Kitabı oku: «Zwischen Orient und Europa», sayfa 2

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Der vorliegende Band versammelt die Beiträge des Humboldt-Kollegs „Zwischen Orient und Europa: Orientalismus in der deutsch-jüdischen Kultur im 19. und 20. Jahrhundert“, das vom 3. bis 5. November 2016 am Istituto Italiano di Studi Germanici in Rom stattfand. An der Tagung nahmen HumboltianerInnen und andere AkademikerInnen aus Europa und aus Israel teil. Die Tagung wurde von den Herausgeberinnen organisiert. Die Vorbereitung und die Durchführung der Konferenz wären ohne die Unterstützung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung nicht möglich gewesen. Ihr gilt an dieser Stelle unser besonderer Dank. Unserem Gastgeber, dem Istituto Italiano di Studi Germanici, und dessen Leiterin, Prof. Dr. Roberta Ascarelli, sei ebenfalls herzlich gedankt. Ziel der Tagung war es, im Austausch der eingeladenen WissenschaftlerInnen – vom Orientalismusdiskurs ausgehend – das breite Spektrum und die Vielfalt deutsch-jüdischen Lebens im 19. und 20. Jahrhundert zu beleuchten und neue interdisziplinäre Perspektiven zu eröffnen. Bei der Herausgabe der Beiträge haben die Herausgeberinnen die drei Tagungssprachen (Deutsch, Englisch, Italienisch) bewusst beibehalten.

Die Publikation dieses Buches wurde durch einen substantiellen Kostenzuschuss der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ermöglicht, bei der wir uns auch dafür aufrichtig bedanken möchten.

Bari/Berlin/Rom, Mai 2018

Die Diaspora der deutsch-jüdischen Orientalisten in Paris und in Jerusalem1

Dominique Bourel

Mohamed Arkoun in memoriam

Die Frage nach der jüdischen Orientalistik ist seit etlichen Jahren akut geworden. Nicht jene Bewegung in der Malerei ist damit gemeint, die sich mit orientalischen Themen und Motiven auseinandersetzte, sondern die Geschichte der Orientforschung bei jüdischen Philologen, Philosophen oder Historikern. Unmittelbar nach der Entstehung der Wissenschaft des Judentums anfangs des 19. Jahrhunderts in Deutschland fragte Abraham Geiger 1833: Was hat Mohammed aus dem Judenthume genommen2. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben jüdische Gelehrte ihre Aufmerksamkeit dem Islam gewidmet. Dazu gibt es verschiedene Gründe. Wir wissen, dass ein Großteil der jüdischen Geschichte auf islamischen Boden stattfand und auf Arabisch geschrieben wurde. Fromme Juden, die nicht Rabbiner werden wollten, fanden in der Islamwissenschaft eine neue Bildungsnische. Die Jungen, die Hebräisch konnten und an der Universität eine andersweitige klassische Bildung erhielten (Griechisch und Latein), hatten die beste Voraussetzung, gute Orientalisten zu werden.

Wir werden unsere Ausführungen in zwei Teilen darstellen: In einem europäischen Teil mit Schwerpunkt Frankreich und einem zweiten Teil über Jerusalem. In beiden Fällen war die deutsche wissenschaftliche Bildung grundlegend, und die Wissenschaft des Judentums eng mit der Islamkunde verknüpft, was heute aus verschiedenen Gründen weniger der Fall ist.

Deutsch-jüdische Orientalisten in Frankreich

In Deutschland wurde die Arabistik im Rahmen der Semitistik unterrichtet. Da Deutschland keine Kolonien besaß, wurde die Kenntnis der arabischen Sprachen und Kunde zur rein akademischen Angelegenheit. In Frankreich waren die Bedingungen ganz unterschiedlich, weil seit 1830 Algerien ein Teil des Französischen Reiches und später der Republik wurde. Inzwischen kennen wir – dank der Bücher von Henry Laurens, Alain Messaoudi und François Pouillon3 usw. – die Geschichte des französischen wissenschaftlichen Orientalismus ziemlich gut. Diese Studientradition wurde von Raymond Schwab mit seinem epochemachende Buch La renaissance orientale eingeleitet.4 Man kann aber schon früh den wissenschaftlichen Austausch und die Konkurrenz zwischen Franzosen und Deutschen, Juden oder Nichtjuden beobachten.5

Zu diesem institutionsgeschichtlichen Ausblick sollten wir hinzufügen, dass die Orientalistik in Deutschland meistens an den Universitäten vertreten war. In Frankreich wurde sie sowohl am Collège de France6 als auch an der Ecole des langues Orientales7 und dann an der École Pratique des Hautes Études (EPHE) nach dem deutschen Modell gegründet8 und gelehrt. Da in Frankreich die Universität sich allmählich eher in eine Diplomfabrik entwickelte, war die EPHE als eine Institutionalisierung der angestrebten Harmonie zwischen Forschung und Lehre konzipiert, mit der berühmten Erfahrung der ,Seminare‘, die nicht als Vorlesungen konzipiert waren. Deswegen heißt die École – die in der Sorbonne beheimatet ist – pratique. Besonders nach dem Preußisch-Französischen Krieg, bei dem bekanntwerweise nicht nur die Armee, sondern auch die Lehrer (instituteurs) gewonnen hatten, wurde die École erweitert. Und dort fand man Juden aus Deutschland, die in ihrer Heimat keinen Platz erhalten hatten.9 Heute noch ist die EPHE ein Ort, an dem die neuen Disziplinen Eingang in den Lehrbetrieb finden, bevor sie an der Universität anerkannt werden.

In Frankreich wurde ein Teil der Orientalistik und der Wissenschaft des Judentums zum Schlachtfeld zwischen Franzosen und Deutschen, besser gesagt: zwischen Katholiken und Protestanten! Es fängt im Grunde genommen schon mit Antoine-Isaac Silvestre de Sacy (1758-1838)10 an. Im Deutschland des 18. Jahrhunderts wurde die Entwicklung der Orientalistik in eine von den Bibelstudien emanzipierte Wissenschaft zur neuen Aufgabe des Faches. Allmählich emanzipierte sich die Arabistik von der Hebraïstik und der Theologie und dank mehrerer wissenschaftlicher Reisen, linguistischer Entdeckungen und des konsequenten Wissenszuwachses entstand ein neues Forschungsfeld. Der erste Aufsatz von Silvestre de Sacy wurde in Deutschland veröffentlicht, aber zu ihm strömten viele deutsche Orientalisten.

Inzwischen hatte die französische Revolution die Juden emanzipiert. Preußen und andere deutsche Staaten wollten auch ähnliche Prozesse in die Wege leiten, änderten aber sehr schnell – besonders nach 1815 – den Kurs oder legten gar diesen Plan ad acta. Das erklärt die Masse deutscher Flüchtlinge, die nach Frankreich und besonders nach Paris kamen. Darunter befanden sich zahlreiche Juden. Im Rahmen der Transfer-Studien11 sind bereits viele Publikationen zu diesem Thema entstanden. Selbstverständlich bleibt es für die Orientalisten nach wie vor von großer Bedeutung.

Um die Unterschiede zwischen der französischen und der deutschen Forschungsmentalität besser zu veranschaulichen, auf welche die ausgewanderten Wissenschaftler stießen, werde ich nun ein Beispiel aus einem anderen Bereich, der Philosophie, anführen. Es betrifft Kant. Wilhelm von Humboldt, der damals in Paris weilte, hatte mit den besten Köpfen der französischen Philosophie diskutieren wollen. Also wurde er kurzerhand zu einem Gespräch eingeladen: Am 17. Mai 1798 fand sein erstes metaphysisches Gespräch mit Destutt de Tracy statt, das dann am 27. Mai – anläßlich einer Methaphysik-Konferenz, zu der Tracy eingeladen wurde – seine Fortsetzung fand. Wilhelm von Humboldt sollte dabei einfach die deutsche Metaphysik darstellen. Sein Fazit war katastrophal! An Friedrich Schiller schrieb er am 23. Juni 1798 über die französischen wissenschaftlichen Gepflogenheiten: „Ihre Vernunft ist nicht unsere, ihr Raum ist nicht unser Raum, ihre Einbildungskraft nicht die unsrige.“12 Ich glaube auch, dass die für unsere Disziplin so relevanten Begriffe von Text, Urtext, Tradition, Wahrheit in Deutschland und in Frankreich eine unterschiedliche Bedeutung haben. Auch die Kataloganordnung in den Bibliotheken erteilte damals Aufschluss über die Benutzungweise, vor allem was den Standort von Bibelausgaben, Kommentaren und Übersetzungen betraf.

Es ist klar, dass die Tradition der deutschen Philologie spezifische Merkmale aufweist. Auch die Universitäten, die Bibliotheken und die Seminare waren anders organisiert als die französischen. Zudem hatten die deutschen Juden eine doppelte Bildung genossen, eine, die aus dem deutschen Wissenschaftssystem stammte und eine andere, die von der traditionell jüdischen Erziehung geprägt war. Sie kamen nach Frankreich, weil dort keine Diskriminierung den Juden gegenüber im Universitätsbereich herrschte. Geboren in Deutschland oder in Osteuropa, waren sie zwei oder dreisprachig aufgewachsen, kamen manchmal direkt aus den Yeschivot, promovierten bei Theodor Mommsen, Ulrich von Wilamowitz Moellendorf, Leopold Ranke, und später bei Friedrich Meinecke. Da diese jungen hochbegabten Juden in Deutschland keine Zukunft hatten, überquerten sie den Rhein, wurden Deutschlehrer, manchmal Bibliotekare und dann schließlich Professoren, in der Provinz und erst dann in Paris und eventuell am Collège de France, das das höchste Ziel einer akademischen Karriere in Frankreich und Europa darstellte.

Es sollen kurz an dieser Stelle vier Institutionen genannt werden, die eine sehr wichtige Rolle für die orientalistischen Studien gespielt haben. Das Collège de France,13 das 1530 gegründet wurde, war mit Lehrstühlen für hebräische und arabische Sprache besonders ausgestattet, um gegen den religiösen und katholischen Einfluss der Sorbonne zu kämpfen. Die École Normale Supérieure (ENS) wurde 1794 im Zug der Französischen Revolution gegründet. Hier wurden die Spitzenschüler schon zwei oder drei Jahre nach dem Abitur rekrutiert. Da diese jungen Dozenten herrvoragend Griechich und Latein beherrschen mussten, war die deutsche Wissenschaft in ENS nicht nur präsent, sondern gar überrepräsentiert.14 Heute noch zeugt die Bibliothek von der Bedeutung der deutschen intellektuellen Präsenz. Die École Nationale des Langues Orientales ist auch ein Produkt der Französischen Revolution. Sie entstand in der Nachfolge der École des Jeunes de Langue15. Die Ecole Pratique des Hautes Etudes wurde 1866 gegründet, um ,Lehre und Forschung‘, das deutsche Modell humboldtscher Prägung, nach Frankreich zu importieren – gegen die strikt rhetorische (katholische) Art der Bildung, die sonst in der Sorbonne zu Hause war. Nach der Niederlage im Jahr 1870/71 wurde auch die EPHE eine Hochburg der deutschen Wissenschaften, an der Protestanten und Juden ungehindert lehren konnten.

Sie werden sofort bemerken, dass die Beispiele, die ich erwähne, aus der deutsch-jüdischen Geistesgeschichte stammen. Es muss noch hinzugefügt werden, dass die jüdischen Gelehrten gar nicht proselitisch arbeiteten – im Gegenteil zu ihren christlichen Hebräistik-Kollegen. Das gilt auch für die Islamwissenschaft. Bernard Lewis hat schon vor Jahren von den „Pro-Islamic Jews“ geredet.16 Sehen wir uns nun – kurz – ein paar Fälle näher an: Heinrich Weil (1818-1909) aus Frankfurt kam 1842 nach Frankreich. Als ein ehemaliger Schüler von Franz Bopp, August Böckh und Gottfried Hermann, hatte er in Leipzig promoviert, 1871-1891 unterrichtete er Griechisch am Tempel der Wissenschaft, an den ENS, nachdem er zuvor in Strasbourg und in Besançon gelehrt hatte. Dass er als Henri Weil auch in der EPHE zu Hause war, braucht nicht betont zu werden. Joseph Dernburg (1811-1895) hatte in Giessen, Marburg und Bonn studiert. 1844 wurde er Franzose, schrieb sich dann Derenbourg und unterrichtete Deutsch am Elitengymnasium Henri IV in Paris. Danach wurde er in der Imprimerie Nationale und 1852 in der Bibliothèque Nationale mit der Orientalistik vertraut. Mitglied des Institut de France (1871), bekam er 1877 einen Lehrstuhl für rabbinische Studien an der EPHE. Sein Sohn, Hartwig Derenbourg (1844-1908), ebenfalls als Arabist bekannt, machte in Frankreich auch eine glänzende Karriere. In Paris geboren, studierte in Göttingen und promovierte dort (1866). Er war Professor sowohl am Séminaire Israélite de France als auch an der EPHE. Er hat auch Thedor Nöldeke übersetzt. Julius Oppert (1825-1905) aus Hamburg studierte Jurisprudenz und orientalische Philosophie in Heidelberg und Bonn. Als er 22 Jahre alt war, las er schon Arabisch, Sanskrit und veröffentlichte seine ersten Abhandlungen über Persien. Ende 1847 kam er nach Frankreich. Er beteiligte sich an den Expeditionen in Mesopotamien, besonders in Mossoul 1852. 1854, zurück in Paris, ragte er als Epigraphist hervor. Seine Bücher, besonders die Einführungen, werden heute noch sehr geschätzt. 1848 unterrichtete er Deutsch in Laval, wurde Sanskritist, bekam 1874 den ersten Lehrstuhl für Assyriologie am Collège de France,17 wo er seit 1869 lehrte – allerdings als Professor an der Königlichen Bibliothek, die einige Professuren, besonders für seltene Sprachen, förderte. 1881 wurde er Mitglied der Académie des Inscription et Belles-Lettres. Übrigens war Oppert als Gegenkandidat Renans am Collège de France tätig.

Das berühmteste Beipiel aus der deutsch-französischen Wissenschaft des Judentums ist Salomon Munk.18 Geboren in Glogau 1803, genoss er eine fromme religiöse Bildung. Student in Berlin, hörte er die Vorlesungen von Franz Bopp, August Böckh und Hegel. 1827 war er in Bonn, wo er Arabistik bei Georg Wilhelm Freytag und Sanskrit bei Christian Lassen studierte. Er hatte auch die Vorlesungen von Barthold Georg Niebuhr und August Wilhelm von Schlegel besucht. Da er Jude war, hatte er keine Aussichten in Deutschland. Es muss noch hinzugefügt werden, dass ein richtiger Lehrstuhl für Jüdische Studien weder in Deutschland noch irgendwoanders auf der Welt existierte. Der erste wurde 1925, parallel mit der Gründung der Hebräischen Universität, für Harry A. Wolfson in Harvard eingerichtet.19 In Paris studierte Munk bei Antoine Isaac Silvestre de Sacy, wurde Privatlehrer bei der Familie Rothschild, befreundete sich mit Samuel Cahen, bekannt für seine Bibelübersetzung, sowie mit dem ungekrönten Papst der französischen Universität, Victor Cousin. Bekannt ist Munk für die Mélanges de philosophie juive et arabe (1857-1859). Er beschränkt sich nicht darauf, an der Bibliothèque Impériale zu arbeiten, sondern fährt ab 1838 mit Moses Montefiore und Adolphe Crémieux in den Orient vor dem Hintergrund der Damaskus Affäre, um Handschriften zu kaufen. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt seine große bahnbrechende Entdeckung: Hinter dem Namen eines Philosophen namens Avicebron, Autor des Fons vitae,20 sonst nur wegen einer lateinischen Übersetzung bekannt, verbarg sich der jüdische Denker und Poet Salomon ibn Gabirol (ca.1021-ca.1058)21. Wichtig ist Munk auch als Verfasser der ersten modernen, wissenschaftlichen Beschreibung des heiligen Landes, Palestine. Description géographique, historique et archéologique (1845). Seine Ausgabe und französische Übersetzung des Guide des égarés (Führer der Verirrten) wird heute noch benutzt.

Als Renan seine Leçon inaugurale am 22. Febuar 1862 hielt, wurde er noch am selben Abend vom Dienst suspendiert! Er hatte nämlich Jesus als personne remarquable bezeichnet und war also der theologischen Frage ausgewichen.22 Wer hätte nun sein Nachfolger werden können? Nach seiner erfolgreichen Bewerbung um die Stelle wurde Munk als Nachfolger ernannt. Es war unerhört, dass ein Jude, ein Deutscher noch dazu, auf den begehrtesten Lehrstuhl der Geschichte der Bibel berufen wurde! In der Jüdischen Zeitschrift für Wissenschaft und Leben wusste Abraham Geiger diese Tatsache angemessen zu würdigen.

Als Munk am 5. Februar 1867 starb, stellte sich das Problem der Lehrstuhlbesetzung erneut. Auf der Liste möglicher Nachfolger findet sich wieder ein deutscher Jude, und zwar Joseph Derenbourg, Sohn des Mainzer Rabbiners Zvi Hirsch Dernburg! Renan wurde am Ende, am 17. November 1870, inmitten der 1870-Kriege, wieder auf seinen alten Lehrstuhl berufen. Als er im Oktober 1892 starb, musste seine Stelle erneut besetzt werden. Man nahm am Ende einen Protestanten, Philippe Berger, als ob dieser Lehrstuhl nur mit Außenseitern (d.h. mit Nicht-Katholikern) besetzt werden könnte.

Es ist möglich, die Liste der deutschen Juden im akademischen Milieu ohne Schwierigkeiten um weitere Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte zu erweitern. Die Familie Darmstätter ist hier besonders zu erwähnen. Der Vater kam aus Frankfurt am Main und die Brüder haben sich in Frankreich vollständig integriert. Arsène Darmstätter war Professor für Französische Literatur an der Sorbonne und James unterrichtete Persisch an der EPHE und am Collège de France. Dasselbe trifft auch auf eine andere Familie aus Frankfurt zu: die Reinachs. Die sehr begabten Söhne wurden alle in Frankreich geboren: Joseph Reinach wurde als Politiker bekannt, Theodor hat Numismatik an Collège de France und Salomon Griechisch an der Sorbonne gelehrt! Ich schweige ganz von „französischen“ Musikern wie Jacques Offenbach und Giacomo Meyerbeer. In Frankreich ist diese untergründige deutsch-jüdische Tradition heute noch der Untersuchung wert. Es muss hinzugefügt werden, dass die Revue des Etudes juives (1880 gegründet) zahlreiche Beiträge aus der deutsch-jüdischen Wissenschaft druckte, mehr als die Monatsschrift für die Geschichte und Wissenschaft des Judentums Beiträge aus der Feder französischer Wissenschaftler veröffentlichte!23 Aber auch Rabbiner und Gelehrte mit deutscher Bildung und Hintergrund wie Zadok Kahn (1839-1905), Israel Lévi (1856-1939),24 Julien Weill und Maurice Liber hatten nicht nur ihre Dissertationen in Frankreich verfasst, sondern bekamen auch Lehrstühle an der École Pratique des Hautes Études. Nachfolger von Liber wurde der berühmte Georges Vajda, der aus Ungarn kam. Er unterrichtete sowohl an der EPHE als auch am Séminaire Israélite de France in Paris. Er wurde später der erste Professor für Hebräische Philosophie an der Sorbonne (Paris III).

Deutsch-jüdische Orientalisten in Jerusalem

Als die hebräische Universität im April 1925 in Jerusalem eröffnet wurde, war ein Institut für Jüdische Studien schon Ende 1924 gegründet worden. Da diese Universität eine sehr starke deutsche Tradition hatte, waren die deutschen Orientalisten gut vertreten und selbstverständlich deutsche (oder österreichische) Juden. Seit kurzer Zeit liegt uns eine vorzügliche Geschichte der Hebräischen Universität25 in vier Bänden vor, die u.a. ein Kapitel über die Geschichte der Jüdischen Abteilung und der Orientalischen Abteilung aus der Feder von Menahem Milson enthält.26 Die Jüdische Abteilung war „als Forschungszentrum über Judentum, jüdische Religion, hebräische und semitische Sprachen, Literatur, Geschichte, hebräisches Recht, Philosophie und andere Themen/Aspekte in Beziehung mit der jüdischen Geschichte insgesamt und besonders Palästina“ konzipiert. Sie wurde am 22. Dezember 1924 in Anwesenheit der Professoren Jacob Epstein, Joseph Klausner, Samuel Klein eröffnet.

Jacob Nahum Epstein (1878-1962) stammte aus Brest Litovsk (Brisk in Litauen), wo ihm eine ,klassische‘ Bildung (Cheder usw.) zuteil wurde. Er besuchte die Cheder und Yeschiva in Mir und Vilna, das Rabbinische Seminar (1907) und die Universität in Wien (1911), studierte dann semitische Philologie, Philosophie und Geschichte in Bern, wo er seine Dissertation unter der Leitung von Karl Marti schrieb (1913). Er kam nach der Eröffnung der Hebräischen Universität im April 1925 in Jerusalem dorthin. Sein Lehrstuhl hieß: Talmudische Philosophie. Er wollte, dass die Universität ein Zentrum der Wissenschaft sei und sich auf gar keinen Fall in eine religiöse Einrichtung verwandele.

Joseph Klausner (1874-1958) stammte auch aus Litauen, aus Olkeniki, im heutigen Russland. Er besuchte die Cheder, dann die Yeschiva bis zum Abitur am Gymnasium in Odessa. Ab 1897 studierte er Semitische Philologie und Sprache, Philosophie (bei Kuno Fischer) Geschichte und politische Wirtschaft (bei Max Weber) an der Universität Heidelberg bis zu seiner Dissertation (1902). Er kam 1919 nach Palästina. Schon vor seiner Auswanderung leitete er als Nachfolger von Achad Ha-Am die Zeitschrift Ha-Shiloah (1903-1918) und unterrichte an der Universität Odessa. Er wurde Professor für Moderne Hebraïsche Literatur in Jerusalem, und erst 1944 wurde er an den Lehrstuhl für Geschichte des Zweiten Tempels berufen. Er vereinte zwei Lehrstühle – mit großem publizistischen Erfolg.

Es soll hier noch Samuel Klein (1886-1940) erwähnt werden. Er stammte aus Ungarn (Szilas-Balhas), wo sein Vater Rabbiner war. Er besuchte das Gymnasium in Budapest bis zum Abitur (1905), dann das Rabbinerseminar in Berlin. Nach seiner Dissertation in Heidelberg (1909) und der rabbinischen Smiha (1910) kam er erst 1929 nach Jerusalem und unterrichtete hier Palästinologie und Topographie von Erez Israel. Schon 1920 hatte er das Jüdisch-palästinensische Corpus Inscriptionum gegründet.

Innerhalb von kurzer Zeit wurden auch „junge Löwen“ wie Gershom Sholem (1897-1982) nach Jerusalem eingeladen, dessen Autobiographie Von Berlin nach Jerusalem ein einzigartiges historisches Dokument darstellt.27 Harry Torczyner (Tur Sinai, 1886-1973) hatte auch in Berlin studiert und in Wien promoviert und wurde 1933 Bialikprofessor für Hebraïsche Sprache. Mosche Schwabe (1889-1956), der Direktor des Gymnasiums in Kaunas (wo Emmanuel Lévinas Schüler war), hatte in Halle und Berlin studiert, war Gräzist und Latinist, stand aber auch mit der jüdischen Abteilung in Verbindung. Einen besonderen Fall stellt Hartwig Baneth (1893-1973) dar, dessen Vater (Ezekiel) Rabbiner und ehemaliger Professor für Talmud und Midrasch an der Berliner Hochschule für Wissenschaft des Judentums war. Hartwig Baneth hatte 1920 über die Briefe Muhamads promoviert und die ersten Schritte des Instituts für Orientalische Forschung in Jerusalem 1926 begleitet. Er wurde Nachfolger von Levi Billig, der 1936 ermordert wurde. Sein Schwerpunkt war die jüdisch-arabische Sprache28. Diese Domäne wurde zum Spezialgebiet der Hebräischen Universität. Die School of Oriental Studies sollte ihren Sitz eben nicht am Institut für Jüdische Studien haben, sondern eine eigenständige Universitätseinrichtung bilden. Sie wurde im April 1926 eröffnet. Horovitz kam 1925 zur Eröffnung und bekam die feindliche Stimmung bei den Arabern in Jerusalem zu spüren!

Wir dürfen nicht vergessen, dass, bevor die hebräische Universität gegründet wurde, die israelitische, jüdische und christliche Geschichte ein Streitobjekt zwischen Juden und Christen einerseits, und zwischen Katholiken und Protestanten andererseits bildete. Die Exegese wurde auch zum Mittel der wissenschaftlichen Kriegsführung und zwar unter Einmischung der politisch-diplomatischen Organe. Nachdem zum ersten Mal ein englischer Konsul ernannt worden war (1838), wurde ein preußischer und unmittelbar danach ein französischer Konsul nach Jerusalem gesandt. Die ersten deutschen Konsulen waren Orientalisten. Dann enstand die von den französischen Dominikanern geleitete École Biblique et archéologique,29 deren wissenschaftliche Autorität bald von deutschen Jesuiten in Frage gestellt wurde! Englische und amerikanische Institute für die Geschichte des Heiligen Landes waren ebenfalls in Jerusalem tätig. Diese Stadt wurde in kurzer Zeit das ,Mekka‘ der Wissenschaft des Judentums.

Die damalige deutsche Judaïstik war eine Mischung aus zwei Traditionen: der rein philologischen Tradition und der ,anderen Tradition‘, die man an jüdischen Seminaren und Hochschulen hören könnte. In Breslau, in Wien, in Budapest und selbstverständlich in Berlin besuchte man hauptsächlich zwei Institutionen, die an manchen Orten – zum Beispiel in Berlin – drei wurden: Universität, Hochschule für Wissenschaft des Judentums und Rabbinerseminar, wie z.B. im Fall von Alexander Altmann, der damals eigens noch ein Rambam Seminar in Berlin gründete. Es ist also kein Wunder, dass die Wissenschaft des Judentums in Palästina/Israel auch zur Hochburg der deutschen Wissenschaft wurde. Was sowohl die Judaistik und die Arabistik als auch die Islamwissenschaft angeht, ist der deutsche Einfluss nicht übersehbar.

Aber kehren wir zurück zur Arabistik an der hebräischen Universität, die am Anfang in der jüdischen Abteilung angesiedelt war. Die eigentliche School of Oriental Studies (ha merkaz/machon le-madai ha-mizrach) wurde erst 1926 gegründet. Fünf Gelehrte: Ludwig A. Mayer, David Hartwig (Zwi) Baneth, Levi Billig, Walter Joseph Fischel30 und N. Braun, wurden hierhin berufen. Man wollte unbedingt eine Brücke zum überwiegend arabischen Umfeld schlagen. Übrigens wurde die Gruppe Brith Shalom um Buber, Scholem und die Arabisten aus diesen Instituten, die sich der jüdisch-arabischen Verständigung widmeten, auch 1925 gegründet. Man kann also auch in diesem Fall von einer deutschen (mitteleuropäischen) Konstellation sprechen. Schon als Student war Judah Magnes, der erste Kanzler der Hebraïschen Universität, in Heidelberg und in Berlin.31 Er promovierte über die arabische Kultur (Heidelberg 1902). Er lernte junge Judaisten kennen, die Islamwissenschaftler wie er waren, darunter drei, die später in Palästina tätig sein sollten: Arthur Biram (1878-1967),32 Max Schloessinger (1877-1944) und Gotthold Weil (1882-1960).33

Josef Horovitz (1873-1931), der erste und wichtigste unter den mitteleuropäischen Gelehrten, der schon 1925 Mitgleid des Kuratoriums der Hebräischen Universität war, stammte aus einer berühmten Rabbinerfamilie aus Frankfurt. Als Sohn des orthodoxen Rabbiners Markus Horovitz (1844-1910), war Josef der erste Direktor der School of Oriental Studies – als visiting director wohlbemerkt, weil er inzwischen 1915 als ordentlicher Professor für Semitische Philologie nach Frankfurt berufen worden war. Der ungarisch-stämmige Josef Horovitz war in Lauenburg geboren und hatte in Frankfurt und Berlin studiert. Er war Schüler von Eduard Sachau, dem Begründer des Seminars für Orientalische Sprachen. 1907 wurde Horovitz Professor.

Als der junge Student nach Berlin ging, um dort sein Studium zu beginnen, das aus Neigung und innerem Bedürfnis gewählt war, und von dem man nicht wissen konnte, wie er es einmal zu einem bürgerlichen Berufe führen würde, war er für sein Fach mehr vorgebildet, als ein Student der orientalischen Sprachen gewöhnlich vorgebildet zu sein pflegt. Im dem Elternhause hatte er so viel Sinn für wissenschaftliches Denken und Arbeiten, so viel Scheu vor religiösem Erleben, soviel Verständnis für die liebvolle Versenkung in die Vergangenheit, so viel positive Kenntnis der hebräischen Sprache und der biblischen und nachbiblischen Literatur mit auf den Weg bekommen, dass die Erlernung des Arabischen und der anderen orientalischen Sprachen ihm leicht fiel, und dass ihm das Verständnis für die Religionen des Orients und insbesondere für die Muhammeds schnell aufging. Das Judentum hat nämlich mit dem Islam bei aller Verschiedenheit in der Zielsetzung doch eine Reihe wesentlicher Züge gemeinsam .34

Sein Schüler, Freund und Nachfolger Gotthold Weil, von dem das obige Zitat stammt, fährt fort:

In beiden Religionsgemeinschaften wird Denken und Handeln der Bekenner von der Wiege bis zum Grabe und täglich vom Aufstehen bis zum Niederlegen durch einen Kanon, durch ein geoffenbartes sittliches Gesetz geregelt. Gleiche Ausgangspunkte führen häufig auf gleiche Wege und so nimmt es nicht Wunder, dass die Art der Überlieferung dieses Gesetzes, die Art, wie der gesamte Kanon dann gesammelt und gelehrt wird, wenn auch nicht gleiche, so doch auffallend ähnliche Entwicklungsreihe durchlaufen. Um den eigentlichen Kern der geoffenbarten Lehre bilden sich in beiden Religionen Schalen zum Schutze des Kerns, die ihrerseits kanonische Bedeutung erlangen und von sich zu ihrem Schutze immer wieder neue Schalen ansetzten.35

Eduard Sachau, der spiritus rector der Ausgabe von ibn Sa’ds Kitab al-tabaqat al kabir (Biographien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht)36 war der Gründers des Seminars für orientalische Sprachen in Berlin. Horovitz’ Dissertation über De Waqidi libro kitab al-magazi inscribitur (Das Leben Muhammeds) wurde am 27. Juni 1898 verteidigt und im selben Jahr in Berlin gedruckt. Habilitiert hat er über den schiitischen Dichter Kumait.37 Das Koranische Paradies wurde in der Reihe „Scripta Universitatis atque Bibliothecae Hierosolymitanarum“ veröffentlicht.38 1907 war Horovitz Professor am berühmten Anglo-Oriental College in Aligarth, wo er sieben Jahre unterrichtete. Sommer 1915 fing er an, in Frankfurt zu lehren. Er hat nicht nur über den Koran gearbeitet, sondern auch über arabische Dichtung.

Kurz vor der Eröffnung der Hebraïschen Universität notiert Magnes in seinem Journal:

Relations with Arabs, Muslim world, whole Near East exacerbated. Horovitz reports Egyptian Scholars as now definitely hostile. University has political aspect in their eyes now. Only help for this is over a number of years to do useful scholarly work, particularly in language, literature, culture of East. The Jews the tool of imperialism.39

Horovitz war in der wissenschaftlichen Verwaltung der neu enstandenen Universität sehr involviert. Schon am 14. Mai schickte er ein Memorandum an Magnes, um ihm zu erklären, dass die arabischen und islamischen Studien am Institut für Jüdische Studien nicht am richtigen Platz seien. Nach der Sitzungen des Bord of Governors in München am 23.-24. September 1925 notiert Magnes:

By the time we had reached the question of the establishment of School of Oriental Studies, so much time and energy had been taken up with the discussion of mathematics and physics and some of the other matters mentioned above, that Prof. Horovitz, who had come to the meeting for the purpose of reporting on the School of Oriental Studies, was greeted with the remark that everything that he would propose would be satisfactory and therefore it would not be ncessary for him to proceed. Prof. Horovitz, however, properly said that he had been listening to long and wearying discussions on other matters, and that he requested patient hearing for what he had to say because he did not want someone someday to stand up and to say that „Oh, I did not know that you were going to propose that“. The school of Oriental Studies was a far-reaching idea, and it was better that it be understood now rather than later. He thereupon unfolded his suggestions in his ouwn lucid way.40

Horovitz starb 1931, bevor er die Arbeit an seinem großen Projekt, einer Ausgabe des arabischen Historikers al-Baladuri und einer Konkordanz der frühen arabischen Dichtung beenden konnte. Dank der Vorlesungsverzeichnisse kann man genau rekonstruieren, welche Themen er während seiner Lehrtätigkeit behandelt hat. Man merkt dabei auch, dass er mit Studenten die zeitgenössische arabische Presse las. Als er starb, wurde die Eulogie von Martin Buber höchstpersönlich im Namen der Hebräischen Universität in Frankfurt gehalten. Magnes sagt über Horovitz: „He was modest, simple, and kind and we feel in Jerusalem a great sense of personal loss.“41 Franz Schultz, der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt, stellte fest:

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