Kitabı oku: «Polizei.Wissen»
Vorwort der Herausgebers der Heftreihe „Polizei. Wissen“
Als ich gerade anfing, Lehrerfahrung zu sammeln, sagte mir Dozent, den ich für erfahren und weise hielt, gute Lehre ergebe sich aus der richtigen Mischung von Terror und Liebe. Ohne Liebe gehe gar nichts. Sie sei die Grundlage von allem. „Aber um den Laden zusammen zu halten,“ so fuhr der Dozent fort, „muss man klar machen, wo der Hase läuft und auch richtig streng sein. Sonst gehen die einem über Tisch und Bänke.“ Terror und Liebe. Eine wahrlich erstaunliche Kombination.
Als nun Matthias Weber das Thema „Autorität der Polizei“ an mich herantrug, fiel mir dieses Gespräch wieder ein. Polizist*innen, glaube ich, kennen so etwas Ähnliches. Den Spruch „man muss Menschen mögen“ jedenfalls höre ich im polizeilichen Kontext oft und auch den, dass man mal „klare Ansagen machen“ müsse. Irgendwo dazwischen scheint die Autorität des Polizeibeamten zu Hause zu sein. Die Dienstwaffe alleine verleiht sie ihm genauso wenig wie sein ehrliches Bemühen, den Menschen Gutes zu tun.
Polizeibeamte beklagen oft einen Mangel an Autorität – sie fühlen sich nicht hinreichend respektiert. Solche Probleme kennen Lehrende auch. In beiden Fällen kann falsch verstandene Liebe - z.B. in Form von übertriebener Zuneigungsbekundung - als auch falsch verstandene Strenge – z.B. in Form angedrohter oder tatsächlicher Gewalt – ins Unglück führen. Eine richtige Balance zu finden ist wohl die Aufgabe all derer, die nach den Quellen ihrer Autorität suchen. Was es dabei alles zu bedenken gibt finden wir im aktuellen Heft beschrieben.
Prof. Dr. Jonas Grutzpalk
Bielefeld im Mai 2021
Inhalt
Einführung vom Herausgeber des Heftes
(Matthias Weber)
Die Fragilität polizeilicher Autorität
(Marschel Schöne & Martin Herrnkind)
Doing Authority – Polizist*innen als Autoritäten durch Beziehungsarbeit
(Anja Mensching)
Autorität als polizeiliche Herausforderung und Chance
(Astrid Jacobsen)
Polizeiliche Gewaltanwendung – im Spannungsfeld von Autoritätsanspruch und Verhältnismäßigkeit
(Luise Klaus & Laila Abdul Rahman)
Autorität und Vertrauen in die Polizei. Eine auf Vertrauen gründende Autorität erhöht die Anzeigebereitschaft
(Meike Heker & Jan Starke)
The Changing Role of American Police in the Era of George Floyd
(Kyle McLean & Geoffrey Alper)
Zum Umgang mit Macht, Gewalt, Autorität und Respekt innerhalb der Polizei: ein WorkshopEntwurf
(Matthias Weber)
Adapting the 'New Authority' Approach for Police Work
(Ziv Gilad & Caroline Wahl)
Polizei und Autorität zwischen Anspruch und Wirklichkeit
(Hermann Groß)
Wie geht Deeskalation im Strafvollzug?
(Matthias Weber)
„Wo sie [die Polizei] erstmal schon davon ausgehen das n Einsatz vielleicht gefährlicher ist als woanders“ – Über die Folgen rassistischer Gefahrenzuschreibungen für junge Menschen aus der Heimerziehung
(Zoe Clark, Fabian Fritz & Caroline Inhoffen)
Anerkennung statt Gehorsam. Pädagogische Autorität als resultat positiver Bedeutsamkeit
(Stefan Dierbach)
Individualisierung, Spiritualität und Wandel von Autoritätsmustern
(Judith Weber)
Einführung vom Herausgeber des Heftes
von Matthias Weber*
Autorität in der Polizei ist durchaus schon im polizeiwissenschaftlichen Diskurs thematisiert worden (vgl. z.B. vom Hau 2017), allerdings ist die wissenschaftliche Debatte um Autorität keinesfalls abgeschlossen. Erkenntnisse zur Bedeutung polizeilicher Autorität für die polizeiliche Arbeit gehen weit zurück: Seit den 1960er Jahren liegen durch empirische Us-amerikanischen Polizeiforschungen (z.B. Skolnick 1966, Reis 1970, Sykes & Brent 1983) Erkenntnisse vor, dass es Personen vor Verhaftungen schützt, wenn sie im Kontakt mit der Polizei der polizeilichen Autorität Ehrerbietung erweisen. Ebenso zeigen weitere Studien, dass Polizisten erlebte Autoritätsverluste mit Gewalt kompensieren (vgl. z.B. Hunold 2012). Dies verweist darauf, dass Wahrnehmung und Ausübung polizeilicher Autorität folgenreich sein kann: Sie hängt mit Gewalt, Machtausübung, Eskalation und Deeskalation sowie mit Beziehungsgestaltung zwischen Polizisten und Personen der Zivilgesellschaft zusammen. Diese Ausgabe von „Polizei. Wissen“ setzt vor diesem Hintergrund an eine wissenschaftliche Debatte um polizeiliche Autorität und diesbezüglichen Fragen an. Darüber hinaus wird nicht nur polizeiliche Autorität aus einer polizeiwissenschaftlichen Perspektive thematisiert, sondern es wird auch ein sozialwissenschaftlicher Diskurs um Autorität im Allgemeinen lanciert, der über eine bloße polizeiwissenschaftliche Perspektive hinausgeht.
Autorität ist nicht nur für die Polizei relevant, sondern taucht schon in der Beziehungsgestaltung zwischen Eltern und Kindern, in Kindergarten und Schule, sowie am Arbeitsplatz auf. Autorität mag man als anthropologische Konstante bezeichnen, aber genauso sozial konstruiert und veränderbar ist sie, wenn man untersucht, wie gesellschaftlicher Wandel, kulturelle Normen und Werte, Organisationsstrukturen und- kulturen, sowie Variablen auf der Mikroebene dazu beitragen, Autorität entstehen und zerfallen zu lassen. Autorität kann soziale Ordnung und Kontrolle herstellen und kann Akteuren ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Auf der anderen Seite kann Autorität Angst, Verachtung und Misstrauen auslösen und Konflikte massiv eskalieren lassen.
Um Autorität in ihrer Komplexität zu beleuchten, macht es daher Sinn, sich ein umfassendes Bild von Autorität zu machen, und dazu Autorität auch in anderen Disziplinen, wie in der Pädagogik zu betrachten, oder aber wie Autorität sich gesellschaftlich entwickelt. Zu Klärung dieser Fragen werden verschiedene fachwissenschaftliche Perspektiven zusammengetragen, die sich mit Autorität befassen. Insofern folgt auch diese Ausgabe dem Ziel des Heftes diverse Perspektiven bzgl eines Themas zusammenzubringen.
Das Heft ist in zwei Teile aufgebaut. Der erste Teil befasst sich mit Autorität in der Polizei, der zweite Teil (ab Beitrag 10) fokussiert auf allgemeinere sozialwissenschaftliche Debatten um Autorität.
Martin Herrnkind und Marschel Schöne (1) stellen Autorität in der Polizei als soziales Feld nach Pierre Bourdieu dar. Autoritätskonstruktionen in der Polizei greifen auf Merkmale das Feldes der Polizei zurück.
Anja Mensching (2) befasst sich mit der Frage, wie Autorität hergestellt wird und argumentiert, dass Autorität aktiv im Kontakt mit den Rezipienten der Polizeiarbeit erzeugt werden muss. Polizeiliche Autorität stellt das Ergebnis gelungener Beziehungsarbeit dar.
Astrid Jacobsen (3) fokussiert in ihrem Beitrag darauf, dass Polizisten per se keine Autorität haben und lehnt es ab, dass es nur eine kontextunabhängige Autorität der Polizei gibt. Stattdessen wird die Relevanz einer situativ hergestellten Autorität betont.
Luise Klaus und Leila Abdul-Rahman (4) beleuchten unrechtmäßige Gewalteinsätze der Polizei und stellen dazu Daten aus dem Projekt KviAPol vor. Hier wird deutlich, dass Gewaltausübung und Autorität der Polizei in einem Zusammenhang stehen.
Meike Heker und Jan Starke (5) analysieren den Zusammenhang zwischen vorhandenem Vertrauen und Autorität anhand der Daten eines empirischen Forschungsprojektes. Sie greifen auf die Erkenntnisse der Procedural Justice Theory zurück und zeigen, dass Vertrauen in die Polizei die Anzeigebereitschaft erhöht.
Geoffrey Alpert und Kyle Mac Lean (6) thematisieren die Notwendigkeit, Trainings für Polizisten zur Prävention von Polizeigewalt zu entwickeln. Sie fokussieren auf die Reformbedürftigkeit der US-amerikanischen Polizei und plädieren für substanzielle Reformen in der polizeilichen Aus- und Fortbildung, um Polizeigewalt zu reduzieren.
Matthias Weber (7) stellt einen Workshopentwurf dar, der sich mit der Frage befasst, wie Autorität gemäß ethischen Kriterien in der Polizei unterrichtet werden kann und stellt die These auf, dass dies nur als eine umfassende Auseinandersetzung mit Macht, Gewalt, Autorität und Respekt im Kontext polizeilicher Arbeit geschehen kann.
Ziv Gilad und Caroline Wahl (8) gehen der Frage nach, wie Ansätze aus dem Konzept der Neuen Autorität genutzt werden können, um die Beziehung zwischen Polizei und arabischen Bevölkerungsteilen neu zu gestalten und beleuchten, wie Kooperation zwischen Teilen der arabischen Bevölkerung und der israelischen Polizei neu konzipiert wird.
Hermann Groß (9) skizziert in seinem Beitrag, welche verschiedenen Typen von Autorität in der Polizei vorhanden sind und debattiert kritisch, ob für jede dieser Autoritätsformen ein Autoritätsverlust vorherrscht. Zudem diskutiert er, welche Forschungsfragen bzgl. polizeilicher Autorität sich lohnen, erforscht zu werden.
Matthias Weber (10) thematisiert den Zusammenhang zwischen Deeskalation und Autorität im Strafvollzug. Respekt und Vertrauen sind hier wichtige Komponenten, die Autorität als Ergebnis deeskalierender Beziehungsarbeit im Strafvollzug strukturieren.
Zoe Clark, Caroline Inhoffen und Fabian Fritz (11) stellen die Folgen von Racial Profiling in der Jugendhilfe dar und welche Auswirkungen dies auf Vertrauen in die Polizei und generell auf das Bild der Polizei hat. Racial Profiling in der Jugendhilfe führt dazu, dass Misstrauen und Distanz zwischen der Polizei, Angestellten in der Jugendhilfe, sowie Klienten der Jugendhilfe befeuert werden.
Stefan Dierbach (12) thematisiert den Umgang mit Autorität in der Pädagogik und hebt in diesem Zusammenhang den Stellenwert von Anerkennung für eine professionelle pädagogische Beziehungsgestaltung hervor. Es ist in der pädagogischen Beziehungsarbeit vielmehr wichtig, Anerkennung zu befördern als sich auf Autorität zu fokussieren.
Judith Weber (13) beleuchtet Autoritätsfigurationen in den Bereichen der Religion und der Spiritualität. Im Beitrag wird skizziert, wie sich innerhalb dieser Bereiche Autoritätsfigurationen verändert haben und stellt diese Veränderungen in den Zusammenhang mit dem Prozess der Individualisierung. Da gesellschaftlicher Wandel auch immer Autoritätsfigurationen verändert, ist es wichtig zu aufzuzeigen, wie sich dies in diversen gesellschaftlichen Teilbereichen widerspiegelt.
Literatur:
Hunold, D. (2012): Polizeiliche Zwangsanwendungen gegenüber Jugendlichen
Reiss (1971): The Police and the Public.
Sykes / Brent (1983): Policing. A Social Behaviorist Perspective.
Vom Hau (2016): Autorität Reloaded
* Matthias Weber ist WHK an der Universität Bielefeld und Lehrbeauftragter an der HSPV NRW
Die Fragilität polizeilicher Autorität*
Marschel Schöne/ Martin Herrnkind
1. Polizeiliche Autorität
Polizeiliche Fachzeitschriften inkl. der Leserbriefspalten sind seit Jahrzehnten (z.B. Bergmann 1953) gefüllt mit diversen Klagen über das Schwinden des Respekts und damit der polizeilichen Autorität bei verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren. So aus Sicht der Polizei bspw. bei Linken, Beatniks, Provos, Hippies, Mods, Rockern, Gammlern, Punkern, Terroristen, Neuen sozialen Bewegungen, Querdenkern, Autonomen, chaotischen Demonstranten, arabischen Clans, Bürgerwehren etc. Auch wenn der postulierte Autoritätsverlust sowie die gruppenbezogenen Stigmatisierungen nur bedingt generalisierbar und realitätstauglich sind, können diese (Angst-)Projektionen als spezifische Ausprägungen des Kollektivhabitus eines sozialen Feldes und damit seiner bestimmenden Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsweisen gelesen und interpretiert werden. Zudem gilt: Wenn soziale Akteure etwas für real halten, können auch die Folgen real sein. Weswegen ein genauerer Blick auf die grundlegenden Determiananten polizeilicher Autorität lohnenswert ist.
„Um ansatzweise zu verstehen, warum und wie das Feld Polizei auf einen angenommenen Autoritäts-verlust reagiert, ist es notwendig, sich mit den feldspezifischen (Habitus)merkmalen und deren Ausformungen zu befassen.“
Diese tendiert zunächst dazu, sich als fachliche Autorität zu inszenieren. Bourdieu sprach auch vom Doppelcharakter der Kompetenzen, die amtlich beglaubigte Titel suggerieren (vgl. Bourdieu, 2004, S. 143ff.). Die polizeilichen Titel und Rechte müssen von den Bürgern wahrgenommen und anerkannt werden. Diese schreiben den (Titel-)TrägerInnen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu, die diese zuvor individuell gegenüber den BürgerInnen nicht unter Beweis stellen müssen. In diesem Sinne funktionieren sie wie ein gesellschaftlicher Kredit für die Gruppe Polizei, werden zum symbolischen Kapital, welches auf der Autorität und Glaubhaftigkeit des Staates ebenso beruht, wie auf den Mechanismen der Anerkennung und Verkennung staatlicher Macht und Kapitalkonzentration (vgl. analog Bourdieu 1993, S. 257). Wenn nun dieses fragile Konstrukt der Über- und Unterordnung Risse bekommt, etwa durch emanzipierte BürgerInnen in sozialen Bewegungen wie Stuttgart 21, Ende-Gelände, Extinction Rebellion oder der Black Lives Matter Bewegung, kann eine erhebliche Störung des polizeilichen Autoritätsverständnisses eintreten, die sich in Abwehr- und Selbstbehauptungsreflexen der Polizei Gestalt geben kann. Um ansatzweise zu verstehen, warum und wie das Feld Polizei auf einen angenommenen Autoritätsverlust reagiert, ist es notwendig, sich mit den feldspezifischen (Habitus-)Merkmalen und deren Ausformungen zu befassen. Die für Autoritätskonstruktionen relevanten Merkmale des soszialen Raumes Polizei sind im nachfolgenden Feld-Habitus-Modell von Maartin Herrnkind überblicksartig zusammengefasst (Umfassend Herrnkind 2021). Im folgenden werden (symbolische) Macht, Gewalt und Gender exemplarisch betrachtet. Aufgrund der Heterogenität des Feldes Polizei prägen sich die Merkmale überaus komplex aus. Eine vollständige Differenzierung kann hier nicht geleistet werden (Ausführlich zum Feld siehe Schöne, 2011).
2. Sozialer Raum Polizei – Merkmale des (Berufs-)Feldes
2.1. Symbolische Macht als Autoritäts-Reproduktionssystem
Die (symbolische) Macht determiniert als eine Art Generalbass alle anderen (Feld-)Merkmale und kann als zentrales Element polizeilicher Autorität verstanden werden oder das, was Bourdieu (2004, S. 457) auch Autoritäts-Reproduktionssystem nannte. Gegenüber den BürgerInnen ist das Feld Polizei dabei analog zum Staat „der ideale Ort für die Konzentration und Ausübung von symbolischer Macht“. Mit anderen Worten: „Wenn der Staat in der Lage ist, symbolische Gewalt auszuüben, dann deshalb, weil er sich zugleich in der Objektivität verkörpert, nämlich in der Form spezifischer Strukturen und Mechanismen, und in der »Subjektivität« oder, wenn man so will, in den Köpfen, nämlich in Form von mentalen Strukturen, von Wahrnehmungs- und Denkschemata.“ (Bourdieu, 1998, S. 109). Der Staat hat zum Schutze der Gemeinschaft dabei das Gewaltmonopol inne und delegiert es im Inneren an die Polizei und ihre AkteurInnen als verkörperte staatliche Objektivität.
„Die symbolische Macht determiniert als eine Art Generalbass alle anderen (Feld-)merkmale und kann als zentrales Element polizeilicher Autorität verstanden werden.“
Dieses Monopol auf Gewalt ist durch das Feld Polizei und seine AkteurInnen nicht erfolgreich praktizierbar, ohne das angesprochene symbolische Kapital an Legitimation und Anerkennung. Oder anders: „Die Sprache der Autorität regiert immer nur dank der Kollaboration der Regierten, das heißt mit Hilfe sozialer Mechanismen zur Produktion jenes auf Verkennung gegründeten Einverständnisses, das der Ursprung jeder Autorität ist“ (Bourdieu, 1990, S. 79). Die meisten BürgerInnen übernehmen im Prozess der (unmerklichen) Aneignung und Anerkennung staatlicher Strukturen und Praxen das in staatlichen Konstruktionen, staatlichen Werten und Normen manifestierte Denken des Staates, legen ihm Wert bei, anerkennen seine spezifische Logik und Legitimation und statten das Feld Polizei so über Bande auch mit symbolischem Kapital und damit (staatlicher) Autorität aus (vgl. analog Bourdieu, 1998, S. 108ff.). Da es „keine symbolische Macht ohne eine Symbolik der Macht“ (Bourdieu, 1990, S. 55) gibt, geht die polizeiliche Inszenierung auch mit feldspezifischen Ausstattungskapitalien einher, wobei erst der beschriebene Glaube der Bevölkerung an die staatliche Autorität die polizeilichen Symbole überhaupt legitimiert. So Uniformierung, Dienstausweise, Bewaffnung, Einsatzfahrzeuge oder polizeiliche Dienststellen. Diese uniformieren die polizeilichen Akteure nicht nur, sondern trennen die Welt Polizei distinktiv von der umgebenden Gesellschaft. Ihre entscheidende Aufgabe ist die Präsentation und Repräsentation der Stärke und Macht des Feldes Polizei. Und damit die Sicherung staatlicher Autorität.
„Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen.“
2.2 Gewalt & Argwohn
Die Bedingungen, unter denen die polizeilichen Feldakteure auf die Spielarten der symbolischen (Handlungs-)Macht zurückgreifen, folgen der spezifischen Logik des symbolischen (Gewalt-)Kapitals. Oder anders: Das Feld Polizei als manifester Teil des staatlichen Gewaltmonopols generiert durch seine Strukturen Zugzwänge für das Denken, Wahrnehmen und Handeln seiner AkteurInnen. So müssen alle polizeilichen AkteurInnen individuell ein Verhältnis zu den „universalen [...] Grundlagen polizeilicher Gewalt“ (Behr, 2006, S. 186) entwickeln. Sie müssen gewaltbereit, dürfen aber nicht gewaltaffin sein. Gewalt als Herrschaftsform im Feld Polizei bewegt sich dabei zugleich gegenwärtig und verschleiert zwischen den Polen von barer physischer Gewalt und komplexer symbolischer Gewalt (vgl. analog Bourdieu, 1993, S. 230f.). Im Habitus der Polizei wird die Gesellschaft mit dem dazugehörigen Argwohn resp. Verdachtsstrategien zweigeteilt: In die Guten und die Bösen. Die Polizei steht als Thin Blue Line dazwischen, schützt die Guten“ und wacht argwöhnisch (und machtvoll) über die Bösen. Potenziell renitente Personen werden von den Feldakteuren als symbolische Angreifer (Skolnick) wahrgenommen. Sie erhöhen das subjektive Berufsrisiko und sind gleichsam eine Bedrohung für die erfolgreiche kollektive Inszenierung innerer Sicherheit und staatlicher Autorität. Fast immer, wenn die symbolische (Handlungs-)Macht zur Aufgabenerfüllung nicht ausreicht oder als nicht ausreichend wahrgenommen wird, greift die Polizei auf den Einsatz manifester Gewalt zurück. Für Hüttermann (2004, 232f.) fügen sich die den polizeilichen Habitus prägenden Komponenten, „... nicht zum polizeitypischen Ganzen, wenn die Aura potentieller, beliebig eskalierbarer Gewaltanwendung fehlt“. Und weiter: „Das Amtscharisma eines Polizisten beruht so gesehen in letzter Instanz auf seiner Fähigkeit, in einer Konfliktsituation überlegene Gewalt zu entfesseln und, wenn für notwendig befunden, die überlegene, das Gewaltpotential des Einzelakteurs vervielfältigende Reaktion des polizeilichen Gesamtkörpers zu mobilisieren“ (ebd., 233). Da „Autorität stets als Eigenschaft der Person“ (Bourdieu, 1993, S. 234) wahrgenommen wird, ist hinsichtlich einer erfolgreichen (Praxis-) Performance das rechtmäßige resp. von den BürgerInnen als rechtmäßig oder gerecht empfundene Handeln der polizeilichen Akteure auf der Vorderbühne des Feldes von enormer Bedeutung (vgl. analog Goffman, 2000, 77). Rechtswidrige polizeiliche Praxen, wie bspw. racial profiling, bergen die Gefahr der teilweisen Delegitimierung der Nutzung staatlicher Rechte und Titel durch die polizeilichen AkteurInnen. Und stellen damit staatliche Autorität in Frage. Fehlverhalten wird daher von den InhaberInnen der herrschenden (Feld-)Positionen in der Regel als individuelles Versagen und nicht als Systemfehler postuliert. In summa steht die Autorität der polizeilichen AkteurInnen stellvertretend für die Autorität der formellen Gruppe Polizei und kann, “[...] auf Dauer nur durch Handlungen bestehen, die sich nach den von der Gruppe anerkannten Werten richten und diese Autorität so immer wieder bestätigen“ (Bourdieu, 1993, S. 236).
2.3 Gender
Das Geschlecht ist für Bourdieu ein sozial konstruiertes Ordnungsprinzip, das die Habitus der sozialen Akteure entscheidend bestimmt. Die Polizei ist trotz eines Frauenanteils von ca. 3o % als geschlechtsstrukturierter Raum traditionell und gegenwärtig ein Feld der institutionalisierten männlichen Herrschaft. Sie wird bestimmt durch einen männlichen Wettstreit, den Aspekte der Autorität und Ehre als symbolisches Kapital prägen. Dabei lastet die feldspezifische „Ehrenmoral ... auf jedem mit dem Gewicht aller anderen Gruppenmitglieder“ (Bourdieu, 1993, S. 203), ist also nicht nur eine Ausprägung der Kollegialität, sondern auch ein Handlungszwang, der in Kameraderie münden kann. Und der im formellen und informellen Statusgefüge der Gruppe Polizei ständig abgefordert und gleichsam verstärkt wird (vgl. auch Hüttermann, 2004, S. 242). Im Habitus spezifischer Feldakteure bzw. Klassenfraktionen lässt sich denn auch das nachweisen, was als hegemoniale Maskulinität oder Kriegermännlichkeit (siehe Behr, 2000; Schöne 2011: 218, 364) bezeichnet wird. Zudem wird Polizeiarbeit in einer Art gesellschaftlicher Rückkopplung auch von weiten Teilen der Bevölkerung noch immer als typisch männliche Aufgabe angesehen. Die meisten verbalen und nonverbalen habituellen Praktiken des Feldes sowie das Autoritäts-Reproduktionssystem sind auch deshalb so krisenstabil vom Prinzip der männlichen Herrschaft geprägt. Und von Stärkedemonstrationen durchsetzt, mit denen die männlichen Feldakteure anderen zeigen und sich selbst bestätigen (wollen), dass sie Männer sind. In einigen Unterfeldern ist sogar eine Grundangst vor Verweiblichung und einem damit verbundenen Autoritätsverlust spürbar. So in Sondereinsatzkommandos oder der Bereitschaftspolizei. Das zunehmend mehr weibliche Akteure im Feld Polizei handeln, dürfte analog zur Token-Theorie die Interessen- und Machtverhältnisse zukünftig merklich beeinflussen.
„Das soziale Geschlecht der Polizei kann damit als primär maskulin beschrieben werden.“
3. Epilog - Museumswärterin der Demokratie
Autorität ist für eine gelingende polizeiliche Performance unerlässlich. Polizeiliche Autorität ist dabei immer staatliche Autorität. Damit sind ihre Effekte wie Praxisformen struktur- und wertkonservativ. Die komplexen Effekte des sozialen Wandels bringen das Feld Polizei in Zugzwang, da sich Ordnung und Sicherheit nicht mehr ohne Weiteres mit tradierten Strategien im Fahrwasser staatlicher Autorität umsetzen bzw. erzeugen lassen. Dieser Druck zur Veränderung erzeugt Spannungen innerhalb des Feldes und zwischen Feld und Gesellschaft. Für Bourdieu (2001, 279) löst jede „Veränderung innerhalb eines Raumes von Positionen ... einen allgemeinen Wandel aus“. Diese Veränderungen sind seit Jahren in Gestalt von Reformen und Konfliktlagen Realität für die AkteurInnen des Feldes, die von vielen als Störung ihrer eingeübten und als funktional empfundenen polizeilichen Praxis erfahren werden. Oder anders: Der mit einer Reform verbundene Veränderungsprozess stört zumeist „die in einer Organisation vorherrschenden Selbstverständlichkeiten, sowohl was die organisationskulturell geprägten Normen, Denkmuster und Identitäten als auch was die im dienstlichen Alltag etablierten Arbeitsabläufe, Handlungsroutinen und Kommunikationswege angeht“ (Jacobs et al., 2007, 211; vgl. auch Mensching, 2008, 325ff.). Dabei bestimmen Traditionalisten und Subversive durch ihre (Spiel-)Einsätze, ihre Interessen und ihr Ringen um die feldspezifischen (Macht-)Positionen das Koordinatensystem des Feldes beständig neu und verändern die sozialen Praxen (vgl. analog Bourdieu/Wacquant, 1996, S. 128ff.). Ob es im Zuge sozialen Wandels zu ungewöhnlichen Autoritätsverlusten gegenüber dem Feld Polizei kommt, ist gegenwärtig wissenschaftlich nicht belegt. Generell ist das polizeiliche Postulat des Autoritätsverlustes eine erwartbare affektive Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse. In der Gesellschaft übernimmt die Polizei die Aufgaben des Bewahrens, sie ist die Museumswärterin der Demokratie, die gefahrenabwehrend und strafverfolgend den Status Quo konserviert. Dies prägt den Habitus der FeldakteurInnen. Und macht die Reflexe der Abwehr und Selbstbehauptung im Allgemeinen erwartbar und im Speziellen umso wahrscheinlicher, je geringer die Frustrationstoleranz und Veränderungsbereitschaft der AkteurInnen ausgeprägt ist. Die polizeiliche Ausübung und Sicherung symbolischer Macht kann unter diesen spannungsgeladenen Bedingungen partiell zum Selbstzweck geraten und sich Überlegungen des Zeitgemäßen, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit des Rechtmäßigen entziehen. Oder anders: In der an Recht und Gesetz gebundenen bürokratischen Institution Polizei werden in Folge einer durch sozialen Wandel ausgelösten Ziel-Mittel-Diskrepanz Schlupflöcher gesucht und gefunden, um auch jenseits formaler Regeln oder im rechtlichen Graubereich die originären Organisationsziele effektiv, effizient und vor allem in gewohnten Routinen zu erreichen. Hierin liegt sozialer wie gesellschaftlicher Konfliktstoff. Das Feld Polizei sollte vor dem Hintergrund der Fragilität seiner symbolischen Macht ein vitales Interesse an kritischer gesellschaftlicher Begleitung und der damit verbundenen Transparenz und Konfliktfähigkeit haben. Und diese aktiv fördern. Es sollte zum Selbstverständnis werden, dass die Polizei als Institution des Gewaltmonopols nicht nur ein Recht darauf hat, zu kontrollieren. Sondern auch darauf, kontrolliert zu werden.
„Generell ist das polizeiliche Postulat des Autoritätsverlustes aus unserer Sicht eine erwartbare affektive Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse.“
Literatur:
Bergmann (1953): Ist der polizeiliche Dienst heute schwerer als früher?
Behr (2000): Cop Culture.
Behr (2006): Polizeikultur.
Bourdieu (1993): Sozialer Sinn.
Bourdieu/Wacquant (1996): Reflexive Anthropologie.
Bourdieu (1997): Eine sanfte Gewalt. Pierre Bourdieu im Gespräch
Bourdieu (1998): Praktische Vernunft.
Bourdieu (2001): Die Regeln der Kunst.
Bourdieu (2004): Der Staatsadel.
Bourdieu (2005): Die männliche Herrschaft.
Goffman (2000): Wir alle spielen Theater.
Herrnkind (2021): Cop Culture meets Bourdieu.
Jacobs/Keegan/Christe-Zeyse (2007): Eine Organisation begegnet sich selbst.
Mensching (2008): Gelebte Hierarchien.
Schöne (2001): Pierre Bourdieu und das Feld Polizei.
* Marcel Schöne ist Professor für Kriminologie an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/O.L. /
Martin Herrnkind ist Dozent für Kriminologie und Politikwissenschaften an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz.
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