Kitabı oku: «Panik», sayfa 2

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Monate waren seit der ersten Entdeckung vergangen. Monate fieberhaften Betriebs für alle Sternwarten der Erde. Jedes verfügbare Objektiv war auf die blendende Scheibe der Sonne gerichtet: Die weltberühmten Instrumente der Michigansternwarte, wie das kleinste Fernrohr der zahllosen LiebhaberAstronomen. Leuchtend klar, wie ein Hohn für die Menschen, lachte der ewige Lichtball von oben. Die Sommerhitze brannte entsetzlich. Die Augenärzte schwelgten in Hochkonjunktur. Jeder wollte der Wiederentdecker des Punkts sein. Das Wettrennen riss auch die Nüchternsten mit sich. Große Preise der führenden Presse waren der nicht mehr versagende Antrieb. Das unbeteiligte Publikum hatte die erste Notiz voller Gleichmut gelesen. Was ging es der Punkt an. Jetzt aber war es dabei, voll verbissenem Eifer und fast ohne zu wollen, mitschwimmend im Taumel. Die Fernrohre stiegen fast täglich im Preis, und was zuerst nur ein exotisches Hobby schien, war Jagd nach Millionen, das Glücksspiel der Armen.

Außer den beiden ersten Entdeckern, der Michigansternwarte und jenem Don Ebro, hatte sich noch ein Forscher aus Oxford mit ähnlichen Daten gemeldet. Sonst war auf der ganzen verschlafenen Welt die große Entdeckung verborgen geblieben. Der Laie begriff diese Tatsache schwer. Doch wer im Betrieb einer Sternwarte stand, nahm dieses Versagen fast gleichgültig hin. Seit Jahrzehnten war die Erforschung des Himmels ein Schachspiel am Schreibtisch der Sternwartendirektoren geworden. Sternwartengelehrte rühmten sich selbst, seit Jahren kein Fernrohr angefasst zu haben. Für viele Gelehrte war Geburt und Sterben der kosmischen Welten nur noch eine Rechnung, ein Integralrebus mit Formeln und Wurzeln. Und die Assistenten der Großinstitute ermüdeten durch ihren reizlosen Tagdienst und wurden Statistiker, Handlanger, Träumer.

Naturgemäß gab es auch Zweifler und Neider. Man erinnerte an die zahlreichen Sinnestäuschungen früherer Jahrzehnte. Man wies mathematisch und logisch Undenkbarkeit nach. Selbst die Witzblätter nahmen den dankbaren Stoff auf. Der Possenrefrain: »Du siehst schwarze Punkte - du bist wohl verrückt!« wurde ein geflügeltes Wort in allen Sprachen der Welt.

Neue Theorien wurden heftig und laut in der Presse von mehr oder weniger anerkannten Fachleuten diskutiert. Im Gegensatz dazu verhielten sich die wahren Entdecker schweigend. Der Brite aus Oxford war selbst kein Fachmann und wollte sich in diesem Punkte nicht äußern. Der Forscher Don Ebro war spurlos verschwunden. Auch in Valparaiso war nichts zu erfahren. Man kannte weder den Mann noch seine Warte. Man wusste dort nur von der Sternwarte Nagels. So hing an den Fotos der Michiganwarte die ganze Beweislast. Ihr Ruf war die Säule des ganzen Gebäudes.

Die Michigansternwarte schwieg aber weiter. Professor Earthcliffe war unerreichbar für jeden Reporter und schloss sich oft tagelang hintereinander ins Schreibzimmer ein, wo er nur mit Zahlen jonglierte. Trotzdem geschah einiges auf der Warte. Der fotographische Refraktor samt Kamera und Kinoapparat lief den ganzen Tag automatisch dem Sonnenball nach. Große Beobachtungsgenauigkeit war hierzu nicht mehr nötig. Eine Aufnahme in jeder Sekunde genügte vollkommen, das schwarze Objekt nicht entwischen zu lassen. Sofern man es antraf. Sofern...

So erhielt man an lichtklaren Tagen bis zu 30.000 Sonnenaufnahmen. Die Filmstreifen schlangen das Geld und die Arbeit, jedoch tagtäglich erfolglos. Der Haarschopf des kleinen Professors schien dünner und dünner vom Zupfen zu werden. Herr Wepp machte mürrisch die tägliche Meldung. Der Punkt blieb verschwunden, ein offenes Rätsel.

Nach etlichen Monaten öffnete Earthcliffe eines Morgens sein Zimmer, ging quer durch das Herbstlaub der Gartenanlagen zum Sternenturm hinüber und sah stumm und sinnend den Aufnahmen zu. Eine Stunde später gab er ohne lange Erklärung den kurzen Befehl, alle weiteren Nachforschungen einzustellen, durch das Telefon, klanglos.

Ein befreites Aufatmen lief durch den riesigen Steinbau. Die Fernrohre zogen die Ringleiber ein. Die gigantische Kuppel des Sonnenturms schloss sich. Die Michigansternwarte, Stolz und Hoffnung der Astronomen, sank lautlos in Schlummer, dem Meister gehorchend.

Professor Earthcliffe selbst zog sich ganz in sein seltsames Zimmer zurück. Tag für Tag turnte er vor seiner schillernden Tafel verzweifelt herum, rannte, die Haare raufend, durch das Labyrinth der unheimlichen Möbel, oder saß unbeweglich, im Denken erstarrt, vor den ewigen Rätseln der sternklaren Nacht.

Tiefe Falten durchliefen die Stirn; scharf und kantig stand der gekniffene Mund. Schweigsam, in sich gekehrt, kam er mittags zu Tisch. In stummen Gedanken versunken, nahm er lustlos sein Mahl ein.

Auf die besorgten Fragen der Tochter gab der Professor nur wie abwesend Auskunft. Das freundliche Lächeln, zu dem er sich zwang, die väterlich liebevolle Geste, mit der er der Tochter das Haar strich, geschah wie im Schlaf, starr, mechanisch und matt.

»Es stimmt etwas nicht!«, war sein einziger Satz. »Etwas stimmt dabei nicht. Etwas stimmt dabei nicht!«

Mabel kannte den Vater zu gut, und sie fragte nicht mehr. Sie nahm die Angelegenheit weniger ernst, machte sich aber Sorgen um den Vater. Aufgrund des höhnischen Punkts konnte auch sie die sonnigen Tage nicht mehr unbeschwert genießen.

3

Professor Earthcliffe warf die Logarithmentafel voller Wut auf den Tisch.

»Kreis und Rechteck! Ich werde wahnsinnig von diesem Warten! Herein! Heraus!«, brüllte er wie ein Tobender, als es vorsichtig klopfte.

Durch den Spalt schob sich ängstlich der Kopf eines Dieners.

»Wer ist da! Was gibt es? Potz Wurzel aus dreizehn. Ich will meine Ruhe! Ruhe!«

Der Diener schwenkte erklärend die Hände. Vorsichtig wie ein Ei legte er eine weiße Karte auf den nächsten erreichbaren Tisch und sprang verängstigt zur Tür.

Mit beiden Fäusten fuhr der Alte hoch. »Besuch? Jetzt Besuch?! X, y durch Beta!«

Der Diener wollte nur schnell aus dem Zimmer. Mit hilflosem Laut wies er auf die Karte und floh aus der Höhle des Löwen. Ein kantiges Lineal schmetterte hinter ihm gegen die Tür. Ein flüchtiges Lachen lief über die Züge des kleinen Direktors. Sein Zorn war plötzlich verraucht, jetzt siegte die Neugier. Mit langen Schritten schob er sich zwischen den Sesseln hindurch und griff nach der Karte.

Ein leiser Schrei der Überraschung, wie ein Pfiff, zwängte sich durch die gekniffenen Lippen. Dann stand er mit einem Satz zwischen der Tür.

»Wilkins! Wilkins! - Ist dieser Feigling schon fort?«

»Oh, ist nicht so schlimm!«, kam es lachend zurück. »Ich komme schon selbst.« Auf der Schwelle stand ein schlanker junger Mann, sportlich elegant gekleidet. Energie und Selbstbewusstsein strahlten aus dem jugendlich blonden Gesicht.

Earthcliffe starrte den Ankömmling an und wich stumm zurück.

Der Jüngere schloss ohne Zögern die Tür mit flüchtigem Gruß.

»Mein Name ist Dr. Nagel«, sagte er kurz.

Der Direktor wollte erwidern. Er war jedoch so überrascht, dass er nur ein zweifelndes »Dr. Nagel?« stammelt konnte.

Der Fremde sah sich staunend im Zimmer um. »Donnerwetter - das ist originell! Sehen Sie, Herr Professor, genau so hatte ich Sie mir vorgestellt. Auch, dass Sie mich gleich vor die Tür setzen wollten, passte ganz ins Programm. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Ihr Idyll so jäh stören muss, aber sonst werden wir beide todsicher verrückt durch den dämlichen Punkt.«

Der Alte gewann seine Fassung zurück. «Gestatten, Prof. Earthcliffe«, sagte er barsch und wies leicht auf den Stuhl. »Bitte, nehmen Sie Platz!«

»Kann man das denn auf diesem Dings ohne Lebensgefahr?« lachte Nagel zurück.

»Ja, wie bequem!« Die Mundwinkel des Professors zogen sich angespannt herab, als unterdrücke er krampfhaft ein freundliches Wort.

»Also Sie sind der Herr, der uns durch seine Fixsternentdeckung blamiert hat?«

In die Züge des Jungen trat leichtes Erstaunen. »Blamiert? Wieso? Einer musste doch die Sache entdecken. Bei mir war es Zufall, mein ständiger Dusel. Die Berechnungen, das einzig Wertvolle an der ganzen Geschichte, die haben doch Sie dann gemacht.«

»Und der wissenschaftliche Ruf der Michigansternwarte? Wenn ein Amateur den besten Instrumenten überlegen ist?«

»Daran hatte ich gar nicht gedacht. Also, auf ein Wort, Herr Professor, der Gedanke ist mir ganz neu. Von Ihrem Standpunkt als Gelehrter - ja, das tut mir aufrichtig leid. Ich fühle mich gegen Ihr Wissen so namenlos klein...«

Earthcliffe wehrte einlenkend ab. »Erfolg ist Erfolg.«

»Sage ich auch, doch für mich ist das alles nur Sport, Spiel, Liebhaberei.«

»Ja, Potz Wurzel aus vierzehn! Das ist es ja eben! Ein Spiel mit dem Kosmos! Bin ich denn Jongleur?!« Dr. Nagel ging herzlich zu Earthcliffe hinüber.

»Verzeihen Sie bitte, verehrtester Meister. In diesem Leben will ich gewiss keinen Fixstern mehr finden.« Ein gesundes Lachen begleitete seine Worte.

»Also Pakt, ich verspreche es. Dafür jetzt meine Bitte.«

Das Gesicht des Gelehrten brannte jetzt vor Spannung und Neugier.

»Sehen Sie, Herr Professor, wir beide sind wieder einmal Konkurrenten geworden. Sie aus wissenschaftlichem Ehrgeiz, Pflicht, Beruf oder dergleichen. Ich aus Sport, Leidenschaft, Sensationsbedürfnis, wie Sie es wollen. Der verdammte schwarze Punkt vor der Sonne lässt uns beide nicht ruhen.«

Earthcliffe stieß schweigend den Flügel des Fensters zurück und wies auf die geschlossene Kuppel des Sternwartengebäudes, die im Sonnenlicht blitzte.

Dr. Nagel sah offen in des anderen Blick. »Stimmt, das hatte ich auch schon gesehen. Die Fernrohre ruhen, und drüben im Gebäude schläft man vielleicht. Doch ein Earthcliffe schläft nicht, ebensowenig wie ich. Wenn es noch länger so bleibt, sind wir beide bald reif...« Er machte eine bezeichnende Geste und ging durch das Zimmer.

Der Blick des Professors verfolgte ihn scharf, doch nicht ohne Wohlwollen. »Angenommen, es wäre so«, nickte er ruhig, »was veranlasst Sie dann...«

»... jetzt zu Ihnen zu kommen, wollten Sie sagen. Nur die Erkenntnis, dass wir beide uns gegenseitig leicht helfen könnten. Ich denke dabei an den Sport. Sieger bleibt meist nicht der Stärkste. Sieger wird, wer das Glück mit dem Können vereint. Ich bin in der Astronomie Amateur, Stümper, Dilettant. Meine Instrumente reichen nicht annähernd aus. Sie sind zur Zeit der fähigste Kopf, den die Erde besitzt, neben Werndt, diesem begnadeten Physiker. Sie haben die besten Instrumente zur Hand. Beides fehlt mir zum Sieg, nur das Dritte ist mein.«

Earthcliffe lächelte kühl. »Und das wäre, mein Herr?«

»Das Glück, Herr Professor! Der unverdiente Dusel, ohne den man kein Rennen gewinnt. Und den habe ich schon von Kindesbeinen an! Ihnen fehlt er bestimmt. Was Sie sich durch mühsames Forschen verdienen, was Sie durch Ihr phänomenales Wissen dem Kosmos stückweise abringen, das fällt mir, dem Glückskind, kampflos in den Schoß. Jeder allein kommt bei dem schwarzen Phantom, das uns narrt, nicht zum Ziel. Ihnen fehlt der Dusel, mir fehlt das Wissen.« Mit einem Ruck stellte er sich vor den kleinen Direktor.

»Ich kam hierher, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Stellen Sie mir eine Zeitlang Ihre Instrumente zur Verfügung. Lassen Sie mich einige Wochen als Hilfskraft hier wirken. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir beide zusammen den höllischen Punkt nicht zur Strecke brächten.«

Earthcliffe zog seine Hand leicht zurück und strich sich damit durch das glatte Gesicht.

»Sehr interessant!« meinte er mit erkennbarem Spott. »Wie Sie selbst sagen, sind mein Wissen und meine Instrumente anerkannte und unbezweifelte Größen. Faktoren, mit denen man rechnen kann. Was Ihren soeben behaupteten Dusel betrifft, so...«

»... steht er ebenso fest. Dass ich kürzlich den neuen Fixstern entdeckte, ist Ihnen bekannt. War das etwa kein Dusel? So geht es mit allem. Das werden Sie ebenso sicher erkennen, wenn ich erst bei Ihnen hier einige Zeit...«

Der Blick des Gelehrten war kühl und ironisch.

»Ich bedauere lebhaft, dass ich voraussichtlich keine Gelegenheit haben werde, Ihren kostbaren Dusel...«

Er unterbrach sich und horchte. Im gleichen Augenblick klopfte es kurz an der Tür. Stürmisch und erregt trat Mabel ins Zimmer und begrüßte den Vater. »Verzeih, Papa, du hast ja Besuch, da störe ich wohl nicht. Denke dir, was meinem Hund Presto geschehen ist!«

Erst jetzt wandte sie sich dem Gast zu. Eine helle Röte der Überraschung flog über das süße Gesicht bis tief in die Schläfen. »Aber - ja - nein, das ist doch! Da sind Sie ja selbst!« Ihre Augen leuchteten. Sie reichte dem Doktor die Hand.

Der junge Mann drückte ihr herzlich die Hand und lachte.

»Also muss es wohl sein.«

Der kleine Direktor sah stumm auf die beiden und zupfte nervös an seiner Haarsträhne. »Du kennst Dr. Nagel?«

Sie schlug überrascht ihre Hände zusammen. »Sie sind Dr. Nagel? Doch nicht Valparaiso? Ja, das ist doch zu toll, Pa!« Sie legte den Arm um die Schulter des Vaters.

»So denke dir den Zufall! Ich gehe vorhin mit Miss Mail und Prestol die Lafayettestraße hinunter. Neben dem Denkmal Mac Leans stand wartend ein Auto, ganz weiß. Ein solches Modell, habe ich hier vorher noch nie gesehen. Plötzlich bemerke ich Presto mitten auf der Straße, der einen Ölfleck beschnuppert. Im gleichen Moment rast um die Ecke ein anderes Auto, sieht den Hund, hupt, versucht zu bremsen, zu spät. Der Hund ist verwirrt, macht einen Satz, fast ins Auto hinein. Da steht dieser Herr wie ein Blitz vor dem Tier, reißt es hoch, springt zurück, wird vom Schutzblech gestreift - die Gefahr ist vorbei. Ich atmete auf. Presto hatte nur eine leichte Verletzung am Bein, sein Retter einen Riss im Jacket. Der Herr war so freundlich, uns in seinem Wagen zum Tierarzt zu fahren. Dann war er verschwunden, bevor ich mich bedanken...«

»Ich musste ja Ihren Herrn Vater besuchen.«

»Und jetzt ist er hier und heißt Dr. Nagel! Ist das denn nicht köstlich?« Sie lachte herzlich und dankbar.

»Das ist doch ein närrischer Zufall!«

»Nur Dusel!« verbesserte Nagel. »Mein ewiger Dusel. Und doch will Ihr Vater mir das nicht glauben.«

Auf dem schmalen Gesicht des Gelehrten lag freundliche Duldung. »Es scheint fast, Sie haben ihn wirklich, Verehrter. Allein, mit dem Dusel fängt man wohl die Sonne, doch kaum schwarze Punkte. Jeder sollte doch bei seinen Leisten bleiben. Nur der Dusel macht‘s auch nicht. Im übrigen, lieber Herr Doktor, hat wohl meine Tochter den lebhaften Wunsch, dem Retter ihres Lieblings ein wenig zu danken. Wir würden uns freuen, Sie heute Mittag als Gast zu begrüßen. Kommen Sie mit! Es wird Zeit, an den Magen zu denken. Sie brachen hier ein wie ein Sturmwind. Ich fühle, potz x, wirklich etwas wie Hunger. Zum ersten Mal wieder - seit endlosen Wochen!«

4

Professor Earthcliffe wehrte sich vergebens gegen die Einsicht, dass ihm Dr. Nagel gefiel. Der Optimismus und die pure Lebenskraft, die von ihm ausgingen, nahmen auch seinen Willen im Sturmlauf gefangen. Er überraschte sich bei der Mahlzeit selbst dreimal beim herzlichen Lachen. Das war seit dem Auftauchen des höllischen Punkts vor der Sonne hier nicht mehr geschehen. Miss Mabel war auch wie befreit und hing mit dem strahlenden, staunenden Blick an den Lippen des lebhaft erzählenden Nachbarn.

Die haarsträubenden Erlebnisse seiner letzten Tigerjagd hörten sich in seiner Schilderung an wie ein Spiel. Nur ein leises, wohliges Gruseln blieb bei den Hörern zurück.

Dr. Nagel hob lächelnd den feinen Kristall und schlürfte mit stillem Genuss den Wein. Enttäuschung und Schwermut der letzten Wochen rückten langsam in den Hintergrund.

»Und sehen Sie, so war es noch immer. Was ich unternahm, was ich auch gewagt habe - der Dusel, mein unglaubliches Glück war dabei. Schon bei meiner Geburt. Ich kam als ein Zwilling zur Welt. Der andere Zwilling war ein Mädchen. Ich wurde der Mann.«

»Und das nennen Sie Glück?« warf sie scheinbar empört ein.

»Etwa nicht?« Er lächelte sie an und richtete sich auf.

»Mann sein! Gibt es etwas Schöneres auf dieser Welt? Könnte ich sonst hier auch an Ihrer Seite den Zauber des weiblichen Wesens empfinden?«

Mit scherzhafter Drohung hob sie die Hand. Sie war rot geworden, ganz gegen ihre Gewohnheit, und sah schnell etwas verlegen am Stuhl ihres Nachbarn vorüber. »Sie machen sich über mich lustig.«

Earthcliffe erhob sich gelassen. Der Diener reichte Liköre auf Eis und zog sich zurück. Eine Pause entstand. Dr. Nagel sah kurz auf die Uhr. Er wurde ernst.

»Ihre Zeit ist knapp, Herr Professor. Ich darf sie nicht länger missbrauchen. Auch mich ruft die Pflicht. Ich habe Ihnen heute morgen einen Vorschlag gemacht. Ich erbitte die Antwort.«

Von den Lippen des Sternwartendirektors verschwand das behagliche, schmunzelnde Lächeln. Seine Stirnfalte trat leise drohend hervor. »Ich glaubte den Scherz schon erledigt. Potz Wurzel. Was zwingt Sie zur Jagd nach dem Punkt vor der Sonne?«

»Mein sportliches Ehrgeiz, wenn Sie so wollen. Was ich einmal angefangen habe, das führe ich auch zum Ende. Hätte ich nicht eine Aufgabe mit diesem Punkt zu erfüllen, so hätte ich ihn nicht als Erster gesehen. Warum trieb das Schicksal mir das wieder zu?«

Earthcliffe griff überrascht nach der Lehne des Sessels. »Ihnen zu? Sie als Erster? X Wurzel aus zehn. Diesmal klappte es doch nicht. So was nenne ich Pech. Sie wohnen zwar mit dem Entdecker Don Ebro zusammen in der gleichen Stadt, aber er entdeckte ihn zuerst. Sie sahen nichts!« Er sah starr zum Sessel des Jungen hinüber.

Dr. Nagel rieb vor Lachen die tränenden Augen. »Don Ebro? Don Ebro? Das ist ja zum Heulen. Verzeihen Sie bitte, verehrtester Meister. Das ließ sich der wackere Don Ebro nicht träumen.«

Verdutzt fragte Earthcliffe kühl: »Und darf ich um eine Erklärung bitten? Was ist denn daran so lustig?«

Der andere zwang sich zu ruhiger Antwort. »Sofort, Herr Direktor. Da - kommt die Erklärung.« In der Tür stand, von dem Diener geführt, ein Mann, lang und hager. Den Kopf hatte er hoch erhoben, starr und steif und voll Würde. Den Fuß schob er wie zum Tanz leicht nach vorne. In seinem unbeweglichen Faltengesicht rollten lebhaft blitzende Augen. Auf den verschränkten Armen trug er einen schneeweißen Terrier. Ein Beinchen des Tiers war in Leinen gewickelt. Es winselte leise im Griff seines Trägers.

Dr. Nagel ging einen Schritt auf ihn zu.

»Gestatten Sie, Herr Professor: mein treuer Diener, Don Ebro da Gama, ein Spross stolzer Spanier. An dem fraglichen Tage der Sonnenbetrachtung gab ich ihm den Auftrag, die Meldung zu funken. Ich selbst musste fort. Die Tigerjagd, über die ich schon berichtet habe, rief mich. Don Ebro gab meine Funkmeldung auf und unterzeichnete gleich mit dem eigenen Namen.« Wieder zuckte es um seinen Mund.

Die Gestalt in der Tür zog langsam den Fuß an und schloss ihre Hacken.

»Señor Dr. Nagel hat leider das Unglück, einen Namen zu tragen, dem Würde und Klang fehlen. Ich war als sein dienender Mitmensch verpflichtet, ihm diesmal den Klang meines eigenen Namens zu leihen...«

Das starre, nur von seinen Augen belebte Gesicht stand wieder in Falten. Der Fuß schob sich langsam um Handbreite vorwärts, als ginge es zum Tanz.

»Esel!« zischte der kleine Direktor in seiner Enttäuschung.

Mabel nahm ihm den Hund zärtlich ab und trug ihn zum Diwan. »Ich danke Ihnen«, sagte sie freundlich und drückte dem Mann eine Belohnung in die Hand.

Don Ebro hob würdig die magere Hand in die Höhe und legte den Schein auf die Platte des Tisches. »Don Ebro nimmt niemals Geschenke, Señorita. Hilfsbereitschaft ist selbstverständlich für einen Edelmann.«

Verlegen und unschlüssig suchte Miss Mabel die Unterstützung des Doktors. Er winkte ihr heimlich mit lachenden Augen. Don Ebro entfernte sich, würdevoll grüßend.

Earthcliffe lief heftig erregt durch das Zimmer. Seine Finger nestelten ununterbrochen die Haarsträhne nach unten. Plötzlich blieb er vor Nagel stehen und wippte auf den erhobenen Zehen.

»Herr!« krähte er wütend, »dann sind Sie der erste Entdecker gewesen?«

»Ich hatte den Dusel!«

»Herr, bleiben Sie mir mit Ihrem Dusel vom Leib! Potz Wurzel aus dreizehn, das kann nur mit dem Teufel zugehen! Wollen Sie etwa aus Sport einem Earthcliffe ans Leder? Wollen Sie mir meine Sterne abjagen, weil es Ihnen Spaß macht?«

Wie ein fauchender Löwe lief er durch das Zimmer. Mabel legte ihm zärtlich die Hand auf die Schulter.

»Er war doch kaum eine Sekunde voraus!«

»Was? Eine Sekunde? Zwei hundertstel nur! Das ist schon genug! Potz und Wetter, zum zweiten mal ist meine Sternwarte dadurch...« Mit einem Ruck blieb er vor Nagel stehen, den baumelnden Haarschopf in der zitternden Hand.

»Herr, Offenheit will ich! Was haben Sie vor? Warum sind Sie trotz allem zu mir gekommen?«

Der Jüngere wich seinen Blicken nicht aus. »Weil wir einzeln die Lösung des Rätsels nicht finden. Es stimmt etwas nicht!«

»Was?!« schrie Earthcliffe auf. »Was sagten Sie da?«

»Es stimmt etwas nicht. Das steht für mich fest. Ich bin kein Gelehrter vom Bau, so wie Sie. Ich fühle das nur. Dieser Punkt ist und wird kein normaler Planet.«

Mit beiden Händen stützte sich der Direktor auf die Lehne des Stuhls. Seine Lippen bewegten sich angstvoll, verwirrt. »Herr, Herr, wie kommen Sie zu diesem Schluss? Was mich in all diesen Wochen verfolgt hat, was ich durch Zahlen und Rechnungen herausfand... Wie kommen Sie blutiger Laie dazu, das hier auszusprechen, was ich nur geahnt habe? Wer hat Sie auf dieses Geheimnis gebracht?«

»Allein mein Gefühl. Oder, obwohl Sie es nicht wollen, mein Dusel. Darf ich jetzt bei Ihnen bleiben, Herr Earthcliffe?«

»Mann, gehen Sie mit Ihrem Dusel zum Teu...!«

»Also auf zur Stermwarte! Ich bedanke mich herzlich für die Mahlzeit und die bezaubernde Gesellschaft. Die Arbeit ruft!« unterbrach ihn der Junge.

Verdutzt sahen Vater und Tochter sich an. Die Tür fiel ins Schloss. Von unten klang zweimal die schrille Sirene. Mabel sah schnell hinab.

»Pa, er schickt seinen Wagen zurück und geht selbst zum Turmhaus.«

Die kritische Miene des Professors erhellte sich. Ein seltsamer Schimmer der tiefblauen Augen verjüngte sein strenges, zergrübeltes Antlitz. Gelassen strich er sich eine Haarsträhne aus dem schmalen Gesicht.

»Ich glaube, es ist vergeblich, dem Jungen etwas verbieten zu wollen. Er muss seinen Weg gehen. Er ist wie das Glück, wie die Jugend, das Leben...« Mit einem nachdenklichen Lächeln ging der Alte zur Arbeit.

Mabel stand stumm an das Fenster gelehnt und presste sich tief in den schweren Vorhang.

Ein leichtes Knirschen schreckte sie hoch. Die Tür zum Flur flog wie vom Wind bewegt auf. Eine schwarze Gestalt stand erstarrt auf der Schwelle. Den Fuß eine Handbreit nach vorne geschoben, als wolle er tanzen. Mit eckigem Schritt ging Don Ebro zum Tisch, nahm würdevoll das erst verschmähte Geschenk und strich mit der Hand jede einzelne Note glatt. Dann glitt er hinaus wie ein drolliger Spuk...

Da überkam es Mabel wie ein Sturm. Weit reckte sie ihre schlanken Arme in den sonnenbeschienenen Vorhang empor, die leuchtenden Augen voll Sehnsucht und Licht...

»Er ist wie das Leben, wie Jugend, wie - Glück!«

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
160 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783945574591
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