Kitabı oku: «Sittes Welt»
Sittes Welt
Willi Sitte: Die Retrospektive
Herausgegeben von
Christian Philipsen in Verbindung mit
Thomas Bauer-Friedrich und Paul Kaiser
Band 23 der Schriften für das
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale),
herausgegeben von Christian Philipsen
Sittes Welt
Grußwort Dr. Reiner Haseloff
Grußwort Dr. Michael Ermrich
Vorwort Thomas Bauer-Friedrich
Einführung
Langblühende Konfliktfelder
Der Maler Willi Sitte, das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) und der Bilderstreit um die ostdeutsche Kunst | Paul Kaiser
Für die Kunst, aber nie gegen die Partei
Der Künstler Willi Sitte im Konflikt mit sich und seiner Kunst | Eckhart J. Gillen
Sittes Welt
Vom Ausstellen und Sammeln der Werke Willi Sittes mit besonderem Bezug zum Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) | Thomas Bauer-Friedrich
Biografisches
Willi Sitte im Selbstporträt
Thomas Bauer-Friedrich
Selbstverortung mittels Stillleben
Zum Gemälde Stillleben mit Brille | Thomas Bauer-Friedrich
Bekenntnis eines Malers
Zum Gemälde Mein Atelier – Courbet gewidmet | Inna Skliarska
Biografie
Thomas Bauer-Friedrich/Paul Kaiser
Aufstrebende Konstruktion
Herkunft und Widerstand als Momente einer kommunistischen „Musterbiografie“ Willi Sittes | Thomas Bauer-Friedrich/Paul Kaiser
Die Spur der Seinen
Der Maler Willi Sitte als SED-Kulturfunktionär | Paul Kaiser
Sittes Welt: Sitte vor Sitte
„er ist noch jung, die romantische Weltsicht bedeutet hier ein Stadium“
Willi Sittes sudetendeutsche Anfänge vor 1945 | Anna Habánová
Kronenburg 1940: Werner Peiner
Thomas Bauer-Friedrich
Totentanz
Zur Grafikserie Danza funebre del terzo Reich! | Dorit Litt
Melancholicus
Zur Zeichnung Parodia sulla malinconia aperta | Dorit Litt
Sitte vor Sitte?
Willi Sittes künstlerische Entwicklung zwischen 1945 und Mitte der 1950er Jahre | Dorit Litt
Das Toilettenatelier
Zur Zeichnung Atelier im Haus der Einheit | Thomas Bauer-Friedrich
Sein oder Nichtsein
Zur Zeichnung Existenzialismus | Dorit Litt
Auf der Suche nach einem Stil
Zu den Arbeiten um 1947/48 | Thomas Bauer-Friedrich
Pathos des Neuanfangs
Zum Gemälde Der Zug ins Leben | Thomas Bauer-Friedrich
Nachkriegsgedanken
Zur Grafikserie Narrenspiegel | Natalie Brauns
Gemalte Agitation
Zum Gemälde Häuslerin | Thomas Bauer-Friedrich
Form- und Farbspiele
Zu den Gouachen 1949 | Dorit Litt
„Einheitsformat“
Zur Malerei auf „Henning-Karton“ | Dorit Litt
Dritte Deutsche Kunstausstellung: Abgelehnt!
Zum Gemälde Karl Liebknecht kommt aus dem Gefängnis 1918 | Thomas Bauer-Friedrich
Römischer Frauenraub
Zum Gemälde Raub der Sabinerinnen | Dorit Litt
Po-Katastrophe
Zum Gemälde Hochwasserkatastrophe am Po | Dorit Litt
Ein erster Kunstpreis
Zum Gemälde Karl Marx | Thomas Bauer-Friedrich
Koreas Teufelsinsel
Zum Gemälde Mörder von Koye | Dorit Litt
Sittes Welt: Sitte auf dem Weg zu Sitte
Willi Sittes Tätigkeit an der Burg Giebichenstein
Thomas Bauer-Friedrich
Eine Facette von vielen
Willi Sitte als Lehrer | Martha Elisabeth Dreysse
Bildende und angewandte Kunst
Gespräch mit Willi Sitte | geführt von Renate Luckner-Bien
Das Motiv der Rufenden
Eckhart J. Gillen
Agit-Pop? Reflexe der Pop Art bei Willi Sitte
Ilka Rambausek
Die große Zäsur
Willi Sittes Entscheidungsjahre 1961 bis 1964 | Thomas Bauer-Friedrich/Paul Kaiser
Gretchenfrage: Kafka oder Bitterfelder Weg?
Zum Porträt Franz Kafka | Thomas Bauer-Friedrich
Sittes Welt: Die Programmbilder
Am Schaltpult der Geschichte
Willi Sitte als Erneuerer des Historienbildes in der DDR | Paul Kaiser
Napoleons Desaster bei Leipzig
Zum Gemälde Der Untergang der Napoleonischen Armee in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 | Dorit Litt
Unter Spaniens Himmel
Zum Gemälde Kampf der Thälmannbrigade in Spanien | Dorit Litt
Das unfassbare Gesetz des Gemetzels
Zum Gemälde Lidice | Eckhart J. Gillen
Umkreisung der deutschen Schuld
Zum Gemälde Memento Stalingrad | Paul Kaiser
Vom Trauma einer Generation
Zum Gemälde Die Überlebenden | Paul Kaiser
Malerischer Kampf dem Imperialismus
Zum Gemälde Höllensturz in Vietnam | Jan Sprenger
Sozialistische Ritterlichkeit
Zum Gemälde Mensch, Ritter, Tod und Teufel | Paul Kaiser
Neofaschismus
Zum Gemälde Gefahren der manipulierten Vergesslichkeit | Dorit Litt
Sandinistisches Requiem
Zum Gemälde Sie wollten nur Lesen und Schreiben lehren (Nicaragua) | Paul Kaiser
Sittes Welt: Menschliches
Arbeit und Alltag
Der neue Mensch im Sozialismus | Eckhart J. Gillen
Das Ideal des sozialistischen Arbeiters
Zum Gemälde Arbeiter-Triptychon | Thomas Bauer-Friedrich
Ausjurierte Jugend
Zum Gemälde Unsere Jugend | Thomas Bauer-Friedrich
„Enthusiastische Zustimmung und schroffe Ablehnung“: Willi Sittes Gruppenporträt der Karbidarbeiter in Buna
Thomas Bauer-Friedrich
Aus Märtyrern werden Sieger der Geschichte
Zu den Gemälden Leuna 1921 und Leuna 1969 | Eckhart J. Gillen
Fremde Freunde
Zum Gemälde Freundschaft | Paul Kaiser
Sittes Welt: Liebeskunst
Lustvolle Schamzone
Die „Liebesbilder“ von Willi Sitte als bildnerische Konstruktionen von Sex und Intimität | Paul Kaiser
Das Urteil des Paris: Willi Sitte und die Qual der Wahl
Zum Motiv des Parisurteils | Theresa Pohl
Künstlerischer Durchbruch
Zum Gemälde Liegender Akt | Thomas Bauer-Friedrich
Zwischen FKK und Erotik-Tabu
Geschlechterkonstruktionen im Schaffen Willi Sittes | Inna Skliarska
Verdunkelte Idylle
Zum Gemälde Strandszenen mit Sonnenfinsternis | Paul Kaiser
Körpersprache der Macht
Zum Gemälde Sauna in Wolgograd | Eckhart J. Gillen
Sittes Welt: Allzumenschliches?
„An Sitte scheiden sich die Geister.“
Willi Sitte im wiedervereinten Deutschland | Thomas Bauer-Friedrich
Faustische Empörung
Zum Gemälde Erdgeister | Paul Kaiser
Herr Mittelmaß
Zum Motiv des „Herrn Mittelmaß“ | Dorit Litt
Anhang
Verzeichnis der Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen Willi Sittes
Literatur
Personenregister
Siglen
AdK
Akademie der Künste, Berlin
Archiv DIK, Dresden
Archiv des Dresdner Instituts für Kulturstudien
BArch
Bundesarchiv
BStU
Bundesarchiv, Stasi-Unterlagen-Archiv
DKA, GNM
Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg
LASA
Landesarchiv Sachsen-Anhalt
RAK
Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe, Bonn
SOAL
Státni okresní archiv, Liberec
In den Texten dieser Publikation finden Sie Bildverweise in zwei Kennzeichnungsarten:
Kennzeichnung einer Abbildung eines ausgestellten Werks von Willi Sitte
Vergleichs- und Erläuterungs-abbildung in den Texten
Bei vielen der abgebildeten Werke konnten Signatur und Datierung nur angeschnitten wiedergegeben werden, da beides in der Bildvorlage vom Rahmen abgedeckt wird. Die Abbildungen zeigen den im Original sichtbaren Bildausschnitt.
Grußwort
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist das Kunstmuseum unseres 1990 wiederbegründeten Bundeslandes. Schon einmal, nach 1945 und für kurze Zeit, existierte ein Land Sachsen-Anhalt. Damals kam ein junger Künstler, zurückgekehrt aus dem Krieg und aus Böhmen vertrieben, nach Halle (Saale), um dort seine Laufbahn als bildender Künstler zu beginnen. Später sollte seine Person auf das Engste mit der Kunst und Kulturpolitik der DDR verbunden sein: Willi Sitte lebte von 1947 bis zu seinem Tod 2013 in der Saalestadt und schuf hier in seinem Atelier seine kontrovers aufgenommenen und diskutierten Werke, die stets auch auf der Kunstausstellung des Staates in Dresden gezeigt wurden. In den 1990er Jahren sah er sich aufgrund seiner Staatsnähe und Haltung zum SED-System Vorwürfen und Anfeindungen ausgesetzt, was nicht zuletzt dazu führte, dass sein Nachlass nicht in seiner Wahlheimat eine dauerhafte Bleibe gefunden hat, sondern im benachbarten Merseburg. 2021, in jenem Jahr, in dem Willi Sitte 100 Jahre alt geworden wäre, hat sich zwar seine Stiftung aufgelöst, aber ich freue mich, dass es gelungen ist, einen wichtigen Teil seines Schaffens an unser Landeskunstmuseum zu binden, das damit künftig der zentrale Ort sein wird für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Willi Sittes Werk beschäftigen und auseinandersetzen.
Dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) danke ich für die Realisierung der ersten umfassenden Willi-Sitte-Retrospektive seit der Wiedervereinigung. Mit diesem aufwendig recherchierten und akribisch vorbereiteten Ausstellungsprojekt leistet das Museum 30 Jahre nach der friedlichen Revolution einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Kunst in der DDR. Nicht zuletzt aufgrund dieses zeitlichen Abstands zu den historischen Ereignissen bietet die Ausstellung ihren Besucherinnen und Besuchern eine sehr gute Möglichkeit, sich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit Willi Sitte einzulassen und sein umfangreiches Œuvre neu zu entdecken und zu interpretieren. Ich wünsche der Retrospektive einen regen Zuspruch und viele anregende Diskussionen!
Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt
Grußwort
Mit der Ausstellung anlässlich des 100. Geburtstags Willi Sittes wird eine Phase langjähriger intensiver Vor- und Forschungsarbeit zu seinem umfangreichen Œuvre erfolgreich abgeschlossen. 40 Jahre nach der letzten großen Werk-Ausstellung des Künstlers im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) und 30 Jahre nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wird nun der ganze Lebens- und Schaffensweg dieses großen ostdeutschen Malers von den späten 1930er Jahren bis zu seinem Tod angemessen und differenziert gewürdigt – und das erstmals ohne jegliche politische Instrumentalisierung.
Ein solches Vorhaben galt aus vielerlei Gründen als diffizil, geht es hier doch nicht allein um den Maler und Menschen, sondern auch um den Kultur-Funktionär Willi Sitte, der seit Mitte der 1960er Jahre zunehmend politische Verantwortung in der DDR übernommen hatte. Allen, die sich mit den Verflechtungen zwischen Kunst, Leben und Werk genauer beschäftigen wollen, sei der vorliegende Katalog besonders empfohlen.
Unter der Leitung seines Direktors Thomas Bauer-Friedrich überzeugt das Team des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) immer wieder mit überregional beachteten Ausstellungsprojekten, ohne die Wurzeln des Hauses zu vergessen. Auch schwierigere Themen werden nicht gescheut, sondern wissenschaftlich exakt, differenziert und verständlich aufbereitet und vermittelt. Mit großem Interesse begleiten die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Saalesparkasse bereits seit mehreren Jahren diese Entwicklung, in die sich die aktuelle Ausstellung konsequent einfügt.
Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern viel Freude sowie spannende Einblicke in ein besonderes Kapitel deutscher Kunst- und Zeitgeschichte.
Dr. Michael Ermrich Vorsitzender des Vorstands der Ostdeutschen Sparkassenstiftung
Ein Ausstellungsprojekt in Kooperation mit
Mit freundlicher Unterstützung
Kulturpartner
Leihgeber
•Berlin, Akademie der Künste, Kunstsammlung
•Berlin, Kunstsammlung der Berliner Volksbank
•Berlin, Kunstverwaltung des Bundes
•Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
•Berlin, Sammlung Martin Hirschboeck
•Berlin, Sammlung Hasso Plattner
•Berlin, Sammlung Prof. Dr. Wolfgang Ruppert
•Berlin, Marian Ziburske Collection
•Budapest, Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art
•Dresden, Albertinum | Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
•Dresden, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
•Frankfurt am Main / Leipzig, Sammlung Fritz P. Mayer
•Frankfurt (Oder), Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst
•Halle (Saale), Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
•Halle (Saale), Nachlass Willi Sitte
•Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig
•Sangerhausen, Landkreis Mansfeld-Südharz
•Trier, Stadtmuseum Simeonstift Trier
•Weimar, Klassik Stiftung Weimar
•Wien, mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
•Würzburg, Kunstsammlungen der Diözese Würzburg – Museum am Dom (MAD)
Unser Dank gilt auch Jutta Harnisch, Familie Lilie und Thomas Sindermann sowie allen anderen privaten Leihgebern, die es vorzogen, nicht namentlich genannt zu werden.
Dank
Stephan Bachtejeff-Mentzel
Mathias Bertram
Aron Boks
Dr. Susanna Brogi
Dr. Francesco Corniani
Dr. Hildtrud Ebert
Dr. Jens Fachbach
Doreen Frauendorf
Dr. Carlo Gentile
Inge Götze
Moritz Götze
Klaus und Jutta Harnisch
Dr. Joachim Jäger
Roland Jahn
Dr. Reinhold Jaretzky
Andreas Kämper
Heidrun Kemnitz
Romy Kleiber
Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk
Michael Krejsa
Thomas Krüger
Monika Laschet
Dr. Jana Lehmann
Dr. Renate Luckner-Bien
Hans-Peter Lühr
Erika Mielisch
Andreas Montag
Solveig Nestler
Katrin Neugebauer
Cornelia Nowak
Prof. Dr. Olaf Peters
Matthias Rataiczyk
Prof. Ulrich Reimkasten
Dr. Bernd Röder
Sarah Rohrberg
Susanne Salamah
Dr. Jan Scheunemann
Dr. Björn Schmalz
Daniel Schütz
Ingrid Sitte
Katia Sitte
Christoph Tannert
Karin Thomas
Dr. Angelika Weißbach
Vorwort
Sittes Welt – so kurz, doch nicht minder sprechend lautet der Titel der ersten Retrospektive über das Gesamtwerk Willi Sittes seit der Wiedervereinigung beider ehemals getrennter deutschen Staaten. Ausstellung und Katalog eröffnen dem Publikum das erste Mal seit mehr als 30 Jahren die Möglichkeit, sich ausführlich wieder mit dem Schaffen eines der bekanntesten Künstler aus der ehemaligen DDR vertraut zu machen – wieder, weil es dazu in den vergangenen Jahrzehnten selten die Gelegenheit gab. Keines der größeren Museen in Ost wie West wagte sich an das Werk des umstrittenen Künstlers heran. Zu komplex wirkte Sittes Welt, zu wenig erforscht seine Entwicklung über vier Jahrzehnte zwischen 1945 und 1989, zu unklar seine tatsächliche Rolle im Kunst- und Kultursystem der DDR, zu unklar das Gewicht des Kulturpolitikers neben dem des Künstlers. Während seine Leipziger Kollegen Heisig, Mattheuer und Tübke in den zurückliegenden Jahren große Einzelausstellungen erhalten und ihre Œuvres und Viten eine wissenschaftliche Erforschung erfahren haben, blieb dies für das Leben und Werk Willi Sittes bis heute aus. Zu heftig waren die aus nachvollziehbaren Gründen oft sehr emotional geführten Debatten in den 1990er Jahren, die in den Ereignissen um die abgesagte Ausstellung zum 80. Geburtstag 2001 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg kulminierten. Zwar fand damals stattdessen eine wissenschaftliche Tagung statt, jedoch drehte sich diese in erster Linie um die Frage der Verflechtung Sittes mit der Politik des DDR-Staats. Sein künstlerisches Werk jenseits seines Status als Quellenbeleg und zeithistorisches Dokument blieb bis heute weitestgehend unerforscht. Selbst 2021, dem Jahr des 100. Geburtstags des Künstlers, findet außer Sittes Welt – leider – keine weitere museale Auseinandersetzung mit seinem Schaffen statt.
Warum, wenn es eine solche Ignoranz seitens der deutschen Museen gibt hinsichtlich des Œuvres Willi Sittes, dann eine große Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)? Als ich 2014 die Leitung des Museums übernahm und nach meinen Zielen und Vorstellungen zur Entwicklung des Museums befragt wurde, antwortete ich, dass ich das Haus einerseits öffnen und andererseits stärker überregional verorten möchte, mit großen Ausstellungsprojekten, die sich dem Kernprofil des Museums, der Kunst des 20. Jahrhunderts, mit nationalem und internationalem Anspruch widmen – und nannte in diesem Zusammenhang auch den Namen Willi Sitte. Diesen Anspruch haben wir in den zurückliegenden Jahren mit Präsentationen zur französischen Kunst der Moderne, einer großen Gustav-Klimt-Schau oder einer umfassenden Rekonstruktion der 1937 verlorenen ersten Moderne-Sammlung des Museums und zuletzt mit der ersten Retrospektive zum fotokünstlerischen Werk Karl Lagerfelds mit viel Erfolg eingelöst. Parallel zu diesen Großprojekten liefen seit 2018 die Vorbereitungen zu Sittes Welt.
Fünf Jahre vor dem 100. Geburtstag überlegte ich bei meinem ersten Besuch bei Ingrid Sitte, das Jubiläum zum Anlass zu nehmen, das einzulösen, wozu ich mich und mein Haus verpflichtet sehe: in der Stadt, in der Willi Sitte 66 seiner 92 Lebensjahre gelebt und gewirkt hat, in deren Kunstmuseum er 1971 und 1981 zwei große Retrospektiven erhalten hat und das die wohl umfassendste und repräsentativste museale Sammlung seiner Gemälde besitzt, eine erste sachliche, objektive und auf geprüften und verantwortungsvoll recherchierten Fakten basierende Neubewertung seines Schaffens zur Diskussion zu stellen. War Willi Sitte bis 1989 einer der am meisten präsentierten und vom DDR-Staats- und Kunstsystem profitierenden Künstler gewesen, so verkehrte sich das 1990 in das absolute Gegenteil – seine Werke wanderten in die Depots, Ausstellungen fanden zum 80. und 90. Geburtstag in keinem deutschen Kunstmuseum statt. Betrachtet man die in Auktionen erzielten Zuschlagspreise, stehen diese momentan in keinem adäquaten Verhältnis zum künstlerischen und kunsthistorischen Wert der Werke. Das Schlimmste, was einem Œuvre geschehen kann, ist dessen Ignoriertwerden und wissenschaftliche Quasi-Nichtexistenz.
Dies zu ändern, war mir Motivation und Ermutigung, mich, unterstützt durch die drei Kunsthistoriker und ausgewiesenen Experten für dieses Thema, Eckhart J. Gillen, Paul Kaiser und Dorit Litt, in dieses Abenteuer zu stürzen. Allen dreien bin ich für ihre kollegiale, das Projekt stets vorantreibende kuratorische Mitarbeit sowie für ihre fundierten Beiträge für den vorliegenden Katalog zu tiefstem Dank verpflichtet. Einen besonderen Dank möchte ich darüber hinaus Paul Kaiser aussprechen, der sich gemeinsam mit mir mehr als im zu erwartenden Maß mit immensem Forscherdrang in dieses Wissenschaftsabenteuer begeben hat – dies zudem unter erschwerten pandemiebedingten Gegebenheiten, die unsere Arbeit etwa die Hälfte der Gesamtzeit beeinträchtigten. Trotz dessen gibt es viele neue Forschungsergebnisse, Erkenntnisse und Sichtweisen auf Sittes Welt, die mit diesem Buch gebündelt vorgelegt werden, mit dem Ziel, einen wissenschaftlichen Diskurs und einen neuen Zugang zu ermöglichen.
Der Familie Willi Sittes, zuvörderst seiner Witwe Ingrid sowie der Tochter Sarah und dem Enkel Johannes, möchte ich für ihre von Beginn an offene, wohlwollende, neugierige und meine Arbeit stets unterstützende Begleitung des Projektes danken. Nach allem seit der Wiedervereinigung Erlebten war dies nur mit viel Vertrauen möglich. Dass sie mir diesen Vertrauensvorschuss gaben, weiß ich in hohem Maß zu würdigen.
Im Ergebnis ermöglicht die Ausstellung das erste Mal seit 1986 eine umfassende Wiederbegegnung mit den Originalen von den Anfangsjahren um 1940 bis in die frühen 2000er Jahre. Mehr als 250 Werke, darunter einige, die seit gut einem halben Jahrhundert nicht mehr, andere, die noch nie zu sehen waren, geben erstmals wieder einen nahezu vollständigen Einblick in Sittes Welt. Ich bin überzeugt, dass es für jeden Besucher der Ausstellung sowie Leser dieses Buches Entdeckungen zu machen und Neues zu erfahren gibt, denn – so meine Grundüberzeugung aus der langen Arbeit an diesem Projekt – kaum einer hat heute noch eine Vorstellung von Sittes Welt in toto, sondern stets ist es nur ein Teil, der noch im Bewusstsein verankert ist. Doch weder der etablierte Künstler der 1970er und 1980er Jahre steht repräsentativ für Sittes Welt noch der in den 1950er bis 1960er Jahren als „Formalist“ oder „Modernist“ gescholtene. Wie immer hat auch diese Medaille zwei Seiten. Ich danke daher allen privaten wie öffentlichen Leihgebern für die Bereitstellung ihrer Werke. Nur mit Hilfe ihrer Unterstützung wurde es möglich, diesen außergewöhnlichen Parcours eröffnen und einen breiten Einblick in die künstlerische Entwicklung Willi Sittes geben zu können.
Dem Corpus der so vielzählig zusammengetragenen Werke galt es, in den szenografisch immer wieder eine Herausforderung darstellenden Räumlichkeiten der Moritzburg einen würdigen Auftritt zu verschaffen. Mein herzlicher Dank gilt Hansjörg Hartung, der auch bei diesem Projekt erneut sehr sensibel die Besonderheiten einer Inszenierung speziell der Sitte’schen Werke verstanden und in unsere sehr individuellen Räume eingepasst hat. Selbst den mit dem Museum seit langem vertrauten Besuchern werden die neu geschaffenen Räume eine neue, eben Sittes Welt eröffnen.
Das, was nach allem Temporären einer Sonderausstellung bleibt, ist der vorliegende Katalog, der mit seinen 536 Seiten wahrlich eine Welt eröffnet und hoffentlich eine neue wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kunst Willi Sittes im Speziellen und in der DDR im Allgemeinen initiiert. Besonders freue ich mich in diesem Zusammenhang, dass es am Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Wintersemester 2020/21 unter Leitung von Prof. Dr. Olaf Peters ein Seminar zu Willi Sitte gab und sich somit erste Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit ihm auseinandergesetzt haben. Ein Teil von ihnen hat zu einzelnen Werken Sittes Textbeiträge für dieses Buch verfasst. Ihnen und allen anderen Autoren gilt mein herzlicher Dank. Besonders danken möchte ich Friedrich Lux, der erneut ein wunderbares Layout gefunden und die Herausforderung, knapp eine Million Zeichen und mehr als 400 Abbildungen in einer doch sehr überschaubaren Zeit zu setzen, nicht nur angenommen, sondern sie auch hervorragend gemeistert hat. Ebenso danke ich allen seitens des E. A. Seemann Verlags unter der Projektleitung von Caroline Keller Beteiligten. Möge das Buch, das so manche Werke erstmals überhaupt farbig und jenseits des zu DDR-Zeiten drucktechnisch Möglichen wiedergibt, zahlreiche interessierte Leserinnen und Leser finden!
Wie immer wäre auch dieses Projekt unmöglich zu realisieren gewesen ohne das dafür notwendige Budget. Mein aufrichtiger Dank gilt dem Land Sachsen-Anhalt, hier vor allem dem Staatsminister und Minister für Kultur, Rainer Robra, der dieses Projekt von Beginn an mit wohlwollendem Interesse ermöglicht, verfolgt und begleitet hat, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, deren Vorsitzender des Vorstands, Dr. Michael Ermrich, und stellvertretende Geschäftsführerin, Patricia Werner, gemeinsam mit der Saalesparkasse und ihrem Vorstandsvorsitzenden, Dr. Jürgen Fox, ebenfalls mit großem Interesse das Werden der durch ihre großzügige Förderung erst möglich gewordenen Ausstellung begleitet haben, und last but not least der Halleschen Wohnungsgesellschaft mbH mit ihrer Geschäftsführerin Simone Danz. Nur mit solchen treuen, zuverlässigen und flexiblen Partnern sind solche Projekte zu stemmen – zumal in derart schwierigen Zeiten wie den gegenwärtigen.
Die Vorbereitung und Durchführung eines Projekts dieser Größenordnung ist wie immer die Leistung eines großen Teams. Daher möchte ich abschließend allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Haus ebenso wie der gesamten Kulturstiftung Sachsen-Anhalt danken. Jeder von ihnen hat in seinem Arbeitsbereich dazu beigetragen, dass nicht nur alles rechtzeitig, sondern auch in der gewünschten Qualität fertiggestellt werden konnte.
Möge Sittes Welt auf unvoreingenommene Rezipienten stoßen, die mit Neugierde und Erkenntnisinteresse eintauchen wollen in eine vergangene Phase nicht nur der Kunstgeschichte unseres Landes.
Thomas Bauer-Friedrich Direktor des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale)