Kitabı oku: «Verdammt magisch», sayfa 4
Norman atmete schwer. Er ballte die Fäuste und lauschte dem Hämmern seines eigenen Herzens.
»Ich werde der größte Katalysator der Welt«, flüsterte er.
8. Ein neuer Weg
»Mein bockiges Schäfchen, deine Energie hat sich verändert«, sagte Eterna, als Norman in den Raum stürmte.
»Das hat sie!« Er strahlte.
»Gut, gut«, sagte sie freundlich.
Wegen seiner Verspätung ließ sie ihn nachsitzen. Eine Stunde lang musste er die Grundlagen der Katalysation nachlesen, während die anderen schon frei hatten. Egal, das hatte er eh tun wollen. Mit Feuereifer verschlang er das Buch, und als sie das Nachsitzen für beendet erklärte, weigerte er sich erst, es herzugeben.
»Du bekommst es wieder«, sagte sie und er ließ los. »Jetzt geh spielen, Schäfchen. Morgen geht es richtig los, da brauchst du alle Kraft.«
»Einen Scheiß werde ich.« Norman grinste. »Geben Sie mir was zu tun. Wie werde ich ein besserer Katalysator?«
»Ganz schön motiviert, hm?« Seltsamerweise wirkte sie nun ernster als zuvor. Ihre hellgrauen Augen musterten ihn lange. »Was hat dich zum Umdenken bewegt?«
»Nichts, ich …« Er spürte, dass er rot wurde. »Ich habe kapiert, wie wichtig Katalysatoren im Kampf sind.«
»Ach ja, das Kämpfen.« Sie seufzte. »Hauptsache, es gibt eine Klopperei, was, Schäfchen?«
»Ja klar.« Er sprang auf. »Kommen Sie. Was kann ich noch tun?«
»Genug zu Abend essen. Ab morgen wird es härter. Ein Drittel des Unterrichts ist Leibesertüchtigung, vergiss das nicht.«
»Na hoffentlich!« Er lachte. Sie öffnete die Tür und sie verließen gemeinsam den Raum.
»Bis morgen, Schäfchen.« Sie lächelte wieder. »Und falls du Fragen hast, wende dich an mich.«
»Ich habe eine Frage.«
Er war fast sicher, dass sie ein Seufzen unterdrückte.
»Ja?«
»Gibt es einen Unterschied zwischen Magie und Energie? Im Buch stand nichts von Energie. Gar nichts.«
»Oh, das.« Sie wichen zur Seite aus, weil ein paar Drittjahresschüler vorbeischlenderten. »Magie ist eine Form der Energie. Es gibt noch weitere Energien, die meist an Menschen gebunden sind. Ärger, Verbitterung, Angst, Lust … um nur einige zu nennen. Aber da Magie die Einzige ist, mit der wir Eismonster abschlachten können, ist sie die Einzige, die gelehrt wird. Für unsere Zwecke sind die anderen Energien leider nicht nützlich.«
»Ach so. Aber wir Katalysatoren können sie sehen?«
»Nein.«
Was? »Aber warum sollten wir versuchen, sie zu sehen?«
»Ich probiere das immer wieder.« Sie zuckte fröhlich mit den Achseln. »Eigentlich können nur Katalysatoren mit zehn Jahren Erfahrung ab und zu andere Energien wahrnehmen. Aber es macht Spaß, es zu probieren.«
»Gar nicht.« Er schaute sie böse an. »Was für eine Zeitverschwendung. Babykram. Die Motorenklasse wirft schon mit Feuerbällen rum.«
»Ui.«
Machte sie sich über ihn lustig? Falls hier irgendetwas witzig war, verstand er es nicht. Er verschränkte die Arme und musterte sie herausfordernd.
»Aber Sie können Energien lesen, ja? Bringt Ihnen das was?«
»Nur diesen blöden Spitznamen.« Sie schüttelte den Kopf. »Die unendliche Quelle. So eine Übertreibung.«
»Moment, können Sie so viel Magie aufnehmen, weil sie … Hat das irgendwas mit Energien zu tun?«
»Ja. Schon.« Sie schaute nachdenklich zur Decke. »Hat es, mein kluges Schäfchen. Aber wie gesagt, das ist Material für Fortgeschrittene. Versuch erstmal, überhaupt etwas zu sehen.«
»Das werde ich.« Er grinste. »Ich werde alles sehen! Ich werde der größte Katalysator der Welt!«
Sie murmelte irgendetwas, das wie »untervögelt« klang, doch das konnte nicht sein. Dann verabschiedete sie sich und segelte den Flur hinab. Norman stürmte die Treppe hinauf und nahm drei Stufen auf einmal. Er rannte durch den modrigen Gang und riss die Zimmertür auf.
»Lauchi!«, rief er.
Der schrie auf. Bleich robbte er auf seinem Bett rückwärts, bis sein schmaler Rücken sich in die Wand drückte. Er presste sich irgendeinen dicken Wälzer an die Brust. Hinter Norman knallte die Tür ins Schloss.
»W-wa...« Lauchis Stimme erstarb, als Norman sich den dämlichen Bademantel vom Leib riss und nur noch in einer weißen Hose vor ihm stand.
»Ich habe mich entschieden. Ich werde der beste Katalysator aller Zeiten«, sagte Norman feierlich, warf sich zu Boden und begann, Liegestütze zu machen.
Zehn, zwanzig, dreißig. Er spürte das Blut immer schneller durch seinen Körper pumpen. Schon war sein Rücken schweißnass. Außerdem spürte er, dass Lauchi ihn anstarrte.
»D-du machst viel Sport, oder?«, fragte der Kleine schließlich. Norman nickte und stemmte sich wieder hoch. Dreiundfünfzig. Inzwischen ging sein Atem stoßweise.
»Das sieht man.« Lauchis Stimme hatte einen träumerischen Klang.
»Danke.« Norman grinste. »Wenn du willst, kann ich dir ein paar Übungen zeigen.«
»Gern«, hauchte Lauchi.
Seine Augen verließen Normans glänzenden Oberkörper nie. Mit offenem Mund sah er zu, wie er zu Kniebeugen überging. Normans Muskeln brannten. Seine Lungen auch, sobald er mit den Hampelmännern anfing. Das winzige Zimmer verwandelte sich in ein Schwitzhaus und die Luft wurde immer feuchter. Schweißtropfen lösten sich von Normans Haut, als er auf und ab sprang. Einer erwischte Lauchis knallrote Wange.
»Sorry«, keuchte Norman und hüpfte weiter.
Lauchi schüttelte stumm den Kopf und glotzte. Natürlich war er beeindruckt. Bei den Schwächlingen im Nördlichen Flussland hatte er bestimmt nie solche Muskeln gesehen. Oder hatte er etwa Angst? Egal, damit musste der Weichling klarkommen.
»Alter, wird das warm.« Norman riss das Fenster auf.
Abendluft strömte herein. Das Zimmer kühlte ab, aber er fühlte sich immer noch, als würde er gleich schmelzen.
»Ich zieh mich aus. Stört dich nicht, oder?«, fragte er Lauchi.
Der verschluckte sich. Dann schüttelte er den Kopf und Norman dachte, dass Lauchi gar kein so mieser Zimmernachbar war. In Unterhose war das Sportprogramm viel angenehmer. Erst nach einer Stunde klappte Norman auf dem Bett zusammen.
»Ab morgen«, japste er. »Ab morgen gibt es … Lauftraining. Jeden Morgen. Wusstest du … das?«
»Was?« Lauchi hob den Blick von Normans schweißnasser Brust. Sein Buch lag vergessen neben ihm. »Ja. Ich hab … Ja.«
»Ich freu mich drauf«, sagte Norman. »Nach den langweiligen Rumsitzkursen ist das genau das Richtige. Was habt ihr gemacht? Mehr Feuerbälle geworfen?«
»Ja … Was? Nein.« Lauchi befeuchtete seine Lippen mit der Zunge und Norman war einen Moment lang abgelenkt. »Nein, wir haben etwas über Brandschutz gelernt. Das ist auch wichtig, hat Herr Dombas gesagt.«
»Ach so. Klingt öde.«
»Oh, es war ganz interessant.« Lauchi räusperte sich. Er rutschte auf dem Bett herum und schlang die Arme um die Knie. »Älso. Machst du jetzt jeden Abend solche Übungen? Hier?«
Norman betrachtete seinen Bizeps.
»Ja klar, mindestens. Diese Beulen hier müssen doppelt so groß werden. Wenn’s dich stört, kannst du ja rausgehen.«
»Störtmichnicht«, krächzte Lauchi. Seine Stimme klang auf einmal so rau.
»Alles gut?«
Lauchi lächelte. Seine Augen glänzten und er nickte, erstaunlich schwungvoll. Norman grinste breit.
»Super. He, meinst du, der eine Arm ist dicker als der andere? Kannst du mal drumfassen und schauen?«
Lauchi half ihm. Eigentlich war der Kleine ziemlich in Ordnung. Und er nahm nicht viel Platz weg.
Nach dem Abendessen, als sie in ihren Betten lagen, betrachtete Norman Gunnars Gesicht auf den Postern. Er hatte drei Poster von ihm. Auf einem lächelte Gunnar siegessicher, auf den anderen beiden schaute er entschlossen. Auf allen sah er toll aus. Außerdem war sein Hemd so weit aufgeknöpft, so dass man den Ansatz der Brustmuskeln erkannte.
Vielleicht stehen wir irgendwann gemeinsam auf der Stadtmauer, dachte Norman und schlief selig lächelnd ein.
9. Nächtliche Unterhaltung
Mitten in der Nacht wurde Norman von einem Geräusch geweckt. Es weckte ihn aus einem sehr intensiven Traum, in dem Gunnar mit ihm auf der Stadtmauer gegen ein Lavamonster gekämpft hatte. Es hatte Norman verletzt. Gunnar hatte sein sowieso schon halb aufgeknöpftes Hemd heruntergerissen und Normans blutenden Arm verbunden. Seltsamerweise hatte er gleich anschließend begonnen, seine Hose aufzuknöpfen.
Norman blinzelte ins Dunkel. Mist. Er hatte einen Ständer, mit dem er eine Mauer hätte einreißen können. Tief durchatmend ballte er die Hände zu Fäusten und starrte an die Decke. Was hatte ihn geweckt?
Leises Keuchen. Lauchi. Heulte der schon wieder?
Norman wandte sich um und sah, dass der Kleine mit dem Rücken zu ihm lag. Er hörte ein Seufzen und an den rhythmischen Bewegungen des Arms erkannte er ganz genau, was Lauchi da trieb. Das, was er sich gerade verkniff.
»Lauchi. Das ist schlecht für dich.«
Der Kleine erstarrte. Stocksteif lag er da und schwieg.
»Das schadet Magiern, wenn sie noch nicht mit ihrer Ausbildung fertig sind. Hast du das nicht in den Vorbereitungskursen gelernt?« Norman schüttelte traurig den Kopf. »Du wirst ein Magiekrüppel. Dabei bist du eh schon ein Schwächling.«
»N-nein, ja, Entschuldigung«, stammelte Lauchi, ohne ihn anzusehen. »Aber das stimmt nicht.«
»Was laberst du da?«
»Äh, also … Herr Dahle hat gesagt …« Lauchi schluckte hörbar. »Der hat ab und zu zuviel Wein getrunken, na ja, fast jeden Tag und einmal hat er mir erzählt, dass das Keuschheitsgebot Kokolores ist. Also so hat er das genannt. Kokolores.«
»Was?« Norman richtete sich auf. »Dein Herr Dahle labert Scheiße.«
»Vielleicht. Entschuldigung.«
Schweigen. Norman musterte Lauchis Rücken. Dann legte er sich zurück. Sein Blick fiel auf das Gunnar-Poster, auf das strahlende Lächeln und das Kribbeln in seinem Schoß verstärkte sich. Hm. Mist. Er hätte wirklich gern … Nein.
»Hat dein Herr Dahle irgendwelche Beweise?«, fragte er schließlich.
»Na, er meinte, es wäre allgemein bekannt in den höheren Rängen. Er war mit einem der Hohen Magier befreundet, als er hier war, und der hat ihn eingeweiht. Als er zuviel Wein getrunken hatte.«
»Aber wenn das Blödsinn wäre, warum erzählen sie es uns dann? In unseren Kursen haben sie gesagt, dass die Magie davon schwächer wird. Nur halb so stark.«
»Herr Dahle meinte, das wäre eine Lüge.« Immer noch sah Lauchi ihn nicht an. »Sie haben nur Angst, dass die Magieschülerinnen schwanger werden, b-bevor sie den Abschluss geschafft haben. Und dass eines zum anderen führt. Deshalb behaupten sie, dass es uns in der Lernphase schadet.«
»Es?«
Lauchi schluckte hörbar.
»S-sex.«
»Und du meinst, das macht gar nichts?« Norman ballte die Fäuste fester. Nein. Zu riskant. »Das kann gar nicht sein. Dann … Ne.«
Lauchi schwieg. Draußen war es ebenfalls still. Schließlich ratterte eine Kutsche über das Pflaster und ein Hund begann, zu bellen.
»Bestimmt bist du nur deshalb so ein schlechter Magier«, sagte Norman. »Hör besser auf damit.«
»Ich b-bin gar nicht so schlecht«, murmelte Lauchi. »Ich habe alle achtzehn Bände der Grundlagen der Arkanen Lehre gelesen.«
»Und? Kannst du Feuerbälle werfen?«
»Nein.«
Das klang niedergeschlagen. Wieder kehrte Stille ein. Norman wälzte sich herum und glotzte ebenfalls die Wand an.
»Ich sag dir eins, Lauchi: Wenn ich rausfinde, dass dieses verdammte Keuschheitsgebot echt Blödsinn ist, dann gibt’s Ärger. Dann tret ich dem, der das erfunden hat, die Zähne ein.«
Er hörte ein entsetztes Keuchen.
»A-aber das war Olivar von Berghain.«
»Ja, und?«
»Der ist doch schon tot.«
Ach so. »Egal. Ich grab ihn aus und tret ihm die Zähne aus seinem hässlichen Schädel.«
»Oh.«
Stille. Norman starrte die Wand an. Das konnte nicht wahr sein, oder? Dieser Herr Dahle war bestimmt nur irgendein Vollidiot. Ein Säufer. Deshalb hatten sie ihn auch ins Nördliche Flussland geschickt, um einem adligen Schwächling Privatunterricht zu geben.
Norman hatte seit zwei Jahren mit niemandem geschlafen. Er hatte sich nicht mal angefasst und das war ihm, verdammt nochmal, nicht leichtgefallen. Also musste das auch stimmen, dass er damit seine, Dings, seine magischen Fähigkeiten vergrößerte. Obwohl er immer noch keine Magie sehen konnte. Wehe, wenn er seine Zeit verschwendet hatte!
Lauchis Stimmchen riss ihn aus seinen Gedanken.
»Norman? Hast du schon einmal … Du weißt schon.«
»Gevögelt? Ja, klar«, knurrte Norman. »Meiner Mutter gehört der »Lustgarten« in der Schrammergasse.«
»Der Lust... Ist das ein Bordell?«
»Was denn sonst?«
»Und da hast du gewohnt?«
»Ja. Meine Mutter hat ab und zu ihre Mädels auf mein Zimmer geschickt. Als Belohnung, wenn ich was gut gemacht habe.«
»Ah. So.« Lauchi schien nachzudenken. Lange.
»Und du?«, fragte Norman. »Auch schon mal das Würstchen eingetunkt?«
»Was?« Lauchi zögerte. »N-nein. Also einmal wollte meine Schwester Lou … äh …«
»Was wollte sie?«, fragte Norman alarmiert.
»Sie wollte mich zu meinem achtzehnten Geburtstag in ein Freudenhaus mitnehmen, aber Mutti war dagegen.«
Norman fröstelte. Was hatte Lauchi für eine seltsame Familie?
»Deine Mutti war dagegen, dass du flachgelegt wirst? Habt ihr das alles so am Küchentisch bequatscht? Ehrlich, ich dachte, bei euch Adligen läuft das anders.«
»Tut es auch.« Lauchi räusperte sich. »Wir waren selbstverständlich im Esszimmer.«
»Ach so, dann ist ja gut. Echt jetzt?«
»Na ja, Lou meinte, dass ich ein paar Erfahrungen sammeln sollte, bevor ich von daheim fortgehe. Damit die Stadt kein allzu großer Schock ist. Aber Mutti fand, ich wäre zu zart, und sie hat befürchtet, dass ich mir Krankheiten holen könnte, wenn ich … Du weißt schon. Im Bordell.«
»Und was hast du dazu gesagt?« Norman war ehrlich interessiert.
»Ich bin nicht wirklich zu Wort gekommen.«
»Ah. Das dachte ich mir.« Norman schüttelte den Kopf. »Nur, dass du’s weißt: Gegen Mümpelpocken hilft ein Essigbad. Brennt wie der Hades, aber nach drei Tagen ist der Kolben wieder glatt.«
»Ah. Aha.« Lauchi schwieg.
»Was hättest du gesagt, wenn du zu Wort gekommen wärst?«
»Ich weiß nicht.«
Das war ja klar gewesen.
»Ich würde schon gerne«, flüsterte Lauchi. »Wirklich gerne, nur … lieber mit … Also, es ist kompliziert.«
Damit war das Thema für ihn wohl abgehakt.
»Na, wenn ich echt rauskriege, dass die Keuschheitsregel Blödsinn ist, nehm ich dich mit in den Puff.« Norman grinste. »Wir finden schon was für dich. Meinetwegen auch was Kompliziertes.«
»Echt?« Er hörte das Lächeln in Lauchis Stimme und drehte sich um. Die hellen Augen glänzten im Dunkel. Echt hübsch. Das war ihm früher schon aufgefallen. Wenn Lauchi nicht vor Angst zitterte, war er ein ganz attraktives Kerlchen.
»Versprochen«, sagte Norman. »Du bist schließlich der Einzige, der mit mir essen will.«
»He.« Lauchis Zähnchen blitzten. »Du bist der Einzige, der mit mir redet.«
»Motoren sind halt Arschlöcher.« Norman grinste breit und sah ein weiteres schüchternes Lächeln.
»He. J-ja, manchmal schon.« Lauchi räusperte sich. Der Kleine schaute, als müsste er ein kompliziertes Puzzle zusammensetzen. Eins, bei dem er keine Ahnung hatte, ob die Teile passten. »Du bist richtig interessant. Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen, wenn ich ehrlich bin.«
»Das glaube ich.« Norman gähnte. »Egal, lass uns pennen. Morgen wird’s härter, da müssen wir frisch sein.«
»Ja.« Lauchi zögerte. »Ich weiß nicht, ob ich schlafen kann. Ich habe ein wenig Angst vor morgen.«
»Junge, du hast vor allem Angst.«
»Ja, aber am meisten vor morgen.«
Norman schnaubte.
Er drehte sich um und gähnte wieder. Seine Erregung war abgeklungen, nun lechzte sein Körper nach Schlaf. Er streckte sich auf der harten Matratze aus und schloss die Augen. Dann hörte er sanften Gesang. Lauchi.
»Leis, Kindlein, leis«, murmelte der. »Dort draußen schleicht das Eis. Machst du auch nur einen Laut, schält es dich aus deiner Haut. Leis, Kindlein, leis.«
Das Lied kannte Norman nur zu gut. Das kannte jedes Kind in ganz Løbago und anscheinend auch weiter weg. Eine Gänsehaut kroch über seinen Rücken, als der Kleine weitersang.
»… Jammern, Wimmern, Weinen, Schreien … lockt es gleich ins Haus hinein …«
»Lauchi?«
»Ja?«
»Denkst du echt, dass dir das beim Einschlafen hilft?«
»Aber es ist ein Schlaflied.«
Norman stöhnte leise. Lauchi sang weiter.
»Leis, Kindlein, leis. Dort draußen schleicht das Eis. Hört es dich nur einmal schreien … frisst es deine Innereien …«
Norman zog sich das Kissen über den Kopf.
10. Magie!
Der Morgenlauf ging zehnmal um das Arkane Institut und durch den Park dahinter. Als er beendet war, war Norman schweißgebadet und sah Sterne. Aber er war einer der Ersten.
Lauchi klappte nach der dritten Runde zusammen und musste ins Krankenzimmer getragen werden. Norman hörte, wie einer der Motoren ihn einen Lappen nannte und seufzte. Einerseits wollte er dem Kerl eine reinhauen. Andererseits hatte er recht. Lauchi war ein Waschlappen. Auch wenn Norman sich langsam an ihn gewöhnte.
Der Katalysatorenkurs fand wieder im selben Raum statt. Norman beeilte sich, damit er nach der Dusche der Erste dort war. Schwungvoll stieß er die Tür auf.
»Frau Sølmgard, ich habe eine Frage.«
Eterna saß im Schneidersitz in der Mitte des leeren Raums auf dem Boden und meditierte. Schneckenlangsam hob sie ein Lid.
»Noch mehr Fragen? Du bist neugieriger als ich dachte.«
»Ne, nur eine.« Norman schloss die Tür hinter sich und ließ sich vor Eterna auf die Dielen plumpsen. »Also …«
»Ja?«
»Also, ich habe eine Frage.«
»Das sagtest du bereits.«
»Wegen des … dem Keuschheitsgebot. Ich habe gehört … Stimmt das?« Er räusperte sich. »Dass das ein Schwindel ist? Damit niemand schwanger wird? Das ist nicht wahr, oder?«
Ihre dunklen Augen musterten ihn amüsiert.
»Was hast du vor?«, fragte sie. Ein Lächeln kräuselte ihre Mundwinkel. »Das scheint dich ja sehr zu beschäftigen. Hast du etwa Interesse an jemandem?«
Er spürte die Hitze seinen Hals hochkriechen.
»Ne. Ich bin nur neugierig«, brummte er. »Also was ist jetzt? Stimmt es oder nicht?«
»Nun ja …« Sie seufzte. »Dass ein Schäferstündchen die Magie hemmt, ist tatsächlich Blödsinn. Und ja, sie haben nur Angst vor ungeplanten Schwangerschaften. Wahrscheinlich ist der Hohe Rat dagegen, dass irgendjemand in diesem Haus Spaß hat. Aber das hast du nicht von mir, klar?«
Ihr Blick war eindringlich. Normans Unterkiefer klappte herunter.
»Das … Das ist wirklich … Und ich hab zwei Jahre lang …«
Er sprang auf.
»So eine verfickte Scheiße! So ein oberbekacktes Lügenmärchen!« Er stieß ein wütendes Brüllen aus. So wütend, dass die drei Katalysatoren, die gerade zur Tür hereinmarschierten, zurückwichen.
»Aus dem Weg, ihr Sauger«, knurrte er. »Ich muss wem die Zähne austreten.«
Eine zierliche Hand legte sich an sein Ohr und zerrte ihn gewaltsam zurück. Eterna zwang ihn zu Boden. Eine Kraft hatte die Alte … Unglaublich.
»Später, mein bockiges Schäfchen. Nun beginnt der Unterricht. Und den willst du bestimmt nicht verpassen, oder?«
Norman brummte irgendetwas. Er verschränkte die Arme und stierte auf seine Knie, als wären die schuld an allem. Zwei Jahre. Zwei verdammte Jahre … Wenn Lauchi ihm gestern nichts erzählt hätte, hätte er noch drei Jahre verschwendet. Er konnte ihm echt dankbar sein, dafür, dass er …
»Mein Schäfchen, passt du auf?«
»Hö? Klar.«
Diesmal schien Eterna einen Plan zu haben. Immerhin. Sie setzten sich alle im Schneidersitz in einen Kreis und atmeten. Langsam ein und aus, bis in den Bauch. So, wie sie es ihnen gestern schon gezeigt hatte. Nach ein paar Minuten fühlte Norman sich total seltsam. Ein wenig schwindlig. Fast ein bisschen übel.
Er war nicht daran gewöhnt, so lange nichts zu tun. Vielleicht hätte er sich freuen sollen, nachdem seine Muskeln immer noch vom Morgentraining schmerzten, aber … das war irgendwie bizarr.
»Nun schließt die Augen und streckt eure Hände in die Höhe«, säuselte Eterna. »Versucht, sie zu spüren.«
»Die Magie?«
»Ja, mein Schäfchen.«
»Ich sehe sie!«, sagte Gudrun triumphierend.
»Und wie sieht sie aus, mein Wieselchen?«
»Gol... Nein, grün. Richtig?«
»Nein. Konzentrier dich.«
Schweigen. Normans Arme begannen, wehzutun. Das machte ihm natürlich nichts aus, schließlich war er kein Weichei. Nicht wie der Kerl neben ihm, der leise wimmerte.
»Müssen wir noch lange?«, flüsterte ein Mädel. »Ich …«
»Da ist was.« Der Typ neben Norman schien vollkommen entsetzt. »Etwas Kaltes.«
»Lass die Hände oben, mein Äffchen.« Eternas Stimme war sanft, aber bestimmt. »Erzähl uns, was du fühlst.«
»Es ist irgendwie eklig«, sagte der Typ und jemand kicherte. Gudrun, eindeutig. »Es kriecht in meine Finger … Kann ich aufhören?«
»Hände oben lassen«, befahl Eterna freundlich. »Die Kälte tut dir nichts. Bleib ganz ruhig und lass sie ein. Und mach die Augen auf.«
Dieser erbärmliche Versager wimmerte schon wieder. Dann hörte Norman ihn leise keuchen.
»Gut gemacht, mein Äffchen. Nun dürft ihr alle die Arme herunternehmen und die Äuglein öffnen.«
Erleichtertes Gemurmel erklang. Die ganze Runde starrte das Bürschchen neben Norman an, das sich unter ihren Blicken wand. Seine Ohren waren knallrot. Eterna stand auf und umarmte ihn. Er wurde noch röter.
»Ove, das hast du wirklich gut gemacht.« Sie ließ ihn los, aber ihre Hand blieb auf seiner Schulter liegen. »Nun erzähl uns, was Magie ist. Wie sieht sie aus?«
»Sie … Gar nicht. Man sieht sie nicht richtig. Es ist mehr wie … Sie ist durchsichtig. Es sieht aus, als würde Wasser durch die Luft fließen.«
»Wir haben einen Katalysator!«, rief Eterna. Sie nickte zufrieden. »Was denkt ihr anderen?«
»Warum ist Magie durchsichtig?« Gudrun verschränkte die Arme unter ihrer beträchtlichen Oberweite. »Wenn wir doch lila leuchten und die Motoren gelb?«
»Weil wir sie umwandeln und die Motoren auch«, sagte Norman und grinste breit. »Hast du in den Vorbereitungskursen nicht aufgepasst?«
»Du doch auch nicht«, zischte sie.
»Besser als du, wie’s aussieht.« In Wahrheit hatte Lauchi ihm das heute Morgen erklärt.
»Du blöder …«
»Wieselchen, Schäfchen.« Eterna hatte irgendetwas an sich, das alle zum Verstummen brachte. »Konzentriert euch, sonst werdet ihr Ove nie einholen.«
Norman und Gudrun sahen Ove an und der versuchte, im Boden zu versinken. Aber er hatte ein kleines, stolzes Lächeln im Gesicht, das breiter wurde, als er sich unbeobachtet glaubte.
Dir zeig ich’s, dachte Norman. Und Gudrun auch. Ich bin der Nächste, der Magie spürt.
Er war der Letzte. Es dauerte bis zum Nachmittag, bis seine Finger endlich kalt wurden. Kurz vor ihm hatte Gudrun ausgerufen, dass sie die Magie sehen konnte. Sie wirkte genau so genervt wie er. Alle anderen schauten schon dämlich grinsend an die Decke, weil da angeblich Magie rumwaberte.
Kälte kroch unter seine Fingernägel. Eklige Kälte. Aber er musste sie reinlassen. Wenigstens ein bisschen.
»Sträub dich nicht«, flüsterte Eterna hinter ihm. »Öffne dein Herz.«
Wie kitschig war das denn? Er versuchte es, doch als die Kälte bis zu seinen Ellenbogen gedrungen war, war sie nur noch ein Rinnsal. Er blinzelte. Es hatte wohl gereicht. Er sah etwas durch die Luft wabern. Durchsichtige Schlieren, in denen sich das Licht brach. Wie gläserner Rauch schlängelten sie im Raum umher, vor allem unter der Decke … Norman ließ die Arme sinken.
»Hast du Angst bekommen?«, fragte Eterna. »Das ist in Ordnung, Schäfchen. Es ist seltsam, die Welt so anders wahrzunehmen, oder? Als hätte man einen weiteren Sinn entdeckt.«
Norman brummte irgendetwas und versuchte, nicht rot zu werden. Er hatte echt Angst bekommen. Angst vor dem Unbekannten. Wenn da … wenn da diese Magieschlieren waren und er sie nie gesehen hatte … Was war dann noch in der Atmosphäre? Eterna hatte von Energien gesprochen. War etwa der ganze Raum voll von dem Zeug? Kroch es jetzt gerade unter seine Klamotten? Er schüttelte sich.
Eterna stand auf und sah auf sie alle herunter wie eine gütige Göttin.
»Das habt ihr wirklich fantastisch gemacht, meine Lieben. Ganz wundervoll. Dafür habt ihr eine Belohnung verdient, meint ihr nicht auch?«
»Was zu essen?«
»Nein, mein Schäfchen. Etwas Besseres.«
Das bezweifelte Norman. Er hatte selten solchen Hunger gehabt. Magie zu suchen zehrte einen aus, mehr, als er gedacht hatte. Als hätte er einen neuen Muskel bekommen, der erbärmlich schlapp und untrainiert war. Egal, er würde ihn bewegen und aufpumpen und …
»Kommst du, Schäfchen?«
»Jau!«