Kitabı oku: «Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania», sayfa 10

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Um eine Varietät als Norm etablieren zu können, müssen generell bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Schafroth fasst zusammen: a) eine staatliche normative wirkende Institution, b) Sprachexperten, c) Normvorbilder, d) Sprachnormautoritäten, und e) normative Nachschlagewerke (vgl. 2009b, 52). Im Gegensatz zur Akadie verfügt Quebec seit 1961 über eine zentralisierte, autoritative Institution der Sprachnormierung, nämlich der Office québécois de la langue française – das völlige Fehlen einer solchen in der Akadie lässt die von Quebec unabhängige Etablierung einer akadischen Norm utopisch scheinen. Sprachexperten dürften in Quebec wie in der Akadie per se kein Problem darstellen, im universitären Bereich finden sie sich zuhauf – allerdings sind sie sich in Normfragen bisher selten einig. Bei den Normvorbildern und den Sprachnormautoritäten gestaltet sich die Situation schwieriger. Normvorbilder waren und sind in Quebec v.a. die Nachrichtensprecher von Radio-Canada (vgl. Reinke/Ostiguy 2005, 200ff.). Ihnen fehlt allerdings ebenso wie den Sprachnormautoritäten (Lehrende an Schulen und Universitäten beispielsweise) ein allgemein akzeptiertes Regel-und Nachschlagewerk, auf das man sich berufen und das man im Zweifelsfall konsultieren könnte. Besonders im Bereich der Lexik stellt ein solches Nachschlagewerk in mehrerlei Hinsicht ein dringendes Desiderat dar:

Bien des Québécois attendent depuis longtemps que leur variété de français soit enfin décrite dans un dictionnaire, car ils savent qu’une telle entreprise est nécessaire pour que, à travers la variété de français qui les exprime, tous les autres francophones puissent enfin accéder à leur vision du monde et à leur univers socioculturel, encore trop souvent méconnu ou réduit à sa dimension la plus folklorique (Verreault 2008).

Auch wenn eine Vielzahl an Publikationen zu verzeichnen ist, hat es bisher keine geschafft, sich als Absolutum durchzusetzen. Womit ich zurück zur oben angeklungenen Frage der Basis komme, die entscheidend für die Akzeptanz eines Konsultationswerks ist. Es stellt sich das Problem: „[…] ce point nous amène à la question du choix des locuteurs (ou des documents) pris comme témoins du parler à décrire. Sont-ils sélectionnés uniquement sur la base de leur origine ou faut-il répondre à d’autres critères pour voir son parler décrit? Plus largement, à partir de quelles données décrit-on?“ (Arrighi 2014, 12). Für das français québécois hatte sich die Association québécoise des professeurs de français 1977 an einer Definition von Norm bzw. deren Basis versucht: „Que la norme du français dans les écoles du Québec soit le français standard d’ici. Le français standard d’ici est la variété de français socialement valorisée que la majorité des Québécois francophones tendent à utiliser dans les situations de communication formelle“.7 Das half nicht unbedingt weiter, da man im Bereich der „communication formelle“, v.a. dem Schriftlichen, wieder bei der hexagonalen Norm landet(e). Die meisten bisher publizierten Lexika verfügten nicht über eine ausreichend große und v.a. Varietäten umfassende Korpusbasis, manche gingen auch stark selektiv und nicht deskriptiv vor. Zu einer Übersicht der wichtigsten Wörterbücher sei auf West (2003) verwiesen. Diese Lücke einer solch unumstrittenen, umfassend akzeptierten lexikalischen Nachschlageinstanz versucht das staatlich unterstützte Projekt FRANQUS (français québécois usage standard) der Université de Sherbrooke mit dem 2013 online gegangenen Wörterbuch USITO zu schließen. Es ist mit „plus de 80 000 mots traités, plus de 100 000 emplois, plus de 40 000 citations, plus de 2000 anglicismes et autres emplois critiqués, plus de 5600 tableaux de conjugaison, plus de 2000 remarques normatives, plus de 10 000 québécismes, toutes les rectifications orthographiques, l’analyse des verbes selon les principes de la grammaire nouvelle, la féminisation des titres de fonction […]“8 das bisher umfangreichste Wörterbuchprojekt – im Vergleich: Bergerons Dictionnaire de la langue québécoise von 1980 behandelt ca. 20 000, Poiriers Dictionnaire de français plus von 1988 ca. 62 000 und Boulangers Dictionnaire québécois d’aujourd’hui von 1993 um die 40 000. Es ist auch das erste Online-Wörterbuch, weil es sich als ein für alle zugängliches Nachschlagewerk sieht. Problematisch für einen solchen Anspruch ist allerdings die Kostenpflichtigkeit (auch wenn sicher aus Gründen der Finanzierung begründet): der Zugang zu USITO kostet (abgesehen von 10 Tagen kostenlosem Probeabonnement), Can$ 22,99 im Jahresabonnement und Can$ 19,99 für eine Verlängerung. Es spielt dabei keine Rolle, dass knapp 23 kanadische Dollar kein hoher Preis für den freien Zugang zu einem derart umfangreichen Lexikon sind, sondern dass es diese Hürde überhaupt gibt. Vielen Quebeckern, die – sei es aufgrund ihrer Bildungsvoraussetzungen oder auch ihres mangelndem regelmäßigen Konsultationsbedarfs – niemals ein solches Abonnement in Erwägung ziehen würden, die aber ab und zu nach dem „richtigen“ Wort oder der korrekten Orthographie suchen, bleibt also der Zugang verwehrt. Damit spricht es trotz Internetpräsenz nur bestimmte Schichten an. Es ist fraglich, ob das genügen wird, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, das sich USITO gesetzt hat: „décrire le français contemporain d’usage public, représentatif de l’activité sociale, culturelle, économique, politique et scientifique au Québec […], [dans] un dictionnaire général et normatif du français québécois contemporain“.9 Das scheint ein Widerspruch in sich – der Anspruch, das Französische in all seinen Facetten beschreiben zu wollen, das aber in einem normativen Wörterbuch. Dieser normative Anspruch basiert auf Martels Auffassung von einem Standard in Quebec: „Les Québécois utilisent ce français standard dans des situations de communication pouvant être publiques, institutionnelles, formelles, et même privées; ils reconnaissent collectivement que ce standard correspond au bon usage, c’est-à-dire à celui qui ne suscite aucun jugement de valeur“ (Martel 2006, 849). Abgesehen davon, dass der bon usage-Begriff im Hinblick auf seine historische Konnotation in diesem Kontext nicht neutral und daher nicht glücklich gewählt scheint, steht er auch im Widerspruch zu „aucun jugement de valeur“, denn das beträfe sicher nur gebildete Schichten mit entsprechenden Sprachkompetenzen (vgl. hierzu auch Schafroth 2009b, 62). Cajolet-Laganière/Martel meinen, dass sich nur durch ein normatives Wörterbuch ein Standard etablieren könne. Doch scheint es grundsätzlich sehr problematisch, ein Nachschlagewerk einer solchen Konzeption in einer sprachlich derart von Unsicherheit geprägten Situation vorzulegen, weil es beispielsweise im Bereich der Register, die noch nicht unbedingt klar voneinander abgegrenzt und entsprechend im Diasystem verankert sind, zunächst einer vollständigen Erfassung der diaphasischen Varietäten bedarf, weil sonst kein adäquates Differenzieren und „Erlernen“ derselben ermöglicht wird, was wiederum die sprachliche Unsicherheit weiter fördert. Unsicherheit zeigen offenbar auch die Projektleiter des FRANQUS selbst, denn sie müssen sich gerade in puncto Registerzuordnungen den Vorwurf des „arbitraire du jugement“ (Poirier 2014, 19) gefallen lassen, den Poirier an konkreten Beispielen überzeugend vorbringt (vgl. hierzu auch Schafroth 2009b, 62ff.). Außerdem wird bei der selektiven Vorgehensweise von Seiten des USITO ein Spezifikum Quebecs außer Acht gelassen: „Les locuteurs québécois donnent une large place aux mots familiers, et même poulaires, dans les contextes où le propos est plus soutenu“ (Poirier 2014, 19). Um solchen soziolinguistischen Kontexten gerecht zu werden, müsste man enzyklopädisch vorgehen, also alle Wörter ausnahmslos zu erfassen und sie dann adäquat zu beschreiben versuchen. Das würde Fehleinschätzungen im Registerbereich nicht verhindern, aber eine Korrektur ermöglichen. Und es wäre per se auch kein Widerspruch zum Ziel, einen Standard zu etablieren, denn entsprechende Standardausdrücke wären ja als zu eben jener Registerebene gehörig gekennzeichnet. Was man im Hinblick auf die sprachliche Realität Quebecs ebenfalls nur unzureichend aufgenommen hat, und das dann in sehr restriktiver Vorgehensweise, sind Anglizismen. Auch wenn Anglizismen offiziell u.a. von Seiten der Office nichts im français québécois zu suchen haben, so sind sie wie in fast jeder engen Sprachkontaktsituation ein Adstrateinfluss, der sich im Sprachgebrauch etabliert hat und der von den Sprechern nicht unbedingt als störend oder unpassend wahrgenommen wird, insbesondere in Quebec, weil dort viele Anglizismen morphologisch wie phonologisch adaptiert sind (vgl. Poirier 1980, 71). Die Art und Weise wie dann die Anglizismen, die Eingang in USITO gefunden haben, beschrieben werden, ist insofern unbrauchbar, als es außer dem Eintrag, einem Kommentar zur Unangemessenheit des Ausdrucks und einem französischen Synonym keinerlei Spezifizierungen gibt, nur selten werden Kontexte des Gebrauchs, Kollokationen, etc. angegeben. Dabei werden alle Anglizismen (d.h. des Sprech- und des Schriftgebrauchs) gleich und unterschiedslos korrektiv behandelt (vgl. Poirier 2014, 25). Somit findet man eben nicht wie bei einem enzyklopädischen Ansatz Empfehlungen zum Sprachgebrauch, sondern ein eingeschränkt benutzbares Wörterbuch, das im Hinblick auf die selektive Herangehensweise sowie die Art der Kennzeichnung von mauvais usage-Wörtern an die Fehler der lexikographischen Unternehmungen der Académie française erinnert. Es gäbe noch viele weitere Kritikpunkte in Bezug auf Berücksichtigung der akadischen Varietäten oder auch des Einbeziehens von Literatur als Korpus zu nennen – ich verweise in diesem Rahmen hierzu auf Schafroth (2009b) und Poirier (2014). Die Bilanz, die sich bisher ziehen lässt, fällt nicht befriedigend aus: „Il reste à parler de l’apport de ce dictionnaire à la description de la norme, qui représentait l’objectif central de l’entreprise. Sur ce plan, les résultats sont décevants“ (Poirier 2014, 27). USITO wird in der Form wie es sich momentan präsentiert den Ansprüchen der komplexen Situation des frankophonen Kanada nicht gerecht. Es bleibt viel zu oberflächlich, als dass soziolinguistische Aspekte angemessen berücksichtigt würden, und das ist vermutlich der wichtigste Kritikpunkt. Denn wie oben erwähnt fußen die Diskrepanzen zwischen dem frankophonen Kanada und Frankreich nicht zuletzt auf unterschiedlichen soziokulturellen Gegebenheiten und soziolinguistischen Konventionen, deren Dokumentation USITO nicht gelungen ist:

La recherche a démontré que, pour la description des mots communs avec le français de France, qui forment la partie la plus considérable du lexique, on a repris pour l’essentiel les analyses des lexicographes de France. Pour cette raison, on n’a pas été en mesure de mettre en évidence le maniement original que font les Québécois de ces mots dont le fonctionnement était présumé le même qu’en France (Poirier 2014, 26f.; Hervorhebung durch Autorin).

Ich schließe mich Alain Rey an, der sogar noch einen Schritt weiter geht in dem, was von einer umfassenden Sprachbeschreibung zu erwarten ist, auch, damit sie als genuine Norm etabliert werden kann:

[…] pour décrire les différences entre usages d’une même langue, par exemple ceux du français en France et au Canada, il ne suffit pas de traiter des faibles différences de la grammaire, des variantes importantes de la prononciation, et même des différences éclatantes entre les vocabulaires. Il faut inclure les divergences entre ce qu’on peut nommer les „stratégies de discours“, qui font qu’on ne parle pas français dans la même manière en entrant chez des amis ou dans un restaurant à Montréal et à Paris. Syntaxe et rhétorique sont concernés, même si la perception des différences de vocabulaire est la plus forte (Rey 2007, 313).

Davon ist USITO noch sehr weit entfernt – und da es im Moment das einzige Projekt mit einem Normierungsanspruch ist – wie realistisch oder unrealistisch dieser auch sein mag – bedeutet das, dass auch das Projekt Normfindung im frankophonen Kanada noch sehr weit von seiner Umsetzung entfernt ist. Ob eine solche jemals möglich sein wird, ist nach der enttäuschenden Bilanz des bisher größten Wörterbuchprojekts jedenfalls eine Frage, die wieder ihre Berechtigung hat.

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