Kitabı oku: «ZwischenWelten», sayfa 2

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ROOT LEEB
WEG. ZUM GLÜCK?

Alle sind irgendwo weg gegangen, haben auf unterschiedlichen Wegen ihren Ursprungsort verlassen …

Manche lassen alles zurück und manchmal kommen sie gut an.

Manche lassen alles zurück und kommen nirgendwo an.

Manche lassen alles zurück. Und müssen nach langem Unglück wieder dahin, wo sie aufgebrochen sind.

Ich habe in der Jugendstrafanstalt Berlin junge Menschen getroffen, bei denen alles möglich ist.

Ja, sie sind im Moment noch nicht richtig gut angekommen; irgendetwas haben sie falsch gemacht, dass sie da sind, wo ich sie getroffen habe. Aber es gibt Möglichkeiten, dass es noch gut wird.

Ich habe andere Menschen getroffen, die hier verwurzelt sind und die den Jungen, die erst einmal in der JSA gestrandet sind, eine hilfsbereite Hand hinhalten. Einsatzbereite Frauen und Männer von Gangway und der JSA-Berlin, die unermüdlich Ausschau halten nach Ertrinkenden, nach Möglichkeiten, einen Rettungsring, eine Boje oder ein Tau auszuwerfen.

Ob die dargebotene Hand genommen wird, ist jedes Mal ein Wunsch mit Fragezeichen.

Manchmal schlagen Ertrinkende ja wild um sich, wenn man sie retten will, das kennen wir; dann gilt es aufzupassen, dass man nicht selbst hinuntergezogen wird in den Strudel und womöglich das Bewusstsein verliert. Oder das eigene bisherige Leben.

Manchmal klammern sie sich so fest, dass einer oder einem Helfenden die Luft wegbleibt. Auch das gilt es zu vermeiden.

Und dann sind da noch junge Menschen, die nur zaghaft die Hand ergreifen, misstrauisch oder geschwächt (wovon?) viel zu früh wieder loslassen, weil sie glauben oder von sich selbst fordern, alleine zurechtzukommen. Manchmal gelingt es ihnen tatsächlich, einen für sie guten Weg zu finden; manchmal kommen sie nach einiger Zeit und auf vielen, womöglich beschwerlichen Umwegen wieder auf die dargebotene Hand zurück.

Viele sind orientierungslos. Sie haben zwar alles überlebt, sind aber aus irgendeinem Grund nicht richtig angekommen; ihre Erinnerungen gehen nur nach rückwärts in vergangenes Leben und Erlebtes, zu Menschen, die sie geliebt haben und zurücklassen mussten. Für nach vorne haben sie oft noch keine Vorstellungen, sie brauchen jemanden, der ihnen einen Weg zeigt. Den Weg für alle gibt es nicht, jeder muss seinen eigenen finden, und manche brauchen ein halbes Leben dafür.

Ich hatte in der JSA das Gefühl, dass der Wille da ist, egal woher diese jungen Männer kommen, dass sie endlich ankommen wollen. Diese Anstalt ist für sie eine (hoffentlich nur einmal besuchte) Zwischenstation. Und ich hatte den Eindruck, dass auch die Menschen von der helfenden Seite diesen Willen stärken wollen, wecken kann man ihn wohl nicht. Ein Funke muss bereits vorhanden sein; wenn jemand sich selbst aufgegeben hat, scheint es aussichtslos.

Auch die Männer des Justizvollzugs in der JSA so wie die Gefängnisleitung wirken unterstützend, Wohl wollend. Ich, die ich lange Jahre in einem gefängnisähnlichen Internat in Bayern verbracht habe und die Situation gut kenne, dass Besucher*innen immer nur die Sonnenseite der Institution gezeigt bekamen, hoffe sehr, dass das hier nicht nur für Außenstehende vorgespielt, sondern ehrlich und grundsätzlich so ist. Bei uns war das damals leider nicht der Fall. An den Tagen, an denen Menschen von außen kamen, seien es „Ehemalige“ oder Eltern, gab es besseres Essen, wurde eine Gelassenheit, ja Heiterkeit und Toleranz demonstriert, auch uns Schülerinnen gegenüber, die einfach nur guten Eindruck machen sollten und sofort verdunsteten, nachdem die Besucher das Haus wieder verlassen hatten.

Wir konnten nicht einmal die eigenen Eltern überzeugen, wenn wir von scheinheiliger Selbstdarstellung des Internats sprachen. Was die Einsamkeit nur größer machte.

Die Erinnerungen an früher kann und soll man nicht auslöschen. Die schlechten helfen, bestimmten Situationen besser zu widerstehen, sich zu wappnen mit dem Wissen, dass man ja einiges bereits überstanden hat, und die guten helfen ebenfalls, widrige Situationen zu überstehen; sie stärken ungemein – und vielleicht klären sie sogar den Blick nach vorne.

Und das Schöne an Erinnerungen ist, sie reisen mit dem Menschen mit, der sie in sich trägt. Überall hin. Und wenn alles gut läuft, helfen sie, an dem zunächst fremden Ort etwas Neues aufzubauen …

Und im besten Fall ist das dann genau das, was man als Zuhause, ja als Heimat empfindet.

EMANUELA PILOLLI
ZWISCHENWELTEN –
EINBLICKE IN NEUE WELTEN

Das erste Wort, welches mir in den Kopf kommt, wenn ich an unser aktuelles Projekt ZwischenWelten denke, ist „Brückenbau“. Unser Anspruch an das Projekt ist die Verbindung zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen, Nationalitäten, Religionen und Traditionen. Es soll ein Weg entstehen, der vom Alltag im Gefängnis zur Realität außerhalb der Mauern weist. Anders gesagt: Eine Brücke, die den Übergang erleichtert. Im Vordergrund steht nicht die Vermittlung von Moral und starren Konzepten, nicht die Lehre von richtig und falsch, sondern der Gedanke, dass die Teilnehmer (nur männlich) durch Interaktion und aktive Gestaltung eigene Strategien finden, mit diesen Themen umzugehen.

Gemeinsam erarbeiten und besprechen wir in der Gruppe Gedanken, Ideen, Ängste und mehr, die die Teilnehmer im Hinblick auf ihre eigene, aber auch vermeintlich fremde Welten haben. Interaktive Kommunikation durch Gruppengespräche, Schreibübungen und Darstellungen sind die primären Bausteine, die uns helfen, interkulturelle und soziale Brücken zu bauen.

Hinter jedem Einzelnen stehen sehr individuelle Geschichten, Schicksale oder Ängste, die zum Ausdruck gebracht werden wollen. Unsere Herangehensweise im Workshop hat somit einen Leitfaden, muss aber als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der durch das Mitwirken und die Eigenschaften und persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer spezifische Schwerpunkte setzt. Die Prozesse und Instrumente, die diesen Weg pflastern, können so verschieden sein wie die Teilnehmer selbst, sodass wir am Ende des Projekts ein buntes Venedig erschaffen wollen, was gut als Ganzes miteinander funktioniert.

Wichtigster Bestandteil von ZwischenWelten ist der schriftliche und verbale Austausch in einem geschützten Raum, den wir den Jugendlichen zur Verfügung stellen.

Trotz sprachlicher Barrieren wollen wir es schaffen, die bunte und kreative Welt des Einzelnen kennenzulernen und in unsere Arbeit aufzunehmen. Diese versteckt sich oftmals hinter sprachlichen Hemmungen, weil die Teilnehmer die deutsche Sprache nicht optimal beherrschen, aber auch hinter sozialen Mauern. Für viele ist es nicht einfach, sich vor einem Publikum zu öffnen. All dies gilt es zu berücksichtigen und zu verstehen, wenn wir nach Methoden und Instrumenten suchen, diese Barrieren aufzubrechen und zu nutzen. Nicht selten kommunizieren wir mit Gesten, nutzen Hände und Füße oder übersetzen Metaphern aus der jeweiligen Muttersprache ins Deutsche, sodass neue sprachliche Möglichkeiten entstehen, die wir in unsere Texte mit aufnehmen. Oft entstanden so lustige Situationen, und die Sicherheit der Jugendlichen wuchs zunehmend.

Sprachen beeinflussen sich gegenseitig. Viele Metaphern werden auch in andere Sprachen übersetzt, Wörter übernommen oder eingedeutscht. Ein Philosophiestudent in Italien beispielsweise muss viele deutsche Worte lernen, um die philosophischen Texte zu verstehen. Viele Worte werden aus dem deutschen Sprachgebrauch (Originalsprache vieler Texte) übernommen. Manchmal wäre ein ganzes Buch notwendig, um diese zu erklären. Es geht nicht nur um Worte, sondern um ganze Konzepte. Nehmen wir zum Beispiel das Wort Weltanschauung. Wie versteht der Autor, der Leser, das Gegenüber die Welt? Wie interpretiert der Mensch/die Gruppe die eigene Existenz und das irdische Dasein? Es geht um moralische und soziale Normen und Prioritäten im Leben und die Rolle, die der Mensch in diesem Gefüge einnimmt. Diese Regeln und Ansichten sind jedoch so unterschiedlich geprägt, dass es schwierig ist, sie als ein starres Konzept darzustellen und in Texten zu verarbeiten. Bei der Darstellung und Verwendung eines solchen deutschen Begriffs beispielsweise ist Fingerspitzengefühl gefragt und der interaktive Dialog besonders wichtig. Wie schaffen wir es, die Weltanschauung unseres Gegenübers, trotz eigener Interpretationen, Prägungen und normativen Systemen, zu verstehen? Wie verstehst du deine Heimat? Wie riechst du sie? Wie klingt sie in deinen Ohren? Wie schmeckt sie für dich? All das waren zentrale Fragen, die wir in der Gruppe gestellt und besprochen haben.

Der Austausch über eigene Wahrnehmungen öffnet neue Türen und führt oft zu mehr Verständnis und einer gegenseitigen Annäherung.

Ebenso wie das Verständnis innerhalb der Gruppe fördern möchte unser Projekt auch der Welt außerhalb der Gefängnismauern zeigen, wer unsere Teilnehmer wirklich sind. Es ist nicht nur der Kriminelle, der seine Identität durch den Haftaufenthalt erhält. Statt die Insassen einer Strafanstalt als homogene Gruppe von Sträflingen zu sehen, möchten wir zeigen, dass es sich um verschiedene Charaktere und Geschichten handelt. Unser Projekt ZwischenWelten soll dazu beitragen, diese Stigmatisierungen aufzubrechen.

Viele der Jugendlichen bezeichnen sich selbst als Ausländer, Kriminelle oder schwer erziehbar, weil sie das durch jahrelanges Abstempeln der Außenwelt übernommen haben und sich nicht anders selbst definieren können. Wir wollen mit den Jugendlichen gemeinsam daran arbeiten, die eigenen Horizonte zu erweitern. Das Schubladendenken soll ersetzt werden, in dem wir auf vielseitige Eigenschaften hinweisen, die uns zu dem machen, was wir sind. Auch wenn uns das Gegenüber vorerst fremd erscheint, ist es nicht per se schlecht. Man kann es kennenlernen und begreifen.

Das Fremde kann eine andere Lebenswelt aus ferneren Ländern wie Nigeria, Tschetschenien oder dem Iran sein; oft jedoch habe ich in meiner Arbeit die Erfahrung gemacht, dass auch eine Art der Entfremdung zu beobachten ist, wenn die Menschen in unterschiedlichen Bezirken in Berlin aufgewachsen sind. Durch die unterschiedliche soziale und urbane Struktur sowie spezifische Nachbarschaften und Stadtbilder, mit verschiedenen sozialen und kulturellen Regeln, fühlen sich Jugendliche aus Neukölln beispielsweise manchmal fremd gegenüber den Jugendlichen aus Marzahn.

Wir nehmen die Orte anders war, wissen weniger darüber, weil wir dort nicht leben oder aufgewachsen sind. Wenn wir nun aber Geschichten aus anderen Perspektiven hören, ist das eine wundervolle Chance, unsere Sicht auf die Welt zu erweitern.

Die These, dass Distanz zwischen Menschen oftmals durch unterschiedliche Sozialisation mit spezifischen Ansichten, Werten und Strukturen entsteht, sprich: das unbekannte Fremde erst einmal Barrieren schafft, ist grundlegend für unsere Arbeit im Projekt ZwischenWelten. Diese Grenze soll durch den lebendigen Austausch gelockert und im besten Fall überwunden werden. Auch ich als Betreuerin des Projektes lerne durch den Austausch mit den Jugendlichen aus ganz unterschiedlichen Kontexten, meine eigenen vorgefertigten Muster und Denkweisen zu reflektieren.

Wie bereits angedeutet spielt das Phänomen Sprache in unseren Workshops eine ganz zentrale Rolle. Hier geht es nicht nur um die Sprache, die wir durch Worte ausdrücken, sondern um die Interpretationen und das Verständnis, welche wir in unserer Welt erlernt haben. Sprache sind Deutungsmuster, Mimiken und individuelle Erfahrungen, die sich in unserer alltäglichen verbalen und non-verbalen Kommunikation widerspiegeln. Sie wird nicht nur benutzt, um Objekten einen Namen zu geben, Formen zu beschreiben oder Gefühle auszudrücken. Die Etikettierung von Dingen, Orten, Gefühlen etc. durch Sprache verschließt uns Türen und beschränkt unsere Wahrnehmung und Auffassung des Beschriebenen. Wir müssen die Ungreifbarkeit der Realität akzeptieren, verstehen, dass die individuelle Wahrnehmung der Menschen ganz unterschiedlich ist.

Eine Schreibübung, die wir im Rahmen unseres Projekts durchführen, ist die Beschreibung verschiedener Orte. Dies können eine Haltestelle oder ein Park im Wohnviertel sein oder Straßenzüge, Plätze und andere Orte, die man wahrnimmt. Am Ende der Übung erraten die anderen Teilnehmer, um welche Orte es sich handelt, und wir besprechen das Geschriebene gemeinsam. Es entstehen wunderbare individuelle Beschreibungen und Bilder verschiedener Orte: Einblicke in andere Welten und Wahrnehmungen der Außenwelt. Es sind Orte voller persönlicher Erfahrungen und Erinnerungen, die nicht nur durch einen Namen entstehen. Der Bergmannkiez oder das Gelände Messe Nord kann für mich etwas ganz anderes bedeuten als für mein Gegenüber. Während mein rechter Nachbar den Hermannplatz als bedrohlich oder hektisch wahrnimmt, kommt mein linker Nachbar vielleicht gar nicht mehr aus dem Schwärmen raus. Er sieht bunte Menschen, Kreativität und multikulturelles Leben. Die Welt ist somit viel mehr eine glitzernde Discokugel, ein Spiegel mit vielen Facetten als ein Globus mit festen geografischen Grenzen. Jeder Teilnehmer im Projekt konstruiert seine eigene Welt und deutet diese nach individuellen Mustern. ZwischenWelten möchte vermitteln, dass es keine richtigen und falschen Wahrnehmungen gibt, sondern diese von individuellen Deutungen abhängen. Dies zu verstehen fördert tolerantes Denken und ein respektvolles Miteinander. Menschen werden nicht weiter abgestempelt und in Schubladen gesteckt, sondern wir lernen, genauer hinzuschauen. Was steckt hinter dem Menschen; wer sind die Jugendlichen, mit denen wir arbeiten; warum stehen sie dort, wo sie jetzt stehen.

Der Philosoph Wittgenstein beschreibt Sprache als ein Spiel, welches immer wieder neue Welten erschaffen kann. Im Hinblick auf unser Projekt könnte dies zum Beispiel bedeuten, dass für die Jugendlichen, durch das schriftliche Beschreiben (von Orten, Gefühlen, Ereignissen) ein neuer Denkprozess angestoßen wird, bei dem sie ihre Welt reflektieren und neu kreieren können. Sie bekommen einen anderen Blick auf sich selbst, ihre Rolle in der Gesellschaft und auch auf ihre Mitmenschen. Die Welt als großes globales System, aber auch als individuelles und soziales Gefüge, in dem der Jugendliche aufgewachsen ist und aktuell lebt, kann durch diese Beschreibung von einer anderen Perspektive wahrgenommen werden. Dieser Blickwechsel eröffnet ihnen die Möglichkeit, durch die vielen kleinen Geschichten, die wir hören, unsere Rolle in dieser Welt anders zu begreifen. Aus der Vielfältigkeit entstehen neue Blickwinkel und die Jugendlichen lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

In der philosophischen Theorie wird oft die These vertreten, dass Objekte (ein Berg, ein Mensch) nicht existieren, sofern wir sie nicht visuell wahrnehmen. ZwischenWelten ist ein Projekt, welches diese Objekte durch Um- und Beschreibung sichtbar werden lässt. Es entstehen also Brücken, die Fremdes und Eigenes verbinden.

Ich hoffe, unser kleines Venedig gefällt euch.









HERKUNFT – ANKUNFT

Zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Selbstbild und Fremdbild, zwischen gestern und heute, liegen Geschichten im Verborgenen.

Ich komme aus Algerien.

Mit 12 Jahren habe ich mein Land verlassen. Was als ein Spiel von drei kleinen Jungs begonnen hat, wurde harte Wirklichkeit.

Ich hatte noch nie eine Heimat und habe bisher auch keine gefunden. Meine Familie ist alles, was ich habe.

Ich komme aus Moskau.

Ich bin nach Deutschland gekommen, weil meine Familie hier ist. Aber es ist alles anders gekommen, nicht so, wie ich wollte.

Trotzdem ist Deutschland zu einer zweiten Heimat für mich geworden.

Morgen werde ich Deutschland verlassen.

In meiner Seele behalte ich Deutschland in Erinnerung.

Ich bin 17 Jahre alt. Ich komme aus Algerien.

Ich habe Algerien mit 14 Jahren verlassen. Auf einem Gummiboot bin ich für 500 € nach Spanien, Alicante, gefahren.

Ich bin mit einem Trekking-Rucksack nach Europa gekommen. Für einen Koffer war auf dem Boot kein Platz. Im Rucksack waren Essen, eine Hose, eine Jogginghose, eine Jacke, ein T-Shirt und ein Liter Wasser. Ich selbst habe eine Kappe, eine Jacke und Sportschuhe, ein Armband und einen Ring getragen. Obwohl ich das alles anhatte, war mir trotzdem kalt.

Wir waren 17 Stunden lang auf dem Boot. Es gab dort ausreichend Wasser. Außerdem Datteln und Milch. Datteln sind auch gut gegen die Übelkeit.

Mein Armband und meinen Ring habe ich auf der Fahrt verloren. Alle meine anderen Sachen habe ich einem alten Marokkaner geschenkt. Er musste in Spanien in einem Flüchtlingslager zurückbleiben. Ich war minderjährig und konnte weiter. Nur im T-Shirt und kurzer Hose ging ich los.

Ich komme aus Afghanistan.

In bin mit meiner Familie in den Iran geflüchtet, als ich drei Jahre alt war. Als ich 15 Jahre alt war, bin ich in die Türkei gegangen. Nach vier Monaten bin ich zu Fuß nach Griechenland gelaufen.

Als ich 18 war, bin ich über Ungarn nach Deutschland gekommen. Hier habe ich Asyl bekommen.

Ich habe keine Heimat mehr, weil ich umgebracht werden würde, wenn ich nach Afghanistan reisen würde. Ich werde niemals zurückkehren können.

Aber ich mag Deutschland. Ich habe jetzt einen deutschen Pass.

Afghanistan hat eine lange Leidensgeschichte:

1989 endete der Krieg zwischen der Sowjetunion und Afghanistan. 1 Million Tote, 5 Millionen Flüchtlinge, zerstörte Dörfer waren die Folge.

1996 ergreifen die Taliban die Macht. Mein Vater war Mudschaheddin und hat mit Unterstützung der USA gegen die Taliban gekämpft. Das ist mein Vater.

Nach den Anschlägen in New York griffen die USA 2001 Afghanistan an.

2004 wird nach dem Ende des Krieges der erste demokratische Präsident, Hamid Karzai, gewählt.

Anhörung des Vaters beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

FRAGE: Nennen Sie mir bitte Ihre letzte offizielle Anschrift im Heimatland. Haben Sie sich dort bis zur Ausreise aufgehalten? Wenn nein, wo?

ANTWORT: Ich wohnte in der Provinz Herat. Ich habe mich bis zur Ausreise dort aufgehalten.

FRAGE: Haben Sie in einem Haus oder in einer Wohnung gewohnt?

ANTWORT: Ich habe dort in einem zweigeschossigen Privathaus gewohnt, das der Familie gehört.

FRAGE: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

ANTWORT: Ich bin am 19.05.1999 ausgereist.

FRAGE: Wohin sind Sie gereist?

ANTWORT: Ich bin illegal nach Iran ausgereist.

FRAGE: Wie lange haben Sie sich im Iran aufgehalten?

ANTWORT: Ich habe mich im Iran 16 Jahre lang aufgehalten.

FRAGE: Wie sind Sie dann weitergereist?

ANTWORT: Vom Iran aus bin ich in die Türkei gereist. Danach reiste ich über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Deutschland. Die Reise hat viele Tage gedauert. An der Grenze zwischen Serbien und Ungarn mussten wir drei Tage im Wald leben. Während wir warteten, wurden wir überfallen. Uns wurden 4.600 € geraubt. Wir wurden gefangen und geschlagen. Die ganze Ausreise kostete 17.000 € für die gesamte Familie.“

FRAGE: Welchen Beruf haben Sie gelernt? Bei welchem Arbeitgeber haben Sie zuletzt gearbeitet? Hatten Sie ein eigenes Geschäft?

ANTWORT: Ich bin Schneider. Ich habe diesen Beruf erlernt und in diesem gearbeitet.

FRAGE: Sie werden nun zu Ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen angehört. Sie werden aufgefordert, die Tatsachen vorzutragen, die Ihre Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines Ihnen drohenden Schadens begründen. Weiterhin haben Sie alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

ANTWORT: Ich bin seit 1989 Mitglied der Mudschaheddin. Zum Anfang haben wir gegen die Regierung gekämpft und später kämpften wir gegen die Taliban.

FRAGE: Gibt es noch andere Gründe, die Sie für das Verlassen Ihres Heimatlandes vorbringen wollen?

ANTWORT: Das war der Grund, warum ich meine Heimat verlassen habe; das Leben meiner Familie und mein eigenes Leben war in Gefahr.

FRAGE: Machen Sie für Ihre Kinder weitere Asylgründe geltend?

ANTWORT: Ja.

FRAGE: Bitte geben Sie diese weiteren Gründe an.

ANTWORT: Ich möchte für meine Kinder eine bessere, sichere Zukunft haben.

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