Kitabı oku: «Hotel der Alten», sayfa 2
Bekanntschaft mit Gisela, Gerlinde und Ingeborg
Während Hilde sich eine neue Windelhose in ihrem Zimmer angelegt hat, verpasst sie die Ankunft von Ingeborg und Gerlinde. Das ärgert sie. Sie vergisst alles um sich herum und lässt die gebrauchte Windelhose mitten im Raum liegen.
Hilde rast durch den Flur, um an den Tisch zu kommen. Es ist Mittagszeit und sie hofft, wenn sie jetzt schnell an den Tisch geht, so nichts mehr zu verpassen.
Mit der Dame in Grau würde sie vorsichtig umgehen müssen, sind Hildes Überlegungen. Sie löffelt ihre Suppe, ohne auch nur einen Blick von der Tür zu lassen. „Bald müssen die Neuen kommen.“ Hilde ist in innerer Aufruhr. Sie hatte bei einem kurzen Blick zurück, als die Neue aus dem Auto stieg und sich an den Kofferraum wagte, sofort erkannt, hier sei Vorsicht geboten. Die ist nicht von Pappe.
Hilde sitzt etwas bedrückt am Tisch. Die Neugier hat sie gepackt. Obwohl sie, nach der Suppe, auf ihr Mittagessen wartet und ihr Magen nach etwas Essbarem knurrt, rührt sie nichts mehr an. Als ihr der Teller mit dem Mittag- Essen gereicht wird, lässt sie die Speisen unberührt vor sich stehen.
Wie gebannt sieht sie auf eine Frau in einem gemusterten Kittel, die direkt mit Schwester Birgit auf ihren Tisch zukommt.
Was ihr auffällt, dass diese Neue unsicher ist.
Unter dem Kittel trägt sie einen Pullover, von dem nur die halben Ärmel zu sehen sind.
Hilde ärgert sich, dass sie auch diese Neue bei der Ankunft verpasst hat. Ein kurzer Gruß kommt von ihr, als sie sich zu ihr setzt. „Ich bin Gerlinde.“ Die nette Schwester zeigt ihr den Platz und lässt sie mit Hilde allein.
Hilde sieht sie an. Wie die wohl ist …? Scheint etwas verwirrt zu sein. Ihr fragender Blick geht in die Richtung der Schwester, die ihr die Suppe bringt. „Was ist los mit ihr?“, flüstert sie der Schwester ins Ohr. Aber die zuckt nur mit den Schultern und ist schon wieder auf dem Weg zur Küche.
Schwester Birgit, die Gerlinde an den Tisch gebracht hat, weiß scheinbar auch nicht, was mit der neuen Bewohnerin los ist. Gerlinde sagt nicht viel. Hilde beobachtet sie genau. Sie ist sich unsicher. Spreche ich sie an, oder lass ich sie erst mal in Ruhe?
Beim letzten Happen, den sich Gerlinde in den Mund steckt, fragt Hilde: „Welches Zimmer haben Sie?“
„Ich weiß es noch nicht“, antwortet Gerlinde. Sie scheint Hunger zu haben. Zu schnell hat sie den vollen Teller mit Nudeln und Gulasch gelehrt, hat doch alles aufgegessen und dann so hastig. Hilde gibt ihr ein Zeichen. Sie zeigt auf den Mund von Gerlinde, die aber begreift nicht, was Hilde ihr damit zu verstehen geben will.
„Gerlinde“, Hilde spricht sie jetzt direkt an, „Sie haben da etwas am Mund.“ Kleckse – die bis in die Haare gelandet sind. Die Soße vom Gulasch hat sich bis zum Kragen vom Kittel verteilt. Gerlinde reagiert, sagt aber nichts. Sie wischt sich mit ihrem Handrücken den Mund sauber.
Hilde wartet noch ein paar Minuten. Doch ihre Neugier ist groß, sie macht einen neuen Versuch Gerlinde in ein Gespräch zu verwickeln.
„Haben Sie schon ihre Möbel mitgebracht?“
„Ja, einige wenige, habe nur meinen Sessel und ein paar Bilder von früher mitgenommen.“ Gerlinde spricht leise, viel zu leise für Hilde.
Wie die nuschelt, kaum zu verstehen. „Ich habe alles da gelassen, ist zu groß für mein neues Zuhause, hat mein Sohn gesagt.“ Der Blick von Gerlinde sagt alles, sie ist traurig.
„Ja, ja, es dauert eine lange Zeit bis man hier angekommen ist.“ Hilde bemerkt, wie schwer es ihr fällt, darüber zu reden. Eigentlich will Hilde sie etwas aus ihrer Lethargie holen, ihr etwas Nettes sagen, will sie trösten, doch sie hat genau das Gegenteil erreicht.
Gerlinde in sich gesunken, sieht wie ein Häufchen Elend aus. Traurig blickt sie reaktionslos zu Hilde rüber. Hilde fragt nach Gerlindes Sohn.
„Der ist schon gegangen“, sagt die Schwester, die ihr helfen will aufzustehen.
„Kommen Sie, Gerlinde, ich bringe sie zu Ihrem Zimmer.“
Gerlinde sieht Hilde nur an und nickt ihr freundlich zu, reagiert aber nicht weiter. Hilde ist sehr aufgeregt, nur die roten Flecken in ihrem Gesicht verraten es. Lässt sich aber sonst nichts anmerken.
Vielleicht können wir ja Freunde werden, hofft Hilde insgeheim.
Sie sitzen sich gegenüber und sagen kein Wort mehr. Hilde versucht, weiter Blickkontakt aufzunehmen, es gelingt ihr nicht. Gerlinde schaut ins Leere.
Was hat sie nur für traurige Augen – und die Hände, was hat sie nur für Risse und Narben an den Händen? Sie betrachtet die Neue und bemerkt, wie sie immer fahriger wird.
Hilde ist außer sich, über das, was sie an Gerlindes Händen entdeckt.
Gerlinde bemerkt nicht, dass die Schwester noch immer auf sie wartet. Und so stupst sie den Neuankömmling leicht am Arm. Jetzt reagiert sie. Mit beiden Händen stützt sie sich an der Tischkante ab. Steht schwerfällig auf und lässt sich von Schwester Birgit helfen.
Während sie mit der Schwester am Arm zur Tür hinausgeht, entschließt sich Hilde, die vor Mitleid Tränen in den Augen hat, Gerlinde unterstützend zur Seite zu stehen.
Gerlinde
Den Hof hatte Gerlinde seit vielen Jahren allein bewirtschaftet, doch die Arbeit machte ihr gesundheitlich immer mehr zu schaffen. Sie, die seit einiger Zeit nur noch mit krummem Rücken daher lief, war körperlich ausgelaugt. Sie hatte bemerkt, wenn sie den Rücken beugt, waren die Schmerzen fast verschwunden. Das machte sie von Tag zu Tag mürrischer.
Erst vor einigen Monaten hatte Gerlinde ihrem Sohn den Bauernhof übergeben. Viel war schiefgelaufen in den letzten Jahren. Obwohl ihr die Arbeit schwerfiel, beharrte sie trotzdem auf ihr Recht, die Bäuerin zu bleiben. Der Sohn bemühte sich, alles, was mit dem Hof zu tun hat, selbst zu entscheiden.
Er sah, wie seine Mutter die Arbeit körperlich entkräftete, und doch hielt sie an ihren täglichen Arbeiten fest. Brauchte er aber zu den Vertragsabschlüssen nach den Verhandlungen seine Mutter, die Bäuerin, um einen endgültigen Abschluss zu unterzeichnen, stellte sie sich quer. War es Starrsinn? Er dachte, es hat mit ihrem Alter zu tun.

Argwöhnisch beobachte Gerlinde ihren Sohn bei der Arbeit und bei all seinen Verrichtungen auf dem Hof. Selbst am Abendtisch in der Küche bemerkte er ihr Misstrauen.
„Was hast du heute so gemacht?“, fragte sie ihren Sohn.
Gerlinde kam nicht umhin, ihn zum wiederholten Mal darauf hinzuweisen: „Ich bin die Bäuerin!“ Das waren bei jeder Gelegenheit ihre Worte. „Du willst mich nur loswerden.“ Er hatte auf ihre Frage nicht geantwortet.
Diese Missachtung, so nahm sie es wahr, brachte sie in Rage.
Der Tagesablauf, der sonst harmonisch ablief, zeichnete sich bald an manchen Tagen als Tortur für den Sohn und seiner jungen Ehefrau ab. Seit Gerlinde vor ihrem Kochherd gestürzt war, war das Zusammenleben mit ihr kaum zu ertragen. Alles war ihr zuwider.
Misstrauisch beobachtete sie ihren Sohn sogar beim gemeinsamen Essen.
Schwiegertochter Helene
Helene kam aus der Stadt.
In der ersten Zeit sah sie der Schwiegermutter beim Kochen zu. So konnte sie sich an das Leben auf dem Hof gewöhnen. Sie beobachtete die Bäuerin genau, um sich bei ihr an dem Ablauf im Haushalt zu orientieren.
So störte sie ihre Schwiegermutter nur selten bei der Arbeit. So hoffte sie, ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter aufbauen zu können. Mit diesen Gedanken war sie auf dem Hof eingezogen. Doch hatte sie sich geirrt, Gerlinde zeigte ihr schon am ersten Sonntag, wie sie die schlesischen Klöße zubereiten sollte.
„Eine Frau muss echte Knödel am Sonntag auf den Mittagstisch bringen und das muss sie einfach können. Heiß musst du die Kartoffeln durchdrücken, dann das Eigelb dazu, und wenn die Hühner kleine Eier gelegt haben, nimmst du zwei Eigelb. Muskat nicht vergessen.“
Gerlinde war in ihrem Element. „Danach siebst du etwas Mehl darüber und knetest es vernünftig durch, verstehst du das Helene?“
Helene versuchte, sich mit dieser neuen Situation anzufreunden.
Doch auch bei der Haushaltführung duldete Gerlinde keinen Widerspruch.
„Die Zimmer bleiben so, wie ich sie mal eingerichtet habe.“ Gerlinde betonte noch einmal: „Es bleibt alles so, wie es ist. Wie ich es dir erklärt habe.“ Sowie über den Hof, wollte sie sie auch über den Haushalt die Kontrolle behalten.
„Nein“, sagte sie, „so nicht. Du musst noch etwas Mehl drunter machen, das mit schlesischen Klößen muss man im Gefühl haben.“
Helene versuchte es noch einmal. Gerlindes Sohn kam in die Küche. Er ging an den Herd, nahm die Kaffeekanne und verschwand wortlos in die Diele.
Helene hatte eines Tages ein kleines Tischchen mit zwei alten Sesseln aus ihrer Wohnung mitgebracht. Es sollte ihm als Ruhepool dienen. So brauchte er seiner Mutter nicht so oft begegnen. Hier im Dielenbereich las er in aller Ruhe die Sonntagszeitung. Helene drehte die ersten schlesischen Klöße zwischen ihren Händen, die so groß wie Tennisbälle waren. „Du kannst sie ruhig etwas größer rollen, Helene.“
Gerlindes Ton wurde etwas milder. Helene machte das so, wie die Schwiegermutter ihr das zeigte. Somit war sie zufrieden mit der Zubereitung der Sonntagsmahlzeit.
„Siehst du, der Braten geht von ganz alleine“, sagte sie und schüttete etwas Wasser auf den Schweinebraten.
„So, Helene, ab sofort bist du für das Sonntagsessen verantwortlich. Pünktlich um zwölf steht das Essen auf den Tisch, so sind wir es gewohnt.“ Damit gab Gerlinde vorerst ihrer Schwiegertochter für den Sonntag das „Zepter“ in der Küche in die Hand.
Die Mahlzeiten bereitete Gerlinde an den Wochentagen selbst an ihrem alten Herd zu. Oft körperlich erschöpft, war sie doch vom Tatendrang getrieben.
Arbeit war für Gerlinde der Lebensinhalt. Oft war ihr Einsatz an die Grenze des Möglichen gelangt. Die Folgen waren, dass sie eines Tages vor Erschöpfung vor dem Herd zusammenklappte. Helene sah sie im rechten Augenblick. Sie half ihr behutsam an den Küchentisch und beruhigte sie mit sanfter Stimme.
„Es wird schon wieder, ruhe dich aus“, und sie drückte ihre Schwiegermutter vorsichtig zurück auf den Stuhl.
Doch Gerlinde war schon im Begriff sich wieder an den Herd zu stellen.
Helene verstand in diesem Moment, wie schwer es ihr fiel, von ihren Aufgaben loszulassen. Sie sahen sich an und Helene drückte sie herzlich an sich. Gerlinde spürte es: Mit Ihren Kräften war es endgültig vorbei.
Es war Zeit, der Schwiegertochter ihren Platz ganz zu übergeben. Stillschweigend plante Gerlinde den Wechsel im Haus.
So überließ sie auch bald an den Wochentagen ihrer Schwiegertochter die Küche.
Gerlindes Aufgabe, das Mittagessen für die Familie zu kochen, war zu schwer geworden. „Zu anstrengend für mich, mach du das jetzt“, sagte sie kurz und knapp zu ihrer Schwiegertochter.
Es war auch immer öfter vorgekommen, dass sie etwas vergaß. Bei den ersten misslungenen Braten konnte sie es noch vertuschen. Doch bemerkte auch der Sohn schon bald, dass bei seiner Mutter die Kräfte versagten. Den Herd mit dem Feuer zu bestücken überließ Helene noch in ihrer Zuständigkeit.
Helene und Gerlinde waren ein eingespieltes Team geworden. Das war der Klugheit von Helene zu zuschreiben. Sie nahm Rücksicht auf die Frau, die nichts anderes kannte, als auf dem Hof ihrem täglichen Dasein nachzugehen. Helene ging erst dann an den Herd, wenn Gerlinde mit ihrer Arbeit fertig war. So kamen sie sich nicht in die Quere.
Tradition
Die Bauernküche hatte Gerlinde so gelassen, wie sie sie damals übernommen hatte; in der auch seit Jahrzehnten ihr Leben statt fand.
Dort rupfte sie die Hühner, wenn ihr Ehemann ihr das geschlachtete Huhn auf den Küchentisch geschmissen hatte. Das geschah ohne viele Worte, sie verstanden sich eben; es war der normale Umgangston auf dem Hof. Gerlinde hatte nichts anderes kennengelernt. Sie kannte die Nachbarn vom Hof nebenan. Zu den Geburtstagen trafen sie sich, sonst blieb jeder für sich. Zur nächsten größeren Stadt waren sie selten gefahren, sie blieben in ihrer Welt.
Nach der Flucht waren sie hier gelandet. Es war ein Zufall. Der Treck löste sich damals langsam auf. Die Menschen gingen verschiedene Wege. Gerlinde blieb bei der Familie mit dem Leiterwagen – Gerlindes einziger Halt in jener Zeit. Die Mutter, die sie auf dem Weg hierher verlor, blieb irgendwo vor Erschöpfung zurück. Sie hatte sie nie wiedergesehen. Die Familie mit dem Leiterwagen war zu erschöpft, um sie abzuwimmeln. Nach vielen Irrwegen kamen sie auf diesem Hof an. Verloren waren sie in der weiten Einsamkeit und ohne Orientierung. Der Bauer vom Hof bot ihnen damals Wohnraum an. Er lebte allein.
Im Gemüsegarten, direkt vor der Haustür, hatte er nur zum Eigenverbrauch Gemüse und Kartoffeln angebaut. Davon blieb bald nichts mehr für ihn übrig. Die Flüchtlinge waren ausgemergelt. Von Hunger heimgesucht und nach Wochen der Entbehrungen fielen sie über die restlichen Kohlköpfe, Kartoffeln und ein paar Möhren gleich bei ihrem Einzug her. Schon nach einigen Tagen waren die Beete abgeerntet. Der Bauer sah es mit Geduld. Am Markttag fuhr er mit seinem Trecker ins Dorf und kaufte gleich Säcke mit Wintergemüse und Kartoffeln ein. Halt machte er bei seinem Nachbarn. Von dort bekam er gepökeltes Bauchfleisch aus der Tonne.
Er sorgte gut für seine neuen Mitbewohner.
Gerlinde war nur mit dem angekommen, was sie auf dem Leib trug. Einige Kleidungsstücke bekam sie vom Hausherrn. Es waren die gebrauchten Kleider seiner verstorbenen Frau. Gerlinde schlüpfte nicht nur in ihre Kleider, sondern übernahm auch bald deren Rolle.
Es gab ein kleines Zimmer für sie, ein Holzbett und einen Stuhl für die Ablage der Kleider.
Für Gerlinde war es damals mehr, als sie jemals erwartet hatte. Auch wenn die Matratze müffelte, für sie wurde es ein zu Hause.
Im Haus gab es in der oberen Etage fünf kleine Räume, die nur als Schlafräume bestimmt waren. Für die Familie zu klein – die Wohnräume, das waren die Diele, das Wohnzimmer und die Wohnküche. Damals machte der Bauer gleich als sie ankamen, darauf aufmerksam, dass es die Räume waren, die er für sich wollte. Obwohl er eher „mundfaul“ war, sprach er doch die wichtigsten Dinge klar und deutlich aus.
Nach einiger Zeit zog die Familie, mit der Gerlinde aus Schlesien gekommen war, weiter.
Sie fanden Arbeit in der Nachbarschaft, und somit eine andere Unterkunft.
Der Bauer hielt um ihre Hand an
Einsam war es um ihn herum gewesen, bis die Fremden in seinem Haus einzogen und von allem Gebrauch machten. Vom Krieg hatte er nicht viel mitbekommen. Sein Hof blieb vom großen Flüchtlingsstrom verschont, und der Zufall, den Gerlinde hierherführte, bestimmte ihr weiteres Leben. Der Bauer, ein geduldiger Mensch, schaute schon in den ersten Tagen auf Gerlinde und war sich gleich nach dem Einzug der Vertriebenen sicher, die würde mal seine Bäuerin. Er wartete ab, bis die anderen aus seinem Haus verschwunden waren. Sofort wollte er handeln.
An einem Sonntag, Gerlinde brachte gerade das Essen auf den Tisch, legte er ihr seine Papiere auf den Platz. „Wollen wir heiraten?“ Er sprach es so aus, als wolle er noch einen Kaffee eingeschenkt bekommen. Gerlinde, die sich gerade auf die andere Seite vom Tisch setzte, sah ihn an und nickte ihm zu.
Ohne viel drum herum zu reden, gingen der Bauer und Gerlinde nach Kriegsende zum Standesamt. Sie hatte ihr Zuhause gefunden.
Am Tage ihrer Heirat wurde nicht gearbeitet. Die Hofnachbarn wurden als Trauzeugen zum Standesamt gebeten. Die einfache Feier wurde im Bauernhaus still gefeiert und am Abend mit einer Flasche Sekt besiegelt. Den Kartoffelsalat nach Art des Hauses, von Gerlinde am Vortag zubereitet, hatte sie aus dem Rezeptbuch ihrer Vorgängerin übernommen. Handschriftlich war alles, was auf dem Hof auf den Tisch kam, in einem Buch festgehalten. Die verstorbene Bäuerin hatte es damals niedergeschrieben. Das Rezeptbuch fand sie im Küchenschrank.
Es war eine einfache Art zu kochen. Auf die letzte freie Seite schrieb Gerlinde das Rezept der schlesischen Klöße hinzu. Es war das, welches sie von ihrer Mutter übernommen hatte. Als Bäuerin, die sie an diesem Tag wurde, wollte sie die Tradition vom Hof übernehmen.
Einen Schweinebraten mit Kruste schob sie am Morgen in den Backofen; als sie aus der Stadt als Ehepaar zurückkamen, war der Hochzeitsschmaus fertig. Die Feier verlief ohne besondere Ereignisse.
Der Bauer, der jetzt ihr Ehemann war, hatte am Abend vorher die Ehebetten zurechtgerückt. Ein mulmiges Gefühl kam in ihr hoch. Gerlinde wusste nicht, was auf sie zukam. Sie war jungfräulich in die Ehe gegangen.
Als die Nachbarn sich auf dem Nachhauseweg befanden, stiegen Gerlinde und der Bauer gemeinsam die Treppe ins Schlafgemach hinauf. Von den Pflichten einer Ehefrau war ihr nichts bekannt. Gerlinde schaute nicht in seine Richtung, als er sich seiner Kleidung entledigte.
Das übergroße Nachthemd, das sie sich auf die Schnelle überzog, schützte sie vor seinen Blicken. Sie legte sich in das Ehebett, in dem er schon mit seiner verstorbenen Ehefrau geschlafen hatte.
Kaum dass er sich in seinem Bett auf die Seite gelegt hatte, zog er auch schon ungeniert seine graue Unterhose vor ihr aus. Damit demonstrierte er ihr seine Rechte, mit ihr sofort den Geschlechtsverkehr zu vollziehen.
Gerlinde traute ihren Augen nicht, wie klein doch sein Glied war. Er schob ihr das Nachthemd bis an ihren Busen. „Mach mal die Beine etwas mehr auseinander“, und schon lag er auf ihrem Bauch. Er berührte sie an ihren Genitalien so, als würde er das erste Mal eine Frau dort berühren. Sein Penis war noch nicht ganz in sie eingedrungen, da war es mit seiner ganzen Männlichkeit schon vorbei.
Gerlinde spürte einen warmen Guss an ihrem Oberschenkel fließen, den sie mit einem Tuch versuchte, abzuwischen. War das alles?, dachte sie und drehte sich auf die andere Seite des Bettes.
Mit einem kurzen Gutenachtgruß, mit dem sie ihm zu verstehen gab, müde zu sein, schliefen sie in ihrer ersten Nacht zusammen ein.
Der nächste Tag verlief nicht anders als die anderen Tage vorher. Sie arbeiteten zusammen, jeder in seinem Bereich. Alles war wie bisher. Anders in den Nächten, da waren sie beisammen.
Er versuchte es schon in der zweiten Nacht, wieder bei ihr einzudringen.
Von diesem Abend an wurde es zu einem Ritual: Bevor sich jeder auf seine Seite legte, nahm er seine Rechte als Ehemann wahr. Gerlinde nahm es so hin, wie es eben war. Die Jahre vergingen, ohne dass sich etwas veränderte.
Gerlinde war nicht überrascht, dass sie bei ihrem Ehemann keine andere Sexpraxis erwarten konnte als das, was sie in der ersten Nacht bei ihm erfahren hatte. Sie kannte nichts anderes und war trotzdem mit ihrem Leben zufrieden. Gegenseitiger Respekt und Vertrauen spielten bei ihrer Verbindung eine große Rolle. Das Glück war auf dem Hof vollkommen, als sich in ihrem bescheidenen Dasein ein Kind anmeldete. Gerlinde war schwanger.
Die Geburt des Sohnes kündigte sich an, als sie gerade das Mittagessen auf den Tisch stellen wollte. Das Ereignis verband das Ehepaar noch stärker miteinander.
Ein kleiner Mann hielt seinen Sohn im Arm, ein glücklicher Moment für ihn. Gerlinde sah sein Lächeln und eine Träne über seine Wange laufen, damals ein glücklicher Moment für beide.
Morgens im Altenheim
Gerlinde schmerzt der Verlust ihrer Selbstständigkeit.
Sie will wieder zurück dahin, wo sie zu Hause war.
Entkräftet fühlt sie sich schon oft in den Morgenstunden.
An diesem Tag ganz besonders. Gerade aufgewacht, setzt sie sich an die Bettkante. Sie legt ihren Kopf in die offenen Hände. Ein Traum macht ihr zu schaffen. Sie träumt fast jede Nacht, nur sind die Träume schnell aus ihrem Kopf und sie erinnert sich nicht mehr an sie. Heute Morgen ist es anders.
Gerlinde hatte im Traum das Gefühl wieder zu Hause in Schlesien zu sein. Sie sah ihre Mutter über den Hof gehen. Erlebtes aus längst vergangener Zeit holte sie in ihren Träumen ein. Es tat weh, das Gefühl von Hoffnungslosigkeit; sie spürte es nach so vielen Jahre, als wäre es gerade passiert.
Der Weg ins Unbekannte war es, als sie im Treck mit vielen anderen Flüchtlingen einem Pferdewagen folgte. Sie lief dem Wagen mit den fremden Menschen einfach hinterher. Neben ihr die Mutter. Sie sagte kein Wort, seit sie ihren Hof verlassen mussten; lange blieb sie stumm. An diesem Morgen friert Gerlinde wie damals, sie hat das Hungergefühl von damals, alles ist wie damals.
Sie zieht die Bettdecke an sich, kuschelt sich hinein. Die Kälte spürt sie bis hin zum Nacken. Sie zittert. Im Traum suchte sie ihre Mutter, die sie nicht finden konnte. Gerlinde versuchte, im Traum nach ihr zu greifen, wollte die Mutter an die Hand nehmen. Sie griff ins Leere. „Wo ist meine Mutter?“, rief sie und lief im Traum dem Leiterwagen hinterher. Überall sah sie wie damals den Schmutz.
„Wo ist meine Mutter?“ Sie drückte ihre Hände wieder fest an ihre Augen. „Wo bin ich?“, schrie sie.
Von ihrer eigenen Stimme aufgeweckt, drückt sie ihre Hände noch fester ans Gesicht.
Halbwach will sie sich in den Traum zurückwagen, um die Mutter zu suchen. Die Augen hält sie weiter geschlossen. Sie findet die Mutter nirgends. Gerlinde erschrickt, sie kommt nicht zurück in ihren Traum. Die Tränen laufen ihr über die Wangen.
Die Hände noch vor ihren Augen festgedrückt, hat sie das Klopfen an ihrer Tür überhört.
Die Schwester zieht den Vorhang vom Fenster an die Seite.
„Guten Morgen, Frau Gerlinde“, grüßt sie und verschwindet wieder aus ihrem Zimmer.
Gerlinde ist zurück in der Realität. Sie bemerkt es im Halbschlaf. Sie spürt den Schmerz von Einsamkeit und wo sie sich befindet. Sie wollte bis zum Lebensende auf ihrem Hof bleiben.
Sie zieht sich die Bettdecke enger um ihren Körper und fühlt sich einsam wie nie …!
Wann haben wir uns damals nur getrennt? Gerlinde wird nachdenklich, sie kann sich nicht mehr daran erinnern.
Wieder denkt sie an die Mutter. Sie will nicht zum Frühstück. Sie will weiter nach dem Grund suchen. Sie hat keinen Anhaltspunkt Wo ist sie nur geblieben, die Mutter? Gerlinde hat auch kein Bild von ihr in ihrem Kopf. Wie sah sie nur aus?
Eingemummelt in der Bettdecke legt sie sich zurück in ihr Bett, streckt ihre Beine aus und versucht sich an das Gesicht ihrer Mutter zu erinnern. „Ich will zurück in meinem Traum.“
Doch es ist sie, sie selbst ist es, die sie mit geschlossenen Augen vor sich sieht. „Aber wo ist meine Mutter damals nur geblieben?“, flüstert sie vor sich hin und fällt vor Erschöpfung wieder in den Schlaf. Zur Mittagszeit werde ich mich anziehen und in den Speisesaal gehen, denkt sie, als sie sich die Bettdecke über den Kopf zieht.
Für Gespräche am Tisch ist sie allerdings nicht bereit. Obwohl Hilde sich mit sehr viel Mühe und Empathie um sie bemüht, um sie als Freundin zu gewinnen, dreht sie ihren Kopf in eine andere Richtung und weicht ihr somit aus.
„Dann eben nicht“, meint Hilde und sieht sie lauernd an. Irgendetwas geht in ihr vor, denkt sie und lässt sie in ihrer Welt. Werde ihr eine Salbe für die Hände besorgen, überlegt Hilde in diesem Augenblick und geht in die Eingangshalle, um sich in ihren Sessel zu begeben. Dort will sie dem Direktor auflauern, um nach einer Salbe für Gerlinde zu fragen.
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