Kitabı oku: «Die Fahrt ins Nichts», sayfa 3
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In einer unglaublich steilen Spirale, - ein Zuschauer hätte bestimmt einen Absturz befürchtet -, schoss das kleine, rote Flugzeug zur Erde und landete auf einer Felsenterrasse mitten im zerklüfteten Bergland.
Wie ein bunter Schmetterling wiegte es sich noch sekundenlang hin und her. Dann öffnete sich schnell der Türschlag und ein einziger Insasse stieg ins Freie.
Es war eine Frau in enganliegendem Ledergekostüm. Sie knöpfte die Jacke leicht auf und nahm den Sturzhelm vom Kopf. Ihre großen, glänzenden Augen prüften mit suchendem Blick ihre Umgebung.
Dann ging sie mit ruhiger Sicherheit auf eine Pflanzenwand zu, deren überhängendes Schlinggewächs jedes Weiterkommen unmöglich zu machen schien. Sie schob die grüne Wand zurück wie einen Vorhang. Hinter ihm wurde es hell.
Ein schmaler Pfad aus natürlichen Felsstufen führte zu einem zackigen Vorsprung hinauf. Ihm gegenüber lag, wie aus dem Fels gewachsen, ein steinernes Tor, das im Widerschein der Sonne gIitzerte und tiefe Schatten nach unten warf.
Ein bedrohlich schmaler Felsgrat führte über eine tiefe Schlucht zu dem Tor. Ohne zu zögern überquerte die Fliegerin die Schlucht auf dem Grat. Hinter dem Tor führte eine feuchtglitzernde Steinspalte hinein in den Berg.
Tief ausgewaschene Felssäale zeigten Spuren eines gewaltigen Sturzbaches, der hier einst seinen Weg genommen hatte, bis er andere Ausgänge fand oder gewiesen erhielt. Kein Mensch war zu sehen. Nur riesige Fledermäuse hingen regungslos an den Wänden, und kleine, bunte Eidechsen und Schlangen huschten in den vertrockneten Rinnen des Bodens.
Das Brüllen des unter der Bergsohle in die Tiefe brausenden Wassers wurde schwächer und schwächer. Seltsame klagende, zischende Laute lösten sich von den Wänden, fern, unwirklich, wesenlos, und verstärkten den unheimlichen Eindruck der toten Umgebung.
Plötzlich zuckte die Frau zusammen. Dicht vor ihr saß eine schwarze Gestalt, ein hagerer Mensch, fast nackt, den Kopf hintenübergebeugt, die Hände reglos zum Himmel erhoben. Er saß vollkommen unbeweglich, wie leblos, zum Felsen erstarrt. Nur die weitaufgerissenen Augen liefen in ihren Höhlen hin und her, glühweiß, fieberig, wie gepeitschte Bestien.
Quer über den Weg lag ein betender Mann. Er hatte seinen Körper Lang auf einem schmalen Brett ausgestreckt, das mit langen Nägeln gespickt war, dessen rostige Spitzen sich gegen den Leib des Büßenden bohrten. Doch kein Laut der Klage war von ihm zu hören.
Hinter ihm hing ein Mensch von der Decke herab. Die Füße gefesselt an einem Pflock, den Kopf nach unten. Er gab kein Zeichen des Lebens von sich.
Immer neue Gestalten tauchten auf: Junge Männer, krumm zusammengeschnürt, mit wild atmenden Flanken. Weißhaarige Greise, in stummes Grübeln versenkt, den stechenden Blick auf die Felswand gerichtet. Ab und zu ein scheußlicher Kopf, unerwartet, aus einer Spalte heraus, wie ein höllischer Spuk.
Ohne sich umzusehen, schritt die Frau an den büßenden Yogis vorbei. Das Strombett teilte sich hier und bildete einen mächtigen Saal, dessen hölzernes Tor das erste Zeichen von Menschenwerk war. Die Frau schlug mit einem hölzernen Klöppel dreimal an die Türe. Die Schläge warfen ein laut hallendes Echo nach innen, dass die Felswände brüllten.
Dann wich das massive Tor wie durch Windhauch zurück. Helles Sonnenlicht flutete weit in den Gang. Das geöffnete Tor gab den Blick frei auf einen tempelartigen Hof, dessen Boden ein kunstvolles Mosaik bildete. Die Mosaiksteine formten einen Stern, aus dessen Mitte ein goldenes Becken aufwuchs. Breiter Urwald drängte sich dicht an die Ränder, und kreischende Affen schaukelten sich in seinem Geäst und knurrten die fremde Besucherin an.
Die junge Frau blieb regungslos stehen, den Blick fest auf den vordersten Felsblock geheftet. Wie ein versteinerter Baumstumpf ragte er über weit und schmal über den Abgrund hinaus. Wie eine Brücke ins Jenseits, deren anderes Ende jäh abgebrochen war. Unter ihm starrte die grausige Tiefe, von wogenden Schatten und der Gischt stürzender Wassermassen gefüllt.
Und auf dieser furchtbaren, schwindelnden Spitze stand ruhig ein Mensch. Gegen den Himmel hob sich sein Körper überlebensgroß ab. Ein langes, weißes Gewand fiel ihm bis auf die Füße und wehte im Wind, der sich aus der Schlucht hob. Er schien in seinem Gebet ganz in den Anblick der Sonne vertieft zu sein.
Nach einigen Minuten, die die junge Frau ruhig abwartete, wandte er sich auf der Felsspitze um, schritt sekundenlang auf der schmalen Brücke wie schwebend dahin und ging mit ruhigem Schritt auf das Goldbecken zu.
Sein schlankes Gesicht war von einem unwirklichen Gelb, hell und gleichmäßig, wie die Schale einer Zitrone. Langes, schneeweißes Haar fiel bis auf die Schultern herab und gab seiner ganzen Erscheinung etwas Heiliges, Ehrfurchterweckendes.
Ohne Überraschung schaute der Greis auf die wartende Frau. Wie zum Segen streckte er einen Augenblick die Hand über sie. Sie neigte den Kopf und wartete stumm.
»Ich sah den Blutgeier meiner Tochter aus den Wolken stürzen«, sagte er mit einer volltönenden Stimme, die seltsam jugendlich klang zu seinem schlohweißen Haar. »Womit kann ich der Herrin dienen ?«
Sie hob lebhaft den schönen Kopf. »Rate mir, Meister!«
»Was beunruhigt meine Tochter, die Herrin der Inder?«
»Man meldet mir seltsame Erscheinungen. Ein chinesisches Schiff auf der Fahrt von San Franzisko nach Peking berichtet, dass das Meer dort eine beulenartige Aufwölbung zeigt, von der das Wasser nach allen Seiten abströmt. Das Schiff wurde durch diese Erscheinung in seiner Fahrt aufgehalten.«
»Wann ist das geschehen?«
»Schon vor einem Monat.«
»Was meldet man jetzt?«
»Die sonderbare Erscheinung verstärkte sich täglich. Die Meereskuppel hob sich immer mehr. Eine ständige Wasserhose, ein Geysir entstand. Kegelförmig schleudert er eine Glocke von Wasserstaub hoch in die Luft. Zweitausend Meter hoch.«
Der Yogi schwieg eine Weile. Regungslos. Seine Augen waren geschlossen. Dann kehrte das Leben in ihn zurück.
»Sprich weiter!«
»Der Pilot des Fluges von Yokohama nach San Franzisko bemerkte vor einem Monat zum ersten Mal, und später in immer größerem Ausmaß eine Missweisung der Kompassnadel. Die Temperatur und die barometrischen Verhältnisse haben sich durch diese stehende Wassersäule verändert.«
Der Greis hatte wieder die Augen geschlossen. »Es liegt ein antizyklonaler Wirbelherd über der Stelle -«
»So ist es.«
»- in tieferen Wasserschichten haben sich mailstromartige Zyklone gebildet?«
»Du weißt es! Nach den Messungen der Asien-Amerika-Linie macht sich die Wirbelströmung schon in fünfzig Kilometer Entfernung vom Zentrum bemerkbar. Bei einem Radius von zwanzig Kilometern ist sie so heftig, dass ein Schiff nur mit Mühe den Kurs hält. Es ist ganz unmöglich, näher als bis auf zehn Kilometer ans Zentrum heranzukommen. An der Meeresoberfläche, wo das im Mittelpunkt empordringende Wasser eine Kuppe aufwölbt und allseitig abfließt, ist die Strömung, wie du sagst, antizyklonal. In geringer Tiefe aber wurde schon die Umkehrung gelotet, und bei größeren Tiefen eine ungeheuere, zentripetale Saugwirbelströmung gefunden.«
Ohne eine Antwort zu geben, schritt der Yogi zur Mitte des Platzes und trat vor das Becken.
Mit einer Handbewegung rief er die Inderin an seine Seite.
Dreimal strich er mit der Hand über das Wasser der Schale. Dann nahm er ein grünliches Fläschchen, das an einer Schnur um seinen Hals befestigt war und ließ einen einzigen Tropfen des Inhalts hinabfallen.
Sofort brauste das Wasser wild auf. Große Ringe bildeten sich um das Zentrum und warfen sich gegen die Ränder der Schale.
Mit einem einzigen Heben der schmalen Hand zwang er die Oberfläche des Wassers zum Stillstand. Ein leichtes Kräuseln lief an der Wandung entlang, dann zog sich die Flüssigkeit sichtbar zusammen, als spanne rnan auf einer Trommel das Fell an.
Glatt und fest wie ein Quecksilberspiegel lag die Oberfläche des Wassers. Der Greis saß mit untergeschlagenen Beinen neben dem Becken. Sein Kopf war nach vorne gesunken, kein Haar bewegte sich an seiner Schläfe. Die hellgelbe Haut des Gesichtes schien seltsam durchleuchtet.
Unverwandt starrte die Inderin auf das Becken hinab. Da lief eine leichte Trübung über den Spiegel. Wie eine ziehende Wolke, dann wieder und wieder.
Brodelndes Wasser brauste vom Grund der Schale auf, stieg in die Höhe und drehte sich abwärts, um eine glühende, schäumende Mitte, wie zwei riesige Schrauben, tiefer und tiefer, in wahnsinnigem Wirbel immer enger und enger.
Grünes, fluoreszierendes Licht wuchs auf und wurde schnell heller und heller, beißend und blendend, stieg mit der wirbelnden Schraube zur Tiefe, wechselte durch alle Skalen der Farbe, und - war jäh erloschen. Ein mächtiger, nachtschwarzer Block lag unter dem Spiegel des goldenen Beckens. Kleine Bläschen perlten nach oben und bildeten zierliche, glitzernde Ketten.
Dann war es, als sänke der Spiegel nach unten. Der leuchtende Boden der Schale wuchs aufwärts, als flöge er aus weiter Ferne zur Nähe. Ein leichtes Zittern lief durch des Yogis Gestalt. Er öffnete seine großen Augen, als würde er aus einer anderen Welt zurückkehren. Es vergingen Minuten, bis er langsam sprach.
»Man meldete mir die Wahrheit, meine Tochter. Es ist der Meteor, den du suchst.«
Die Inderin war aufgesprungen. Ihre bronzenen Züge leuchteten vor Erregung. Der Greis kam ihrer Frage zuvor. »Aber er ist unerreichbar für dich!«
»So soll der Fremde besitzen, was ich - ?!« brauste sie auf. Der Yogi schüttelte tadelnd den Kopf. Sie jedoch konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
»Ein Fremder drang in mein Reich und maßte sich an!«
»Auch Walter Werndt wird sein Ziel nicht erreichen, wenn Brahma nicht will!« beruhigte sie der Greis.
Überrascht sah sie auf. »Du weißt?« Er strich die Frage beiseite wie eine Torheit.
»Verzeih mir! Hilf mir den Fremden besiegen!«
Der Greis verschränkte die Arme über der Brust. »Fürchte nichts. Der Fremde ist ein Europäer. Er kennt nicht den ewigen Weg.«
Eine unsagbare Verachtung, ein spöttisches Mitleid sprach aus seiner Stimme. »Die sieben Globen des Erleuchteten sind ihm noch fremd. Mit Hebeln und Zahlen klopft er ans Rätsel der Welt. Mit den Armen Prakritis greift er zu Buddhi und Atma hinauf, und tastet - ins Nichts. Er ist ein Sohn der Physik!«
Die Inderin blickte verstört vor sich hin. »Und wenn es ihm doch gelingt, Vater?«
Die Augen des Yogi durchblitzte es jäh. »Malabar Hill!« gab er drohend zurück. »So warten die Geier der Parsen auf ihn.«
5
Don Ebro stand in würdevoller Unbeweglichkeit an der Türe, den Fuß leicht vorgeschoben, als wolle er tanzen. »Sennor Werndt bittet, in einer Viertelstunde ins Laboratorium hinüberzukommen. Es ist alles bereit.«
»Es ist gut«, nickte Nagel.
Seine junge Frau sah dem Diener gedankenvoll nach. Ihre Blicke glitten unruhig über das Zimmer und blieben immer wieder am Gesicht des Gatten haften.
Die Augen des Doktors strahlten. Er reckte die Arme. »Nun sind wir endlich soweit! Das erste Experiment soll beginnen. Der Augenblick ist also wirklich da. Seit Monaten warten wir auf diesen Moment -«
»- und fürchten ihn!« Er drehte sich überrascht um und bemerkte erst jetzt die Unruhe Mabels.
»Fürchten? Du? Ja, warum?«
Sie lächelte verlegen. »Du fragst noch warum? Ihr werdet ein neues Element erforschen, einen Stoff, der ungeahnte Gefahren in sich bergen kann. Unerwartete Explosionen, Kontaktgifte, Ausdampfen tödlicher Gase, unsichtbare, zerstörerische Strahlungen. Gefahr lauert in diesem unseligen Meteor auf euch in tausend möglichen Formen!«
Er strich ihr über das wellige Haar. »Närrchen! Welche Phantasien bei der Tochter eines Wissenschaftlers! Hunderte Male warst du bei solchen Versuchen dabei, hast selbst in Laboratorien mitgeholfen.«
»Aber da hatte ich dich noch nicht!«
»Und als du furchtlos mit uns zusammen den Absturz des Meteors im ,Falken’ beobachtet hast?«
»Da war ich an deiner Seite. Da hatte ich keine Angst!« verteidigte sie sich.
»Du brauchst dich auch jetzt nicht zu sorgen. Weshalb? Ich bin überzeugt, dass dieser Block so ungefährlich und still bleiben wird, wie nur irgendein Stein. Das Gefasel der Zeitungen hat dich nervös gemacht. Man redet soviel von Gefahren und Tücken, dass wir uns am Schluss noch blamieren, wenn gar nichts passiert!«
Mit gespielter Entrüstung entgegnete sie: »Du bist ein recht tüchtiger Schauspieler, Werner!«
Er machte ein ernstes Gesicht. »Aber wieso denn? Wenn wirklich was dran wäre, müsste sich doch längst irgend etwas davon gezeigt haben. Der Meteor ist glühend heiß vom Himmel gefallen und mit gewaltigem Stoß auf die Erde geschlagen und ist nicht explodiert. Menschen haben Bruchstücke des Meteors aufgehoben und auf Wagen gewälzt und keiner hat Hand oder Finger verloren. Tausende von Menschen haben den Block in Tokyo bestaunt und betastet, und niemand berichtet über gesundheitliche Schäden. Der Steinbrocken verhält sich doch soweit ganz zahm.«
Sie sah ihn voll Liebe, doch vorwurfsvoll an. »Erzählst du das einem ganz kleinen Mädchen oder der Tochter Mark Earthcliffes?«
Er wurde ein wenig verlegen.
Sie legte den Arm zärtlich um seinen Hals. »Du sprichst von der äußeren Hülle, ich spreche vom Kern. Ihr werdet das Material mit Reagenzien zersetzen, sein Verhalten bei Behandlung mit Säuren und Laugen, mit Druck und mit Hitze untersuchen. Einem Stoff, dessen seltsames Spektrum ihr kennt. Von dem ihr nur wisst, dass er unbekannt war bis zum heutigen Tag. Ihr tut einen Sprung in das Dunkel hinein und ich habe zum ersten mal Angst. Angst vor etwas Unbekanntem. Mein Instinkt warnt mich deutlich. Er schreckt mich auf, nachts in meinen Träumen. Könnte ich wenigstens dabei sein, wenn ihr...«
»Um Gottes willen!« entfuhr es ihm. Er bemerkte sofort seinen Fehler und lachte verlegen. »Was sollten wir denn auch zu viert dabei? Werndt, Dumascu und ich sind doch mehr als genug.« Er sprach immer schneller, als wolle er sie nicht zu Wort kommen lassen. »Übrigens du beleidigst Walter Werndt mit deiner Sorge. Glaubst du, er hätte nicht alles bedacht?«
»Soweit er es voraussehen kann.«
»Wir werden vorsichtig sein und alle nur erdenklichen Schutzmaßnahmen treffen. Kein Chemiker hatte bisher solche Laboratoriumskleider im Schrank. Du hast die Anzüge doch bei der Probe gesehen. Wie in einem Taucheranzug steckt man in diesen Asbestkautschukhüllen. In den Panzern kann uns ja gar nichts geschehen. Wir haben sie mit Schwefelsäure, mit Chlorwasser und Fluorwasserstoff übergossen. Wir haben sie in flüssiges Blei getaucht, sie mit Giftgas und mit Flammenwerfern attackiert. Die Dinger haben uns einfach ausgelacht, liebes Kind. Der Stoff wirkt durch seine Präparierung als Isolator für Elektrizität. Er ist imprägniert gegen Röntgenstrahlung und auch gegen alle anderen gefährlichen Strahlen. Ich wüsste wirklich nicht, was uns der olle Meteor da noch anhaben könnte.«
In der Türe stand die dunkle Gestalt seines Dieners, wie eine Mahnung zur Wahrheit.
»Ich komme«, winkte Nagel zurück. Er zwang sich zu einem lockeren Ton. »Also bis heute mittag, mein Mädel. Und keine Angst haben, hörst du?«
Sie drängte ihn mit einem Kuss zurück. »Ich gehe mit und helfe euch wenigstens in die Mäntel hinein«, sagte sie mit leicht zitternder Stimme.
Ohne seine Antwort abzuwarten, schlug sie den Weg zum Laboratorium ein.
6
Wie drei Astronauten bewegten sich Walter Werndt und seine beiden Assistenten in dem großen Laboratoriumssaal und trafen die letzten Vorbereitungen zu ihren Versuchen.
Sie hatten den riesigen Kopf der Asbestkautschukrüstung nach oben gedrückt. Wenn auch Kommunikation in den Schutzanzügen durch eine radiophonische Zelle ermöglicht wurde, so war doch die Verständigung ohne Schutzhelm freier und leichter. Vor allem das Atmen in der frischen Luft des Laboratoriums war weit angenehmer, als das Einatmen der Druckluft aus den Gaskartuschen.
Der eigentliche Experimentierraum war auffallend kahl. Jedes überflüssige Gerät hatte man vermieden. Alle Apparate waren in Nebenräumen untergebracht und standen durch elektrische Aufzüge und Luftdruckröhren bei Bedarf zur Verfügung. Die Wände des Saales waren mit inertem Material verschalt. Seltsam düster wirkte die Kautschuktapete der haushohen Mauern, Licht konnte nur durch ein großes Oberlicht tagsüber einfallen.
Das Dach war auf seinen Trägern so ausbalanciert, dass es sich sofort automatisch öffnen musste, wenn sich der Luftdruck im Saal auf 860 mmHg erhöhte. Explodierende Gase konnten dadurch frei nach oben entweichen.
Panzernischen mit festen Schutzschirmen, Tresorkäfige wie riesige Geldschränke, standen für große Gefahren bereit. In bestimmter Anordnung waren sie um mächtige Schmelzöfen gruppiert, die auf breiten Betonplatten standen.
Walter Werndt überflog mit einem letzten, prüfenden Blick die Schmelzapparate. Er nickte befriedigt.
»Es ist gut, meine Herren. Wir können beginnen. Wir werden den Meteor so behandeln, wie es bei der chemischen Analyse eines noch unbekannten Körpers der Brauch ist. Nur werde ich mich zur Trennung der chemischen Verbindungen statt des langwierigeren Reagenzien-Verfahrens zunächst nur der Hitze bedienen. Bitte, schließen Sie Ihre Kopfklappen!«
Er drückte auf einen Knopf, der einen Motor in Bewegung setzte. Sofort teilte sich der Boden vor seinem Tisch. Ein dumpfes Rauschen lief durch die Platten. Dann stieg aus der Tiefe ein steinerner Block hoch, von grau-schwarzer Färbung, kristallin mit scharfen Kanten. Der Block hatte etwa ein Volumen von 0,5 m3, das kleinste Meteorbruchstück des Fundes. Mit einem Meißel schlug Nagel ein faustgroßes Stück los und reichte es Werndt. Lautlos versank der übrige Block wieder nach unten.
Werndt legte ein Korn der Meteorsubstanz auf ein Platindrahtnetz und stülpte eine Platindrahtglocke darüber. Durch einen Hebel schaltete er die elektrische Heizung ein und ließ so den Körper sich langsam erwärmen.
Trotz der zunehmenden Hitze verhielt sich das Stück wie ein normaler Steinblock. Nichts geschah, es entwich kein Gas und die Materie zeigte nicht die geringste Neigung zu schmelzen.
»Da tut sich nichts!« brummte Nagel enttäuscht. »Dabei haben wir eine Temperatur wie im heißesten Teil eines Bunsenbrenners.«
»Das Knallgasgebläse!« befahl Walter Werndt. Seine Stimme klang durch die Kopfglocke entfernt, wie durch die Membran eines Fernsprechers.
Dumascu setzte den Apparat in Betrieb. Die Hitze steigerte sich unablässig. Das Meteor rührte sich nicht.
Werndt drehte die Leitung mit einem Griff ab. »Wir müssen den Ofen nehmen!« ordnete er an.
Nagel tastet schwerfällig in seinem dicken Anzug an dem Ofen herum.
»Da wird der Eisklotz wohl warm werden!« lachte er trocken. Sein Lachen erzeugte ein meckerndes Echo im Raum.
Dumascu drängte sich watschelnd nach vorn.
»Welche Temperatur gibt der Schlotsteinsche Ofen?«
»Sechs- bis zehntausend Grad. Allerdings eignet er sich nur für die kleineren Proben. - Ich beginne, meine Herren.«
»Müssen wir nicht in die Schutzkäfige?« fragte Dumascu besorgt.
»Zunächst noch nicht. Wo steht das Thermometer?«
»Zweitausendeinhundert Grad.«
Die Hitze steigerte sich mit jeder Minute. Das Bruchstück des Meteors lag dunkel im Tiegel und zeigte kein Leben.
»Dreitausend Grad!« knurrte Nagel. Der Gleichmut des Steines da machte ihn wütend. Hatte man dafür die ganzen Vorbereitungen getroffen, die Werndt-Stadt erbaut, so viel investiert? Millionen von Menschen warteten ungeduldig in dieser Stunde auf erste Berichte. Natürlich konnte ein erster Versuch nicht die vollständige Lösungen bringen. Es war nur ein Tasten, ein leichtes Sondieren. Doch was, wenn der Klotz da im Tiegel sie narrte? Wenn das ungewöhnliche Strahlungsspektrum eine ganz banale Erklärung hatte? Ein Stein, wie jeder andere? Nicht auszudenken war die Blamage...
»Dreitausendeinhundert!«
Werndt drückte kurz auf einen Schalter. »Dann müssen wir jetzt leider in unseren Käfig.«
Wackelnd und tastend schoben sich die drei Männer in den massigen Stahlschrank.
»Ich komme mir vor wie ein Paket Dollarnoten im Banksafe«, witzelte Nagel mit einem Versuch, seine Laune zurückzugewinnen.
Der Ingenieur schloss die klobige Türe hermetisch von innen. Durch ein fein einstellbares Teleskop beobachtete er das Verhalten der meteorischen Masse. Es hatte sich nichts verändert.
»Übernehmen Sie bitte die einfache Filmaufnahme, Dumascu. Und Sie, lieber Nagel, die ultrachromatische drüben.«
Die Assistenten stellten sich an die Scharten. Ihre Aufgabe war ihnen geläufig. Der Schmelzofen bot von allen drei Seiten aus Einblick in den glühenden Tiegel. Die Hitze stieg gleichmäßig weiter an.
»Viertausend!« machte Nagel. Die Konzentration des Ingenieurs nahm zu. »Der Meteor schmilzt«, stellte er ohne sichtbare Erregung fest.
Alle Augenpaare lagen gespannt an den Linsen. Ihre Hände arbeiteten mechanisch an Hebeln und Schaltern.
»Gut, dass die Gläser geschwärzt sind!« ließ Nagel sich vernehmen. »Die Siedehitze da vorn wäre sonst unerträglich für die menschliche Netzhaut.«
Die grauschwarze Masse des Meteorbruchstücks floss schnell auseinander, wie schmelzendes Eisen. Die brodelnde Suppe verdampfte allmählich und verlor sichtbar an Inhalt.
»Beobachten Sie nur das stets wechselnde Spektrum!« riet Werndt an der Linse. »Wie ein Kaleidoskopregenbogen.«
»Was schließen Sie daraus?« hakte Dumascu nach.
»Jedes Element hat sein bestimmtes Spektrum, eine Art Fingerabdruck, an dem es für Physiker erkennbar ist. Aus diesen Spektren konnten wir schon vor dem Absturz das Vorhandensein der uns bekannten Stoffe, wie Eisen, Nickel, Chrom, Platin und so weiter unzweifelhaft feststellen. Jetzt sehen Sie diese Stoffe einzeln den Schmelztopf verlassen, wie bei einer Parade. Ein Spektrum nach dem andern verschwindet, und zeigt damit, dass das betreffende Element schon verdampft ist. Dadurch erklärt sich die wechselnde Färbung.«
»Und was dann zurückbleibt?«
»Ist das, was wir suchen.«
»Siebentausend Grad!« staunte Nagel.
»Halt!« machte Werndt und presste sich dicht an das Fernglas.
Die Flüssigkeit hatte sich mit einem Schlag verändert. Die bisher dünnflüssige Masse wurde plötzlich breiartig, zäh, und stieß große Gasblasen aus.
»Jetzt!« kam es kurz. Die anderen fühlten, was Werndt damit meinte. Ihr Blut pulste schneller in stummer Erwartung.
Was würde sich zeigen? Was würde geschehen? Würde die Materie einfach verdampfen oder in einer gewaltigen Explosion verbrennen?
Werndt schaltete volle elektrische Kraft ein. Das Thermometer kletterte rasend schnell.
»Achttausend, achttausenddreihundert, achttausendfünfhundert, neuntausend...!«
»Aufpassen!« mahnte er nochmals. Es war nicht mehr nötig. Die Nerven aller waren zum Zerreißen gespannt. Wie eine tückische Bestie gleißte die breiige Masse im Schmelztopf...
»Neuntausend, neuntausendsechshundert...«
Die Substanz brodelte nicht mehr, jetzt war sie plötzlich ganz ruhig, drohend ruhig.
Nagel knurrte verwundert. »Warum verdampft denn der Rest nicht! Das Zeug da scheint ja alle Wärme zu fressen, die jetzt noch hinzukommt! Das muss doch verdampfen im offenen Tiegel!«
»Das letzte Gas ist - «
» - entflohen«, wollte Werndt sagen, kam jedoch nicht mehr dazu es auszusprechen. Eine gewaltige Explosion fuhr durch die Halle, dass der schwere Metallschrank im Innersten bebte. Der Ingenieur war unwillkürlich zusammengezuckt, obwohl er auf Explosionen der heftigsten Art gefasst war.
Aber er zwang das Auge sofort wieder an seine Linse. - Ein leiser Laut der Überraschung entfuhr seinen Lippen. Er drehte die Schrauben und zog seinen Kopf ein. Immer wieder schaute er nach draußen.
»Da sitzen wir jetzt also im Dunkeln«, lachte Nagel gelassen. »Das war nicht von Pappe. Respekt, alle Achtung!«
Dumascu zitterte heftig. »Die Explosion muss einen Stromausfall verursacht oder die Leitung beschädigt haben?«
Werndt gab keine Antwort. »Würden Sie bitte einmal hierherkommen, Nagel!« sagte er langsam mit einem seltsamem Tonfall. Der Jüngere tastete sich an das Rohr, sah hindurch und schob es beiseite.
»Das Rohr ist kaputt!«
»Nein.«
»Ich sehe doch gar nichts. Pechschwarz alles draußen.«
»Also Sie sehen auch nichts «, kam es zögernd. »Sehen Sie mich vor sich stehen?«
»Nein, es ist ja doch stockdunkel hier. Ägyptische Nacht.«
»Auch nicht hier meine Hand?«
Nagel verstand immer noch nicht.
»Nein. Nichts.«
»Ich halte sie vor Ihre Augen«, drängte Werndt leise.
»Und draußen sahen Sie auch nichts, obwohl ich von hier drinnen die Notbeleuchtung angeschaltet habe.«
»Wie? Draußen ist die Notbeleuchtung eingeschaltet? Dann muss die Leitung zerstört sein!«
»Sie ist völlig intakt. Ihr Apparat läuft noch. Ich höre ihn summen?«
»Stimmt!« musste er zugeben.
»Der Saal draußen ist beleuchtet und wir sehen doch nichts!«
Sekundenlang kam keine Antwort. Nur von Dumascus Platz war Stöhnen zu hören.
»Dann wären wir also blind?« fragte er bebend.
Nagel rieb sich mit der Wischfalte seiner Gasmaske verzweifelt die Augen. Nicht der geringste Schimmer von Licht traf die Netzhaut. Ein kalter Schauer strich ihm über den Rücken. Sollten sie wirklich erblindet sein? Es durfte nicht wahr sein!
»Nur raus hier!« war jetzt sein einziger Gedanke. Wie ein Rasender stürzte er sich auf die Radiophone, die den inneren Schrank mit dem Hauptbau verbanden.
»Ich habe es auch schon versucht«, klang es neben ihm auf. »Es kommt keine Antwort.«
»Aber was tun?« fragte Nagel verzweifelt.
Werndt schien nichts aus der Ruhe zu bringen.
»Zunächst die Nerven behalten. Blinde Panik nützt uns nichts.«
»Sind wir blind? Wirklich blind?« fragte Dumascu noch einmal.
»Es scheint so, doch kann ich‘s nicht glauben. Wir müssen es mit Sicherheit beweisen. Wo sind Sie, Dumascu?«
»Hier, in dieser Ecke.«
»Wo ist Ihr Kinoapparat?«
Der Bulgare tastete nach Werndts Schultern und zog ihn durchs Dunkel. Tastend orientierte er sich an den Drähten des Apparates.
»Wir müssen versuchen, irgendein Licht, einen elektrischen Funken hier innen zu erzeugen. Wenn wir dann auch nichts sehen...« Er sprach nicht zu Ende.
Alle fühlten die Beklemmung in sich aufsteigen.
Werndt versuchte im Dunkel das Kabel zu fassen und folgte ihm bis an die Polklemmen abwärts. Die imprägnierten Handschuhe schützten ihn vor einem elektrischen Schlag.
Mit großer Anstrengung bog er die Drahtenden langsam zentimeterweise zusammen, näher und näher. Es war totenstill in der finsteren Kammer. Heiße Pupillen warteten nur auf einen einzigen schicksalsentscheidenden Lichtblitz.
Da schrien sie alle zu gleicher Zeit auf. Ein blendender Funke sprang knatternd herüber. Ein erlösendes Aufatmen war die Reaktion.
Der Ingenieur ließ die Drähte auseinander. »Wir sind also nicht blind! Und trotzdem ist es dunkel da draußen im Saal«, sagte er erleichtert. Erst am Klang seiner Stimme erkannte sein Schüler, was dieser Mann in den letzten Minuten durchlebt haben musste.
Das Rätsel dieses Meteoriten wollte er mit aller Macht lösen, eine Blindheit hätte dieses Lebensziel gänzlich zunichte gemacht, ihn zur Untätigkeit verdammt. Der Gedanke an den Tod konnte ihn wohl kaum erschrecken, zu oft hatte er ihm schon ins Auge gesehen. Aber erblinden - erblinden -, bevor er am Ziel war! Zurücktreten müssen vom Schauplatz des Forschens, jetzt, wo sich das Dunkel zum ersten mal teilte!
Nagel schämte sich plötzlich vor dem Chemiker da drüben. Schämte sich der egoistischen Furcht ums eigene Leben. Was war denn er und sein Schicksal gegenüber jenem Genie!
Mit unendlicher Erleichterung fasste er nach der Hand seines Lehrers.
»Gott sei Dank!« sagte er innig. »Sie sind nicht erblindet!« Werndt gab ihm die Hand, doch er zeigte keine Gefühlsregung. Er hatte seine Aufmerksamkeit wieder dem Schmelzofen zugewandt und stimmte nicht ein in den Jubel der anderen. Schon witterte er ein neue drohende Gefahr.
Dumascu zog an seinem Schutzanzug. »Schrecklich heiß ist es in dieser Bude!«
Nagel horchte unwillkürlich auf. Erst jetzt bemerkte auch er, wie die Hitze ihm zusetzte.
»Heiß? Unsere Anzüge sollten uns doch gegen die Wärme so gut isolieren dass wir hunderte Grad ohne jede Beschwerde - «
Werndt fiel ihm ins Wort.
»Also muss die Temperatur im Laboratorium draußen inzwischen so hoch sein, dass wir sie trotz allem hier drinnen schon fühlen. Eine ungeheuere Hitze - «
»Sehen Sie! Sehen Sie!« schrie der Bulgare. Die beiden Anderen hatten es auch schon bemerkt. Im Dunkel der Wand wurde langsam ein rosiges Leuchten sichtbar und wurde schnell stärker. Feste Konturen schnitten sich tiefer und tiefer ins Schwarz ein.
»Die Fenster!« rief Nagel voller Entsetzen.
Unverkennbar begannen die Fenster der Kammer zu glühen. Zuerst die Metallteile, dann auch die Scheiben, immer deutlicher, erst dunkel, dann hellrot flammend -
»Das Glas - diese Hitze!« staunte Dumascu fassungslos.
»Sie müssen mindestens tausend Grad haben - sie sind imprägniert!
»Sie glühen nur innen. Außen ist es dunkel!«
Mit wachsendem Grauen verfolgten die Männer den Anstieg der Hitze, das wachsende Glühen. Noch waren sie durch die isolierenden Anzüge einigermaßen geschützt. Aber alle waren sich schaudernd bewusst, was ihnen bevorstand, wenn draußen die Hitze noch mehr zunahm. Die glühenden Fenster waren eine deutliche Drohung. Zunehmend verbreitete sich dieses Leuchten auch auf die Wände und Decke der Kammer.
Was würde geschehen, wenn sie einmal schmolzen? Dehnten sich doch schon die armdicken Fensterscheiben und bogen sich einwärts wie Gummi. Was dann, wenn das Gas, das den Raum draußen füllte und dort alles Licht verschluckte, in ihre hermetische Kammer eindrang?
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