Kitabı oku: «Hannah von Bredow», sayfa 2
Hannah von Bredows zweites Lebensjahrzent erfährt eine ausführlichere Beschreibung: „Bis auf den Schock von Papas Tod (1904), vom Tod meines sehr geliebten Großvaters Hoyos (beide starben drei Wochen voneinander entfernt) wohl meine vollkommen glücklichste Zeit … Dann kam der erste Versager. Ich wollte à tout prix, da ich mit 15 Jahren schon Primareife ohne Griechisch hatte, das Abitur in Hamburg machen, hätte dafür täglich hereinfahren und eine Schule besuchen müssen und das war ein unfasslicher Gedanke. Ich schob es also auf, bis 1910, wo ich 17 wurde; und da war ich den ganzen Sommer in Nehmten mit den Geschwistern, auch in Sirhagen, machte Kochkursus etc. und lernte wie eine Besessene bis nach Mitternacht alles, was für ein Gymnasium in Frage kam. Dann ließ mich Mama im November nach Wien kommen, wo sie in einem Sanatorium war und kleidete mich ein. Aufgalopp: Weekend-Party bei Auerspergs in Goldegg, bei Rohans in Albrechtsberg, Aufenthalt in Sooß, …“
Das Leben der 18-jährigen Hannah nahm dann weiter an Fahrt auf: „Winter 1911 in Berlin, Gasthörer auf der Universität, Hörer bei Wölfflin, Harnack, Erich Schmidt, massenhaft Gelehrte im Haus, Tanzstunde und als Abschluss schwere Masern. Ich verlor meine Haare, die in unerhörten Mengen vorhanden gewesen waren, und damit wohl, wie Samson, meine Energie.2 Denn ich versuchte noch einmal mit Mama das Abitur zu erreichen und sie erklärte mir, dass ich sie und die ganze Familie unglücklich machen würde, wenn ich nicht zu O’mama nach Wien ginge und die Spring Season mitmachte. Ich gab also nach und tanzte Nacht für Nacht in Wien, mit Hochgenuss, mit Vergnügen, mit einer immer steigenden Liebe zu sehr alten Männern, oh sehr, sehr alt, so 70 oder mehr, und ich wurde zu allen Dîners der Botschaften eingeladen, verließ alle ‚Comtessenfeste‘, lebte auf den Botschaften aller Länder, vergaß Abiturwünsche, las, las, las wie ein Narr alles Historische, alles Politische, alles was ich bekommen konnte und kam in ein wahres Feuer der Begeisterung. Als ich im Juli heimkehrte, war ich mir über eines klar, dass ich noch mehr Menschen kennen lernen und vor allem nach England fahren müsse.“
Hannah nutzte ihr Startkapital der drei Vater- bzw. Mutterländer Deutschland, Österreich und England bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 bei vielen Reisen und Verwandtschaftsbesuchen: „Das Leben wurde wirklich besser und besser, ich hatte das absolute Gefühl, dass es nur nette Leute gäbe, darunter amüsante und langweilige, aber im Grunde nur nette.“ Im Winter 1913 erlebte sie, 19-jährig in Berlin, „was man einen atemberaubenden Winter nennt, das kam durch das ‚double life‘. Denn ich machte alle Bälle für die Jugend und alle Dîners und Lunches für die Würdigen mit …“
Die ersten „Heiratsredereien“ kamen auf, „aber keine Verlobung, nur ein erpichter älterer Witwer, den ich sehr unterhaltend fand, und der für Tante Polly so reizend war. Dann 1914 im Sommer nach Kiel das letzte Fest in Friedrichsruh mit drei Männern, die Mama eligible fand, und die mich langweilten und mit dem Witwer, der so besonders gut tanzte und der mir so leidtat, wegen des mir unbekannten Kindes.“ Der gute Tänzer war Leopold von Bredow, den Hannah am 15. März 1915 heiratete.
Die Monate zuvor, besonders der Sommer 1914 in Kiel, bildeten zweifellos Höhepunkte im jungen Erwachsenenleben der Hannah von Bredow, einen unternehmungsreichen Ausklang der Jahre einer Junggesellin. Hannahs Tagebuch vom 14. März bis 21. Juni 1914 gibt auf über 100 engbeschriebenen Seiten erschöpfend Auskunft über diese bewegte Zeit mit nahezu täglichen Ortswechseln: „Berlin – Friedrichsruh – Nehmten – Friedrichsruh – Wien – Friedrichsruh – Victoria-Louise (Kiel) – Friedrichsruh – Marutendorff – Friedrichsruh – Schönhausen – Berlin – Friedrichsruh – Brandenburg und wieder Friedrichsruh – Heidelberg.“
Die turbulenten Monate begannen mit einer Einladung der preußischen Kronprinzessin Cecilie ins Russische Ballett im Berliner Kronprinzenpalais. Hannah fühlte sich „wohl und ganz hoheitlich“. Minutiös beschreibt sie die Garderobe, das Gebaren und die Eigenheiten einzelner Hofadeliger. Weniger hoheitlich erschien ihr indessen das Pausenbuffet in Gestalt von „Esswaren, bei denen roher Lachs und Sardellen, sowie Heringe und Salzgurken prädominierten; sie gaben einen penetranten Geruch von sich, der durch einige Käsebrote noch vermehrt wurde.“
Akribisch vermerkt Hannah ihre „sämtlichen Engagements“ bei den insgesamt 28 Bällen im Winter 1914, beginnend mit einem Ball im Hause des Diplomaten Carl von Schubert am 25. Januar und endend mit dem Kronprinzen-Ball am 18. März. Ebenso detailliert listet sie mit Namen die „ausgehenden Mädeln im Winter 1914“ ebenso auf wie die „jungen Frauen und jungen tanzenden Herren“, angefangen bei denen des Gardes du Corps über die Brandenburger Kürassiere bis zu den Diplomaten und Referendaren. Schließlich finden sich in ihrer Liste auch „untätige, wenig anziehende Leute, die manchmal auftauchten“.
Der Ballsaison in Berlin ließ Hannah einen einmonatigen Aufenthalt in Wien bei ihrer Großmutter Alice Hoyos, geb. Whitehead, folgen. Hier standen Theater- und Konzertbesuche, die Teilnahme an Sportveranstaltungen, Tanz- und Gartenfesten sowie Einladungen zu Frühstück, Mittag- und Abendessen in Gesellschaft von Wiener Prominenz im Mittelpunkt. Schließlich erreichte sie die Einladung zur Schiffstaufe der „Bismarck“ am 20. Juni 1914 in Hamburg.
Diese Einladung, ausgesprochen gegenüber Marguerite von Bismarck und den vier älteren Kindern, kam nicht von irgendwem, sondern von Kaiser Wilhelm II. persönlich. Hannah wurde nicht nur die Ehre der Einladung zuteil, des Kaisers Wunsch war vielmehr, dass Hannah „die Flasche schwingen und die Taufe vollziehen“ sollte. Nachdem die Flasche bei den Worten „auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers taufe ich dich ‚Bismarck‘“ unversehrt geblieben war, trat seine Majestät persönlich in Aktion. Er ergriff die Magnum von Kupferberg Gold und „schleuderte sie mit solcher Kraft und Geschicklichkeit gegen das Schiff, dass sie in tausend Stücke flog“. Hannahs Verlegenheit dämpfte er mit der Bemerkung: „Herren verstehen sich besser auf Sekt wie Damen, was?“
Im Anschluss an die Schiffstaufe in Hamburg konnte sich die Taufpatin Hannah gleich einer weiteren kaiserlichen Einladung erfreuen. In ihrem ausführlichen Tagebuch über dies Ereignis vermerkt sie: „Ich habe mir immer gerade das so sehnlich gewünscht, und nun als Kaisergäste auf dem Ballin’schen Schiff Viktoria-Luise, es wird gewiss köstlich.“ Sie und die drei Jahre jüngere Schwester Goedela „bekamen als Kaisergäste wunderbare Kabinen“ und am 26. Juni kamen sie von Hamburg „bei köstlichem Sommerwetter auf der Kieler Förde an“. Am Tag darauf war sie zum Kaiserdiner auf der Staatsyacht Hohenzollern, wo sich der Kaiser ihr mehr als eine halbe Stunde lang widmete: „Er war ganz fabelhaft gut aufgelegt und voller Witze.“
Am 28. Juni 1914 endete das ungetrübte Vergnügen, als Hannah die Kriegsschiffe in der Förde auf Halbmast geflaggt sah: Erzherzog Franz-Ferdinand von Habsburg war tot. Gerüchte, dass der Thronfolger von Österreich-Ungarn in Sarajewo an einem Herzschlag gestorben sei, bezweifelte Hannah sofort und wurde darin bestätigt, dass er einem Attentat zum Opfer gefallen war. „Selbstverständlich wurden alle Festlichkeiten sofort abgesagt“, erklärt Hannah zur ersten Reaktion. Das Attentat war maßgeblicher Auslöser des Ersten Weltkriegs und bedeutete nicht nur für Hannah eine tiefgreifende Zäsur im Leben.
Bis zu ihrem 21. Lebensjahr genoss Hannah auf Ausflügen, Ausritten, Tanzabenden, bei Vorträgen, Konzerten und Theaterbesuchen den Umgang mit den Söhnen und Töchtern der alten Familien des Guts- und Militäradels sowie mit den Spitzen des Groß- und Bildungsbürgertums. Auf Bällen bei Hof und in Botschaften, in hochadligen Palais und großen adligen Salons bewegte sie sich in den Kreisen der alten Hof-, Diplomaten- und Regierungseliten. In den besten Hotels und Restaurants Berlins nahm sie an geselligrepräsentativen Essen teil.
Verbunden mit einer aktiven Besuchspolitik beobachtete Hannah das Gesellschaftsleben in Berlin und dessen Aufstieg zur Kulturmetropole. Ihre Jugend konnte sie im „goldenen Zeitalter der Sicherheit“ (Stefan Zweig) verbringen: Seit ihrer Kindheit herrschte wirtschaftliche Hochkonjunktur, und viele Erfindungen und Entdeckungen wie die Röntgenstrahlen oder das Aspirin wurden gemacht. Das von den Engländern zur Abwehr deutscher Produkte verfügte Kennzeichen „Made in Germany“ wurde zum Gütesiegel. Die Kaiserzeit zeichnete ein nahezu grenzenloser Glaube an die Stärke und glorreiche Zukunft des Deutschen Reiches aus, zumal Literatur, Malerei und Musik in Blüte standen. Der Krieg stellte alles in Frage, und dennoch entschied Hannah im Frühjahr 1915, die Ehe mit Leopold von Bredow einzugehen.
Ehe in Zeiten des Umbruchs
„Mein Mann hat mich sehr lieb gehabt, und seine Kinder haben ihm das absoluteste Glück bedeutet, was einem Mann zuteil werden kann.“
(Hannah von Bredow an Sydney Jessen, Nr. 730 – Potsdam, den 4. April 1938)
Erstmals näher kennen lernte Hannah ihren zukünftigen Ehemann Leopold Waldemar von Bredow Mitte März 1914 im Berliner Hotel Adlon bei einer Soirée, zu der die Freifrau Ludovika von Stumm das Münchner Marionetten-Theater engagiert hatte: „Ah! Ah! Je später der Abend, desto schöner die Gäste; wie charmant, dass ich Sie hier treffe, meine gnädigste Gräfin,“ begrüßte er sie. Hannah war erstaunt, Leopold zu treffen, da er selten auf geselligen Veranstaltungen zu sehen war. Sie erlebte ihn an dem Abend als „wirklich sehr amüsant“. Durch Andeutungen über die Entfernung zwischen der Stadt Brandenburg, Leopolds Wohnsitz, und Friedrichsruh erweckte er bei ihr den Eindruck, als wäre ihm an einer Einladung in das Bismarck-Domizil gelegen. Auf Hannahs Antwort, wonach die Begegnung im Adlon wohl ihr letztes Beisammensein sei, reagierte Leopold „ganz melancholisch“.
Offenbar entschieden, befindet Hannah im Tagebuch unter dem 15. März 1914: „Solche Menschen sind in Berlin ganz nett, aber bei uns am Land! Ich rühre jedenfalls keinen Finger, um ihn herzubekommen.“ Zwei Monate später wurde ihr aber in Wien „insinuiert, dass ich von Molly Bredow sehr bewundert würde. Jedoch auch dieses wies ich natürlich von mir und glaube, dass ich bis auf weiteres nicht mehr beunruhigt werde.“
Leopold von Bredow, auch Molly genannt, war aber hartnäckig. Geboren im Jahre 1875 im brandenburgischen Bredow, war er seit 1912 als Rittmeister bei den Gardekürassieren in Brandenburg an der Havel stationiert und nutzte jede Gelegenheit, nach Berlin zu fahren, um auch Hannah bei ihren häufigen Aufenthalten im Winter dort zu treffen. In Brandenburg hatte er mit 17 Jahren die Ritterakademie absolviert, war im Jahre 1893, also im Geburtsjahr von Hannah, mit 18 Jahren Leutnant geworden und diente Prinz Georg von Preußen als 20-jähriger für zwei Jahre als Adjutant. Der Prinz lebte sowohl in Berlin wie in seiner Eigenschaft als Militärgouverneur der Rheinlande in Koblenz. Er galt als Schöngeist, veröffentlichte unter Pseudonym Dichtungen und Theaterstücke und förderte als Protektor wie als Präsident Museen sowie wissenschaftliche Einrichtungen. Von Leopold von Bredow forderte er umfangreiche Literaturrecherchen und förderte dessen von Hannah später geschätzte schöngeistige Interessen.
Die Kriegstrauung Hannah von Bismarcks mit Leopold von Bredow fand in kleiner Gesellschaft, im Rahmen der Familie, am 15. März 1915 in Friedrichsruh statt. Noch vier Jahre zuvor hatte Mutter Marguerite ihrer Schwester Polly gegenüber Zweifel geäußert, ob Hannah wohl einen Ehemann finden könne: „Es wird sowieso schwer sein, sie in Deutschland zu verheiraten. Sie ist so klar, so selbständig, so sicher, so zuverlässig, aber so gar nicht das, was die Deutschen lieben, so ganz und gar nicht feminin.“ Hannah habe „alle Eigenschaften eines ideal eldest son“ und sie frage sich auch, ob „ein Mann so ein Kind lieben könnte trotz allem, was sie entstellt.“
Marguerites Schwester Lily dagegen sah für Hannah durchaus Chancen, wenn auch mit Einschränkungen: „Sie kann nur einen älteren Mann heiraten, denn sie ist viel zu klug und brillant für einen jüngeren. Sie ist zu sehr eine heranwachsende große Dame. Auch muss man sie zum Trinken ans Wasser bringen, denn sie weiß absolut nicht um ihre Attraktivität.“ Leopold von Bredow war der von Lily empfohlene ältere Mann, der zudem aus einer alten Familie stammte, die wie die bismarcksche ins 13. Jahrhundert zurückreichte.
Leopold beeindruckte Hannah durch seine Erfahrung und Weltläufigkeit, sein Kunstverständnis und seinen Charme. Nicht zuletzt konnte er Hannah auch wegen ihrer ausgeprägten Kinderliebe für die Ehe mit ihm gewinnen, denn er brachte die im Jahre 1906 geborene Friederike „Didi“ in sie ein. Sie entstammte der ersten Ehe Leopolds mit Frances, der Tochter des US-Senators für Nevada, Francis G. Newlands. Vor der Eheschließung im Jahre 1905 war Leopold dem Militärattachéstab der deutschen Gesandtschaft in Washington zugeteilt gewesen.
Die erste Ehe Leopolds währte nur kurz, denn im Sommer 1907 verstarb Frances nach längerer Krankheit in Potsdam. Sie hinterließ Leopold die gemeinsame Tochter Didi und zudem ein beachtliches Vermögen. Somit brauchte Marguerite von Bismarck sich um ihre Tochter keine Sorgen zu machen: „Hannah ist leider gar nicht reich“, schrieb sie ihrer Schwester Polly im Jahre 1911, „dabei muss sie in den größten Rahmen, den man sich vorstellen kann, heiraten.“
In der kleinen Garnisonsstadt Brandenburg an der Havel, Leopold von Bredows Kürassierstandort, vermisste Hannah den Glanz und das gesellschaftliche Leben von Berlin und Wien. Auch musste sich die Zeit des besseren Kennenlernens im Krieg auf die wenigen Fronturlaube des Ehemanns beschränken. Später machte sie sich zum Vorwurf, dass sie nicht dem Vorbild einer Freundin gefolgt war und Sanitätsdienst an der Front geleistet hatte. Stattdessen sorgte sie dafür, „Mama und Tante Polly und Onkel Ludwig durch den Krieg zu lotsen“.
Ab 1916 galt Hannah von Bredows Sorge nicht nur der zehnjährigen Didi, denn die erste Tochter des Ehepaars, Marguerite, wurde geboren. Für eine Übergangszeit und kurz nach Kriegsende lebte die Familie in Friedrichsruh. Im Jahre 1919 musste Leopold von Bredow seine Militärkarriere aufgrund der Auflagen von Versailles zur Reduzierung der Reichswehr beenden. Ab diesem Jahr wäre die Familie finanziell allein auf Leopolds Offizierspension angewiesen gewesen, da das ererbte US-Vermögen eingefroren war. Hannah dagegen ermöglichte eine Erbschaft den Kauf eines Hauses, der Villa Ysenburg in der Potsdamer Wörtherstraße, der heutigen Menzelstraße, und den Umzug dorthin. In den folgenden Jahren brachte Hannah vier weitere Mädchen und drei Jungen zur Welt, sodass sie insgesamt neun Kinder zu versorgen hatte. Diener, Haus- und Küchenmädchen sowie Erzieherinnen erleichterten ihr die Aufgaben trotz finanzieller Engpässe, die auch zur Aufnahme von Krediten und Verkäufen zwangen.
In Deutschland herrschte seit Kriegsende im November 1918 eine Inflation, die ab 1922 außer Kontrolle geriet: Der Wert des US-Dollars, der Ende des Jahres 1921 noch 185 Reichsmark betrug, war Ende Mai 1923 bereits auf 70.000 Reichsmark gestiegen. So konnte Hannah mit 20 Dollar, die sie von amerikanischen Verwandten erhalten hatte, mühelos ihre Bankschulden begleichen. Weite Kreise der Bevölkerung konnten sich nach der goldenen Ära der Sicherheit im Kaiserreich mit der Republik, die für sie Ausdruck von Brüchen und Widersprüchen zwischen Tradition und moderner Welt war, nicht anfreunden.
Die alte Welt war gerade für den Adel aus den Fugen geraten und dieser zeigte tiefe Skepsis gegenüber dem Parteienwesen und den Erscheinungen des modernen Lebens. Zerstreuungen und Beliebigkeiten zeichneten die unübersichtlich gewordene Welt aus. Das Leben in Berlin Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre glich einem Tanz auf dem Vulkan. Berlin war eine brodelnde Metropole mit Weltflair, in der das kulturelle Leben in zahllosen Theatern, Konzertsälen, Kabaretts, Bars und Cafés aufblühte. Doch die wachsende wirtschaftliche Notlage und die hohe Arbeitslosigkeit brachte extremen Parteien wie den Kommunisten und Nationalsozialisten großen Zulauf.
Ihre finanzielle Durststrecke konnte die Familie von Bredow erst im Jahre 1928 beenden, nachdem Leopolds amerikanisches Erbe freigegeben worden war. Das Potsdamer Haus wurde umgebaut, und Leopold erwarb das Chalet L’Espérance im Schweizer Les Diablerets. Dort verbrachte die kinderreiche Familie über viele Jahre die Sommerferien. Das Vermögen erlaubte Hannah und Leopold von Bredow darüber hinaus, Mitte Februar 1930 zu einer halbjährigen Weltreise mit einem langen Aufenthalt in den USA aufzubrechen.
Während dieser Reise schildert Hannah von Bredow ihrem Briefpartner Sydney Jessen parallel zu ihren Tagebucheintragungen auf vielen Seiten, neben ihren Eindrücken von Städten, Museen und der Natur, besonders ihr Bild von der amerikanischen Gesellschaft. Dank Leopolds früherem langjährigem US-Aufenthalt und seinen seinerzeit auch durch Senator Newlands erworbenen Bekanntschaften erhielt das Ehepaar auf jeder Station seiner Reise unzählige Einladungen in Clubs, Salons oder Restaurants.
Besonders fiel Hannah von Bredow in den USA auf, dass „auf Gesellschaften, die in Deutschland als altmodisch verschrieene, ‚reinliche Scheidung der Geschlechter‘ an der Tagesordnung ist, und kein Mann, es sei denn er sei Ausländer oder ein Greis einer Frau in die Nähe geht.“ Die Männer seien „gewiss Sklaven der Frauen, haben auch alle diesen unfreien Blick, aber sie lassen sich doch nicht mehr wie früher zum Courmachen gewinnen, sondern drücken sich einfach, um zusammen ‚fach‘ zu ‚simpeln‘.“
Freimütig schildert Hannah von Bredow in ihren Briefen aus Amerika, wie unverblümt dort ihre große Kinderzahl beurteilt wurde. So habe eine Dame der Gesellschaft, „von einer unverwüstlichen Energie, sehr witzig, laut und vulgär“, sie direkt gefragt, warum sie sieben Kinder habe, ob sie nichts über Geburtenkontrolle lese und ob alle Kinder von Leopold seien. Hannah überging die Fragen, die die „Dame“ schreiend über den Tisch an sie gerichtet hatte.
Ein Mr. Robinson sprang ihr bei, und Hannah zitiert den Dialog: „Now don’t be too funny Mrs. McKin!“ – „Oh, just you be quiet, I’m sure that nice von Bredow can’t have been fool enough to have 7 children of his own“ – „He has eight as far as I know!“ erwiderte Robinson. Dann: „Well, tell me, why don’t you go to a beautyparlor! It´s time you started, it really is! You must think of your husband!“. Aber auch von männlicher Seite erfuhr Hannah einen Kommentar, den sie in ihrem Brief in seiner Offenheit als verblüffend bezeichnet: „I hear from your husband that you have actually had seven children! Only niggers breed that way with us!“ Dem Bericht Hannah von Bredows entsprechend schwieg Ehemann Leopold hierzu. Wieder einmal musste sie sich damit trösten, dass sie im Gegensatz zu ihrem Vater über „the thickest skin ever worn by man, woman or child“ verfügte.
Bereits als Jugendliche hatte Hannah ihre Vorliebe für eine eigene große Familie bekundet. Während sie selbst mit vier Geschwistern aufwuchs, teilte sich Ehemann Leopold das Elternhaus mit sechs Brüdern und Schwestern. Bei einem Besuch der Familie Whitehead in Efford House bei Liverpool erzählte die 18-jährige Hannah im Jahre 1912 der Großmutter von ihrer Liebe für Babys und kleine Kinder und erklärte, dass sie spätestens in drei Jahren heiraten werde. Sie wolle so schnell wie möglich ein Dutzend Kinder haben, ergänzte sie, und endete mit der verblüffenden Bemerkung, dass sie eine große Familie für erforderlich halte, „because a man is only bearable when one has him surrounded by lots and lots of children. That keeps him happy.“
Ehemann Leopold zeigte sich indessen mit neun Kindern, denen er sich mit viel Zuneigung widmete, vollauf zufrieden. Im Alter von 40 Jahren konnte Hannah dann nicht mehr daran denken, das Dutzend Kinder voll zu machen. Den letzten Sohn Leopold Bill erlebte Leopold von Bredow vor seinem Tod am 1. Oktober 1933 nur noch wenige Monate.
Das Eheleben von Hannah und Leopold von Bredow war nicht ungetrübt. Ohne die Möglichkeit, seinem Beruf nachgehen zu können, widmete Leopold sich zunehmend dem Besuch von Clubs, Pferderennen, dem Golfspiel und ausgiebigen Jagdreisen. Versuche zu einer Tätigkeit in einer Reitschule sowie in einer Bank scheiterten an seinem unsteten Leben. Er schätzte das gesellige Leben, und sein Charme machte ihn zu einem gern gesehenen Gast. So war er auch mit dem Kunstsammler, Mäzen und Schriftsteller Harry Graf Kessler befreundet und traf sich mit ihm zur Jagd oder zu Opernbesuchen. Hannah von Bredow dagegen bevorzugte das reiche Kulturleben Berlins und die regelmäßigen Besuche von Theater, Konzerten und Vorträgen. Ihre große Kinderzahl hielt sie nicht von Reisen zu Verwandten und Freunden, von Einladungen zu Mittags- und Abendveranstaltungen oder eigenen Einladungen in ihr offenes Haus ab.
Zurückgekehrt von ihrer Reise in die Neue Welt, feierte die Familie am 31. Oktober 1930 in Potsdam mit einem großen Familienfrühstück den 55. Geburtstag Leopolds. Kurz darauf reiste dieser mit Freunden zur Jagd nach Tamsweg ins Salzburgerland, und Hannah befürchtete am Abreisetag: „Er wird sicher krank zurückkommen.“
Tatsächlich fand Hannah ihn nach seiner Jagdreise Ende November 1930 „zum Skelett abgemagert, sehr reizbar“ vor. Zudem hatte er sich einen Knochenbruch zugezogen. Sie brachte ihn in eine Klinik, wo er erfolgreich operiert wurde. Im Herbst des Jahres 1931 ereilte Leopold von Bredow dann eine Blinddarmentzündung, die eine schwierige Operation mit Reanimierung zur Folge hatte. Eine längere Kur schloss sich an, zu der Hannah ihn begleitete.
Mitte Mai 1932 erkrankte Leopold erneut mit hohem Fieber, welches sich über einen Monat hielt und den Ärzten keine klare Diagnose ermöglichte. Als sich im Sommer Hustenanfälle verstärkten, wurde eine Lungenentzündung festgestellt. Seinen 57. Geburtstag musste Leopold von Bredow dann im Oktober 1932 im Krankenhaus verbringen. Nach einer Phase der Beruhigung stellten sich im Frühjahr 1933 heftige eitrige Blutungen ein, Zeichen eines Lungenödems. Ende April lieferte Hannah ihren dennoch „merkwürdig frischen und aufgeräumten“ Mann in die Klinik Martinsbrunn in Meran ein und blieb zunächst drei Wochen bei ihm.
Hoffen und Bangen bestimmten die kommenden Monate. Anfang Juli 1933 traf Hannah von Bredow wieder in Meran ein und schrieb, dass sich Leopolds Befinden von Tag zu Tag bessere und er „wirklich Aussicht auf Genesung“ habe. Ende Juli heißt es im Tagebuch: „Leopold wunderbar munter und lustig. Kinder alle so nett. Wie er Billy liebt. Gott wolle doch in Gnaden geben, dass er wirklich gesund wird, denn er ist so froh, und das ergreift mich aufs Tiefste. Und wie er die Nazis hasst.“
Mitte September wurde Leopold von Bredow in eine Spezialklinik nach Lausanne verlegt, in die Hannah am 30. September eilte, um einen Tag darauf festzuhalten: „Sonntag, 1. Oktober 1933. Es ist Nacht und alles vorbei. Leopold ist in qualvollster, grauenhaftester, fürchterlichster Weise gestorben. Um 9.15 trat der Tod ein. Ich werde nie, nie, nie das Grauen loswerden.“
Die Ärzte diagnostizierten als Todesursache Encephalitis lethargica, eine besondere Form der Hirnhautentzündung. Voller Empathie schreibt Hannah von Bredow ihrem Briefpartner Sydney Jessen zwei Tage nach Leopolds Tod: „Wenn ich nie Kinder bekommen hätte, hätte ich dies nicht ertragen können, aber auch so – ich kann eben nicht zuschauen, wenn andere leiden.“ Und sie ergänzt: „Er war gerade diesen Sommer mit dem Wunderbaby so selten glücklich, vielleicht so, wie noch nie, und ich hätte ihm ehrlich und herzlich diese Herbstferien, auf die er sich rasend freute, so gegönnt.“
Ende Oktober 1933 reiste Hannah von Bredow zur Eröffnung von Leopolds Testament in die USA. Unterwegs gedenkt sie am 31. seines Geburtstags: „Heute wäre Leopold 58 Jahre alt geworden. Ich kann und kann es nicht aushalten, bin so allein.“ Jedes Jahr legt sie zu Leopold von Bredows Geburtstag Blumen am Grab im brandenburgischen Sacrow nieder, erinnert in Tagebuch und Briefen an seinen Todestag und schreibt am 15. März 1935: „Vor 20 Jahren Ehe. Die Kinder machen mich ewig glücklich.“ Briefe und Tagebücher lassen aber auch erkennen, dass Leopold von Bredow seiner Frau in den 18 Ehejahren angesichts zunehmend sichtbar werdender unterschiedlicher Interessen und Hannahs selbstbewusster und unangepasster Lebensgestaltung viel abverlangte.
Leopold von Bredow kritisierte nicht nur unter vier Augen die ausgeprägte Redefreudigkeit seiner Frau und ihren Hang zu hartnäckig und ausdauernd geführten politischen Gesprächen. Besonders auf der Weltreise forderte er sie auch in Gegenwart Dritter zur Eindämmung ihres Redeflusses auf und gab das Stichwort für wenig erfreuliche Kommentare zum Kinderreichtum des Paares. Eifersucht hatte zweifellos einen maßgeblichen Anteil an Leopold von Bredows Verhalten, zumal Hannah in Gesellschaft bevorzugt mit älteren Männern gleichermaßen eloquent in Deutsch, Englisch und Französisch sprach und diskutierte, und ihre Ansichten von diesen so anerkennend wie bewundernd kommentiert wurden.
Eifersucht spielte auch eine Rolle, als Leopold von Bredow mit Hannah die halbjährige Weltreise unternahm. Es war im sechsten Jahr der Bekanntschaft und ununterbrochenen Brieffreundschaft Hannahs mit Sydney Jessen. Dieser war zwar nur ein gutes Jahr älter als Hannah, bestimmte aber ihr Denken und ihre Gefühlswelt in einem besonderen, für einen Ehemann durchaus beunruhigenden Maße. Die Weltreise sollte Hannah von Bredow Abstand zu Sydney Jessen verschaffen. Hannah indessen, schon an Bord des Passagierschiffes Hamburg, teilte Jessen am 17. Februar 1930 mit, dass sie ihm „von dieser ersten langen Seereise eine Art Tagebuch schreiben“ werde. Sie beließ es nicht bei täglichen Berichten über die lange Seereise, sondern schickte Jessen auch von den Landstationen wöchentlich bis zu 50 handgeschriebene Seiten mit ihren Eindrücken und Urteilen.