Kitabı oku: «Stalingrad - Die stillen Helden», sayfa 8
Die Division wurde dann wochenlang im zermürbenden Kampf um das Traktorenwerk im Norden der Stadt eingesetzt. „Der Verschleiß in den vergangenen neun Monaten hatte innerhalb der Division bei der Truppe 105 %, an Sanitätsoffizieren 118 % betragen. Von denen, die krank oder verwundet waren, kamen viele zurück nach Deutschland und wurden dann häufig nicht noch einmal zurückgeschickt. Andere kamen, wie ein Arzt, der vorher in Norwegen gewesen war167. Der fand sich so wenig zurecht, daß er auf seltsame Weise verschwand und dann plötzlich weit hinter der Front wieder auftauchte. Es gab nur noch ganz wenige Ärzte, die seit dem Abmarsch dabei waren.“
Um die Kirche nur Ruinen
Nach dem Ausscheiden von Dr. Weiland war Oberstabsarzt Dr. Hans-Peter Bauer, Internist der 1. San.Kp. 305, provisorischer Chef bis zum 13. September. Ein zweiter Zahnarzt der Kompanie war Unteroffizier Karl Thoma.
Zahlmeister bei der 2. Sanitäts-Kompanie war Otto Rühle168, der über die Verlegung des HVP von Wertjatschij am Don wegen der Kämpfe um das Traktorenwerk berichtete169: „Das bedeutete auch für uns, die Zelte in Wertjatschij abzubrechen und fünfzig Kilometer weiter ostwärts zu ziehen. Ich war beauftragt, das Vorkommando zu führen. Als ich Anfang Oktober mit einem halben Dutzend Mann in Gorodischtsche ankam, war niemand da, der uns hätte einweisen können. Doch da stand auf der Höhe eine Kirche mit massiven Wänden. Um sie herum lagen einige niedrige, leere Gebäude, dazwischen Gärten und Freiflächen, in die wir Erdbunker schachten konnten. Ferner gab es einen weiträumigen Unterstand, der vermutlich ein ehemaliger Stabsbunker eines sowjetischen Truppenteils gewesen war. Schließlich durchzogen den Ort mehrere tiefe Balkas, die ebenfalls zur Aufnahme von Höhlenwohnungen und zur Unterstellung von Fahrzeugen geeignet waren. Hier blieben wir. Ein flaches Haus enthielt Platz für zwei Operationsräume, außerdem für die Versorgung Leichtverwundeter. Im Gebäude nebenan richteten wir die Aufnahme ein. Raum für die versorgten Verwundeten gab es in den übrigen Häusern und in der Kirche. In dem ehemaligen Stabsbunker fanden vier Ärzte, der Oberzahlmeister und der Feldapotheker, in den im Umkreis liegenden Häusern die Mannschaften Quartier. Das Bestreben war jedoch, sämtliche Unterkünfte so rasch wie möglich in das Erdreich zu verlegen; das geschah dann auch.“
Kirche von Gorodischtsche, HVP der 2. San.Kp. 305
Prof. Fritz Gross: „Ich selbst sprang bei der 2. Sanitätskompanie der 305. Division ein, die das berühmte Traktorenwerk hielt und etwa 80 bis 100 Verwundete täglich hatte. Der 1. Chirurg dieses Lazaretts, Hösel170, später Urologe in Ulm und München, war aus dem Urlaub nicht zurückgekommen; dem 2. Chirurgen waren 1941 an der Leningrad-Front wegen Erfrierung alle 10 Zehen amputiert worden. Da er in der Kälte unter solchen Stumpfbeschwerden litt, daß er kaum mehr stehen konnte, gelang es mir, ihn noch ausfliegen zu lassen. So habe ich mit einem Gynäkologen die täglich eintreffenden 80 bis 90 Verwundeten, die aus dem Traktorenwerk kamen, allein versorgt. Damals hatte ich bei Volumenmangel noch Braun- und Pfrimmerinfusionen zur Verfügung; Frischbluttransfusionen konnte man nicht machen, unser Sanitätspersonal war zu erschöpft, Blutgruppenbestimmungen nicht möglich. Ich durfte 8 bis 12 Verwundete, meist Hirnschüsse, täglich auf dem Flugplatz abliefern. Man mußte ja jeden Tag die sitzend und liegend transportfähigen Verwundeten melden und bekam dann eine Zuteilung.“171
Dr. Diez: „Der Druck von Osten kam. Wir mußten in eine andere Kirche umziehen. Sie war kleiner, alles viel enger. Die 1. Sanitätskompanie, bei der ich war, wurde aufgelöst, da sie unbeweglich war. Ich kam zu der zweiten Sanitätskompanie derselben Division, die im Norden der Stadt arbeitete. Als die Sowjettruppen den Kessel bildeten, mußte das gesamte Gerät der 1. Kompanie vernichtet werden, die anderen Ärzte und Sanitätsdienstgrade wurden zum Stellungsbau und dann zur kämpfenden Truppe versetzt.“
Chef der 2. San.Kp. 305 war Stabsarzt Dr. Werner Dopfer.172 Neben Dr. Diez arbeiteten dort Stabsarzt Dr. Karl-Heinz Rienäcker173, Assistenzarzt Dr. Eckardt Herre174, Zahnarzt Dr. Hugo Hähnert175 und Oberstabsapotheker Theo Schnaidt176. Als Angehöriger einer der beiden Sanitäts-Kompanien ist noch Assistenzarzt Dr. Michalik177 zu erwähnen.
Dr. Diez: „Wir kriegten nun die Leute nicht mehr weg. Der Weg zum Abtransport der Verwundeten war zu weit, es war zu schwierig und durch Partisanen und versprengte Russen zu gefährlich geworden. Die Verwundeten kamen also nicht mehr weg, schon bevor wir im Kessel steckten. Der Rücktransport von Verwundeten und Kranken wurde bis zur Kesselbildung durch Eisenbahn, Lastkraftwagen und Flugzeuge, die Kies vom Asowschen Meer, Zement aus Deutschland und Steine aus Kiew heranschafften, bewältigt. Leichtverwundete und Leichtkranke sollten im rückwärtigen Gebiet genesen. Dadurch wollte man den doppelten Transport in die Heimatlazarette und wieder zurück zur Truppe vermeiden. Wer bald wieder schießen konnte, der wurde vielleicht nach hinten transportiert, aber nicht weiter als bis zum Dnjepr; die Schwerverwundeten blieben da.“
Weihnachten auf dem Hauptverbandplatz in Gorodischtsche
Heiligabend rückte näher. Oberzahlmeister Otto Rühle: „War es an anderen Tagen wenigstens zwischen neun und vierzehn Uhr einigermaßen hell, so schien es am 24. Dezember überhaupt nicht Tag zu werden. Dicker Nebel lag über den mit Schnee und Rauhreif bedeckten Häusern, Bunkern und Fahrzeugen der Sanitätskompanie. Gespenstergleich huschten die Soldaten durch den Dunst, trotteten Krankenträger mit Tragen über den Schnee, hockte das Küchenpersonal an Feldküchen und Kochlöchern. Von der Nordfront und der Wolga her grollte die Schlacht herüber.
Bei den Eingeschlossenen nagten Enttäuschung und Verzweiflung. Der Chirurg im Op., der Verwundete auf seinem Strohsack, der Sankafahrer am Steuer, der Unteroffizier am Dampfdrucksterilisator, der Oberzahlmeister vor kümmerlichen Verpflegungsbeständen – sie alle wußten, daß das Aufbrechen des Ringes nicht geglückt war. Am Vortage stand ich vor den sehr zusammengeschmolzenen Lebensmitteln. Da waren noch drei Säcke mit Dörrgemüse, ‚Drahtverhau‘ genannt. Man hatte sie früher nicht angerührt; in den letzten Wochen war ich froh, daß ich sie hatte. Der Inhalt eines Sackes sollte die Weihnachtssuppe verdicken. Dazu kam ein Teil des geschlachteten Pferdes, das der Divisionsintendant extra freigegeben hatte. Wie konnte man die Weihnachtsverpflegung verbessern?“
Oberzahlmeister Otto Rühle
Rühle ließ für die übrig gebliebene Mannschaft von 85 Mann und die etwa 400 Verwundeten Reserveverpflegung zuteilen sowie in der Marketenderei Likör und Schnaps, Rauchwaren, Schokolade und Bonbons ausgeben. „Am Heiligen Abend begleitete ich Oberarzt und Hauptfeldwebel durch die Verwundeten- und Krankenräume. In jeder Stube sagte der Kompanieführer ein paar einfache Worte über die schwere, aber nicht hoffnungslose Lage und über die Gedanken, die in dieser Stunde zwischen Front und Heimat hin- und hereilten Dann wünschte er jedem eine baldige Genesung. Ich schloß mich diesen Worten an und gab die Weihnachtszuteilung bekannt. Nun folgte ein vielhundertfaches Händedrücken. Im Schein von Kerzen wanderten wir drei von Strohsack zu Strohsack, von Kamerad zu Kamerad. In vielen Bartstoppeln verloren sich Tränen. Mancher war so entkräftet, daß er kein Wort hervorbrachte; es reichte nur zu einem matten Lächeln, oft nicht einmal dazu. Nach dem Rundgang lenkte ich meine Schritte zum Unterstand meiner engen Mitarbeiter: des Rechnungsführers, des Schreibers, des Fahrers ohne Fahrzeug; sie warteten bereits auf mich. Auf dem Klapptisch lag ein weißes Handtuch als Decke, darauf drei brennende rote Kerzen und ein paar Tannenzweige, offenbar aus einem Päckchen, das an einem der letzten Tage eingetroffen war. Ich drückte jedem die Hand.“ Nach Ansprache und Unterhaltung über die Lage kletterte Rühle aus dem Bunker seiner Mitarbeiter, um sich zu den Ärzten zu begeben. Er fand nur zwei Ärzte und den Apotheker vor. „Man braute einen steifen Grog und versuchte, sich zu unterhalten, doch das wollte nicht gelingen. Jeder blieb einsilbig. Worüber sollten wir auch reden?
Der Weihnachtsmorgen brachte mit dreiundzwanzig Grad unter Null nicht nur die bislang tiefsten Temperaturen; an diesem Morgen blies auch der bislang schärfste Ostwind. Und an diesem Weihnachtsmorgen trommelte und orgelte es an der östlichen und nördlichen Kesselfront, wie wir es seit langem nicht mehr gewohnt waren.“
Die Sanitätseinheiten der 71. Infanterie-Division
Divisionsarzt der 71. Infanterie-Division war Dr. Carl Uhrmacher178, sein Adjutant Dr. Friedrich Wiemuth179.
Stabsarzt Dr. Hans Lockemann180 berichtet: „Anfang Juli 1942 eröffnete der Divisionsarzt seinen Einheitsführern, daß die neue Offensive nach Osten bevorstände. Nach den bisherigen Erfahrungen nähmen die russischen Truppen auf das Zeichen des Roten Kreuzes keine Rücksicht und würden sogar darauf schießen. Er befehle deshalb, die bisherigen auffallenden weißen Kreise um das rote Kreuz auf den Fahrzeugen bis auf schmale weiße Randlinien zu beseitigen. Am 19. Juli trat die Division im Verband der 6. Armee zur Offensive auf Stalingrad an.
Der deutsche Vormarsch war zwar zügig, aber die Steppe ostwärts des Donez hatte als natürliche Hindernisse die kleinen Nebenflüsse des Don. Und hier an den Übergangsstellen versteifte sich immer wieder der russische Widerstand und unsere Truppen hatten erhebliche Verluste. Infolge des raschen Vormarsches kam es häufig vor, daß mitten in der ärztlichen Arbeit der Befehl zur Neueinrichtung eines Hauptverbandplatzes weiter vorn eintraf. Dann blieb ein Teil der Sanitätskompanie mit einem Chirurgen arbeitsfähig zurück, während sich der motorisierten Vorausgruppe unterwegs schon die Krankenkraftwagen und LKW mit Verwundeten anschlossen, so daß eine lange Wagenkolonne in den Ort des vorgeschobenen Hauptverbandplatzes einfuhr.
Eines Tages stand eine merkwürdige Verfügung im Heeresverordnungsblatt: Die Ärzte sollten die Schwerverwundeten fragen, ob sie im Todesfalle kirchlich beerdigt zu werden wünschten. Wir Einheitsführer hielten diese Frage für eine Unmenschlichkeit und kamen mit den Divisionspfarrern überein, daß über jedem Grab ein Gebet gesprochen werden sollte wie bisher.
Was uns auffiel, je näher wir dem Don kamen, war die größere Gefährdung unserer Verwundeten, die immer häufiger am Kreislaufkollaps im Anschluß an chirurgische Eingriffe starben. Wir führten dies darauf zurück, daß die Leichtkranken, vor allem die leicht Ruhrkranken, bei der Truppe verblieben und wegen der Strapazen der Märsche und der durch Nachschubschwierigkeiten notwendigen Verpflegung aus dem Land bis zur Erschöpfung geschwächt wurden.
Am 21. August 1942 erreichten die Regimenter der Division die Donhöhen und überschritten in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages den Fluß. Auch jenseits des Don machten wir die Erfahrung, daß die zunehmende körperliche und seelische Erschöpfung der Verwundeten die Sterblichkeit weit über das zu erwartende Maß ansteigen ließen. Wenn man auf dem Hauptverbandplatz oder im Feldlazarett durch die Reihen der Verwundeten ging, war man immer wieder von Neuem beeindruckt, mit welch einer ergreifenden Selbstverständlichkeit sie Gesundheit und Leben hingaben. Keiner der Verwundeten verlangte je, bevorzugt zu werden. Es ging nur nach der Dringlichkeit der ärztlichen Hilfe, und jeder fügte sich ohne Widerspruch den Anordnungen des Sanitätspersonals.“
Die 1. Sanitäts-Kompanie hatte ihren HVP Ende August im Ostteil des Dorfes Kamyschi-Illarinarskij etwa 60 km westlich Stalingrads. Chef der Kompanie war Oberstabsarzt Dr. Richard Burkardt181; 1. Chirurg Stabsarzt Dr. Georg Kreipe182, 2. Chirurg Dr. Josef Rox183. Im September kehrten mehrere Ärzte und ein Apotheker in die Heimat zurück; neuer Apotheker war Oberapotheker Karl Zahn184. Als Ärzte waren noch Sanitätsfeldwebel Dr. Kurt Hartmann185, Unterarzt Dr. Schulz und Anfang Dezember Assistenzarzt Dr. Hoffmann vor Ort. Zahnarzt war ab September Dr. Thiele.
Dr. Georg Kreipe, Chirurg der 1. San.Kp. der 71. I.D.
Die 2. San.Kp. 171 lag Mitte August am Bahnhof Tschir-Rytschkowsky und verlegte Ende August nach Pobejela/Oktjabrja bei Peskowatka. Kompaniechef bis Herbst 1942 war Dr. Erich Trostorf186; er wurde als Spezialist ausgeflogen, sein Nachfolger Dr. Lockemann. Chirurg war Dr. Johannes Feenders187; auch er wurde Mitte Dezember ausgeflogen. Weitere Ärzte waren Unterarzt Dr. Erich Andorff188 und Unterarzt Dr. Erwin Schuberth189. Oberapotheker Karl-Heinz Hall190 löste im September 1942 Apotheker Paul Fries191 ab. Erwähnt werden muss noch der Medizinstudent von den Driesch192.
Dr. Lockemann: „Mitte September wurden beide Sanitätskompanien an Stalingrad herangeführt. Die 1. Kompanie baute ihren Hauptverbandplatz in der Talowoy-Schlucht, 8 km westlich des Stadtrandes von Stalingrad-Mitte auf, die 2. Kompanie in einer Balka-Spinne nördlich von Woroponowo nahe Stalingrad-Süd.“ Dort verunglückte Apotheker Paul Fries im August auf dem Bahnhof und wurde ins Lazarett nach Kiew abtransportiert. Mitte bis Ende September lag die 2. San. Kp. in Gontschara, vier Kilometer nordwestlich der Stadt, ab Anfang Oktober in Alexejewka. „Anfang Oktober erhielten die Sanitätskompanien den Befehl, für den Winter feste Bauten zu errichten oder sich in die Erde einzugraben. Viele Erdarbeiten waren erforderlich, wobei die ärztliche Arbeit ununterbrochen weitergeführt werden mußte.
Dr. Erwin Schuberth
Apotheker Paul Fries
Anfang November hielt der Divisionsarzt auf dem fast vollständig ausgebauten Hauptverbandplatz der 1. Sanitätskompanie einen Vortrag vor den Kommandeuren und Truppenärzten der Division. Wegen der Wichtigkeit des Themas nahm auch der frisch mit dem Ritterkreuz dekorierte General von Hartmann193 teil. Es handelte sich um Vorsorgemaßnahmen gegen die zu erwartenden Infektionskrankheiten und um allgemeine hygienische Fragen für die Truppe, die sich für den Winter in Verteidigungsstellungen im Süden und der Mitte der Stadt einrichtete. Der Divisionsarzt kam auch eingehend auf das Fleckfieber zu sprechen; da es ohne Kleiderläuse kein Fleckfieber gebe, gelte der systematische und ständige Kampf diesen Krankheitsüberträgern. Er forderte von den Kommandeuren, für je ein Bataillon bzw. eine Abteilung eine Entlausungsanstalt kleineren Ausmaßes einzurichten und machte dabei Vorschläge für Bau und Einrichtung. Als wir nach Schluß des Vortrages den Raum verließen und ins Freie traten, tönte von weither im Norden Geschützdonner. Einige Minuten stand der General mit gespannter Aufmerksamkeit und horchte in die Richtung des Geschützlärmes, bevor er sich verabschiedete.
In diesen Tagen trafen etwa 50 Mann Ersatz für die ausgefallenen Sanitätssoldaten der Sanitätseinheiten aus der Heimat ein. Es waren nicht mehr vorwiegend Niedersachsen, sondern ein Gemisch aus den verschiedensten deutschen Gauen; auch ‚Volksdeutsche‘ waren darunter. Ihr Gesundheitszustand schien nicht der beste zu sein. Der Divisionsarzt ließ sie von mir zunächst einmal internistisch untersuchen, wobei ein kleiner, schmächtiger Mann mit Bauchwassersucht, wohl infolge einer Bauchfelltuberkulose, sofort zurückgeschickt wurde. Auch die Truppe klagte über ihren Ersatz, er sei noch zu wenig ausgebildet. General von Hartmann ließ alle Neuangekommenen in einem Ausbildungsbataillon zusammenfassen, um sie so für den Einsatz an der Front zu schulen. Ein bitteres Wort drängte sich uns auf: ‚das letzte Aufgebot!‘
Am 16. November fiel der erste Schnee, und ein eisiger Wind fegte von Osten her über die Steppe. Damit hatten unsere Soldaten außer dem furchtbaren Gegner vor sich einen neuen Feind bekommen, der noch gefährlicher werden würde: ‚General Winter‘. Daß dieser eines Tages gegen uns antreten würde, mußte unserer militärischen Führung doch bekannt sein! Aber wie im vergangenen Jahr fehlte es wieder an genügender Winterbekleidung.“194
Wenig bekannt ist über das Feldlazarett 171 und dessen Ärzte bis auf den Chef Dr. Gertler; Zahnarzt war Dr. Walte195.
Zahnarzt Dr. Hermann Walte
Sanitäts-Kompanien und Feldlazarett der 295. Infanterie-Division
Als Chef der 1. San.Kp. 295 wird Dr. Wiederholt196 genannt; in Stalingrad war es Oberstabsarzt Dr. Dahlenburg197, sein Adjutant Dr. Lewerenz198. Als Chirurg arbeitete Dr. Heinrich Gummer199; ein weiterer Arzt war Dr. Trog200. Zugführer war Oberarzt Dr. Kanold201. Assistenzarzt Dr. König wurde am 29. September 1942 verwundet; über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Ein weiterer Arzt war Oberarzt Dr. Haas202. Zahnärzte waren Dr. Walter Junker203 und Divisions-Zahnarzt Dr. Kurt Redekker204. Apotheker war Bodo Keune205. Der HVP der Kompanie lag von Mitte bis Ende August am Südausgang des Dorfes Jelampiesky nahe Kalatsch; danach hatte sie ihren Hauptverbandplatz bis zum 29. September in einer Kolchose am nördlichen Stadtrand eingerichtet; später richtete sie an der Bahnlinie nach Karpowka 20 km von Pitomnik entfernt ein Ortslazarett ein. Ende Oktober bis Mitte November befand sie sich in Nowy Rogatschik bei Karpowka. Sanitätsunteroffizier Rudolf Böker206:
„Im Herbst 1942 war die 295. Infanteriedivision und mit ihr die 1. Sanitätskompanie, der ich angehörte, die am weitesten östlich stehende Division der Wehrmacht. Als ich Ende August vom Heimaturlaub zur Kompanie zurückkehrte, richtete sie für längere Zeit in Karpowka, einem größeren Dorf, ein Feldlazarett und in Alexandrowka einen Hauptverbandplatz ein. Die Häuser, in denen die Verwundeten untergebracht waren, wurden, so gut es ging, von den Kameraden des 2. Zuges winterfest gemacht; neben den Häusern wurden Erdbunker gebaut. Mehrere Male fuhr Obergefreiter Dunker mit einigen Kameraden des 3. Zuges in die Vororte von Stalingrad, um Holz bzw. sogenanntes Baumaterial zu holen; täglich fuhren Feldwebel Weber und seine Leute mit dem LKW. Neben dem Hauptverbandplatz in Alexandrowka richteten Kriegszahnarzt Dr. Redecker, Unterarzt Dr. Junker und ich eine Zahnstation ein.
Eines Tages bekamen Dr. Junker und ich den Befehl, beim Pionierbataillons-Gefechtsstand eine zweite Zahnstation zu errichten; dieser lag etwa 500 Meter südlich der Höhe 102, um die täglich schwere Kämpfe geführt wurden. Das Pionierbataillon lag in festen Stellungen etwa 50 bis 100 Meter von der Wolga entfernt und war Tag und Nacht im Häuserkampf im Einsatz. Vom Bataillonsarzt Dr. Röder207 wurden wir schon sehnsüchtig erwartet; unter den ca. 400 Verwundeten waren viele mit Gesichts- und Kieferverletzungen, die wir behandeln sollten. Gesichtsverletzungen waren besonders schwer, denn die Verwundeten konnten weder essen noch trinken. Meist war die Zunge abgerissen oder hing als Fleischfetzen im Mund, so daß sie kaum atmen konnten. Zähne waren meist nicht mehr vorhanden.“208
Bei der Kompanie diente auch der Sanitätsunteroffizier Heinrich Kuck209, von dem zahlreiche Briefe erhalten sind210. So schrieb Kuck am 19. September: „Vorgestern den 1000. Verwundeten auf diesem H.V.P. versorgt, Tage vorher nicht mitgezählt.“ Und am 23. September: „Wir arbeiten bis zum Umfallen, und ich nutze jede freie Minute zum Schlafen und Essen.“ Die Arbeitsbelastung stieg weiter an, wie der Brief vom 28. September zeigt: „Gestern haben wir den zweitausendsten Verwundeten versorgt. Dann kamen noch einige, und dann kam der Divisionsarzt, um unsere Ablösung zu melden. So habe ich schnell die verstorbenen Kameraden bestattet, und kam dann als letzter vom H.V.P. mit meinem Bündel zur Kompanie, die nur einige 100 m weiter in einem trockenen Bachlauf liegt. Wir sollen 30 km weiter frontabwärts ein Lazarett einrichten.“ Das Ortslazarett in Rogatschik beschrieb er so: „Freilich muß man sich darunter ganz primitive Verhältnisse vorstellen: Etwa zwanzig Russenhäuser und ein kleines Schulgebäude sind unsere Räumlichkeiten, die alle demoliert sind. Die beiden letzten Nächte haben wir in einem sog. Keller verbracht, einem feuchten Erdloch. Wir haben einstweilen viel Arbeit mit dem Einrichten, zumal die Verwundeten laufend herankommen. Es ist aber auch ein Feldlazarett am Platze, das mit uns gemeinsam arbeitet, als wir täglich mit Aufnahmen und Abtransport abwechseln, also jeden zweiten Tag Zugänge haben.“
Unteroffizier Heinrich Kuck
Und am 12. Oktober: „Am 8.10. war besonders großer Anfall von Verwundeten. Wir haben immer noch tüchtig zu tun, wenn auch die Verwundeten zu bewältigen sind. In etwa zwei Wochen wollen wir unsere Bauarbeiten beendet haben. Die Weiber stampfen Lehm und Pferdemist als Mörtel und die gefangenen Pans bauen unter unserer Leitung auf ihre Art. Auf der Straße ziehen von früh bis spät die Flüchtlinge von Stalingrad, die dort ausgewiesen werden. Die Stadt wird abgerissen; aus den Holztrümmern werden Winterquartiere gebaut.“ Das Flüchtlingselend belastete Kuck sehr: „Die Frauen und Kinder liegen an der Straße mit ihren Habseligkeiten, obdachlos und hungrig. Wenn ich durch die kalte Nacht gehe, wimmern die Kinder an den Hauswänden, in Löchern oder wo sie sonst etwas Schutz finden. Viele sind verwundet. Gestern kam ich vom Friedhof von einer Beerdigung, da stand ein Junge weinend neben seiner sterbenden Mutter, die von einer Bombe getroffen war.“
Dr. Wilhelm Krüger, Chef der 2. San.Kp. 295
Die 2. Sanitäts-Kompanie 295 wurde von Oberstabsarzt Dr. Wilhelm Krüger211 geführt. 1. Chirurg war Stabsarzt Dr. Wallischeck212, der von der 94. zur 295. I.D. versetzt wurde. Mit ihm arbeiteten Oberarzt Dr. Werner Sanitäts-Kompanien/Feldlazarett der 295. Infanterie-Division Schmeling213, Oberarzt Dr. Ludwig Stelzmüller214, Unterarzt Dr. August Schüller215 und Assistenzarzt Dr. Mauritius216. Apotheker war Erich Frank217. Über die Kompanie liegt das Tagebuch von Dr. Wallischeck vor:
Russische Flüchtlinge in Stalingrad
„Die Division liegt seit Anfang in Rußland und soll schwer angeschlagen sein. Ich komme dort als erster Chirurg zur Sanitätskompanie. Die Division liegt auch im Raum Artemowsk. Sie hat dort eine Krankensammelstelle. Zu meinem Erstaunen höre ich, daß alle Angehörigen der 295. Division hier vorerst aufgehalten werden. Grund unbekannt. Wir sollen uns Quartier suchen. Wir finden ein solches, und zwar ein nettes bei Lussa Radionowka, einer kleinen ‚Peruckmakerin‘, zu deutsch Friseuse. Am Abend wird im Mondschein noch im Donez gebadet.
Dr. Werner Schmeling
3. September 1942: Am Vormittag fahre ich mit dem Chef zur Division, wir fahren natürlich im Wagen, einem großen fast neuen 2,5 Liter Adler. Den Divisionsarzt treffen wir nicht an, ich muß am Nachmittag noch mal hin. Gegen vier Uhr kommen etwa 15 Verwundete, fast alles Schwerverletzte, ein paar Kopfschüsse, zwei Bauchschüsse, einem ist der ganze rechte Unterarm von einem Infanterie-Explosivgeschoß, dieser gemeinen Waffe, zerfetzt. Ich bin völlig überrascht von der Operationstechnik. Ich werde viel lernen müssen. Hier wird nicht ‚sauber operiert‘ wie ich es gewohnt bin, hier werden nur die Wundränder ausgeschnitten, die herabhängenden Fetzen entfernt und Verband drauf. Bei Brüchen wird keine Rücksicht auf die Stellung der Bruchenden genommen, Hauptsache ist, die Wunde möglichst weit zu spalten. Einer der Bauchschüsse wird operiert. Der zweite Chirurg, der natürlich viel Erfahrung hat und von dem ich viel lernen muß, operiert sehr geschickt und exakt. Diese Laparotomie218 gefällt mir. Ebenso, wie er mit Geschick einen kleinen Granatsplitter aus der Hornhaut holt. Gegen Abend fahre ich zum Divisionsarzt, einem älteren makroskopisch sehr freundlichen und liebenswürdigen Herren. Die üblichen Begrüßungsphrasen, ein wenig kurz, denn der hohe Herr muß zu Tisch. Er wundert sich, daß ich Truppenarzt bei der 94. I.D. war.
Dr. Kurt Wallischeck, Chirurg der 2. San.Kp. 295
6. September 1942: Wie ich am Morgen höre, sind in der Nacht eine Reihe schwer verwundeter Offiziere der Luftwaffe eingeliefert. Die Herren hatten vor Stalingrad eine Besprechung in einem Zelt, das offenbar nicht gut verdunkelt war. Eine schwere Bombe fiel unmittelbar neben dem Zelt zu Boden. Ein Kriegsberichter, der erst vor kurzem aus Afrika gekommen ist, ist am schlimmsten dran. Ein großer Splitter hat ihm den ganzen Unterkiefer weggerissen, so daß die Mundhöhle offen liegt. Dr. Peter219 hat ihm einen Luftröhrenschnitt gemacht und eine Kanüle eingelegt, weil dem Armen immer das Blut und der Speichel in die Luftröhre lief. Ein Generalstabsoffizier hat einen Oberschenkelsplitter, ein Oberstabsarzt, der sich am wenigsten zusammennimmt, ebenso. Harmlos, aber als erster wollte er versorgt werden. Ein Oberleutnant hat Lungensplitter und einem Unteroffizier ist das rechte Auge völlig zertrümmert. Im Laufe des Vormittags kommen zwei Fieseler Störche, um die Verwundeten abzuholen. Der Arzt würde mit seiner leichten Verletzung am liebsten gleich in die erste Maschine klettern, was noch verhindert werden kann.
7. September 1942: Es werden Erfassungskommandos zusammengestellt, die möglichst ‚mit der Infanterie‘ in die Stadt einrücken, um ja recht viel zu erbeuten. Ich selbst führe das Kommando, das geeignete Unterkunft zu erkunden hat. Der Apotheker muß Verbandstoffe und Arzneien erbeuten, der Zahlmeister stürzt sich auf die Konservenfabrik, den Schlachthof und die Schnapsbrennereien. Das schönste Kommando hat der Zahnarzt. Er wird mit seinem Lastwagen voller Leute Judenwohnungen besetzen und Perserteppiche, Vorhänge und sonstiges Unterkunftsgerät für unser ‚Ortslazarett‘, das wir im Winter in Stalingrad errichten sollen, sicherstellen. Es ist alles bis ins kleinste vorbereitet. Jeder von uns Kommandoführern hat einen oder zwei Lastwagen mit Mannschaften hinter seinem Personenwagen herfahren, die für alle Fälle gut bewaffnet sein werden und Verhaltensmaßregeln bekommen, wie sie den gelegten Minen mit List und Tücke entgehen werden. Nach dem Essen fahre ich nach Peskowatka, wo inzwischen die 76. Division ein Feldlazarett aufgemacht hat und besuche meinen Bekannten, den Chirurgen Schmidt220 aus Esslingen, der mir freundlicherweise eine Chirurgische Operationslehre leiht, damit ich mich ein wenig mit den Gepflogenheiten der Chirurgen wenigstens theoretisch vertraut machen kann. Schmidt ist sehr geknickt. Es wird nichts mit seiner Versetzung in die Heimat. Dagegen sollen die anderen Fachärzte, auch Gynäkologen, im Austausch in Heimatlazarette kommen, damit sie im Winter an der Versorgung der Zivilbevölkerung mit eingesetzt werden können. Es ist also nicht völlig ausgeschlossen, Schmidt jedenfalls gratuliert mir schon.
19. September 1942: Wir haben heute Nacht nicht gefroren. Im Aufwachen höre ich eine Stimme: ‚Wo ist der Führer dieser Einheit?‘ Mit zwei Sätzen bin ich aus meinem Loch und sehe oben auf dem Wall einen geländegängigen Wagen stehen. Neben dem Fahrer sitzt ein sehr lebhafter und leicht erregter Major. Seine ersten Worte sind: ‚Sie müssen hier sofort raus. Ich errichte hier eine neue H.K.L.221 Vielleicht wird in einer halben Stunde schon geschossen.‘ Ich wecke den Chef, der in seinem Adler schläft. Wir lassen also marschbereit machen. Mich schickt der Oberstabsarzt fort, eine neue schöne Schlucht erkunden für eine neue Unterkunft. Wir wollen möglichst in die Nähe eines Flugplatzes gehen. Wir finden eine sehr schöne Schlucht, die aber leider von Infanterietrossen belegt ist. Zu unserer besonderen Freude hören wir aber, daß diese um 1 Uhr fortziehen. Wir belegen sofort die Schlucht. Wir mußten lange suchen, bis wir sie fanden. In der kleinsten Senke liegt schon irgendein Troß oder eine rückwärtige Einheit. Als es Abend wird, liegt die ganze Kompanie schon im neuen Unterkunftraum. Überall werden Erdlöcher gegraben und die vorhandenen Bunker weiter ausgebaut.“ Diese Schlucht lag in der Nähe des Flugplatzes Pitomnik; die Unterkünfte waren Zelte und Erdbunker.
„Es wird von Nacht zu Nacht kälter. Wir liegen fern vom Kampfgeschehen und unerreichbar für russische Granaten. Der Russe versucht mit allen Mitteln, unsere Nordfront einzudrücken. Heute ist es ihm wirklich gelungen, von Borodkin aus nach Schischljankin einzubrechen. Eine Sanitätskompanie, die dort eingesetzt war, mußte schleunigst abrücken. Am Nachmittag wurde die Front wiederhergestellt und der Russe wieder zurückgeworfen. Der Russe soll wieder viel eingebüßt haben.
21. September 1942: Wir haben uns schon sehr ordentlich eingerichtet in unserer neuen Schlucht. Täglich fährt ein Kommando auf den nahegelegenen Flugplatz, um dort Verwundete zu verladen. Die Maschinen kommen mit Sprit und Munition und nehmen Verwundete mit zurück. Ich fahre heute zum Flugplatz. Lasse mir eine Jagdmaschine erklären. Sie wird fertig gemacht zum Start. Der Pilot hat ein von Narben völlig entstelltes Gesicht. Die Ohren fehlen, die Augenbrauen sind unvollständig. Er macht den Eindruck eines Japaners, da seine Augenlider durch Narben schlitzförmig verzogen sind. Er erzählt, daß er in Spanien im letzten Augenblick aus einer brennenden Maschine absprang. In den letzten Tagen hat er vor Stalingrad sechs russische Flugzeuge abgeschossen.
22. September 1942: Der Chef will heute mal wieder nach Stalingrad fahren, ich begleite ihn. Wir fahren vorher zum Divisionsarzt. Dieser fährt auch mit. Wir starten also zu dritt. Eine schwarze Qualmwolke von Riesenausmaßen zeigt uns, daß wieder ein großer Öltank brennt. Seit fast vier Wochen brennt nun Stalingrad schon. Nachts sehen wir den Feuerschein am Himmel, tags zeugen die Rauchwolken über der Stadt von dem Wirken unserer Flieger. Vieles stecken die Russen auch selbst in Brand. Als wir uns der Stadt nähern, wird das Artilleriefeuer stärker. Außerdem schießt die Flak auf russische Flieger, die in großer Höhe am Himmel kreisen.