Kitabı oku: «Lebendige Seelsorge 5/2015», sayfa 3

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ALLE HABEN EINE HEIMAT IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE

Das ABC wirklich tiefer Freundschaft, also Vertrauen, Hingabe, Verzicht, alltägliche (auch materielle) Solidarität, aber ebenso taktvolle Distanz, gekonnte Auseinandersetzung, Mitleiden und sich mitfreuen – all das lernen wir vor allem an unseren (primären) Beziehungen. Die Entwicklungspsychologie beschreibt die erste Erfahrung solcher Beziehung am Verhältnis zu Mutter und Vater. Rein sozialwissenschaftlich-statistisch ist dabei noch immer der „Normalfall“ von Partnern mit ihren gemeinsamen Kindern gemeint. Ja, die Soziologie behauptet gelegentlich sogar, die Familienorientiertheit von Ehe und Partnerschaft käme in dem heutigen Verhalten der Menschen wieder neu zum Ausdruck, dass sie verstärkt (erst) in dem Augenblick heiraten, wenn sie ein Kind erwarten. Sicherlich: die Suche nach Alternativen, die Würde und Ehrlichkeit der verschiedenen Formen gelebter Gemeinschaft mit Kindern, mit Partnern, mit älteren Menschen, mit Freundinnen und Freunden ist ein ganz wichtiges Kennzeichen moderner Lebenskultur. Und sie bringt den moralischen „Wert“ der Freundschaft in ganz vielfältiger Form, aber ganz im Sinne ihrer grundlegenden menschlichen Bedeutung zur Geltung – noch vor den Ausfaltungen in Ehe, Leben mit und ohne Kindern, lebenslanger oder zeitweiser Partnerschaft, verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Entspricht das nicht auch der christlichen Tradition, wie sie die katholische Kirche kennt?

Eigentlich ist es dabei überhaupt nicht wichtig, ob sich dahinter die alten tiefen Spuren der natürlichen Bedürfnisse verbergen, von denen die christliche Naturrechtslehre immer wieder zu sprechen versucht. Oder ob es Versuche der Kompensation sind, mit der Menschen auf den Verlust alter, vertrauter Werte unter den belastenden oder freimachenden Bedingungen moderner Gesellschaft zu reagieren versuchen. Ob es das alte Vertraute ist oder das Neue, Ungewohnte und dadurch Lebendigkeit Schenkende. Die christlichen Familienformen mögen in ihrer unterschiedlichen Ausprägung einmal das eine, dann wieder das andere stärker zum Ausdruck bringen. Sie haben alle eine Heimat in der katholischen Kirche. Dabei macht es auch nichts, wenn mitunter Extreme vertreten werden. Theologie und Kirche haben die Kraft, sie zu integrieren. Und wenn schon moderne Technik – ich erinnere noch einmal an meine Sprachsoftware, ein Wunder fortschrittlichster Erfindung und menschlicher Kreativität – am Alten, Gewohnten entlang das Neue aufzunehmen lernt, darf das dann nicht auch die Kirche in genau diesem Sinne tun?

So möchte ich mit einem dreifachen Hurra schließen: einem Hurra auf die Freundschaft, einem Hurra auf die Freundschaft in der Familie und einem Hurra auf die Familie!

Der Spagat der Theologen

Die Replik von Andreas Püttmann auf Josef Römelt

Dem Beitrag von Josef Römelt kann ich weitgehend zustimmen. Mir fehlt allerdings eine klare Antwort auf die Titelfrage, ob die Familie nun „kirchlich unter- oder überschätzt“ werde. Insgesamt fällt mir als Politologe der um Harmonisierung bemühte Duktus auf. An einigen Stellen fordert er meinen Einspruch heraus.

Dass „die Übernahme und Gestaltung einer gleichgeschlechtlichen Lebensform der freien Bestimmung der Betroffenen anvertraut“ sei und diese sich „dazu entscheiden, homosexuell zu sein“ – wie „bei den vielen anderen Seiten der eigenen Biografie: Berufswahl, Wahl des Wohnortes oder Ähnliches“, halte ich für eine emanzipatorisch-liberale Fiktion. In der Regel dürfte doch eine schicksalhafte Disposition vorliegen und nicht eine „Wahl“, „Entscheidung“ oder „übernommene“ „Lebensform“. Diese Diktion spielt jenen Realitätsverweigerern in die Hände, die Homosexuellen eine willentliche Auflehnung gegen Gottes Schöpfungsordnung vorwerfen.

Auch die den „bedrängenden Vorgaben“ der Kirche positiv entgegengestellte „Vielfalt im Erleben von Sexualität“ halte ich für semantisch problematisch. „Vielfalt“ gilt in unserer pluralen Gesellschaft als erstrebenswert und ist notfalls sogar regulativ zu fördern: Artenvielfalt durch den Naturschutz, Angebotsvielfalt durch das Bundeskartellamt, Meinungsvielfalt durch die Kommunikationsgrundrechte usw. Kann es aber sinnvoll sein, sexuelle Vielfalt zu fördern? Ich meine nicht. Es kann nur darum gehen, in der Natur vorgefundene sexuelle Verschiedenheit in einem menschenfreundlichen Klima der Toleranz zu akzeptieren und den Einzelnen das Beste daraus machen zu lassen.

PARTNERSCHAFTSGESTALTUNG?

Die Frage „Führt die versuchte Offenheit intimer Beziehungen (Anm.: Umschreibung für Promiskuität?) wohl auch zu Phänomenen psychischer Ausnutzung und Erschöpfung? Der fehlende Mut zur Bindung zur Vertiefung der Einsamkeit der Menschen – mitten in aller Offenheit der Intimität – bis hin zur Isolation?“ sollte nicht nur gestellt, sondern bejaht werden. Wenig sinnvoll erscheint mir die Feststellung „Wer sich z.B. zu einer gleichgeschlechtlichen Lebensgestaltung entschließt, drückt darin zugleich auch den Verzicht darauf aus, Kinder mit einem Partner (auf natürliche Weise) zu zeugen und ins Leben zu begleiten“. Sollten etwa Homosexuelle um einer Elternschaft willen lieber heterosexuell heiraten wie es früher oft geschah – und nicht selten zu unglücklichen, doppelbödigen Ehen führte? Und was soll eine „gleichgeschlechtliche Lebensgestaltung“ sein? Gemeint ist wohl Partnerschaftsgestaltung, aber zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft „entschließt“ man sich nicht wie für eine Wohnzimmergestaltung.

Für sehr wichtig halte ich Josef Römelts Aussage: „Die Liebe lebt immer auch vom Glauben der beiden Partner an ihre Stabilität, besonders in den Konflikten. So macht sich der Glaube zum Anwalt der Hoffnung, dass das gemeinsame Leben trägt – eine Ressource, die in den raschen Rhythmen des gegenwärtigen Lebens unabdingbar notwendig ist. Sie erhebt Einspruch gegen die Skepsis, die immer schon mit dem Scheitern rechnet.“ Christliche Religiosität und Kirchennähe begünstigen Ehevertrauen und Ehestabilität. Gott als „Dritter im Bunde“ verbindet, stärkt, tröstet und beschwingt.

KEIN KRATZER IM GLANZ

„Diese Fruchtbarkeit der Liebe in den Kindern, welche die Zukunft in ihren kleinen Händen halten, kann durch kein noch so radikales berufliches oder gesellschaftliches Engagement eingeholt werden“: als Lyrik spricht auch mich das spontan an, doch die „Fruchtbarkeit der Liebe“ einer Mutter Teresa, eines Maximilian Kolbe oder Janusz Korczak erscheint mir nicht minder faszinierend.

Schließlich wirbt der Autor hinsichtlich „christlicher Familien“ harmonisierend „für ein Verständnis, welches die unterschwellige Verachtung der gleichgeschlechtlichen Liebe, die auch in der offenen Gesellschaft als Versuchung nicht einfach verschwunden ist, überwinden hilft. Weil eine Verurteilung völlig unangemessen ist. Weil auch in ihr etwas jenseits dogmatischer, kirchenrechtlicher und liturgischer Hochform von der sakramentalen Würde menschlicher Liebe und Fruchtbarkeit Wirklichkeit wird.“ Als Politologe sticht einem hier ein Spagat des Theologen ins Auge: immerhin sind gleichgeschlechtliche Neigungen nach kirchlicher Lehre „objektiv ungeordnet“ und homosexuelle Akte sündhaft. Von nur weniger als der „Hochform“, von „unangemessener Verurteilung“ sowie „sakramentaler Würde“ könnte doch demnach keine Rede sein? Führt dieser Spagat nicht zur Überdehnung von doktrinärem Standbein und reflexivem Spielbein? Geht es hier vielleicht gar nicht „um eine zu enge kirchliche Moral“, die nur gelockert werden müsste, sondern um eine Moral auf humanwissenschaftlich überholter Grundlage? Dann müsste sich eine „Glaube und Vernunft“ verpflichtete Kirche „der Thematik der Homosexualität im Ganzen neu stellen“ (Karl Kardinal Lehmann) – ohne Angst davor, dass dies einen Kratzer im Glanz ihres überzeitlichen Wahrheitsanspruchs hinterlassen könnte.

Zwischen Vorbehalt und Wertschätzung

Ehe und Familie im Neuen Testament

Wer sich in den gegenwärtigen Debatten um Ehe und Familie durch einen Blick in die Bibel eindeutige Orientierung erhofft, erlebt Überraschungen: es kann in diesem Zusammenhang nicht nur die Zeitgebundenheit biblischer Schriften besonders deutlich werden; man stößt auch auf ausdrücklich familienkritische Äußerungen. Gerd Häfner

Das biblische Bild zu Ehe und Familie ist äußerst vielfältig. Dies ist nicht nur darin begründet, dass es zwischen Altem und Neuem Testament Unterschiede wie den bekannten Fall der Ehescheidung gibt; auch nicht allein darin, dass die in alttestamentlichen Erzählungen und rechtlichen Regelungen bezeugte polygame Ordnung die Lebenspraxis der meisten Israeliten nicht bestimmte. Denn auch innerhalb des Neuen Testaments ergibt sich ein vielstimmiger Befund, wenn man die Aussagen in den verschiedenen Traditionsschichten betrachtet.

EVANGELIEN

Beginnen wir mit der Jesusüberlieferung der Evangelien. Obwohl Matthäus und Lukas vom Ursprung Jesu erzählen und dabei Familienkonstellationen erkennen lassen, ist das Interesse an der Familie Jesu gering. Selbst Lukas, der einen vergleichsweise detaillierten Einblick gewährt, beschränkt sich auf wenige Daten: Maria und Josef als Verlobte und in Kapitel 2 als „Eltern Jesu“ (Lk 2,27.41.43); nach der Episode vom 12-jährigen Jesus im Tempel heißt es, Jesus habe sich seinen Eltern untergeordnet (2,51). Zusammen mit der Notiz vom Heranwachsen wird damit die ganze Zeit bis zum Auftreten Jesu im Alter von etwa 30 Jahren (3,23) abgedeckt. Dass Maria alle Ereignisse in ihrem Herzen bewahrt (2,51; s. auch 2,19), schlägt eine Brücke zum Beginn der Apostelgeschichte, dem zweiten Werk des Lukas; dort erscheint Maria mit den Brüdern Jesu als Teil der Urgemeinde (Apg 1,14). Dazwischen aber klafft eine Lücke: die Familie Jesu spielt nach der Darstellung der synoptischen Evangelien im Verlauf des Wirkens Jesu keine Rolle – jedenfalls keine positive.

In Mk 3,21 heißt es, dass die Verwandten Jesu ausgezogen seien, um ihn zu fassen, weil sie ihn für verrückt hielten. Die Szene findet ihre Fortsetzung in der Ankunft von Mutter und Brüdern, die Jesus im Haus rufen lassen (3,31) – ein Ruf, auf den Jesus mit dem Verweis auf seine neue Familie reagiert: diejenigen, die ihn hören und den Willen Gottes tun (3,34f.). Abgesehen von dieser Szene, in der es zu keinem direkten Kontakt kommt, schweigen die synoptischen Evangelien von der Familie Jesu während dessen öffentlichen Wirkens. Unabhängig von der Frage, ob sich die geschilderte feindselige Aktion der Verwandten historisch ins Wirken Jesu zurückführen lässt, ergibt sich im Ganzen ein eindeutiges Bild der Distanz zwischen Jesus und seiner Familie während der Zeit von Jesu Verkündigung. Das Johannes-Evangelium kann dieses Bild zwar etwas nuancieren, aber nicht grundsätzlich verändern. Mutter und Brüder Jesu treten in der Erzählung auf, der Eindruck der Distanz aber bleibt: Jesus grenzt sich bei der Hochzeit zu Kana mit Anrede und Ausspruch von seiner Mutter ab (Joh 2,4: „Was ist zwischen dir und mir, Frau?“), seinen Brüdern wird Unglaube attestiert (7,5). Die Szene unter dem Kreuz ist am besten familienmetaphorisch zu lesen: wenn Jesus seiner Mutter sagt „Frau, siehe, dein Sohn“ und zum geliebten Jünger „siehe, deine Mutter“ (19,26), dann wird dieser Jünger – Idealgestalt der Jesusnachfolger – in die Familie Jesu aufgenommen. Deshalb bezeichnet der Auferstandene die Jünger als „meine Brüder“, die denselben Vater haben wie er (20,17). Weil diese Verwandtschaftsbeziehung im Vordergrund steht, bleibt die Mutter Jesu im Johannes-Evangelium namenlos und wird nur über das verwandtschaftliche Verhältnis zu Jesus identifiziert.

In diesen Befund fügen sich familienkritische Worte, die möglicherweise Jesu Erfahrung mit der eigenen Familie spiegeln. Dass er nicht gekommen sei, Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34), bringt bildhaft die Spaltung zum Ausdruck, die der Anschluss an Jesus provoziert – eine Spaltung, die bis in die Familien reicht, wie die Fortsetzung deutlich macht (10,35 mit Rückgriff auf Mi 7,6).

Die Konkurrenz zwischen Jesusnachfolge und Familie prägt auch manche Nachfolgeworte. Im Lukas-Evangelium werden drei dieser Sprüche in einer Szene gebündelt. Jüngerschaft wird verbunden mit Unbehaustheit und Heimatlosigkeit: „Die Füchse haben Höhlen, die Vögel des Himmels Nester, der Menschensohn aber hat nichts, wohin er sein Haupt legt“ (9,58). Die Familie ist also nicht mehr der Ort des nachfolgewilligen Jüngers. Sie erscheint sogar metaphorisch als Bereich des Todes, den der Jünger hinter sich lassen muss: „Lass die Toten ihre Toten begraben!“ (9,60). Ein Aufschub mit dem Zweck, sich von der Familie zu verabschieden, wird – anders als bei der Berufung Elischas (1 Kön 19,19-21) – nicht gewährt: „Niemand, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das Reich Gottes“ (9,62). Dieser aus der Jesusnachfolge resultierende Bruch mit den familiären Bindungen kann auch grundsätzlich gefasst werden: „Wer seinen Vater oder seine Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert; und wer seinen Sohn oder seine Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert“ (Mt 10,37).

Die Konkurrenz von Nachfolge und Familie begründet aber keine Verlustgeschichte. Wer durch den Anschluss an Jesus in Distanz zu seinen primären sozialen Bindungen gebracht wird, gewinnt in der Gemeinschaft der Jesusnachfolger eine neue Familie. Ausdrücklich wird zugesagt, bereits „in dieser Welt“ Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker hundertfach zu erhalten (Mk 10,30), und dies heißt: es ist an eine reale Gemeinschaft gedacht, nicht nur ein Bild für die Heilsvollendung gebraucht. Man kann von hier aus eine Linie zur Familienmetaphorik in urchristlicher Sprachtradition ziehen: die Glaubenden sind Brüder und Schwestern.

PAULUS

Von dieser übertragenen Redeweise familiärer Beziehungen ist die Sprache des Paulus stark geprägt. Dagegen werden Ehe und Familie im eigentlichen Sinn in den unumstritten echten Paulusbriefen streng genommen nur in 1 Kor 7 zum Thema, wo der Apostel auf Fragen aus der Gemeinde von Korinth eingeht.

Es ist umstritten, ob Paulus mit dem Satz „Es ist gut für einen Menschen, eine Frau nicht zu berühren“ (1 Kor 7,1) eine Parole aus der korinthischen Gemeinde zitiert oder selbst formuliert. Wie auch immer man diese Frage beantwortet, in jedem Fall ergibt sich, dass Paulus die ehelose Lebensweise favorisiert. Er wünscht, dass alle seien wie er selbst, nämlich unverheiratet (7,7; s.a. 7,8). Auch in den Aussagen zu den Jungfrauen und zu den Witwen wird die Präferenz für die Ehelosigkeit deutlich: so zu sein, nämlich jungfräulich, ist gut für den Menschen (7,26); und ebenso ist die Witwe glücklicher, die nach dem Tod ihres Mannes nicht wieder heiratet, sondern „so bleibt“ (7,40). Es zeigt sich also ein deutlicher Vorbehalt gegen die Ehe. Begründet ist er zum einen in der nur noch kurzen Zeitspanne bis zur Vollendung. In ihr sollen die, die Frauen haben, so leben, als hätten sie keine (7,29). Zum andern verweist Paulus auf die ungeteilte Sorge für den Herrn, die nur den Unverheirateten möglich sei (7,32-34).

Dieser Vorbehalt gegen die Ehe mag, neben den Tendenzen zur Enthaltsamkeit bei den Adressaten, dazu beigetragen haben, dass die Ehe sehr einseitig unter dem Aspekt des Geschlechtsverkehrs gesehen wird: um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine Frau und jede ihren Mann haben (7,2). Eine umfassende Ehelehre ist von Paulus nicht zu erwarten, er reagiert auf konkrete Konstellationen und Situationen in der korinthischen Gemeinde. Trotz der erkennbaren Vorbehalte wertet er die Ehe nicht negativ. Paulus sieht, dass die Fähigkeit zu sexueller Enthaltsamkeit nicht allen gegeben ist: „Jeder hat seine besondere Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“ (7,7). Damit ist nicht gesagt, dass die Fähigkeit zur Ehe wie diejenige zur Enthaltsamkeit ein besonderes Charisma sei, sondern: wem Enthaltsamkeit nicht gegeben ist, der hat eben eine andere Gnadengabe. Und er soll nicht versuchen, sexuelle Askese ohne entsprechendes Charisma zu üben. Eheleute sollen sich nur nach gegenseitiger Übereinkunft und für eine bestimmte Zeit des Geschlechtsverkehrs enthalten (7,5). Wer nicht verheiratet oder wer verwitwet ist, und die Gabe der Enthaltsamkeit nicht hat, soll heiraten: „Besser ist es zu heiraten als zu brennen“ (7,8). So hält Paulus – wahrscheinlich gegen eine Tendenz zu solchem Urteil in der korinthischen Gemeinde – auch ausdrücklich fest, dass Ehe in keinem Fall Sünde sei (7,28; 7,36). Am prägnantesten ist seine Sicht wohl zusammengefasst in dem Satz, mit dem er die Ausführungen zu den Jungfrauen abschließt: „Wer seine Jungfrau heiratet, handelt gut, und wer nicht heiratet, wird besser handeln“ (7,38). In der neutestamentlichen Briefliteratur ist dieser Vorbehalt gegen die Ehe eine Eigenheit des Paulus. Selbst die unter seinem Namen in späterer Zeit verfassten Briefe führen diese Linie nicht fort (s.u.). Auch die ehelose Lebensweise des Apostels und Missionars scheint untypisch gewesen zu sein: Paulus behandelt sie an anderer Stelle unter der Kategorie des Rechtsverzichts und bekundet ihren anormalen Charakter: „Haben wir nicht die Vollmacht, eine Schwester als Frau mitzunehmen wie auch die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas?“ (1 Kor 9,5). Die Lebensweise des Paulus unterscheidet sich also von der üblichen Praxis.

So passt es im Ganzen ins Bild, dass Familien einen Kern der Gemeinde bilden, also ganze Häuser (im Sinne einer Sozialstruktur) den Glauben angenommen haben. Paulus nennt das „Haus des Stephanas“, dessen Bekehrung die korinthische Gemeinde initiierte (1 Kor 16,15; s. auch 1,16). Offensichtlich hat sich diese Familie besonders engagiert für die Gemeinde. In der Zeit, in der noch keine Amtsstrukturen entwickelt sind, erwächst aus solchem Einsatz auch der Anspruch auf Anerkennung durch die Gemeinde (16,16). Das Ehepaar Priska und Aquila wird von Paulus gegrüßt samt der „Gemeinde in ihrem Haus“ (1 Kor 16,19; Röm 16,3-5), der Brief an Philemon ist auch an die „Gemeinde in deinem Haus“ adressiert. Zwar bezeichnet „Haus“ in dieser Wendung ein Gebäude; aber wenigstens im Fall von Priska und Aquila ist klar, dass auch die soziale Größe „Familie“ sachlich eingeschlossen ist. In der ersten Generation können Familien also eine bedeutende Rolle für den Aufbau christlicher Gemeinden gespielt haben.

ZUR ENTWICKLUNG NACH PAULUS

Die Briefe, die in der zweiten Generation unter dem Namen des Apostels geschrieben wurden, äußern sich, anders als Paulus, grundsätzlich zu den Beziehungen in der Familie. Dabei zeigt sich eine eindeutig patriarchale Struktur, aber keine unbeschränkte Machtposition des Hausherrn und Familienvaters. Im Kolosserbrief steht zwar – an Frauen, Kinder und Sklaven gerichtet – die Aufforderung zu Unterordnung und Gehorsam immer voran; es schließt sich aber jeweils eine Ermahnung auch des Hausherrn an: er soll seine Frau lieben und ihr gegenüber nicht bitter werden, die Kinder nicht entmutigen, die Sklaven gerecht behandeln (Kol 3,18-4,1). Spezifisch christliche Inhalte finden sich in den Mahnungen nicht. Diese sind vielmehr aus dem gesellschaftlichen Umfeld übernommen und mit einer christlichen Motivation versehen. So heißt es zur Unterordnung der Frauen unter ihre Männer: „…wie es sich im Herrn geziemt“. Damit ist kaum mehr gesagt, als dass die geforderte Unterordnung der Frauen unter ihre Männer mit dem Bekenntnis zu Christus in Einklang steht.

Der Epheserbrief unternimmt hier größere Anstrengungen, indem er das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe mit dem Verhältnis von Christus und Kirche in Beziehung bringt. Die asymmetrische Relation von Christus und Kirche hat ihr Pendant in der asymmetrischen Relation von Mann und Frau in der Ehe, ausgedrückt in der Metapher vom Haupt und der Aufforderung zur Unterordnung (Eph 5,23f.). Am Verhältnis von Christus und Kirche betont der Verfasser des Briefes allerdings nicht die Differenz zwischen beiden Größen, sondern die durch Liebe gekennzeichnete Beziehung. Die Überordnung Christi dokumentiert sich nicht in der Ausübung von Herrschaft, sondern in der Liebe bis zur Selbsthingabe (5,25). Damit gewinnt die Rede von Über- und Unterordnung in der Ehe zwar ein Gegengewicht zu einer allein an Herrschaft orientierten Beziehung. Dennoch ist aus heutiger Sicht diese ekklesiologisch orientierte Deutung der Ehe nicht ungebrochen rezipierbar. Sie setzt ja eine Geschlechterbeziehung als selbstverständlich voraus, die heute nicht mehr plausibel ist: die Überordnung des Mannes über die Frau. Deutet man die Ehe in den Spuren des Epheserbriefes als Abbild der Beziehung von Christus und Kirche, müsste unter heutigen Verstehensbedingungen die gegenseitige Liebe von Mann und Frau in der Ehe als Abbild der Liebe Christi zur Kirche gesehen werden. Dies kann durchaus am Epheserbrief anknüpfen: Wenn die Liebe nach dem Vorbild Christi Liebe bis zur Selbsthingabe ist, wird ein hierarchisches Gefälle zwischen Mann und Frau letztlich prinzipiell in Frage gestellt.

In den Pastoralbriefen (1/2 Tim, Tit) – aus der dritten oder vierten christlichen Generation – zeigt sich ein rigideres Familienbild. Dies erklärt sich wenigstens zum Teil daraus, dass die Aussagen über die innerfamiliären Beziehungen in den Sog der Gemeindeordnung geraten, die dem Autor als Ideal vorschwebt. Die Rolle des Familienvaters wird im Zusammenhang der Anforderungen bestimmt, die ein Gemeindeleiter zu erfüllen hat (1Tim 3,1-7). Er muss sich als pater familias bewährt haben, also seinem Haus gut vorstehen können (3,4). Dazu gehört die Fähigkeit, die Strukturen von Über- und Unterordnung durchzusetzen. Durch sie wird die Kompetenz zur Gemeindeleitung erwiesen (3,5). Der Leitmetapher von der Kirche als „Haus Gottes“ (3,15) entspricht die Orientierung an hierarchischen Strukturen, die das antike Haus prägten. Vorrangig durch diese ekklesiologische Linse fällt der Blick auf Ehe und Familie. Dabei wird deutlich, wie die Vorstellung von Familie in zeitgenössische Plausibilitäten eingebunden ist. Die Unterordnung von Frauen unter ihre Männer – wie auch der Sklaven unter ihre Herren –, zielt darauf, dass „das Wort Gottes nicht gelästert wird“ (Tit 2,5; s.a. 2,10). Das Geschick der Evangeliumsverkündigung hängt also in der Sicht der Pastoralbriefe auch davon ab, ob die gesellschaftlich vorgegebenen Rollen erfüllt werden. Ein Ausbrechen aus der patriarchalen Ordnung könnte die Botschaft von Gott in Misskredit bringen, „der will, dass alle Menschen gerettet werden“ (1Tim 2,4). Dann liegt in der Festschreibung von Rollen in der Familie, die der Verfasser dieser Briefe unternimmt, zugleich ein Ansatzpunkt für deren Neufassung – wenn sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich geändert haben.

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