Kitabı oku: «Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften», sayfa 6

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Karsten Rincke
Von der Alltagssprache zur Fachsprache
Bruch oder schrittweiser Übergang?
1. Die Sprache im physikalischen Fachunterricht: Ein Problem mit vielen Gesichtern

Der physikalische Fachunterricht stellt die Schülerinnen und Schüler vor mannigfache Herausforderungen, die sie bewältigen müssen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Ein Blick in die Bildungsstandards vermittelt einen kleinen Eindruck davon, wie diese Ziele gelagert sind. Es ist nur ein kleiner Eindruck, weil die Bildungsstandards sich auf das beziehen, was der Unterricht als Endprodukt hervorbringen soll. Die Prozesse jedoch, die auf dieses Produkt führen sollen, stehen nicht im Blickpunkt der Standards, sie bilden aber den Hauptteil des Unterrichts. Es liegt in der Natur der Sache, dass Bildungsstandards keine Selbstverständlichkeiten verlangen. Sie verlangen etwas, um dessen Erreichen Lehrkräfte wie Schülerinnen und Schüler in aller Regel ringen müssen. So kommt es, dass man jede der in den Standards formulierten Normen als einen indirekten Hinweis darauf interpretieren kann, was Schülerinnen und Schüler in aller Regel nicht »von sich aus schon können«, worauf sie also im Unterricht besondere Mühe verwenden müssen, wo sie besondere Hürden zu überwinden haben: Die Tatsache, dass sie Modellvorstellungen angemessen anwenden können sollen, deutet also darauf hin, dass Modellvorstellungen offenbar Schwierigkeiten machen. Dasselbe gilt, wenn sie Phänomene beschreiben sollen, fachliche Konzepte wiedergeben und anwenden oder Bezüge zwischen Inhalten des Fachs und sich selbst oder unserer Gesellschaft herstellen sollen. Ein enormer Anteil dieser Auseinandersetzung mit großen und kleinen Hürden verläuft auf dem Wege der sprachlichen Kommunikation, schriftlicher wie mündlicher. Dabei stellen sich Probleme auf unterschiedlichen Ebenen ein. In einer etwas holistischen Perspektive kann man sagen, dass der Fachunterricht nicht nur neue Inhalte vermitteln möchte, er bedient sich dabei zu allem Überfluss auch noch einer neuen Sprache. Das mag ein wenig radikal formuliert sein, und wir werden uns auch gleich wieder ein gutes Stück von dieser radikalen Sichtweise distanzieren. Doch für einen Moment mag man sich einmal die Konsequenz vor Augen führen, vielleicht am einfachsten, indem man sie probeweise auf das Fremdsprachenlernen überträgt: Stellen Sie sich vor, dass Sie sich mittels Büchern über ein neues Inhaltsgebiet informieren möchten, das Ihnen weitgehend unbekannt ist. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie leider nur Bücher finden, in denen dieses Inhaltsgebiet in einer fremden Sprache, nehmen wir Finnisch als Beispiel, beschrieben ist. Nun würden Sie sicher nach einem Wörterbuch suchen, in denen die Vokabeln Ihrer Herkunftssprache den finnischen Wörtern gegenüberstehen. Die Frage, mit der dieser Beitrag betitelt ist, lässt sich in diesem kleinen Vergleich nun so formulieren: Wie wird das Wörterbuch aussehen, das Sie finden: Wird es wirklich die Vokabeln der beiden Sprachen einander gegenüberstellen, oder wird es womöglich ein Diktionär sein, also ein Buch, das Ihnen die finnischen Vokabeln auf Finnisch erklärt? Und schließlich: Wird es Ihnen etwas nützen? Eines können wir uns jetzt schon beantworten: Es wird keine leichte Kost sein.

Es ist keine neue Idee, in Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung der Sprache im naturwissenschaftlichen Fachunterricht eine Beziehung zum (Fremd-) Sprachenlernen herzustellen: So wie mit dem Erlernen einer Fremdsprache in der Schule oft das Einpauken von Vokabeln verbunden wird, so wird mit den modernen Naturwissenschaften ihr fremdartiges Vokabular verbunden. Doch ebenso wie das erfolgreiche Memorieren fremdsprachlicher Vokabeln noch kein flüssiges, der kommunikativen Situation angemessenes Sprechen ermöglicht, so eröffnen auch Fachbegriffe kaum eine Kenntnis von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn sie auf eine Rolle als Etiketten für Objekte der Umgebung oder der Anschauung reduziert werden. Dennoch ist der Hinweis wichtig und berechtigt, dass die in Schulen gebräuchlichen Fachbücher sehr viele Fachbegriffe enthalten, von denen ein Großteil nur ein einziges Mal vorkommt und damit für eine naturwissenschaftliche Grundbildung entbehrlich erscheint (Merzyn 1994).

1.1 Das Fachvokabular

Es sollte bewusst planenden Lehrkräften wenig Mühe bereiten, entbehrliche Fachbegriffe im Unterricht durch Umschreibungen zu ersetzen. Entbehrlich sind in der Regel selten gebrauchte Begriffe, die nicht mit einer physikalischen Größe assoziiert sind. Dazu gehört eine große Zahl von Namen für technische Materialien und Gegenstände, also Begriffe, die tatsächlich »nur« die Rolle von Etiketten haben. Ich denke an Begriffe wie »Perleins«. Wer nicht schon einmal Optik in der Mittelstufe unterrichtet hat, wird im ersten Moment gar nicht wissen, wie er oder sie »Perleins« aussprechen soll. Bei der »Perleins« handelt es sich um eine handtellergroße Metallplatte, die an mehreren Stellen durchbohrt ist. Die Löcher sind so angeordnet, dass sie das Muster einer Eins andeuten. In jedem Loch steckt eine Glasperle. Man benutzt dieses seltsame Objekt für einfache Experimente, bei denen man die optische Abbildung von leuchtenden Gegenständen mit Hilfe einer Glaslinse untersucht. Die Eins, die aus Glasperlen besteht, ist ein solcher leuchtender Gegenstand, wenn man sie von einer Seite mit einer Lampe bestrahlt – die Perlen funkeln dann und senden ihr Licht auf die Linse, die ein leuchtendes Abbild erzeugt. Es bedarf wenig Fantasie, viele solcher Etiketten wie Perleins durch kurze Umschreibungen zu ersetzen und damit das Lernen zu entlasten. Wessen es etwas mehr bedarf, ist Emanzipation, und zwar Emanzipation gegenüber der vermeintlichen Autorität dieser entbehrlichen Fachwörter. Man muss sich gegenüber »Unterdruck«, »Überdruck«, »Schweredruck«, Von der Alltagssprache zur Fachsprache »Luftdruck«, »Umgebungsdruck«, »Staudruck«, »statischem Druck« und »dynamischem Druck« emanzipieren und auf das zurück kommen, worum es geht. Es geht offenbar um »Druck«, der in verschiedenen Situationen mit je unterschiedlichen Ursachen und Wirkungen verbunden ist. Das sagt man aber lieber in ganzen Sätzen als in einem Kompositum, hinter dem die Schülerin nichts, der Kenner aber das ganzes Szenario eines Experimentalaufbaus sieht. Bennett (2003, S. 147f.) weist darauf hin, dass viele Forschungsergebnisse zeigen, dass Lernschwierigkeiten in den Naturwissenschaften weniger mit den Besonderheiten ihres Fachvokabulars zu hätten als man erwarten sollte – wenn man also den Unterricht und das Lernen der Schülerinnen und Schüler von vielen Fachbegriffen entlastet hat, ist offenbar nur ein erster Schritt getan.

1.2 Die Fach-Sätze

Woraus resultieren die eigentlichen Schwierigkeiten mit der Sprache im naturwissenschaftlichen Fachunterricht, wenn das Fachvokabular nicht als wesentliche Quelle ausgemacht werden kann? Leisen (1999) fasst die Besonderheiten der Fachsprache in übersichtlicher Weise zusammen. Neben dem besonderen Vokabular an sich sind es typische Konstruktionen und Gestaltungsmerkmale des Satzbaus und des Sprachstils, die die Fachsprache auszeichnen. So treten zum Beispiel Funktionsverbgefüge (»Arbeit verrichten«) oder komplexe Attribute (»der auf der Fahrbahn reibungsfrei gleitende Wagen«) auf, die in der Alltagssprache selten anzutreffen sind, hinzu kommt ein für die Fachsprache typischer unpersönlicher passivischer Stil, der eine Distanz zu der vom persönlichen Erleben der Jugendlichen geprägten Alltagssprache aufbaut. Leisens Buch stellt eine Fülle von Möglichkeiten vor, wie diese Besonderheiten unterrichtsmethodisch aufgegriffen und zu vielfältigen Lerngelegenheiten ausgebaut werden können. Essenziell erscheint dabei die Einsicht, dass die Problematik der Fachsprache nur zu einem geringen Anteil vom Einzel(fach)wort ausgeht. Sie geht eher davon aus, wie dieses Wort im Zusammenspiel mit anderen Wörtern, Präpositionen, direkten oder indirekten Objekten agiert. Betrachten wir dazu zwei Beispiele, die beide auf derselben Seite eines gängigen Physiklehrbuchs für die Altersstufe der etwa 14-Jährigen zu finden sind. Es geht dabei um den Begriff der elektrischen Spannung, ein Begriff, der im wahrsten Wortsinn mit Lernschwierigkeiten geradezu aufgeladen ist: Auf der Seite ist zu lesen »Die von Volta gebaute Monozelle hatte die Spannung 1 V.« An anderer Stelle: »Zwischen den Buchsen der Steckdose besteht eine Spannung.« Versetzen wir uns in die Lage einer Schülerin, die die Eigenschaften des neuen Konzepts, das hinter dem Wort »Spannung« steht, erfassen möchte. Sie erfährt, dass eine Spannung zwischen zwei Dingen bestehen kann und dass man sie haben kann. Im ersten Fall bezeichnet die Spannung eine Relation zwischen zwei Objekten, im zweiten Fall lediglich zu einem einzigen Objekt. Die beiden Beispielsätze aus dem Lehrbuch vermitteln implizit Informationen über die elektrische Spannung, die man also schlecht in Einklang bringen kann. Wenn dann weitere Sätze hinzukommen, in denen »Spannung geleitet wird, groß ist, gefährlich ist, anliegt, steigt« oder »abfällt«, sind Lernschwierigkeiten zu erwarten. Das Fachwort »Spannung« wird in so diversen Wortkombinationen verwandt, dass Wesentliches und Unwesentliches ebenso wenig trennbar sind wie exakte und vergröbernde Darstellung. Nur wer schon weiß und verstanden hat, kann bemerken, dass die Formulierungen auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen angesiedelt sind und das intendierte fachliche Konzept unterschiedlich exakt benennen.

Die fachliche Definition der physikalischen Größe »Spannung«, so wie man sie in einem Hochschullehrbuch finden kann, benennt zwei Bezugspotenziale, die an unterschiedlichen Orten gemessen werden, und deren Differenz die Spannung ist. Vor diesem Hintergrund liegt die Formulierung, die die Präposition »zwischen« verwendet, dem fachlich intendierten Konzept am nächsten, weil sie zwei Orte benennt, zwischen denen die Spannung besteht.

1.3 Die Sprachebenen im Fachunterricht

Leisen beschreibt in seinem Buch die schon erwähnten sprachlichen Ebenen, die im Unterricht betreten werden: Zwischen den Ebenen der Alltags- und der Fachsprache bildet die Unterrichtssprache eine Brücke. Sie ist mit Versatzstücken der Fachsprache versehen, ohne dabei den der Fachsprache eigenen Anspruch an Allgemeingültigkeit zu erheben. Auch Fischer (1998) beschreibt diese »innere Mehrsprachigkeit« des Unterrichts, mit der die unterschiedlichen sprachlichen Ebenen gemeint sind. Eine solche Mehrsprachigkeit ist unvermeidlich, und ihre Bewältigung (nicht die Beseitigung!) muss ein Ziel des Fachunterrichts sein. Problematisch bleibt es allerdings, wenn den Schülerinnen und Schülern die Zugehörigkeit einer Formulierung zu einer sprachlichen Ebene nicht transparent gemacht wird: Woran sollten sie erkennen, dass die Formulierung »zwischen den Buchsen besteht eine Spannung« sehr viel klarer auf das fachlich Wesentliche verweist als etwa »eine Spannung fällt ab«?

Der implizite Wechsel der Sprachebenen setzt zusätzliche Hürden, wenn die benutzten Fachwörter auch in der Alltagssprache gebräuchlich sind und ein breites Bedeutungsfeld haben. Für Novizen werden Alltags- und Fachsprache untrennbar, und es verwundert nicht, dass Alltagsvorstellungen den Fachunterricht mitbestimmen, die dem fachlichen Konzept zuwiderlaufen. Das Fachwort Kraft bildet dafür ein Beispiel, es ist in der Alltagssprache verankert und steht zugleich im Zentrum der Physik: Die fundamentalen Wechselwirkungen, auf denen die Physik aufgebaut ist, kommen ohne den Kraftbegriff nicht aus.

2. Kraft haben oder Kraft auf etwas ausüben?

Das Wort Kraft kommt im Alltag in mannigfaltigen Bedeutungen und Verbindungen vor. Darunter sind Bezeichnungen für Gegenstände (Kraftwerk) oder Wortverbindungen, die auf Eigenschaften verweisen, die ein Gegenstand besitzt: Die Waschkraft von Waschmitteln oder etwa die Sehkraft des Auges. Das Kraftwerk liefert Energie – offenbar wird Kraft mit Energie assoziiert, und diese wiederum mit weiteren Bedeutungen, von denen die eines Universaltreibstoffes noch als eine der passendsten angesehen werden kann. Bei der Waschkraft geht es um das Vermögen einer Substanz, Schmutz zu lösen, und bei der Sehkraft um das Vermögen des Auges, Gegenstände scharf auf der Netzhaut abzubilden. Diese wenigen Beispiele illustrieren, dass im Alltag Kraft im Sinne von Potenz, etwas zu leisten, zu verursachen, voranzubringen, verwendet wird. Die physikalische Fachsprache sieht einen anderen Gebrauch vor, der mit einem Konzept verbunden ist, das bei näherem Hinsehen sehr fremdartig erscheint. Stellen wir uns einen Gummiball vor, der auf den Boden fällt und wieder nach oben springt. Eine fachsprachliche Beschreibung könnte lauten: »Der Boden übt eine Kraft auf den Ball nach oben aus.« Die fachsprachliche Formulierung zeigt gegenüber der alltäglichen zwei wesentliche Besonderheiten: Zunächst klärt der Begriff Kraft in Verbindung mit »ausüben auf« eine Beziehung zwischen zwei Objekten, dem Boden und dem Ball. Diese Beziehung ist in der gegebenen Formulierung (noch) nicht symmetrisch.1 Die Wendung »Kraft ausüben auf« bezeichnet also eine zweistellige Relation und nicht die Eigenschaft oder das Vermögen eines einzigen Objekts. Weiterhin ist die Fähigkeit, Kraft ausüben zu können, wider Erwarten nicht an ein Objekt gebunden, dem man dies im alltäglichen Verständnis zutraute: »Der Boden kann keine Kraft ausüben, der liegt doch nur so da« ist ein oft gehörter Einwand aus Schülermund. Diese Schwierigkeiten, das alltägliche Verständnis vom fachlichen abzugrenzen, ja das fachliche überhaupt als ein gültiges zu akzeptieren, sind in vielen deutschen und internationalen Studien zu Schülervorstellungen und Lernschwierigkeiten untersucht worden (vgl. z.B. Jung/Wiesner/Engelhardt 1981, Jung 1986, Hestenes/Wells/Swackhammer 1992, Wiesner 1994a, Gerdes/Schecker 1999, Wodzinski 2004). Das Interesse an Schülervorstellungen und Lernschwierigkeiten trat dabei gepaart auf mit einer vom Konstruktivismus geprägten Lerntheorie, wonach Lernende beim Aufbau von Wissen eine aktiv konstruierende Rolle einnehmen und ihre Wissenskonstruktion auf ihr Vorwissen gründen (vgl. z. B. Gerstenmaier/Mandl 1995). Dieses Vorwissen ist wesentlich durch Alltagserfahrungen gespeist. Die Lernenden bringen also Erfahrungen und Vorwissen über Zusammenhänge in den Unterricht ein, die sich für sie über Jahre im Alltag bewährt haben und von der Lehrkraft ernst genommen werden müssen. Leider laufen die intendierten fachlichen Konzepte denen, die der Alltag nahelegt, sehr oft entgegen. Die Newtonschen Mechanik, in deren Zentrum der Kraftbegriff steht, bildet hierfür eines der prominentesten Beispiele. Newton gelang eine Formulierung von Grundgesetzen, indem er von aller Erfahrung absah – er formulierte sie wie für eine idealisierte, reibungsfreie Welt: »Ein Körper verharrt im Zustand seiner Bewegung, wenn kein anderer Körper eine Kraft auf ihn ausübt« lautet das sogenannte Erste Newtonsche Axiom. Der Alltag, in dem alle Bewegungsvorgänge mit Reibung einher gehen, wo also stets ein anderer, einwirkender Körper vorhanden ist, bietet kein Beispiel, wo man das beobachten könnte, was Newton formuliert hat. Der Alltag erscheint wie ein mächtiger Einwand gegen die Newtonsche Einsicht! Man könnte einen Ausweg darin sehen, Newtons Axiom ins Positive zu wenden: »Wenn ein Körper den Zustand seiner Bewegung ändert, dann gibt es stets mindestens einen weiteren Körper, der eine Kraft auf ihn ausübt.« Der Anspruch, sich von eigenen Alltagsvorstellungen zu distanzieren, wird dadurch aber kaum gelindert.

Schülerinnen und Schüler assoziieren mit dem Körper, der eine Kraft ausübt, Aktivität und Vitalität. Dieses Aktivitätsschema (Wiesner 1994b) behindert eine Rollenzuweisung, wie sie oben das Formulierungsbeispiel mit dem Ball abverlangt, auf den der Boden (!) eine Kraft ausübe, denn der Boden ist nicht aktiv, nicht vital. Die skizzierten Schwierigkeiten, die Schülerinnen und Schüler zu meistern haben, wenn sie ein angemessenes fachliches Konzept aufbauen sollen, verlangen nach einem gut elaborierten Unterrichtskonzept.

Ein weiterer Ansatzpunkt, um das Lernen zu unterstützen, kann darin liegen, sich bei der Auswahl von Unterrichtskonzepten und Lernumgebungen nicht nur auf die zu erlernenden Konzepte zu konzentrieren, sondern ergänzend auch darauf, wie diese sprachlich abgebildet werden. Die wenigen Beispiele am Beginn dieses Abschnittes zeigten, dass ein alltägliches Verständnis von Kraft nicht nur konzeptuell vom fachlichen abweicht, sondern auch in der Art, wie es an die sprachliche Oberfläche tritt: Die zweistellige Relation, die für das fachlich korrekte Konzept bedeutsam ist, wird sprachlich durch das transitive Verb ausüben mit der Präposition auf angezeigt. Wer diese Wörter in seinen Satz aufnimmt, so soll man erwarten, wird in Richtung des fachlich Korrekten gedrängt. Anders als etwa die Formulierung »Kraft haben«, die auf die Kraft wie auf den Besitz einer Körpereigenschaft verweist. Hier wird keine Relation zwischen zwei Objekten beschrieben, und das dahinter liegende Konzept ist zumindest im strengeren Sinne fachlich nicht angemessen. Dass unsere Lehrbücher dennoch immer wieder unbekümmert von der »Gewichtskraft eines Körpers« sprechen, zeigt, wie der Fachtext unmerklich auf die Ebene der Alltagssprache und damit des Alltagsverständnisses zurückkehrt, das er doch eigentlich kontrastieren wollte. Es ist nicht die Gewichtskraft des Körpers gemeint, sondern die Kraft, die die Erde und der Körper gegenseitig auf einander ausüben. Das klingt zugegebenermaßen kompliziert. Es ist kompliziert. Unsere Sätze sollten das nicht verschleiern.

3. Sprachebenen bewusst machen im Metadiskurs

Am Beispiel des Fachbegriffes Kraft wurde gezeigt, dass Fach- und Alltagssprache sich keineswegs darin unterscheiden, dass die eine ein grundsätzlich anderes Vokabular verwandte als die andere. Viele Begriffe sind in beiden Sprachebenen beheimatet. Anders ist es mit den sprachlichen Wendungen, in denen ein Begriff auftaucht. Die Verwendung des Kraftbegriffes in Verbindung mit ausüben auf macht den Begriff zum Fachbegriff, es ist nicht das Einzelwort, sondern seine Verbindung mit anderen, die der Alltagssprache weitgehend fremd ist. Kraft wird also erst durch eine besondere sprachliche Umgebung zum Fachwort. Das bedeutet, dass der Unterricht, in dem die Schülerinnen und Schüler das mit dem Kraftbegriff verbundene Konzept kennen lernen sollen, die sprachlichen Umgebungen thematisieren muss, in denen das Wort auftauchen kann. Das erinnert sehr an den Fremdsprachenunterricht, wenn Kollokationen gelernt werden sollen.

Die Fremdsprachendidaktiker Bleyhl und Timm schreiben: »Das Wort allein ist […] nichts, es braucht Umgebung. […] Einzelwörter gehören weder an die Tafel noch ins Schülerheft.« (Bleyhl/Timm 1998, S. 263f.) Der Didaktiker Ur zur gleichen Problematik: »So this [die Kollokation, Anm. d. Autors] is another piece of information about a new item which it may be worth teaching. When introducing words like decision and conclusion, for example, we may note that you take or make the one, but usually come to the other; […].« (Ur 1996, S. 61) Im Fremdsprachenunterricht bedeutet die richtige Verwendung einer Kollokation einen zielsprachenkonformen Ausdruck, im Physikunterricht übernimmt die Fachsprache in diesem Sinne die Rolle der Zielsprache.

Nun mag man einwenden, dass ein Schüler, der eine bestimmte fachsprachliche Wendung in seine Sätze einschließt, nicht notwendig auch angemessen fachlich beschreiben oder argumentieren muss. Seine Äußerung könnte, obwohl sie von der Kraftausübung auf einen Körper spricht, inhaltlich unpassend sein. Dieser Einwand ist berechtigt. Man darf also keine überhöhten Erwartungen an den Nutzen für das fachliche Lernen haben, wenn im Unterricht unterschiedliche Formulierungen verglichen und sprachlichen Ebenen zugeordnet werden. Doch was genau darf man erwarten, und wie gehen Schülerinnen und Schüler auf einen Unterricht ein, der einen besonderen Wert auf die Pflege der Fachsprache legt?