Kitabı oku: «Kultur- und Literaturwissenschaften», sayfa 11
2.3.3 Lingua Franca als Ausdruck des Dritten Ortes
Das Englische ist im Kontext der Lingua-Franca-Diskussion als hegemonistische oder imperialistische Sprache viel kritisiert worden, weil es die Kulturspezifika einer bestimmten Sprachkultur (oder Gruppe von Sprachkulturen) auf eine kulturübergreifende Ebene transportiert, damit die kulturspezifischen Konzepte und Begriffe anderer an der Lingua Franca beteiligter Sprachen verdrängt und diese weder abbilden könnte noch den Anschein gibt, es tun zu wollen. In den Situationen, in denen die Lingua Franca Englisch als normiertes und normierendes Kommunikationsmedium dient, wie etwa in der (schriftlichen) Wissenschaftssprache, liegt eine derartige Standardisierung in der Tat vor, nicht notwendigerweise jedoch in der internationalen Alltagssprache, wenn keine Englisch-Zielsprachensprecher beteiligt sind. Pölzl (2006) zeigt anhand eines diversifizierten Korpus, wie in dieser instabilen Kommunikationsform kulturspezifische und internationale Identitäten je neu und unter intensivem Rückgriff auf die Ausgangskulturen der Beteiligten ausgehandelt werden und die Dynamik internationaler Kommunikation prägen können (vergleiche hierzu auch Meierkord 2002: 119ff). Dazu unterscheidet sie verschiedene Funktionen der Weltsprache Englisch. Erstens ihre Rolle als lingua culturaelingua culturae der anglophonen Sprecher, zweitens ihre Funktion als lingua convertalingua converta in mehrsprachigen Kulturen und drittens ihre Funktion als Lingua Franca in interkultureller Kommunikation. In der lingua culturae spiegelt sich demnach die Kultur einer Sprachgemeinschaft in direkter sprachkulturtypischer Weise wider. Als lingua converta fungiert eine fremde Sprache, wenn sie als Amtssprache statt oder neben einer angestammten Sprache verwendet wird. Damit wird also vor allem die postkoloniale Mehrsprachigkeit vieler Länder bezeichnet. Ob und inwiefern sich eine lingua converta im Laufe der Zeit zu einer lingua culturae entwickelt oder mit einer solchen gleichberechtigt oder nur in bestimmten funktionalen Teilbereichen koexistiert, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. In der Regel markiert eine lingua converta aber eine unterschiedliche Perspektive auf Sachverhalte, Ereignisse oder Handlungen. Ähnlich verhält es sich auch mit der Verwendung einer Sprache wie dem Englischen als Lingua Franca in internationaler Alltagskommunikation (English as Lingua Franca in Intercultural Communication, ELFIC). Auch wenn die sprachliche Oberfläche dieser Lingua Franca eine größere internationale Homogenität und Standardisierung suggeriert, und damit eine weitgehend sprachkulturtypische Leere, weist sie in Wirklichkeit sowohl multiple Vernetzungen zu den kulturspezifischen Begriffs- und Vorstellungswelten der Beteiligten als auch Referenzen zu international standardisierten und normierten Konzepten auf. So werden internationale Chunks unaufgelöst übernommen und mit kulturspezifischer Bedeutung unterlegt: Ein englisches public viewing trägt im Deutschen die Bedeutung einer öffentlichen Vorführung einer Übertragung oder eines Filmes, bedeutet aber eigentlich ‚Leichenschau‘.
Für den Sprecher bedeutet dies auch ein ständiges Wechselspiel zwischen kulturspezifischer und internationaler Identität, in dem er sich je unterschiedlich positionieren will und kann. Das geht laut Pölzl (2006) in folgender Weise:
Neue sprachkulturspezifische Konventionen können spontan und ad hoc, je nach Bedarf, eingeführt werden. Dabei können sich die Sprecher sowohl auf die interkulturellen Identitäten als auch auf ihre eigene Ausgangskultur beziehen und zwischen diesen unmarkiert hin- und herwechseln.
Neue sprachkulturelle Konventionen können bewusst in die Dritte-Ort-Kultur, die interkulturelle Identität, eingeführt werden, um die eigene Ausgangskultur in der interkulturellen Identität zu verorten (und ihr Raum zu geben) und diese mit anderen zu teilen.
Sprachkulturelle Normen können sich zu interkulturellen Normen entwickeln, wenn die entsprechenden Bezüge von allen oder den meisten Teilnehmern verstanden, geteilt und akzeptiert werden. Dabei gibt es entsprechend der Komplexität des Verstehens Abstufungen zwischen simplifizierter und elaborierter Form.
Es können auch sprachkulturell typische Normen einer externen Umgangssprache aufgenommen oder antizipiert werden, und zwar zur Schaffung von Solidaritätsbezügen, ohne dass die Teilnehmer dieser Kultur anwesend sind, und ohne dass diese Solidarität permanent bestehen müsste. Pölzl (2006) geht davon aus, dass Sprecher zwei (oder mehrere) Identitäten haben, die unterschiedlich repräsentiert werden: die sprachtypische und sprachkulturelle, die sich in der Funktion der lingua culturae ausdrückt, und die interkulturelle als Ausdruck eines Dritten Ortes. Sprecher können beliebig zwischen den Kulturen wechseln.
Die internationale Alltagssprache zeigt in besonders deutlicher Weise, dass Sprachkulturen immer in Bewegung und ständigen Veränderungsprozessen unterzogen sind. Im Gegensatz zur Wissenschaftssprache existiert sie demnach nicht als eine einheitliche und fixierte Variante, wie in Folge der kritischen Diskussion des Englischen als genormter Lingua Franca in den Wissenschaften unterstellt wurde, sondern immer als je spezifische Mischung von internationalem Repertoire und individuellen und situativ variierenden Einflüssen der Umgebungs- und Teilnehmerkulturen und deren Sprachen. Sie weitet die innere Mehrsprachigkeit auf die äußere (internationale) aus. Diese internationale Lingua Franca ist also eher ein in Entwicklung begriffenes, heterogenes (grammatisch mehr oder weniger korrektes) und instabiles Pidgin, das auch bei vergleichsweise stabil erscheinender Oberfläche durch konstante Aushandlungsprozesse geprägt ist, als eine verfestigte oder sich verfestigende KreolspracheKreolsprache (zu Pidgins und der Entstehung von Kreolsprachen ausführlich Lerneinheit 7.3 im Band »Mehrsprachigkeit«).
Fach- und Wissenschaftssprachen beziehen sich aufgrund ihrer Normierungsdynamik im Gegensatz zur internationalen Alltagskommunikation nur bedingt auf kulturspezifische Konzepte anderer Sprachen. Der Ausschnitt der Welt, der thematisiert wird, ist schließlich ein begrenzter, fachspezifischer, in dem die Aushandlung von Gegenständen, Methoden, Begriffen und Normierungsverfahren bereits relativ weit fortgeschritten ist. In den komplexeren fachsprachlichen Schichten haben sich daher vergleichsweise stabile, teilweise gesetzlich fixierte Referenzsysteme entwickelt. Die internationale Kommunikation funktioniert hinlänglich. Fachkulturen schaffen sich damit, wohl in Unkenntnis der dialektischen Prozesse von Standardisierung und Innovation, fachliche und sprachliche Mechanismen zur Abwehr fremder und neuer Impulse. Stringente methodische Vorschriften für Publikationen in einigen anglophonen wissenschaftlichen Zeitschriften gehören dabei zu den wirksamsten. Sie könnten dagegen von der Dynamik und Variabilität internationaler Kommunikation profitieren, wie dies beispielsweise verschiedene europäische und kanadische Zeitschriften mittels multilingualer Standards tun.
Dass die Prozesse der Standardisierung zumindest von den Proponenten einer einheitlichen Lingua Franca nur wenig durchschaut werden, mag auch daran liegen, dass für eine große Gruppe der Sprecher die Lingua Franca (Englisch) gleichzeitig ihre lingua culturae ist oder die beiden so ähnlich erscheinen, dass die Sprecher zwischen den beiden Funktionen nicht unterscheiden können. Für andere mag der Grund vorauseilender Gehorsam oder Mode sein.
2.3.4 Sprachenvielfalt – Sprachenpolitik
Sprachenvielfalt ist also auch Kultur- und Wissenschaftsvielfalt, und Kultur- und Wissenschaftsvielfalt ist Sprachenvielfalt. Beide sind dialektisch miteinander verbunden und stellen damit ein Bereicherungspotenzial und nicht Rückständigkeit dar. Weinrich (1994) hat an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass Wissenschaft überhaupt nur aus Sprache bestehe, ohne diese gar nicht denkbar sei (siehe dazu auch Lerneinheit 8.3 in diesem Band). Wissenschaft ohne Veröffentlichung, also Bezug auf veröffentlichte Ergebnisse und Erkenntnisse, ohne Versprachlichung in Schrift oder Wort, sei im Prinzip gar keine Wissenschaft, weil erst die Veröffentlichung wissenschaftliche Primate, wie das der Überprüfbarkeit, ermögliche. Aber auch der Prozess der Erkenntnisgewinnung läuft durch und durch über Sprache, von der Aufnahme der Forschungsergebnisse anderer Kollegen und Kolleginnen, über die Kommunikation im Labor, die kritische Diskussion in Konferenzen und auf Tagungen bis hin zur Verfertigung von Lehrbüchern.
Hier zeigt sich deutlich, dass die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung durch und durch und von Anfang an ein kommunikativer Prozess ist, an dem die sprachliche Fassung einen wesentlichen Anteil hat. Und das gilt für alle Wissenschaften, nicht nur für die notorisch sprachförmigen Geisteswissenschaften (Weinrich 1994: 163).
Wenn es insgesamt eine so weitreichende gegenseitige Abhängigkeit von Sprache, Kultur und Wissenschaft gibt, dann ist das Konzept der Lingua Franca ein differenzierteres, als es die Sprachen- und Bildungspolitik in vielen Ländern wahrnimmt. Aus einer differenzierteren Sicht ergeben sich folglich nicht nur sprach- und kulturdidaktische Konsequenzen, sondern gravierende Auswirkungen auf die Sprachen- und Bildungspolitik.
Einsprachigkeit, auch in Form einer Verkehrssprache (und ersten Fremdsprache) wie dem Englischen oder gar dem kulturfremden Esperanto, führt nicht automatisch zu Fortschritten oder internationalem Anschluss in Bildung, Wissenschaft und Alltag. Es gibt offensichtlich natürliche gesellschaftliche Gründe für die bereits existierende kulturelle und sprachliche Vielfalt. Also ist nicht Einsprachigkeit, sondern die Kultivierung der Kulturen zu fördern, und zwar gerade dadurch, dass Maßnahmen der Vermittlung zwischen Kulturen und die Entwicklung daraus entstehender weiterer (zweiter, dritter, vierter und fünfter) Perspektiven angestrebt werden. Darin eingeschlossen sind Dritte-Ort-Kulturen, die sich in interkulturellen Alltagssituationen manifestieren und im Wechselspiel mit den Ausgangskulturen ihrer Mitglieder stehen.
Eine Förderung derart verstandener Multikulturalität könnte folgendermaßen geschehen: Durch eine Sprachen-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik, die nicht Einsprachigkeit (oder einsprachige Fremdsprachigkeit) im Sinne eines naiven Verständnisses von Globalisierung propagiert, sondern den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und hermeneutischen Nutzen geistesgeschichtlicher Pluralität erkennt. Die also in Arbeits- und Lebenseinheiten wie etwa der Europäischen Union mehrere Verkehrssprachen fördert, mehrere Arbeitssprachen in die Lehrpläne aufnimmt und auch den Bestand an Regionalsprachen fördert (vergleiche hierzu auch die Vorschläge von Seidlhofer (2001) und die phonologischen Untersuchungen von Jenkins (2000)). Um dafür Ressourcen zu schaffen, könnte sich der Englisch-Fremdsprachenunterricht viel stärker als bisher auf die Vermittlung der Varianten der Lingua Franca Englisch konzentrieren, die ohnehin zunehmend Allgemeingut werden, und den Anteil der lingua culturae Englisch in den Lehrplänen ähnlich gewichten, wie den anderer Verkehrs- oder Regionalsprachen auch. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen und einige Lehrpläne europäischer Länder haben diese Intentionen in Richtung einer Mehrsprachigkeit zwar formell in der einen oder anderen Weise aufgenommen, aber bei der Umsetzung einer gelebten, brauchbaren Mehrsprachigkeit durch die Schulen – zum Beispiel durch eine Mehrsprachendidaktik oder qualitativ hochwertigen Output – fehlt es noch weit.
2.3.5 Zusammenfassung
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergeben sich also die folgenden Schlussfolgerungen:
Eine Lingua Franca kann, zumal im Wissenschaftsbereich, ein effizientes Mittel zur Abbildung einer Fachkultur sein. Diese Fachkultur ist aber tatsächlich eine Kultur, die in der Regel sehr weit (von außen) standardisiert ist und eine Einflussnahme der Ausgangskulturen der Sprecher und Sprecherinnen im Sinne eines Dritten Ortes kaum zulässt.
Sprachvariation. Die Frage nach der Norm ist zu beantworten. Welche Varietät einer Lingua Franca ist eigentlich für welche Zwecke die Normgebende? Welchen Aushandlungsprozessen unterliegt sie, welche lässt sie zu?
Lingua Franca ist im internationalen Gebrauch oft Rudimentärsprache und wird damit wissenschaftlichen Differenzierungsnormen nur bedingt gerecht.
Eine Lingua Franca kann auch eine Gefahr der Verarmung der eigenen Sprache bewirken, wenn die lebensnotwendige Rückkoppelung an die Allgemeinkultur und -sprache (zum Beispiel über die Schulbildung) nicht gegeben ist.
In der Alltagskommunikation bietet die internationale Lingua Franca jedoch enormen Spielraum sowohl für die Schaffung einer gemeinsamen Basis als auch für kulturspezifische Differenzierungen. Sie hat das Potenzial, die innere Mehrsprachigkeit des Menschen (Wandruszka 1979) auf Fremdsprachen auszudehnen und dabei als internationales Register eine Brückenfunktion zu erfüllen.
Wissenschaftsstrukturen drücken sich in verschiedenen Sprachstrukturen (linguistischen Bereichen) aus, die sich oft nur schwer in fremde Sprachen übertragen lassen oder eine Einheitlichkeit vorgeben, die in Wirklichkeit nicht gewährleistet ist. Das spricht für funktionale Mehrsprachigkeit, auch wenn diese nur in partiellen Bereichen erzielt wird. Das spricht auch für kulturspezifische Differenzierungen, im Sinne einer kreativen (nicht nur passiv übernommenen und erzwungenen) global ownership, auch in den stärker normierten Bereichen der wissenschaftlichen Lingua Franca. Hier könnten die dargestellten dynamischen Prinzipien der internationalen allgemeinsprachlichen Lingua Franca Impulse und Vorbilder für die fachsprachliche Kommunikation liefern.
Wissenschaft ohne Versprachlichung ist keine Wissenschaft. Es muss also darauf geachtet werden, dass Wissenschaft auch allen an ihr Beteiligten sprachlich zugänglich ist, bis hin in die Lehre an den Schulen.
Die Variationsvielfalt in der Lingua Franca Englisch und neuere Mehrsprachigkeitskonzepte verlangen nach curricularen Konsequenzen.
2.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle
1 Welche Formen des Englischen gibt es?
2 Welche vier forschungsmethodischen Ansätze werden in der vergleichenden Politikwissenschaft unterschieden?
3 Was versteht man unter den Begriffen lingua culturae und lingua converta?
3 Critical Incidents und Tabus, Vermittlungswege interkultureller Kompetenz
Bei der Vermittlung von fremden Sprachen und Kulturen kann es immer wieder zu schwierigen Situationen kommen, wenn Lehrkräfte und Schülerinnen beziehungsweise Schüler oder auch Schülerinnen und Schüler untereinander unterschiedliche Werte, Ziele, Verhaltensregeln oder Anschauungen haben und diese verhandeln müssen. Neben den je individuellen Differenzen von Menschen, auch innerhalb der gleichen Kultur, beeinflussen in der Regel auch kulturspezifische Präferenzen (Konventionen) bewusst oder unbewusst die Kommunikation. In jeder Gesellschaft gelten schließlich andere Regeln, gibt es andere Vorstellungen von Höflichkeit, von den Geschlechterrollen, von Distanz und Nähe, von dem was gut, schön und richtig oder aber schlecht, schmutzig und verboten ist, und wie man mit differenten Einstellungen umgeht. Solche Unterschiede prallen in der Lehr-Lernsituation oft unvorbereitet und unreflektiert aufeinander und können zu Missverständnissen, zu Ablehnung oder gar zu offenen Konflikten führen, gerade weil die ihnen zugrundeliegenden Praktiken so alltäglich sind und jedem so selbstverständlich erscheinen. Es geht dann nicht so sehr darum, ob die Präpositionen mit Akkusativ gelernt werden müssen, sondern vielleicht um die Frage, wann und mit welchen (Hand-)Zeichen man sich im Unterricht meldet, wie man sich kleidet, welche Themen angesprochen werden dürfen und welche nicht, welche Hygienestandards man pflegt oder wie man widerspricht, korrigiert, lobt oder mahnt. Und es geht auch um (als selbstverständlich angenommene) Tabus, die Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie Lerner – meist ohne es zu bemerken – verletzen können.
Mit solchen Situationen, mit Sensibilisierungen für die Thematik und mit Lösungswegen und Methoden dafür beschäftigen sich die folgenden drei Lerneinheiten. In zwei Lerneinheiten gegliedert finden Sie hier eine Einführung in eine Systematik für den Umgang mit kritischen Situationen: die Behandlung von critical incidents, den sogenannten kritischen Interaktionssituationen. Das entsprechende Verfahren gibt es schon seit 75 Jahren, und es ist in der Didaktik und im Sprachunterricht schon vielfach empfohlen worden. Allerdings verlangt es auch Fingerspitzengefühl, weil niemand frei von Emotionen mit Tabus umgehen kann. Gerade im Unterricht sollten Tabus, ihre Entstehung und ihre Wirkung behandelt werden, man muss dabei aber auch viel Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler oder andere Kursteilnehmerinnen und ‑teilnehmer und sonstige Beteiligte nehmen. Der schwierigste Fall unter allen schwierigen Situationen besteht darin, dass man selber (oder jemand anderes) etwas getan hat, das allgemein als absolut verboten gilt: ein Tabu zu brechen. Auch das passiert aus Versehen immer wieder im Unterricht. Unvermittelt und unbehandelt kann es aber zu einem GAU (im Sinne von ‚Unfall‘) im Unterricht führen: Spannungen erzeugen, Hürden aufbauen, statt sie zu bewältigen, Vertrauen und Autorität verspielen. Lerneinheit 3.1 beschäftigt sich daher mit den Grundlagen von kritischen Interaktionssituationen und ihrer Didaktik. Lerneinheit 3.2 vertieft diese Darstellung mit Blick auf ihren Einsatz im Unterricht. Lerneinheit 3.3 behandelt die Entstehung und den Umgang mit Tabus in interkultureller Kommunikation.
3.1 Critical Incidents I – Kritische Interaktionssituationen
Ulrich Bauer
In diesem Kapitel geht es um critical incidents (CI), auf Deutsch: kritische Interaktionssituationen (KI). Dies ist ein sehr anwendungsbezogener Teil der interkulturellen Kommunikation, aus dem man – im Unterschied zu manchen anderen Bereichen – meist unmittelbaren Nutzen ziehen kann, wenn man zum Beispiel in der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen Konflikte oder Unsicherheiten erlebt, deren Ursache auch kulturell sein könnte. Im ersten Teil wird die Entstehung dieses Schemas beschrieben und wie Sie es anwenden können. Dabei wird anhand von Beispielen aus der alltäglichen Praxis erläutert, welche Situationen man als kritische Interaktionssituation beschreiben kann, und wie man diese zur besseren Erkenntnis der Situation nutzen sowie anhand eines hier vorgestellten Schemas auch im DaF- oder Fremdsprachenunterricht bearbeiten kann. Es wird vorgestellt, welche Inhalte Sie selbst in der Unterrichtspraxis verwenden können. Außerdem wird auch eine zusätzliche Rolle vorgeschlagen, die Sie als Dozentin oder Dozent im Fremdsprachenunterricht einnehmen können: die eines Coaches bei der Bewältigung von kritische Interaktionssituationen. Sie sollten in diesem Kapitel vor allem über den kritischen (prüfenden) und analytischen Umgang mit eigenen Erfahrungen nachdenken und wie man in der Fremdbegegnung den üblichen Weg vom Stereotyp zum abwertenden Vorurteil umdrehen kann, um daraus eine Analyse zu machen, in der die erlebten Irritationen zum Ausgangspunkt für eine neue Erkenntnis werden.
Lernziele
In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie
zunächst die Geschichte und Herkunft des Schemas critical incident beziehungsweise kritische Interaktionssituation kennen;
sich mit den Herausforderungen einer nicht gefestigten Terminologie auseinandersetzen;
grundlegende theoretische Konzepte im Umfeld der kritischen Interaktionssituationen kennen;
sehen, dass man nicht jede kritische Interaktionssituation auf Kultur zurückführen kann, beziehungsweise darf;
Aufgaben entwickeln können, die solche kritische Interaktionssituationen thematisieren;
eine Methode benutzen lernen, mit der man in der (konfliktiven) Situation einer kritische Interaktionssituation nach möglichen Ursachen und angemessenen Lösungen fragt;
ein Tagebuch der Selbstentdeckung führen.
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