gefallen waren. Ehrlicher Zorn stieg in ihm hoch. Er musste den Halunken das schmutzige Handwerk legen, koste es auch noch so viele schlaflose Nächte!
Als sich die Dämmerung anmeldete, stand er in der Nähe des Tatortes, durch dichtes Stangenholz gut gedeckt.
Bis in die Nacht wartete er, lauschte und beobachtete die fragliche Stelle scharf mit dem Glas, doch nichts ließ sich blicken. Durchgefroren und müde stapfte er durch den Schnee nach Hause. Also wieder vergebens – wie schon so oft, so manche Nacht.
Auch der nächste Tag brachte wieder Ärger und Verdruss. Bei seinem Morgenreviergang überraschte Förster Heeder dicht hinter der Försterei einen wildernden Hund. Er jagte, ohne Laut zu geben, hinter einem Hasen her. Der Förster hatte die Bestie einen Augenblick frei, ließ fliegen, der Hund jaulte laut auf, brach zusammen und war bereits verendet, als der Förster hinzu trat. So, dieser gefährliche Räuber wäre erledigt. Der große, gelblichgraue Hund kam dem Beamten bekannt vor, er musste ihn schon mal in Walsleben gesehen haben. Längere Zeit konnte der Köter sein Wesen im Revier noch nicht getrieben haben, denn sonst hätte man schon etwas bemerkt. Das Wild wäre unruhig geworden, auch hätte sich der Hund fährten müssen. Im Nachbarrevier sollte sich allerdings seit einiger Zeit ein wildernder Hund herumtreiben, wahrscheinlich war es dieser.
Mittags klingelte Förster Heeder seinen Kollegen Günther an, schilderte ihm das heutige Erlebnis und erfuhr, dass derselbe Hund auch dort gewildert habe. Förster Günther freute sich, dass der Köter zur Strecke gebracht worden war, meinte aber, den Besitzer des Hundes gleichfalls nicht zu kennen. Über diesen unverhofften Erfolg erfreut, hängte Heeder den Hörer auf und setzte sich an seinen Schreibtisch, um schwierige umfangreiche Lohnberechnungen seiner Forstarbeiter zu machen. Bei Anbruch der Dunkelheit ging er ins Dorf zum Ortsvorsteher, dem Lehrer Köpke, und erfuhr durch ihn, dass der wildernde Hund dem Büdner Schmale gehörte. Gleichzeitig machte Köpke darauf aufmerksam, dass der Gastwirt Lehnacker auffallend oft Wildbret in seine Küche bekomme, angeblich vom Pächter der Pinnower Jagd, einem Herrn Struck. Die Sache sei aber wohl nicht so ganz in Ordnung, da müsse mal nachgefasst werden.
Förster Heeder setzte sich sogleich mit dem Gendarmeriewachtmeister in Verbindung, ging mit ihm zum Gastwirt Lehnacker und sagte ihm auf den Kopf zu, dass er Abnehmer von gewilddiebtem Wildbret sei. Lehnacker wollte anfangs aufbrausen, wurde aber bald sehr kleinlaut und gab nach sofort vorgenommener Hausdurchsuchung, die außer drei Hasen einen Rotspießer und einen Fuchsbalg zutage förderte, schließlich zu, von Bekannten „hintenrum“, wie er sich ausdrückte, öfter mal Wild gekauft zu haben. Er erklärte:
„Wo die das her haben, geht mich nichts an. Wer es ist, sage ich nicht, ich reiße keinen anderen rein. Und viel kann danach ja nicht kommen, das Wild ist ja nicht bloß für die Großen da, die Zeiten haben wir mal gehabt!“
Der Gendarmeriewachtmeister erstattete Anzeige an die Staatsanwaltschaft und nahm Lehnacker in Haft. Das Einzige, was dieser noch eingestand, war, dass seine Lieferanten das an ihn gelieferte Wild teils in Schlingen gefangen, teils abgeschossen hätten. Das schien auch zu stimmen, denn die drei Hasen, die vorgefunden wurden, waren in Schlingen gelaufen, und der Rotspießer musste aus unmittelbarer Nähe mit Schrot niedergeknallt worden sein. Dem Fuchs war der linke Vorderlauf durchgeschlagen, ihn hatte man also mittels des Eisens erlangt.
„So, Herr Heeder“, sagte Wachtmeister Goldschmidt zum Förster, „den Anfang haben wir gemacht, hoffentlich können wir den Schleier lüften, der über diese ganze Gegend gezogen ist. Wissen Sie, dieser Struck scheint mir nicht ganz hasenrein zu sein, ich habe schon Verschiedenes munkeln hören. Man tappt aber immer im Dunkeln. Sprechen Sie doch mal mit Ihrem Oberförster, wir müssen mal die Geschichte großzügig untersuchen. Ein Bekannter von mir schrieb mir neulich, in Pommern würde gleichfalls toll gewildert, die Regierung habe einen Berliner Kriminalkommissar beauftragt, die Sache zu klären. Er soll sich an die Wilderer rangemacht haben, soll zum Schein tüchtig mitwildern, und in kurzer Zeit soll das ganze Nest ausgehoben werden. So müsste es auch hier gemacht werden.“
Der Förster gab dem Wachtmeister recht und nahm sich vor, in diesem Sinne demnächst mit seinem Chef zu sprechen.
Erst spät kehrte Förster Heeder heim. Er erzählte seinen Angehörigen das Erlebnis in Walsleben und arbeitete bis spät in die Nacht hinein an seinem Schreibtisch, um der vielen Schreibereien Herr zu werden.
Heute fühlte er sich wieder einigermaßen zufrieden, bestand doch die Hoffnung, nun bald die verdammten Wilderer zu fassen und dem geliebten Wilde Ruhe zu verschaffen. Sein Weimaraner lag zu seinen Füßen auf der Rehdecke, und der kleine braune Dackel hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt. In dem geweihgeschmückten Zimmer war es angenehm warm, Mutter und Tochter machten Handarbeiten, und draußen rüttelte eisiger Wind an den grünen Fensterläden.
Als der Förster zur Zeitung griff, fiel ihm ein Artikel auf, in dem auf die sogenannten Schalldämpfer hingewiesen wurde. Es sei in Württemberg der Försterei gelungen, eine große Wilddiebsbande zu fassen, deren Beteiligte sämtlich Schalldämpfer bei sich führten. Sicherlich war es hier genau so, ohne Zweifel haben die hier in Frage kommenden Halunken Schalldämpfer, sonst hätte er doch mal Schüsse hören müssen.
Nach einigen Tagen erfuhr Förster Heeder, dass Arbeiterfrau Schmidt, die er am ersten Weihnachstag mit einem Damtier im Holzsack angetroffen hatte, von dem Schöffengericht wegen Beihilfe zum Wildern freigesprochen, dagegen wegen Fundunterschlagung zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Es habe sich nicht beweisen lassen, dass die Angeklagte das Stück Damwild nicht gefunden habe. Trotzdem blieb Heeder der Ansicht, dass die Angeklagte mit Wilddieben gemeinsame Sache gemacht habe.
Inzwischen hatte Rentner Struck wöchentlich mehrmals das Techentiner Revier sowie die angrenzenden Forste heimgesucht, hatte Rehe, Hasen, Fasanen, einen Überläufer und einen Rotspießer gewildert und gleichzeitig die Entdeckung gemacht, dass außer ihm noch andere Personen ihr Wesen im Walde trieben. Außer fängisch gestellten Schlingen fand er auch verschiedene Tellereisen. Er hatte also Nebenbuhler.
Als er eines Abends mit Teilen eines von ihm geschossenen Sechsenders den Kleinbahnhof eines nahen Ortes betrat, fiel ihm auf, dass er von dem Eisenbahnbeamten auffällig beobachtet wurde. Donnerwetter – sollte man vielleicht Verdacht geschöpft und die Bahnbeamten verständigt haben? Das konnte schließlich unangenehm werden. Um jeglichen Verdacht von sich abzulenken, entschloss er sich Ende Februar zu Folgendem: Er reiste wieder in sein Pachtrevier, schoss vormittags einen Rehbock, der schon ein zwei Zentimeter langes Bastgehörn geschoben hatte, zerlegte ihn – und zwar absichtlich sehr unweidmännisch –, nahm nur die Keulen und das Geschlinge mit und ließ alles andere am Rande einer Schonung liegen. Zu Mittag speiste er bei seiner Verpächterin, ging nachmittags abermals ins Revier und nahm den neunzehn Jahre alten Sohn der Gutsbesitzerin mit. Unauffällig lenkte er die Schritte zu dem Bock. Plötzlich rief der junge Primaner: „Da liegt ja ein Reh, Herr Struck!“
„Was?“ fragte jener entsetzt, „wahrhaftig! Diese Halunken! Schießen mir trotz Schonzeit einen Bock ab und lassen zum Lohn noch die Hälfte zurück. Kommen Sie bitte gleich mit zum Gendarmen, die Sache muss untersucht werden. Sie sind mein Zeuge.“
Beim Wachtmeister schilderte Struck die Angelegenheit sehr geschickt und bat ihn, einen Brief mit zur Stadt zu nehmen, in dem er die Redaktion des Kreisblattes ersuchte, folgendes Inserat zu veröffentlichen:
„Hohe Belohnung zahle ich demjenigen, der mir Angaben macht, auf Grund derer es möglich ist, diejenigen Personen, die sowohl in meinem Pinnower Pachtrevier als auch in den Staatsforsten auf das Schlimmste wildern, der gerichtlichen Bestrafung zuzuführen.“
Zwei Tage darauf veröffentlichte die Tageszeitung dieses Inserat. Es wurde vom Oberförster, in den preußischen und mecklenburgischen Förstereien der Umgegend gelesen. Man schenkte ihm natürlich Glauben und hatte nicht den geringsten Verdacht, dass Struck mit den Wilddiebereien in den Staatsforsten im Zusammenhang stehen könnte; es wurde zwar manches gemunkelt, z. B. sollte er häufig – anstatt sich in die Bahn zu setzen – in die Staatsforste gehen und dort Schlingen stellen, doch man hatte nicht den geringsten Anhalt. Der Bahnwärter will zwar einmal nachts einem stattlichen Herrn mit dunklem Vollbart und goldener Brille begegnet sein, doch erzählt wird ja viel. Jemand, der ein Pachtrevier so hoch weidmännisch behandelt wie Struck, der nur wenig schießt und ein ausgesprochener Heger ist, geht nicht in die Staatsforste wildern, hat es auch gar nicht nötig. Am allerwenigsten stellt er Schlingen.
Struck nutzte die günstige Lage aus. Fast jede zweite Nacht trieb er sich in den preußischen Revieren herum, hauptsächlich in dem wildreichsten, demjenigen des Försters Heeder in Techentin, schonte weder Schmaltier noch Bastbock, nahm den anderen Wilderern Rehe aus den Schlingen, einmal auch zwei Iltisse, transportierte das Wild aber nicht zur Bahn, sondern ließ es vom Gastwirt Lehnacker in Walsleben nachts aus einem Dickicht unweit der „großen Wiese“ abholen und machte dabei ein gutes Geschäft.
Lehnacker hatte seine sechswöchige Gefängnisstrafe wegen Hehlerei abgesessen, nahm jegliches Wildbret gern in Empfang und fand gute Abnehmer in der Hauptstadt der Provinz. Einer von ihnen, ein Hotelbesitzer, zahlte gut und drängte ständig auf frische Lieferungen. Struck hielt sich eine Zeit lang als angeblicher Pferdeknecht bei Lehnacker auf, hatte freie Logis und Kost und wilddiebte nachts. Hin und wieder erschien er als vornehmer Jagdpächter in Pinnow, knallte wieder zum Schein einen Damspießer ab, erstattete Anzeige, erließ wieder ein Inserat und führte sämtliche scharf gewordenen Behörden an der Nase herum, selbst den Gendarmen. Seine Familie ahnte nichts von seinem verwegenen Treiben hier an der mecklenburgischen Grenze und, was noch viel wichtiger war, die Behörden dieser Gegend auch nicht.
Und eine Lust ist es, da draußen herum zu kriechen. Die Jagd in seinem Revier ist völlig gefahrlos, sie hat daher wenig Reiz. Aber in den Staatsforsten muss er sich vorsehen, jedem Menschen aus dem Wege gehen. Ihn umgibt ständige Gefahr, und das übt einen köstlichen Reiz aus. Das hat in Struck eine Leidenschaft entfacht, die er nicht mehr bezwingen kann. Trotz seiner sechsundfünfzig Jahre scheut er keinen Sturm, keinen noch so langen Weg, kein Matschwetter, keinen Regen, im Gegenteil: gerade dann muss er raus, dann lohnt es, dann vermutet ihn ja niemand. Und dann der gute Verdienst! Wenn seine beiden verheirateten Söhne ahnten, dass die Sonntagsbraten, die sie ständig bekommen, gewildert sind – ach was, bloß keine Gedanken machen! Das Wildererleben ist ja so reizvoll.
„Siehst du, Herbert, hier waren die Schurken auch schon wieder! Hier liegt Schnitthaar vom Rotwild. In der Försterei Hohenstaaten sind sie, wie mir Kollege Hegemeister Dahms Sonntag Anfang Juni nach der Kirche sagte, hinter dem Edelwild her, haben ein Alttier lauflahm geschossen, und bei mir geht’s auch wieder los. Einige Wochen ist es ja gegangen; ich glaube doch, dass Struck dahinter steckt, ich kann mir nun mal nicht helfen. Aber außer ihm scheinen ja noch andere am Werk zu sein, hauptsächlich Schlingensteller.“
Der Förster hielt inne. Auch sein Sohn blieb stehen.
„Blattet da nicht jemand?“
„Nein, Vater, ich höre nichts.“
Heftig klopfte beiden das Herz, es trieb mit wuchtigen Stößen das erregte Blut in die Schläfen. Sie hielten den Atem an, traten ins Stangenholz und lauschten angestrengt.
„Da, jetzt wieder. Donnerwetter, die wildern ja wohl am hellen Sommertag!“
Vorsichtig schlichen Förster Heeder und sein Sohn weiter. Jetzt fiepte es wieder. Schnell weiter, aber vorsichtig!
Der Förster nahm die Büchse von der Schulter. Plötzlich fiel mit hellem peitschenartigen Knall ein Schuss. Gleichzeitig sahen Heeder und sein Sohn einen Mann über die Schneise laufen. Der Förster rief laut:
„Stehen bleiben, oder ich schieße!“
Doch der Mann guckte sich nur um und rannte so schnell er konnte in die unmittelbar an die Schneise stoßende Kiefernschonung. Im selben Augenblick aber krachte es noch einmal. Der Wilddieb taumelte vorne über, kam aber wieder hoch und verschwand in der Schonung.
„Sieh dich vor!“ rief Förster Heeder, „dass du keines gelangt kriegst, der Kerl schießt womöglich aus dem Hinterhalt!“
Mit Vorsicht, aber trotzdem mit größtem Eifer versuchten beide, den Wilddieb zu fassen. Sie glaubten, ihn infolge seiner Verwundung im Dickicht zu finden, waren so leichtsinnig, überall durchzukriechen, doch der Kerl blieb verschwunden.
„Zu schade, dass diese Schonung so ausgedehnt ist und an vielen Stellen an dichtes Stangenholz stößt, so dass sich der Kerl nach allen Richtungen, ohne sichtbar zu werden, entfernen kann“, sagte Heeder.
Schnell eilte der Försterssohn nach Hause, holte seine Büchse und die beiden Hunde, war in verhältnismäßig kurzer Zeit zurück, und nun wurden die Hunde in die Schonung geschickt. Sie blieben lange, kamen aber unverrichteter Sache wieder zurück.
Inzwischen hatte Förster Heeder die Stelle, an der der Wilderer geschossen hatte, abgesucht und einen Gabelbock gefunden, der mit gutem Blattschuss im Hochwald neben grünem Brombergestrüpp lag. Alles weitere Suchen nach dem Wilderer blieb völlig erfolglos, der Schuft war entkommen.
„Das war Struck aber sicher nicht“, sagte Förster Heeder zu seinem Sohn, „der ist viel größer und breiter, dies war ja nur ein schmächtiges Kerlchen. Sein Vollbart ist sicher nicht echt, den hat er sich bloß angekleistert. Das ist natürlich ein alter Gaunertrick. Sicherheitshalber will ich doch gleich mal in Pinnow telefonisch anfragen, ob Struck da ist. Den Wachtmeister und den Oberförster muss ich auch gleich benachrichtigen. Sicher war das einer aus Walsleben oder Bärburg.
Gegen acht Uhr abends trafen beide in der Försterei Techentin ein. Heeder ließ sich gleich mit Pinnow verbinden, erhielt aber die Antwort, Herr Struck sei dort nicht anwesend und werde voraussichtlich erst nächste Woche kommen.
„Ne, ne, Struck war das auch nicht, der ist viel stärker und größer“, bemerkte sein Sohn, „einigermaßen kenne ich ihn ja auch.“
Heeders Frau und seine Tochter erschraken natürlich nicht wenig, als sie dies Abenteuer erfuhren, und sannen und grübelten darüber nach, wer der Wilddieb wohl sein könnte.
„Ich sage nichts, wenn der Lump irgendwo verludert und nach Jahren als Skelett gefunden wird“, bemerkte der Förster. „Leider war die Entfernung für Schrot reichlich groß, ich hätte ihm lieber eine Kugel antragen sollen, die hätte besser gesessen.“
Nachdem der Wachtmeister und der Oberförster Schütte in Stubbenhagen verständigt worden waren, gingen der Förster, dessen Sohn und Tochter mit den beiden Hunden im Dunkelwerden wiederum zum Tatort. Sie besprachen alle Einzelheiten nochmals, schritten die Entfernung zwischen Förster und Wilddieb ab und fanden auf dem Heimweg direkt am Weg Schnitthaar von Damwild. Es musste aber schon mehrere Tage dort gelegen haben, denn der Regen hatte es schon verwischt. Die trotzdem sicherheitshalber angestellte Nachsuche blieb natürlich erfolglos. Das fragliche Stück Damwild hatte sich der Wilddieb sicherlich längst geholt.
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