Kitabı oku: «Next Energy», sayfa 2
Aus alt mach neu und effizient!
Hanna und Jan war klar, dass sie das alte Gebäude modernisieren mussten. Sobald Martins Umzugstermin feststand, begannen sie mit der Planung. Schon Jans Vater hatte in den zurückliegenden Jahren einiges unternommen, um die immensen Heizkosten in den Griff zu kriegen. Anfang der 1990er-Jahre hatte er Dach und Innenwände des Hauses gedämmt und den veralteten Heizkessel durch einen sparsamen Erdgas-Brennwertkessel ersetzt. 20 Jahre später bot sich die Gelegenheit zu einem weiteren Techniksprung: Als Mitarbeiter eines regionalen Energieversorgungsunternehmens bekam Martin 2010 die Chance, an einem zweijährigen Test von Brennstoffzellenheizgeräten teilzunehmen. Die saubere und sparsame Strom- und Wärmeerzeugung überzeugte ihn restlos. Als die Testanlage wieder ausgebaut wurde, hätte er am liebsten sofort eine eigene gekauft, doch die Brennstoffzellentechnik für den Heizungskeller war noch nicht serienreif. Deshalb entschied er sich für einige weitere energiesparende Umbaumaßnahmen und nutzte den vorhandenen Heizkessel weiter. 2018 schloss er dann einen Strom- und Wärmeliefervertrag mit einem Energiedienstleister ab, der ein neues Brennstoffzellenheizgerät installierte und darüber hinaus die Finanzierung und die regelmäßige Wartung übernahm.
Zwölf Jahre später waren Jan und Hanna dran, das Haus zeitgemäß umzurüsten. Sie wollten den Bedarf an Strom und Heizenergie weiter senken und die gesamte Haustechnik intelligent und energieeffizient steuern können. Als Jan nach der Modernisierung endlich die gusseisernen Ziffern des Erbauungsjahres wieder an der Hauswand befestigte, war er versucht, statt „1902“ die aktuelle Jahreszahl „2031“ anzubringen.
Als Jan ihm vor Beginn der Bauarbeiten die Pläne zeigte, hatte Martin Janssen trocken angemerkt: „Pass bloß auf, dass das Haus nicht schlauer wird als du!“ Berufsbedingt interessiert sich Jans Vater für alles, was mit Energie zu tun hat. Doch die umfassende Informations- und Kommunikationstechnik moderner Wohnhäuser machte ihn zunächst skeptisch. Nach seinem Umzug in den Wohncampus wich seine Skepsis rasch, denn entgegen seiner Erwartung war das Bedienen kinderleicht. Schon bald schwärmte er von den Vorzügen seiner Wohnung, die sich in vielerlei Hinsicht auf seine persönlichen Bedürfnisse einstellte. Jan erinnert sich an den ersten Rundgang durch das neue Zuhause seines Vaters. Martin erläuterte die vielfältigen Funktionen, die sich mithilfe eines übersichtlichen zentralen Bedienfelds anpassen lassen. Er senkte die Zimmertemperatur, aktivierte die Fenstertönung, bis sich der Raum vollständig verdunkelte, wählte eine indirekte Beleuchtung mit einem warmen Lichtton und wies auf die zahlreichen Sensoren und Bewegungsmelder hin, die ihm im Alltag mehr Sicherheit boten. Bevor er das großzügige, barrierefreie Bad zeigte, führte er noch rasch die serienmäßige Aufstehhilfe der Sitzmöbel und die elektrisch höhenverstellbaren Tische und Arbeitsplatten vor. „Brauch’ ich zwar alles nicht, ist aber ganz nett“, war sein Standardkommentar während des Rundgangs. Doch er hatte längst eingesehen, dass diese Technik zu seinem sicheren, komfortablen und selbstbestimmten Alltag beitrug – bis ins hohe Alter. Bis dahin aber ist, wie der agile 90-Jährige 20 Jahre später immer noch gerne betont, noch jede Menge Zeit.
Intelligente Technik erobert den Alltag
Jan betritt die Duschkabine. Unverzüglich strömt angenehm warmes Wasser aus mehreren Duschköpfen, die seitlich und über ihm angebracht sind. Um endlich richtig wach zu werden, aktiviert er den Massagestrahl in Schulterhöhe und wählt ein belebendes Blau für die Lichtdusche. Jan genießt diesen „Wellness-Firlefanz“, wie Martin anfangs gespottet hatte. Inzwischen sieht sein Vater das längst anders, schließlich bietet sein eigenes Zuhause im Campus mindestens ebenso viele individuelle Anpassungsmöglichkeiten.
Jan tippt auf das Duschdisplay. Der Wasserstrom versiegt, aus den seitlichen Düsen strömt nun warme Luft. „Welche Generation hat wohl die größeren technischen Revolutionen miterlebt – meine Generation oder Martins?“, überlegt er, während der Luftstrom Haut und Haare trocknet. Sein Vater ist mit Telefonzellen und Festnetztelefonen aufgewachsen, Jan erinnert sich dagegen an PC-Spiele, sein erstes Smartphone und seine Bemühungen um ein möglichst cooles Profil in den ersten sozialen Netzwerken. Selbst ihm erscheint ein Alltag ohne umfassende automatische Kommunikation zwischen Geräten, Maschinen und Fahrzeugen absurd lange her.
Jan fällt ein, wie er beim Entrümpeln seines Elternhauses auf einen nahezu historischen Fund aus den 1980er-Jahren gestoßen war: einen der ersten erschwinglichen Heimcomputer, einen Commodore 64. Martins Generation hatte das Aufkommen dieser ersten Heimcomputer miterlebt, aber auch, wie in den kommenden Jahrzehnten immer leistungsfähigere und kompaktere Computer Büros und private Schreibtische eroberten. Jan bekam mit zwölf Jahren sein erstes, von seinem Vater ausrangiertes Handy, als Student leistete er sich ein Smartphone. Die Smartphones wurden zu immer leistungsfähigeren und vielseitigeren Multifunktionsgeräten weiterentwickelt und eroberten im Alltagsleben einen festen Platz. Sie wurden nicht nur komfortabler, sondern schließlich unerlässlich, als Bindeglied zur persönlichen Datenwolke und zu einer Vielzahl von Dienstleistungen. Orientieren, Navigieren, Reservieren und Bezahlen sind nur einige der Funktionen, die die handlichen Geräte im Alltag übernehmen.
Intelligente Technik dient dem Menschen, aber macht sie uns nicht gleichzeitig unselbstständiger und abhängiger?
Weil die Geräte zur persönlichen Grundausstattung gehören, werden sie als „Persönliche Assistenten“ angeboten. Es ist durchaus üblich, seinem elektronischen Begleiter einen eigenen Namen zu geben. Jan taufte seinen „Helferlein“, nach Daniel Düsentriebs kleinem Assistenten mit dem Glühbirnenköpfchen. Und wie Daniel Düsentrieb fühlt er sich manchmal hilflos, wenn er sein Helferlein verlegt hat. Zum Glück reagiert es auf seinen Rufnamen – so findet Jan das Gerät meistens rasch unter Sofakissen, auf Schrankregalen oder an anderen ungewöhnlichen Ablageorten wieder.
Was heißt hier inakzeptabel?
Martin hatte 1980 seine berufliche Laufbahn bei einem regionalen Energieversorgungsunternehmen begonnen. Strom wurde ausschließlich in Großkraftwerken produziert und vielerorts noch über Freileitungen bis zu den Haushalten transportiert. Serienreife Windenergie- oder Solaranlagen waren seinerzeit noch nicht in Sicht, aber Techniken zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wurden intensiv erforscht und erprobt. Martin erlebte in seinen ersten Berufsjahren, wie die Nieder- und Mittelspannungsnetze nach und nach aus dem Landschafts- und Städtebild verschwanden: Sie wurden unterirdisch verlegt, um besser vor Wettereinflüssen wie Sturm und Eis geschützt zu sein. Die Energieversorgung vor der Haustür geriet mit jedem demontierten Freileitungsmast buchstäblich weiter außer Sicht.
Martin sorgte in seinem Bezirk für den zuverlässigen Betrieb der Stromnetze. Ihm fiel auf, dass Strom rund um die Uhr für viele seiner Freunde, Nachbarn und Kunden offenbar völlig selbstverständlich war. Ihm dämmerte, dass die unterirdische Verlegung der Leitungen dieses Desinteresse förderte: „Kaum jemand sieht, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt, sondern dass Aufwand dahintersteckt, ihn in jedes Haus zu bringen“, stellte er fest. „Umso sicherer scheinen alle zu sein, dass sie zu viel bezahlen müssen für ihre zuverlässige Energieversorgung.“ Als Ende der 1990er-Jahre die Energiekosten deutlich zu steigen begannen, wurde zunehmend heftig über die Ursachen diskutiert. Mit der Energiewende erreichte die Diskussion eine neue Dimension, denn die Kosten des Umbaus der Energieversorgung stiegen viel rascher als erwartet. Der Umbau geriet auch durch Proteste und Initiativen ins Stocken: Vielerorts wehrten sich Anwohner und Interessengruppen gegen neue Hochspannungsleitungen oder den Bau von Großkraftwerken, Windenergie-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen. „Das ist doch verrückt“, wetterte Martin, wenn er mit Jan darüber diskutierte. „So viele Bürger stimmen der Energiewende zu. Und trotzdem werden neue Erzeugungsanlagen und Leitungen nicht akzeptiert. Das versteh’ mal einer…“
Zu dem Zeitpunkt hatte Jan seine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und sein anschließendes Informatikstudium beendet und gerade im Berufsleben Fuß gefasst. Es fiel ihm nicht schwer, einen interessanten Arbeitsplatz zu finden: Gut ausgebildete Fachleute wie er wurden in der IT-Branche und in der Energiebranche händeringend gesucht. Jan arbeitete zunächst an einem Forschungsprojekt mit. Dabei wurde in einer Modellregion unter anderem untersucht, wie weit sich der Strombedarf von Unternehmen und Haushalten an das schwankende Windstromangebot anpassen ließ. Dazu wurden Windkraftanlagen, Haushalte, Kühlhäuser oder öffentliche Schwimmbäder miteinander vernetzt und bildeten so einen gemeinsamen Energiemarktplatz. Die Forscher untersuchten, inwieweit ein besserer Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern dazu beitragen konnte, Stromüberschüsse sinnvoll zu nutzen und Stromengpässe durch zeitweises Absenken des Strombedarfs zu mindern. Untersucht wurde auch, ob und in welchem Umfang die Menschen überhaupt dazu bereit waren, ihr gewohntes Energieverhalten zugunsten dieser effizienteren Verteilung umzustellen.
Je weiter die Energiewende vorankam, desto drängender wurden diese Kernfragen. Im Jahr 2050 decken erneuerbare Energiequellen den Strombedarf in Deutschland nahezu vollständig. Das funktioniert, weil der Bedarf sich dem verfügbaren Stromangebot flexibler anpasst und weil bei Versorgungsengpässen übergangsweise auf Batterien und längerfristige Speicherformen zurückgegriffen werden kann.
Anders als Hanna und Jan wohnen deren Sohn Joost und seine Frau Frauke in einem Stadthochhaus. Zwar erzeugen moderne Hochhäuser auch Strom, die erzeugte Strommenge reicht aber höchstens für die Sicherheitstechnik, Beleuchtung und Klimatisierung der gemeinsam genutzten Flure und Räume. Dennoch kommen die Mieter meist mit niedrigen Stromflatrates aus, denn die moderne Gebäudetechnik des Hochhauses verhindert, dass unnötig Energie verbraucht wird, auch in den Wohnungen. Frauke und Joost zahlen nicht für die Anzahl ihrer verbrauchten Kilowattstunden, so wie es jahrzehntelang üblich war. Ihre Flatrate umfasst eine begrenzte Leistungsabgabe, deren Obergrenze sie einzuhalten versuchen. Dazu müssen sie teure Stromspitzen vermeiden, also darauf achten, dass sie nicht mit zu vielen Geräten gleichzeitig Strom verbrauchen. Brauchen sie eine höhere Leistung, wird für den Abrechnungszeitraum ausnahmsweise eine teurere Flatrate fällig. (Wie sieht die Stromrechnung morgen aus?, Kapitel 5)
Für Hanna und Jan ist es wenig sinnvoll, eine Stromflatrate zu buchen. Ihr Eigenheim ist mit eigenen Stromerzeugungsanlagen und Speicherkapazitäten ausgestattet und bezieht vergleichsweise selten Strom aus dem öffentlichen Netz. Zeitweise produziert es sogar mehr Strom, als ihr Haushalt verbrauchen oder speichern kann. Diese Überschüsse bieten sie dem Betreiber des Stromnetzes an, der damit kurzfristige Spannungsschwankungen ausgleicht. 2050 sind solche „Systemdienstleistungen“ so wertvoll wie der produzierte Strom selbst, denn sie tragen zur Stabilität des Versorgungssystems bei. Es ist für Hanna und Jan deshalb günstiger, ihren Verbrauch und ihr Energieangebot sekundengenau abrechnen zu lassen. (Smart Home, Smart Grid, Smart City, Kapitel 3)
Über Fragen der Energieversorgung wird 2050 aber längst nicht mehr so intensiv debattiert wie in den zurückliegenden Jahrzehnten. Die Stromkosten gehen langsam, aber stetig zurück. Frauke und Joost sind zwar grundsätzlich eher kritische Konsumenten, aber an der Stromversorgung, die größtenteils erneuerbare Energien einsetzt, gibt es aus ihrer Sicht wenig zu kritisieren. Sie sind den Anblick von Erzeugungsanlagen oder Stromspeichern im Landschaftsbild gewohnt. Zudem werden vielerorts Strommengen sehr unauffällig erzeugt – mit lichtempfindlichen Beschichtungen an Häuserwänden, auf Gebäudedächern und Fahrzeugoberflächen oder mit lichtempfindlichen Textilien, aus denen zahlreiche Alltagsgegenstände gefertigt werden wie Jacken, Schirme und Taschen. Frauke und Joost machen sich wie viele andere ihrer Generation mehr Gedanken darüber, wie sie als kritische Konsumenten Einfluss auf die Gestaltung von Produkten und auf die Produktionsbedingungen nehmen können.
Schöne neue Datenwelt?
Jan schlüpft in ein helles Hemd und eine graue Anzughose. Schlagartig fällt ihm noch etwas ein, das sich seit seiner Jugend enorm verändert hat: die Mobilität. Seit 2030 setzten sich nahezu geräuschlose und abgasfreie Antriebe auf den Straßen durch. Diese Entwicklung ging von den Städten aus, weil die Belastung durch Lärm und Abgase hier am höchsten war. Die Verkehrsströme wurden neu organisiert, keineswegs nur in den Städten. Das Energieversorgungssystem und die zunehmend elektrisch angetriebene Mobilität begannen zusammenzuwachsen – eine Entwicklung, die sich auch in einer Veränderung der Unternehmenslandschaft widerspiegelte. 2050 sind aus ersten branchenübergreifenden Kooperationen zahlreiche neue Dienstleistungsunternehmen geworden, die Energie, IT, Kommunikation und Mobilität aus einer Hand anbieten.
Automatisierte Dienstleistungen verändern den Alltag. Wer sie nutzen will, muss seine persönlichen Daten preisgeben. Gelten diese Daten 2050 überhaupt noch als schützenswerte Privatsphäre?
„Für meinen Enkel Keno ist es selbstverständlich, dass fast alles heute irgendwie mitdenkt oder wenigstens Energie erzeugt – vom Multifunktionsfenster bis zur Solarschicht-Jacke“, geht Jan durch den Kopf. „Keno kann jederzeit seinen Persönlichen Assistenten fragen. Oder er setzt eine ‚Schlaue Brille‘ auf und lässt sich erklären, was er gerade sieht oder wissen möchte. Informationen sind immer und überall verfügbar. Wie käme man in dieser Flut nur ohne persönliche Filterprogramme zurecht? Die lernen schnell, nur das zu liefern, was man wirklich braucht.“ Als IT-Fachmann ist Jan weit davon entfernt, sich eine Rückkehr in eine datenärmere Welt zu wünschen. Andererseits beschäftigt er sich in seinem Arbeitsalltag oft mit Fragen der Datensicherheit. „Wenn man ehrlich ist, sind auch die Programme aus unserem Sortiment kriminellen Hackern immer nur ein kleines Stück voraus. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Datendieben und Datenschützern wird wohl niemals enden.“ Nachdenklich schaut Jan in den Spiegel. Dabei streift sein Blick die eingeblendete Uhrzeit – höchste Zeit für ein schnelles Frühstück. Er geht hinunter in die Küche und setzt sich zu Hanna an den Küchentresen.
Schatz, was machen die Strompreise?
Die Stromerzeugung basiert immer stärker auf erneuerbaren Energien, das Energiesystem muss angepasst werden. Dennoch werden wir uns im Alltag nicht ständig mit Energie beschäftigen müssen – oder doch?
Hanna schenkt sich bereits ihre zweite Tasse Tee ein. Sie schaut Nachrichten auf dem „Küchenfernseher“, einer dünnen, interaktiven Kunststoff-Folie, die sie in einen dekorativen Bilderrahmen eingelassen hat. Wie gewohnt lässt sie sich anschließend die aktuelle Wetterprognose anzeigen. Auf ihren kurzen Sprachbefehl hin zeigt der Bildschirm, dass in den kommenden beiden Tagen die Sonne scheinen wird. Dann beginnt der Wind auf Nordwest zu drehen, in seinem Schlepptau Regen und konstanter Wind, Stärke 5 bis 6. Mieses Wetter also. Aber Hanna und Jan Janssen können auch schlechtem Wetter etwas abgewinnen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn vor einigen Jahren erwarben sie Bürgeranteile an einem neuen Windpark, der in der Nähe ihrer Stadt gebaut wurde. Der Windpark besteht aus zwölf Anlagen, die mit Turmkonstruktionen aus Holz und mit einer neuen Generation aus V-förmigen, Ahornfrüchten ähnelnden Rotoren ausgestattet wurden.
Für die Hausenergieversorgung der Janssens hat praktisch jeder Wetterumschwung Konsequenzen. Ihr Stromanschluss ans öffentliche Netz ist keine Einbahnstraße – zeitweise beziehen sie Strom daraus, zu anderen Zeiten speisen sie Strom ein. Jan und Hanna halten ihre Stromkosten niedrig, indem sie ihren Energieverbrauch möglichst passgenau an die jeweilige Situation im Stromnetz anpassen. Wenn, wie heute, die Sonne scheint und wenig Wind weht, produziert ihre Fotovoltaikanlage ausreichend Strom für ihren eigenen Bedarf. Die Hausbatterie wird ebenfalls daraus gespeist und liefert nach Sonnenuntergang Strom. Bei anhaltendem Regenwetter ist jedoch auch ihr Haus auf Strom aus dem Netz angewiesen. Wenn bei dichten Wolken ein konstanter Wind weht, beziehen sie günstigen Windstrom aus dem Netz. Er wird in Hunderten Windparks an Land und auf hoher See produziert. Über den niedrigeren Preis geben die Netzbetreiber Kostenvorteile an Abnehmer in der Nähe weiter – schließlich fallen beim sofortigen Verbrauch des Stroms in unmittelbarer Nähe kaum Transportkosten und keine Speicherkosten für die Netzbetreiber an. Deshalb legen Hanna und Jan einen großen Teil ihres Stromverbrauchs möglichst in solche „Überschusszeiten“. Steigt der Preis wieder an, greifen sie zunächst auf den Strom ihrer Hausbatterie zurück und warten ab, wie sich der Strompreis in den kommenden Tagen entwickelt.
Überschüssige Strommengen, für die sich absehbar keine nahen Abnehmer finden, werden über das gut ausgebaute Hochspannungsnetz in andere Regionen des Landes und in Nachbarländer abtransportiert. Als dieser weiträumige Ausgleich wegen fehlender Netze noch nicht möglich war, musste bei hervorragenden Wetterbedingungen ein Teil der Windenergie- oder Fotovoltaikanlagen abgeschaltet werden, um die Netze nicht zu überlasten. 2050 werden über dieses grenzüberschreitende Versorgungsnetz an wolkigen, windstillen Tagen Strommengen aus anderen europäischen Ländern importiert, um Engpässe im Inland auszugleichen.
Mobilität nach Bedarf
Ein dezentes Summen kündigt einen Anruf auf Hannas Persönlichem Assistenten an. Hanna findet, ein Gerät sollte keinen eigenen Namen tragen, ihres reagiert deshalb auf die nüchterne Ansprache „Assistent“. Auf dem Bilderrahmen-Bildschirm erscheint ihr Enkel Keno, verschlafen und leicht zerzaust, offenbar sitzt er ebenfalls noch beim Frühstück. „Hallo“, ruft er und winkt seinen Großeltern zu, „ihr seid ja noch zu Hause! Jetzt müsst ihr aber los, wenn ihr rechtzeitig zur Begrüßungsfeier hier sein wollt!“ Joost, der neben Keno sitzt, prostet Jan und Hanna mit seiner Tasse zu. „Nun hetz mal deine Großeltern nicht so“, sagt er mit einem Seitenblick auf seinen Sohn und ergänzt dann entschuldigend: „Keno kann es kaum erwarten! Aber wenn ich ihn mir so ansehe, will er offenbar seinen ersten Tag in der neuen Schule im Schlafanzug verbringen.“ Keno verdreht die Augen und schiebt sich, während er aufsteht, den Rest seines Frühstücksriegels in den Mund. „Eigentlich sollte er euch kurz fragen, ob ihr mit eurem Auto nach Hamburg fahren wollt. Ihr wisst ja: Parkplätze sind hier teuer, und die Zeiten, in denen Elektroautos überall umsonst parken durften, sind seit etwa 20 Jahren vorbei …“ Aus Joosts Sicht ist ein eigenes Auto etwas völlig Überflüssiges – zumindest in der mit Verkehrsmitteln hervorragend ausgestatteten Großstadt, in der er mit seiner Familie lebt. Hanna und Jan dagegen wollen sich von ihrem alten Schätzchen, einem Elektroauto Baujahr 2030, nicht trennen, selbst wenn es dank attraktiver Mobilitätsalternativen inzwischen seltener zum Einsatz kommt.
Das Hauptargument, das sie damals zum Kauf bewogen hatte, war, dass sie ihr Elektroauto in der eigenen Garage aufladen konnten und so endlich unabhängig waren von fossilen Kraftstoffen, die immer teurer wurden. Heute sind Hanna und Jan mit ihrem eigenen Fahrzeug eine Ausnahme. Viele ihrer Nachbarn teilen sich modernere und hochwertigere Fahrzeuge in Nutzergemeinschaften oder setzen vollständig auf andere Alternativen. Das planen auch Jan und Hanna, sollte ihr Wagen irgendwann den Geist aufgeben oder sollten die Straßennutzungsgebühren noch weiter steigen.
Dienstleistungen, Fernsteuerung und Automatik können uns das Leben leichter machen. Oder geben wir damit zu viel Kontrolle über unseren Alltag ab?
Hanna nimmt die spitze Bemerkung ihres Sohnes gelassen. „Keine Sorge, Joost“, antwortet sie, „unser Schätzchen bleibt in der Garage! Wir haben eine gute Verbindung ausgesucht, mit der wir direkt vor dem Schultor landen.“ Nachdem sie sich verabschiedet haben, fragt sie Jan nachdenklich: „Ob Joost meint, dass wir uns in der Stadt mit dem eigenen Auto nicht mehr zurechtfinden? Denkst du, er findet, dass wir alt werden?“ Jan schüttelt energisch den Kopf. „Nein, das denke ich erst, wenn er mich daran erinnert, auf keinen Fall mein ‚Helferlein‘ zu Hause zu vergessen! Er findet eben, dass ein Auto in der Stadt unnötiger Ballast ist – zumal ein so altes wie unseres.“
07.00 Uhr. Hanna trägt ein kleines Geschenk für Keno in der Hand, als sie das Haus verlassen und dessen Abwesenheitsmodus aktivieren: Fenster und Türen des Hauses schließen sich, die Alarmanlage schaltet scharf. Sollten während ihres Ausflugs ungewöhnliche Störungen auftreten, werden sie es sofort erfahren. Hanna hat für die Hin- und Rückfahrt eine passende Mobilitätskette aus Rufbus, Bahn und elektrischer Fahrkabine gebucht. Der kleine Elektrobus hält in der Haltebucht wenige Meter von ihrem Haus entfernt und bringt sie zum Bahnhof. Beim Einsteigen senden die Persönlichen Assistenten in Hannas und auch in Jans Tasche entsprechende Signale, so dass sie berührungslos alle Kontrollschranken passieren können. Wenig später besteigen sie ihren Zug. Jans Helferlein leitet sie zu dem Zweierabteil, das sie sich für die Fahrt ins Stadtzentrum gegönnt haben. Hier können sie bequem die Füße hochlegen, ein Nickerchen machen oder mithilfe des Persönlichen Assistenten die Abteilzwischenwand als Großbildschirm nutzen, um darauf Nachrichten, eine Lieblingsserie oder einen Film anzusehen.
Was müssen öffentliche Verkehrsmittel bieten, um künftig zum zentralen Element einer nachhaltigen Mobilität zu werden?
Früher hatte die Bahn als Reisealternative für Hanna nicht allzu hoch im Kurs gestanden. Es überwogen Erinnerungen an komplizierte oder defekte Ticketautomaten, abweisendes Bahnhofspersonal, an das Warten auf verspätete Züge, unzureichende Anschlussmöglichkeiten, muffige Abteile, enge Sitzplätze, laute Durchsagen … kurzum: Sie hatte, ebenso wie Jan, Bahn und Busse gemieden und stattdessen lieber ein Auto gekauft.
Eine Unterhaltung mit einer Arbeitskollegin in der „Friesenstube“ gab den Ausschlag, nach langer Zeit wieder einmal eine Bahnfahrt zu riskieren. Hannas Kollegin schwärmte von ihrer letzten Urlaubsreise mit der Bahn. Hanna konnte sich einen spöttischen Kommentar nicht verkneifen und erntete einen verständnislosen Blick. „Kann es sein, dass du lange nicht mehr per Mobilitätskette gereist bist?“, fragte ihre Kollegin schließlich nachsichtig. Wie peinlich … Hanna beschloss, ihre Meinung im Selbstversuch zu überprüfen. Die Kollegin hatte recht: Die kurzfristige elektronische Reservierung und die Bezahlung waren kinderleicht und klappten reibungslos. Hanna saß bei ihrer „Probefahrt“ in einem dieser neu gestalteten, gut ausgestatteten Abteile, die Luft war frisch, und es war angenehm leise. Alle aktuellen Fahrtinformationen wurden am oberen Fensterrand eingeblendet. Nach der pünktlichen Ankunft wurde Hanna über ihren Persönlichen Assistenten zum Fahrradstand geleitet, wo ihr reserviertes Elektrofahrrad bereitstand. Fazit: kein Stau, keine Wartezeiten und eine Auswahl verschiedener Transportmöglichkeiten bis zum Reiseziel. Noch am gleichen Abend überzeugte sie Jan, die nächste gemeinsame Fahrt mit der Bahn statt mit dem Pkw zu unternehmen.
Planmäßig gleitet Hanna und Jans Zug in den Vorstadtbahnhof Seevetal. Von hier aus sind es noch etwa vier Kilometer bis zu Kenos Schule. Bei der Reiseplanung hatte Hanna zunächst überlegt, das günstigste der vorgeschlagenen Verkehrsmittel zu wählen: zwei Mietfahrräder. Doch dann hatte sie kurz entschlossen eine teurere, aber bequeme Zweipersonenfahrkabine gewählt. Ihr Persönlicher Assistent leitet sie zur nahe gelegenen Station, die Türen einer geräumigen Kabine öffnen sich. Nachdem sie Platz genommen haben, setzt sich die Kabine unverzüglich in Bewegung, gleitet eine lange Rampe hinab, reiht sich in den fließenden Verkehr ein und beschleunigt sanft. Hanna schließt die Augen und lehnt sich zurück. „Jan, es wird Zeit, dass wir unserem alten Schätzchen ade sagen und endlich zeitgemäß fahren. Wie entspannend diese Lenkautomatik ist!“, schwärmt sie. Kurz darauf hält die Kabine in einer Ausbuchtung vor der Zweitschule Seevetal. Das Display meldet: „Sie haben Ihr Fahrziel erreicht. Vielen Dank für Ihre Reise mit Travelfast.net!“