Kitabı oku: «Steinzeit-Astronauten», sayfa 3
UNGEKLÄRTE FELSINSCHRIFT
Im nördlichsten Teil der Brandenberger Alpen in Tirol, nahe der Grenze zu Bayern, erhebt sich das Rofan-Gebirge mit dem 1.811 Meter hohen Schneidjoch. In einer Felsspalte haben die Räter ihr ältestes Sprachdenkmal hinterlassen. Es befindet sich auf 1.500 Metern Höhe am Fuße einer senkrecht nach oben steigenden Felstafel, die „Steinberg“ genannt wird. Im Sommer 1957 kletterten die Tiroler Bergwanderer Walter Riedl und Franz Schmid im Achensee-Gebiet. Dabei entdeckten sie die kleine Höhle mit Inschriften. Genauer gesagt war es eine Wiederentdeckung. Die alten Schriftzeichen waren lange in Vergessenheit geraten und wurden vorher nie wissenschaftlich untersucht. Das gelang erst 1958 dem Sprachforscher Emil Vetter mit seiner Studie über „Die vorrömischen Felsinschriften von Steinberg in Nordtirol“.
Im Tiroler Rofan-Gebirge versteckt sich ein rätisches Geheimnis.
Quellgrotte nahe dem Schneidjoch
Etruskisch-rätische Inschriften
Die bis zu zwei Meter langen Schriftbänder sind in acht Zeilen festgelegt und bestehen aus über hundert Buchstaben, die jeweils etwa zehn bis 15 Zentimeter groß sind. Die meisten Texte werden dem nordetruskisch-rätischen Alphabet der La-Tène-Zeit (der zweite Abschnitt der europäischen Eisenzeit) zugeordnet. Starke Verwitterung, gewaltsame Beschädigungen und spätere Überschreibungen erschweren die Lesbarkeit. Sie erfolgt aus heutiger Sicht seitenverkehrt, nämlich von rechts nach links beziehungsweise von oben nach unten.
Der Arzt und Wissenschaftler Dr. Hans-Walter Roth aus Ulm in Baden-Württemberg brachte es ans Licht: Die Räter haben am Schneidjoch deutlich sichtbare Texte hinterlassen, aber es sind nicht die einzigen. Bei der Untersuchung der Felswand mit modernster digitaler Fototechnik, Laservermessung und Kontrastverstärkung konnte der Forscher etwa 200 weitere Gravuren nachweisen. Für Roth steht fest, dass das rätische Felsennest bereits in der Bronzezeit, wahrscheinlich sogar noch früher, ein bedeutsamer Rastplatz gewesen ist. Erst später hinterließen Etrusker, Räter, Römer, Kelten, Goten und Wanderer aus dem Mittelalter sowie der jüngeren Geschichte Spuren ihrer Anwesenheit.
Was lockte Menschen der Vorzeit den steilen Pfad hinauf zur Halbhöhle, die wie ein Dreieck in den Berg eingeschnitten ist? Archäologen vermuten ein altes Quellheiligtum, denn aus dem Felsspalt sprudelt Wasser. Vor der Kultstätte könnte sich ein Versammlungsplatz für Zeremonien befunden haben. Von einem Plateau davor ist heute nichts mehr zu bemerken. Es soll durch einen Felssturz vor mehr als drei Jahrhunderten zerstört worden sein. Könnten sich unter den meterdicken Steinplatten noch weitere noch unentdeckte Schriftgravuren befinden?
Die im Spalt geschützten textlichen Zeugnisse haben sich hinübergerettet in die Gegenwart. Man kann sie großteils entziffern, aber ganz schlau wird man daraus trotzdem nicht. Seit ihrer Entdeckung geben sie der Wissenschaft Rätsel auf. Die meisten Historiker deuten den Inhalt als Dank- und Weiheformel an den Gott Kastri für geschöpftes Wasser. Dieser himmlische Gebieter soll eine Schutzgottheit für Reisende gewesen sein, die dem etruskischen Kustur beziehungsweise dem griechischen Kastor entsprach. Der Forscher Eduard Gugenberger erkennt „eine dem etruskischen Apulu und griechischen Apoll verwandte Sonnengottheit“.
Eine umstrittene Übersetzung der rätischen Inschriften erläutert, dass mehrere Personen dem göttlichen Kastri geopfert haben. Da bis auf eine Ausnahme alles Frauennamen zu sein schienen, wurde spekuliert, ob das Schneidjoch im Altertum ein heimlicher Treffpunkt für Priesterinnen gewesen sein könnte. Die Deutung als Lobpreisung für Gott Kastor hält der an der Universität Wien tätige Linguist Dr. Stefan Schumacher indes für einen „Irrweg“. In seiner 2004 veröffentlichten Studie wird deutlich, dass die Namen als „Patronymika, also Vatersnamen“, entziffert werden können. Demnach sollen ein Mann namens „Kastrie Etuni“ und später seine Söhne rituelle Handlungen vorgenommen haben. „Welcher Art diese waren, wissen wir nicht“, räumt Dr. Schumacher ein, „die Inschrift nennt nur Namen, wie oder was sie welchen Göttern geopfert haben, wurde nicht aufgeschrieben.“ Um dem Räter-Heiligtum moderne Ergänzungskritzeleien zu ersparen, wurde es zum europäischen Kulturdenkmal erklärt und ist mit einem Gitter abgesperrt. Welchem Zweck diente also die Felsnische? War es ein Quellheiligtum, ein Opferplatz, eine spirituelle Stätte der Inspiration, ein Kultplatz der Fruchtbarkeit, ein astronomischer Beobachtungsposten oder ein Symbol für den Sitz der Götter? Wie die Götter- und Geisterwelt der Räter wirklich aussah, lässt sich nicht mehr feststellen. Es gibt keine schriftlichen Überlieferungen der rätischen Mythen. Bei einigen kurzen Texten fehlen selbst dem Sprachwissenschaftler die Worte: „Sie lassen sich zwar gut erkennen, es werden dabei aber Schriftzeichen verwendet, die man von keinem anderen Fund her kennt.“ Seltsam. Könnte die Vergleichsanalyse mit camunisch-rätischen Schriften und Felsgrafiken aus Val Camonica hilfreich sein?
Keltisches Schriftband: Weiheopfer, Götterhuldigung oder astronomisches Wissen?
Markanter Blickpunkt auf dem Weg zum Runenheiligtum: der 2.194 m hohe Guffert
AUFSTIEG ZUM SCHNEIDJOCH
Ostern 2014 in Tirol: Die Christenwelt feiert die Auferstehung ihres Erlösers, Osterfeuer bringen Segen, die Dorfkirchen sind mit Heiligen Gräbern geschmückt, bunte Lichtkugeln erhellen die Altarräume stimmungsvoll und überall duftet das Ostergebäck. Die Eiersuche entfällt. Mit Freundin Elvira entschließe ich mich, einen lang gehegten Wunsch in die Tat umzusetzen: die Inspektion der rätischen Inschriften am Schneidjoch. Obwohl ich immer wieder gerne und oft im Tiroler Land verweile, viele Merkwürdigkeiten und Erscheinungsorte in meinen Büchern dokumentiert habe, gelang es mir in all den Jahren nie, eine Wanderung zum Schneidjoch zu realisieren. Diesmal sollte es endlich gelingen.
Wir reisen am Karsamstag von Innsbruck mit der Bahn nach Jenbach im Bezirk Schwaz. Von hier geht es per Bus hoch hinauf zum Achensee, der anmutig zwischen den schroffen Bergen des Rofans und dem markanten Karwendel liegt. Unser Quartier befindet sich auf über 900 Metern Seehöhe am hintersten Zipfel der Ortschaft Achenkirch. Die Sonne lacht. „Vor wenigen Tagen war die Landschaft noch mit Eis und Schnee bedeckt“, versichert die Vermieterin unserer Ferienwohnung. Wir erhalten Leihfahrräder und nützen einen spontanen Termin mit Gerald Siebenhofer. Der Revierleiter der Bundesforste kennt jeden Stein der Region. Er vertraut uns ausnahmsweise sogar den Schlüssel zum „Sesam, öffne dich!“ an, bezweifelt aber, dass wir die Felskerbe tatsächlich finden werden. Die Wandersaison beginnt erst im Mai, am Schneidjoch liegt noch meterhoch der Schnee und die Wetterbedingungen können in den Bergen schnell umschlagen. Wir sehen uns als Glücksritter, die das Abenteuer trotz berechtigter Skepsis wagen wollen. Ostersonntag: Die Glocken läuten. Unsere Rucksäcke sind gepackt, Proviant und Regenschutz haben wir dabei. Wir rechnen mit einem vierstündigen Aufstieg. In aller Herrgottsfrühe strampeln wir mit unseren Mountainbikes los Richtung Steinberg am Rofan. Nach wenigen Kilometern sind wir beim Parkplatz Köglboden angelangt. Hier folgen wir einem Forstweg, der entlang des Ampelsbaches als Geologie-Lehrpfad fünf Kilometer durch die wildromantische Schlucht führt. Als wir auf 1.200 Metern Höhe die Schneegrenze erreichen, geht es nur mehr zu Fuß weiter. Wir marschieren bis zu einer Weggabelung. Ein Schild weist zur „Gufferthütte“ (auf 1.465 Metern Höhe), die um diese Jahreszeit noch keine Gäste empfängt.
„Sesam-öffne-dich!“ dank Unterstützung der Österreichischen Bundesforste
Weit und breit keine Menschenseele. Wir halten uns am Pfad rechter Hand mit dem Hinweisschild „Steinberg“ und „Inschriften“. Vom Wanderweg ist nichts zu erkennen, alles ist schneebedeckt. Einen knappen Kilometer gilt es noch zu bewältigen. Teils im Schnee versinkend erreichen wir mühsam eine Weidefläche, Luderalm genannt, die in einem lang gezogenen Bogen zu einer markanten Felswand führt – dem Steinberg. Die letzten hundert Meter müssen wir eine Wasserfassung überwinden und im Zickzackkurs klettern. Trotz Frostwetter kommen wir Sonntagsforscher ordentlich ins Schwitzen. Dann erblicken wir erleichtert die Felsspalte hinter der Gitterabsperrung. Die Schriftzeugnisse sind bereits von außen gut erkennbar, aber nur dank des Türöffners war es uns möglich, selbst Gravuren im finsteren Winkel in Augenschein zu nehmen. Osterwunder sei Dank!
SIEBENGESTIRN, STIER UND EIN „STRAHLENPFERD“
Die Schriftzeichen in der kleinen Halbhöhle sind beeindruckend. Daneben erkennen wir Symbole, die uns bereits bekannt sind: sieben punktförmige, im Kreis angeordnete Markierungen. Die gleiche Darstellung findet sich auf der rund 4.000 Jahre alten Himmelscheibe von Nebra! Sie wurde 1999 in einer Steinkammer in Sachsen-Anhalt gefunden. Seit 2002 gehört sie zum Bestand des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. Die Bronzeplatte gilt als eine der ältesten konkreten Himmelsdarstellungen. Eine darauf abgebildete Gruppe von sieben kleinen Plättchen wurde als Sternhaufen der Plejaden identifiziert, die zum Sternbild Stier gehören.
Wissen oder Kult? Die Frage stellt sich ebenso bei den berühmten Felsmalereien in der Höhle von Lascaux im französischen Département Dordogne. Vor 17.000 Jahren wurde das Höhlensystem mit Hunderten Tierdarstellungen in leuchtenden Farben ausgestaltet. Das gewaltigste Deckengemälde zeigt einen 5,5 Meter großen Auerochsen. Oberhalb seines Nackens befinden sich auf der Wand sechs Punkte, denen von Archäologen wenig Beachtung geschenkt worden war. Für den deutschen Astronomen Michael Rappenglück sind diese Flecken keine Verzierungen, sondern der Schlüssel zu einer astronomischen Interpretation der Malerei. Seiner Ansicht nach repräsentieren die Markierungen auch in diesem Fall die Plejaden. Das „Siebengestirn“ hätte hier nur sechs Sterne. Allerdings: In manchen Kulturen und historischen Darstellungen werden nur sechs Sterne zu den Plejaden gerechnet. Der Grund dafür ist der Stern Pleione. Er verändert seine Helligkeit in unregelmäßigen Abständen. In der Lascaux-Höhle ist der Stierkopf zusätzlich mit dunklen Punkten gesprenkelt, wobei ein größerer Punkt das Auge darstellt. Das kann kein Zufall sein, meint Rappenglück, denn auf alten Sternenkarten liegen die in einer klaren Winternacht für jeden Himmelsgucker gut sichtbaren Plejaden auf dem „Schulterblatt“ des Sternbildes Stier. Der Wissenschaftler entdeckte nach genauer Vermessung weitere astronomische Bezugspunkte, die verblüffend mit dem sogenannten „Sommerdreieck“ übereinstimmen. Es wird durch die Sterne Deneb, Vega und Altair gebildet. „Eine Karte des prähistorischen Kosmos“, glaubt Rappenglück. „Möglicherweise dienten die Bilder weniger magischen als ganz prosaischen Zwecken.“
Das Sternbild der Plejaden erinnert auffällig an eine Gravur im Tiroler Quellheiligtum.
Beispiele für frühe astronomische Kenntnisse: Konstellation der Plejaden, eingearbeitet in die bronzene Himmelsscheibe von Nebra und als Wandmalerei in der Höhle von Lascaux
Und am Schneidjoch? Liefern die Gravuren ebenfalls reale Anhaltspunkte dafür, dass der hohe Felsenpunkt als vorgeschichtliches Observatorium diente? Könnten die Gravuren und Inschriften als himmlische Wanderkarte enthüllt werden? Noch ein vertrautes Zeichen springt ins Auge: ein Halbbogen und darüber kurze parallele Striche, die wie ein „Strahlenkranz“ angeordnet sind. Ein göttliches Zeichen? Das Symbol ist weltweit bekannt. Eine fast identische Zeichnung findet sich als Geoglyphe auf einem Berghang in der Wüste von Nazca in Peru. Der „kleine“ Unterschied: Dort ist das „Strahlenmännchen“ zweihundertfach größer im Stein verewigt worden. Die Grafik am Schneidjoch misst gerade einmal zehn Zentimeter.
Daneben sind noch andere Punkte und Kerben eingraviert, teils überschrieben mit modernen Initialen und Jahreszahlen. Ob sie mit der „Strahlen“-Ritzung ein zusammengehöriges Motiv bilden sollten, ist nicht mehr klar erkennbar. Viele Archäologen deuten die Zeichnung als „Pferd mit Reiter“. Franz Mandl, Gründer des alpinen Forschungsvereins ANISA, zweifelt an dieser Auslegung. 2010 notierte er: „Beinahe alle Linien und Kerben sind in den letzten Jahren im Rahmen von unsachgemäßen Dokumentations- bzw. Forschungsarbeiten mehrfach mit Bürsten und scharfen Gegenständen gereinigt und mit Silikon und anderen Materialien abgezogen worden, was dem Original geschadet bzw. dieses zerstört hat.“ Nach der Einschätzung des Felskunstexperten fehlen der „Reiter-Darstellung“ wichtige Teile: „Weder der Reiter noch das Pferd sind klar zu erkennen.“ Franz Mandl erweitert den Interpretationsreigen und fragt: „Könnte der Bogen mit dem Strahlenkranz nicht ebenso ein Auge, ein Sexualsymbol oder die Sonne symbolisieren?“
Das „Strahlenpferd“ vom Schneidjoch
Detail der Rätselschrift aus der Felsspalte am Rofaner Steinberg
Wäre auch die Hypothese „Himmelsgott“ zulässig? Elvira und ich haben mehr gesehen, als wir uns erträumten. Wir sind fasziniert vom Vermächtnis der Räter und ihrer Vorfahren. Inzwischen ziehen am Horizont dunkle Wolken auf und uns wird schlagartig bewusst, dass wir noch einen langen Abstieg vor uns haben. Wir erreichen im strömenden Regen unsere Fahrräder und radeln geschwind zurück nach Achenkirch. Wir sind tropfnass, erschöpft, aber glücklich wieder in unserer Herberge angelangt. Diese Ostern werden uns unvergessen bleiben!
Mein Tipp für Nachahmer: Die Wanderschuhe und Mountainbikes erst mit Saisonbeginn im Lenz auspacken! Wem der Tagesausflug zum Schneidjoch zu beschwerlich ist, kann im Kellergeschoß des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum einen Gipsabdruck der rätischen Inschriften besichtigen. Ein Ersatz für Erlebtes und Gesehenes in der Natur ist damit freilich nicht gegeben. Da liegen im wahrsten Sinne des Wortes Welten dazwischen …
Merkwürdige Musterbilder
VOM HIMMELREICH ZUR MAGISCHEN SCHAUFEL
Einmal Himmelreich und zurück? Nichts leichter als das. Ein Ausflug nach Innsbruck genügt. Wer es romantisch liebt, leiht sich in der Tiroler Landesmetropole einen Drahtesel und strampelt etwa dreizehn Kilometer entlang des Innradweges Richtung Schwaz. Zwischen den Ortschaften Volders und Wattens stößt man rechter Hand auf einen bewaldeten, 643 Meter hohen Hügel. Er trägt den herrlichen Namen „Himmelreich“. Steil himmelwärts geht es in der Tat. Knapp eine halbe Stunde dauert die Wanderung zur Kuppe, auf der 1920 Siedlungsspuren der rätisch-keltischen Fritzens-Sanzeno-Kultur entdeckt wurden. Felsritzungen, die mit Val Camonicas Bilderwelt in Einklang zu bringen wären, gibt es nicht. Dafür geben die gut erhaltenen Fundamente aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert Anlass zum Staunen: die Reste von acht Bauwerken, eine Zisterne von mehr als zehn Meter Tiefe (in der Scherben und ein komplettes Pferdeskelett gefunden wurden) und ein Ringwall von 170 Meter Umfang.
Der Autor an der Pforte zum „Himmelreich“ in Tirol
Am Fundort wirken moderne Rohrgerüste, die über den Grundmauern aufgestellt wurden, etwas irritierend. Sie sollen eine räumliche Vorstellung der Häuser wiedergeben. Wie aber der Oberbau und die Dächer tatsächlich ausgesehen haben, bleibt der Fantasie überlassen. Das Charakteristische bei einer Räter-Heimstätte, „casa retica“ genannt, ist die rechteckige Unterkellerung. Von diesem Grundriss zweigt ein gewinkelter Korridor ab oder führt über eine Ecke als Treppe an die Oberfläche. Der Knick im schmalen Zugang ist kein willkürliches Bauelement, sondern wurde gezielt angelegt. Archäologen vermuten in dieser speziellen Konstruktion einen „Windschutz“.
Die Fundamente rätischer Häuser gleichen einem häufig vorkommenden Felsbildmotiv, der „magischen Schaufel“. Gravurenvergleich in Naquane und Carschenna: Zufall oder begründete Gemeinsamkeit?
Die Grundrisse rätischer Domizile erinnern an eine Schaufel mit Griff. Bei deren Anblick kam mir eine Assoziation: Dieses geometrische Symbol ist als Felszeichnung im Val Camonica und in Carschenna zahlreich abgebildet! Da diese Regionen im Einflussbereich der Räter standen, lassen sich daraus vielleicht Gemeinsamkeiten ableiten. Felsbildforscher bezeichnen das Rechteck mit Stiel als „Schaufel“, „Spaten“, „Spiegel“, „Palette“ oder „Paddel“. Es ist ungeklärt, ob damit ein realer Gegenstand gemeint war oder ein Symbol für Magie und Zauberkraft. Einer These zufolge war es ein Bronzeobjekt für den „Totenkult“. Abbildungen mit dem Zeichen wären demnach ein „Symbol des Todes“. Dazu passt eine archäologische Überraschung in der Tiroler Ortschaft Fließ aus dem Jahre 2012: In der untersten Schicht des Fußbodens einer eisenzeitlichen „casa retica“ war eine runde Grube ausgehoben, in der die Überreste eines Mannes begraben lagen. Er war im Haus in seitlicher Hockerstellung bestattet worden. Es ist die erste Grablegung dieser Art, in einem Gebäude, das offenbar zeitgleich bewohnt war. Liegen in den Kellern rätischer Stammsitze also noch andere Leichen versteckt? Waren es gar keine Wohngebäude im eigentlichen Sinn, sondern Tempel der Ahnen?
Doch zurück ins „Himmelreich“: Noch eine Entdeckung gibt Rätsel auf: Es wurden Gegenstände geborgen, die gemeinsam mit dem reichen Fundmaterial des Urnengrabfeldes Volders (aus der Zeit von 1200 – 800 v. Chr.) im Museum Wattens ausgestellt sind. Der interessanteste Räter-Fund ist allerdings nicht darunter. Er liegt gesondert in einer Vitrine des „Ferdinandeums“ in Innsbruck: eine keltische Goldmünze, 19 Millimeter lang und 15 Millimeter breit, auf der ein sichelförmiges Objekt mit darüber befindlichen sechs Punkten dargestellt ist. Altertumsforscher gaben dem Relikt den Namen „Regenbogenschüsselchen“. Es soll einen abgebildeten Halsschmuck zeigen, einen sogenannten „Torques“. Mich erinnert das Abbild allerdings eher an ein Himmelsschiff mit Sternkonstellation. Vielleicht erneut ein Abbild der Plejaden? Vergleichbare Motive lassen sich auch auf Felsbuckeln im Val Camonica aufstöbern. Die astronomische Deutung würde dem Fundplatz „Himmelreich“ alle Ehre erweisen.
Goldenes Kleinod vom „Himmelreich“, ausgestellt im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck
URZEITSCHUHE FÜR „HÖHERE WESEN“
Berühmte Persönlichkeiten hinterlassen der Nachwelt gerne ihre „Autogramme“ in Form von Hand- oder Schuhabdrücken in Zement – besonders eifrig am Hollywood Boulevard in Los Angeles. Der moderne „Starkult“ ist eigentlich steinalt. Beim Streifzug durchs Val Camonica kann man auf prähistorische Handabdrücke im Stein stoßen, etwa am Fundplatz Crape in der Ortschaft Darfo Boario Terme. Sie werden als symbolische Darstellungen für Besitz, Eigentum und Unterschrift des Künstlers gedeutet. Das soll, sagen Archäologen, sich nicht nur auf Menschen beziehen, sondern ebenso auf „übernatürliche Wesen“. Ähnlich verhält es sich mit Konturen von Fußabdrücken, oder besser gesagt Schuhsohlen, denn Zehen sind nicht erkennbar. Diese Fußumrisse sind im ganzen Alpenraum verbreitet, aber vor allem im Val Camonica häufig anzutreffen. Archäologen interpretieren sie als „Sinnbild für die Präsenz, die Anwesenheit eines Menschen oder höherer Wesen“. Der Schweizer Felskunstforscher Ernesto Oeschger formuliert es so: „Es könnten Bitten an eine Gottheit gewesen sein. – ‚Komm herunter, hierher, wir benötigen Dein Wohlwollen.‘“
Felsbilder als Fußformen und Umrisse von Schuhen sind zahlreich im Alpenraumverbreitet. Waren es „Autogramme“ überirdischerWesen?
Die markanten Zeugnisse sind als flache Profile alleine oder gepaart dargestellt. Manche Grafiken sind beschriftet und weisen im Inneren menschliche Gestalten auf. Andere präsentieren deutliche „Absätze“ und „Bänder“, die nahelegen, dass die Talbewohner Schuhe getragen haben. So ungewöhnlich wäre das nicht. Seit im Jahr 1991 in den Ötztaler Alpen das Gletschereis eine Mumie freilegte, die „Ötzi“ getauft wurde, müssen Wissenschaftler verwundert eingestehen: Die Steinzeit war doch nicht so „roh“ und „primitiv“, wie bis dahin gerne behauptet. Ötzis Schuhe, nachweislich 5.300 Jahre alt, sind so optimal konstruiert, dass sie lange Märsche im Hochgebirge problemlos überstehen konnten. Sie wirken erstaunlich modern, haben im Innenteil ein Grasnetz, in das Heu als Kälteschutz hineingestopft wurde. Die Außenschuhe bestehen aus robustem Hirschleder mit Schuhbändern sowie Sohlen mit Profil. Ötzi und seine ausgeklügelte Bergausrüstung sind im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen ausgestellt.
Noch 200 Jahre älter als Ötzis Fußbekleidung ist ein gut erhaltener Lederschuh mit Schnürsenkeln, den Forscher 2010 in Armenien entdeckt haben. Den Altersrekord halten aber Sandalen aus Pflanzenmaterial, gefunden in einer Höhle im US-Bundesstaat Missouri. Sie sind nachweislich 8.000 Jahre alt! Die camunischen Schuhsohlen sind wesentlich jünger und stammen wahrscheinlich aus den Anfängen des ersten vorchristlichen Jahrtausends. Das ändert freilich nichts daran, dass die abgebildeten Fußformen zu den wunderlichsten Gravuren im Val Camonica gehören.
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